Nummer 32

(Enztalbote)

Amtsblatt für Mldbad. Chronik und Anzeigenblatt

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Fernruf 179

Wildbad, Montag, den S. Februar 1925

Fernruf 179

60. Jahrgang

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Sterbendes Land

Wer heute das vor elf Jahren noch blühende Land zwi­schen Oder und Przemsa wiedersiehk, ist erschüttert. Die seit dem Genfer Schiedsspruch endgültig mitten durch das ober­schlesische Industriegebiet gezogene Grenze hat nicht nur in politischer Beziehung zwei völlig getrennte Welten geschaffen. Jeder aus deutschen Kulturgebieten Kommende empfindet er­schauernd, daß jetzt unmittelbar vor den Toren Beuthens Asien beginnt. Und damit auch die asiatische Steppe, die große Einöde. Darüber täuscht auch das schillernde Leben, die gegenüber preußischer Zeit womöglich noch glänzendere Fassade der neuen oberschlesischen Hauptstadt Kattowitz nicht hinweg. Denn selbst diese Stadt, auf die sich alle Fürsorge Warschaus konzentriert, die mit allen erdenklichen Mitteln zur polnischen Kulkurmetropole umgestaltet wird, gleicht einer Schwerkranken, hinter deren aufgelegtem Wangenrot der Verfall wükA. Und dies nach drei Jahren Fremdherrschaft; wie wird das Bild nach einem Dezennium sein?

Zunächst schien es allerdings, als ob alle deutschen Be­fürchtungen über das Schicksal Ostoberschlesiens Lügen ge­straft werden sollten. Es ging der Bevölkerung selbst der deutschen wenigstens in wirtschaftlicher Hinsicht ungleich besser als den bei Deutschland Berbliebenen. Das war, als die Mark ins Bodenlose sank und die polnische Währung fast als Edelvaluta gelten konnte. Aber der Traum war unwiederbringlich dahin, nachdem das Wunder der Ren­te n m a r k geschah. Und heute: Der Sloky wird nur durch einen selbst für unsere Begriffe unerhörten Steuerdruck stabil erhalten. Dieser aber verteuert an sich schon die Pro­duktion in einer Weise, daß selbst beim Wegfall aller poli­tischen Hemmungen die Konkurrenz auf dem Weltmarkts aussichtslos wäre. Und so ist es gekommen, nachdem das natürliche deutsche Absatzgebiet zum größten Teil wegfiel, daß die Förderung zurückging, die Hütten ihre Feuer lösch­ten, die Arbeitslosigkeit gefahrdrohend stieg und damit die allgemeine Not. Dazu kam der aus nationalen Gründen von der Warschauer Regierung geförderte Zuzug kongreßpolni­scher und galizischer Elemente, die zwar deutsche Arbeiter und Beamte von ihrer Arbeitsstätte vertreiben, den gestörten Gang der Wirtschaftsmaschine aber nicht in Ordnung bringen konnten.

Die wirtschaftliche Lage in Polnisch-Oberschlesien ist heute trostlos. Es zeigt sich, daß die Rechnung total falsch war, die von den Bodenschätzen allein befreit von den Lasten des Versailler Vertrags, befruchtet durch belgisch-französi­sches Kapital eine unerhörte Blüte erwartete. Der Be­weis ist erbracht, daß Ostoberschlesien, woran Wirtschaftler mit klarem Blick nie zweifelten, bei der Uebersätkigung Po­lens mit natürlichen Reichtümern, insbesondere mit Kohlen, nur in engster Wirtschaftsgemeinschaft mit dem übrigen Schlesien und mit Deutschland gedeihen kann. Die gesamten polnischen Kohlenvorkommen werden auf mindestens zwei­hundert Milliarden Tonnen geschätzt. Die geringe Industrie Ostoberschlesiens benötigt nur einen Bruchteil der möglichen Förderung. Es wäre natürlich denkbar, aus Polen einen der ersten Industriestaaten Europas zu machen, wenn Deutsche oder Engländer das Land bewohnten. So aber reicht weder das Organisationsvermögen des in wildester Herrschaft verstrickten Landes, noch die Leistungsfähigkeit der kulturell minderwertigen Bevölkerung aus, auch nur das Ueberkommene zu erhalten. Und auf diesem Gebiet ist eine Besserung nicht zu erwarten, so daß die Pläne immer mehr Gestalt annehmen, die auf die Verlegung der noch in deutscher Hand befindlichen verarbeitenden Industrien nach Niederschlesien abzielen. Ob allerdings hierzu die vom polnischen Fiskus ausgeplünderten Betriebe die finan­zielle Kraft noch aufbringen werden, ist eine andere Frage.

Die Warschauer Regierung hak Ostoberschlesien eine eigene parlamentarische Verfassung gegeben, mit einem Wojewoden an der Spitze. Das aber ist auch nur Blend­werk. Denn der Wojewode ist ein von der Zentralregierung abhängiger Beamter. Er muß ihre Befehle ausführen und infolgedessen selbst wenn er dies von sich aus nicht wollte die Warschauer deutschfeindliche Politik treiben. Hierin liegt die Quelle des ganzen Elends, das zur Katastrophe drängt. Man sagt nicht zuviel, wenn man behauptet, daß auch die Politik der Wojewodschaft auf Ausrottung des Deutschtums eingestellt ist. Deutlich zeigt sich dies in den Schul- und Spracherlassen. Trotz Genfer Abkommen und seine Ueberwachung durch die Völkerbundskommission, wird das deutsche Schulwesen planmäßig vernichtet, ohne daß an feine Stelle ein auch nur annähernd gleichwertiges polnisches gesetzt werden könnte. Dazu fehlt es zunächst an Geld und an Lehrkräften. Bis zu 70 Prozent der polnischen Lehrer­schaft verfügt über keine genügende Ausbildung, kleine kauf­männische Angestellte und Stenotypistinnen sind in oft nur sechs Wochen langen Notkursen zur .Lehrkraft" ausgebildet worden. Dabei werden noch aus finanziellen Gründen an­dauernd Volksschulen geschlossen, so daß das Analphabeten­tum ständig wächst, anstatt abnimmt. Wo aber unterrichtet wird, ist die Schule restlos in den Dienst der Polonisierung gestellt.

Tagessplegel

Die tschechische Negierung beabsichtigt, die deutsche Tech­nische Schule in Prag mit der Brunner Technischen Hoch­schule zu vereinigen. Diese Vereinigung kommt einer Auf­hebung gleich.

Und hier begegnen wir der Gefahr, die weit größer ist, als im Rheinland. Dort schützt eine alte deutsche Kultur die Bevölkerung vor der Entfremdung. Dort-besitzt sie Urteils­vermögen genug, um den Wert der Zugehörigkeit zu Deutsch­land zu erkennen. Anders in Ostoberschlesien. Die deutsche kulturelle Oberschicht ist teils vertrieben, teils wird sie von Monat zu Monat mehr verdrängt. Das verarmte Volk aber ist rettungslos dem nationalpolnischen Einfluß ausge- lieferk. Und dieser wird, wenn er erst die deutschen Reste ausgesaugt hat, mit aller Gewalt nach Deukschoberschlesien übergreifen. Schon heute arbeitet die großpolnische Pro­paganda unentwegt und mit sichtlichem Erfolg. Das erscheint seltsam angesichts der offenkundigen wirtschaftlichen Miß­wirtschaft auf polnischer und der sichtbaren wirtschaftlichen Gesundung auf deutscher Seite. Aber hier sprechen andere Dinge mit. Man darf nicht vergessen, daß auch in Deuksch­oberschlesien viel slawisches Blut fließt, das den Menschen weich und apathisch macht. Mischvölker neigen stets nach der Seite, wo sie die größere Macht vermuten. 3n Ober­schlesien sehen sie den sich mit französischer Hilfe immer mehr sich entfaltenden polnischen Militarismus. Was Wunder, wenn in dem schlichten Begriffsvermögen sich der Gedanke fesisehk, daß Deutschland trotz allen wirtschaftlichen Auf­schwungs einem energischen Zugriff Polens bei seiner mili­tärischen Ohnmacht doch nicht begegnen könne. Weshalb sich deshalb unnützen Gefahren aussehen, weshalb sich einer Entwicklung entgegenstemmen wollen, die nach der von der polnischen Agitation natürlich sorgsam gepflegten Meinung aller Kleinmütigen doch kommen wird?

Wenn man offenen Auges durch das Land geht, begreift man vieles: Was hat Oberschlesien an Polen verloren? Neunzig Prozent seiner Kohlen, von 63 Steinkohlengruben 51, von 19 Zink- und Bleierzgruben 15, von 37 Hochöfen 22, dazu sämtliche Eisenerze, sämtliche Zink- und Bleihütten. Das gibt natürlich den einfachen Naturen ein ganz falsches Bild von den tatsächlichen Machkverhältnissen. Hierzu gesellt sich, daß infolge der Ausweisungspolikik Polens Oberschlesien auf deutscher Seite ein Zuviel an Arbeitskräften hak, wes­halb Schwierigkeiten bestehen, die man früher nicht kannte, die aber dem deutschen Gedanken abträglich sind. Faßt man alles dies zusammen, ergibt sich ein Bild, das überaus nach­denklich stimmen muß. Wenn irgendwo, dann kommt es, das Verbliebene zu retten. Militärisch ist dies infolge des Versailler Vertrags und auch aus allgemeinen strategischen Rücksichten nicht möglich. Daher bleibt nur die Selbsthilfe. Diese Erkenntnis beginnt endlich zu dämmern. In Breslau fand kürzlich eine von Tausenden besuchte Versammlung statt, in der einmütig gelobt wurde, nicht eher zu ruhen, als bis Schlesien wieder eine Einheit hildek. Das ist Zukunfts­musik. Aber schon der ferne Klang läßt das sterbende Land aufhorchen.

Die Waldverwüstungen in der Pfalz

Ein Prozeß, der in seiner wirtschaftlichen und politischen Bedeutung weit über den Rahmen einer Beleidigungsklage hinausgeht, begann im großen Schwurgerichkssaal in Berlin- Moabit. Unter der Anklage, den Vorsitzenden des Auf- sichksraks der Gebr. Aimmelsbach A.-G., eine der größ­ten europäischen Holzhandlungen beleidigt zu haben, hatte sich der Herausgeber der Zeitschrift .Der Holzmarkt" Otto Firnbach, Berlin, zu verantworten. In einer Reihe von mehr als 70 Artikeln hatte Firnbach die Firma Himmelsbach beschuldigt, die deutschen Waldungen in der Pfalz mit Einverständnis der Franzosen ver w ü stetzu haben, so daß der angerichkeke Schaden nach Ansicht der Sachverständigen sich in 100 Jahren nicht wieder gukmachen lasse. Der Vorsitzende teilt mit, das Wie- deraufbauministerium habe dem Regierungsrat Möller, der als Zeuge geladen war, die Genehmigung zur A u s s a g e in den zur Verhandlung stehenden Dingen ver­weigert.

Der Angeklagte Firnbach entwickelt zunächst die Lage, die sich vor und während der Ruhrbesetzung und während des passiven Widerstands im Westen des Reichs ergeben hatte. Er streift dabei auch die politische Seite, namentlich die Sonderbündlerbestrebungen und erklärt, daß der Kläger Himmelsbach zu denjenigen Leuten gehört habe, die der Ansicht waren, daß ein Verbleiben des Rheinlands bei Deutschland nicht wahrscheinlich sei, während der Sozius des Herrn Himmelsbach, Her Inhaber der größten Holzhand­lungen der Pfalz, Herr Schenk, sich sehr für die Errichtung des freien Rheinlands eingesetzt habe. Unter diesen Gesichts­punkten müsse man die Verträge ansehen, die von den Fir­

men Himmelsbach und Schenk ohne Wissen und Ge­nehmigung der Aeichsregierung geschlossen wor­den seien, um die von den Franzosen vollkommen wider­rechtlich vorgenommenen sogenannten Zusah-Holzschläge zu ermöglichen. Die deutschen Hölzer haben nutzlos in Frank­reich herumgelegen, da man keine Möglichkeit besaß, sie zu zerschneiden, und sie seien in gewaltigen Mengen einfach verfault. Infolgedessen habe die französische Forstkom­mission beschlossen, von deutschen Firmen fertig ge­schnittenes Bauholz zu verlangen. Einzelne von diesen Lieferungen von deutschen Firmen feien nicht etwa bar bezahlt worden, sondern die französische Forstkom­mission habe dafür deutschen Holzfirmen in vollkommen un­rechtmäßiger und unzulässige rM eisedeutsche Waldgebieke zur Ausschlagung angewiesen. Die Franzosen hätten sich um die berechtigten Einsprüche und deutschen Beschwerden, namentlich der Forstbehörden, nicht im geringsten gekümmert. Der deutschen Regierung sei von diesen Verträgen nichts das Mindeste bekannt gewesen. Da einige deutsche Holzfirmen doch von den Geheimverträgen Wind bekamen, hätten die Herren Schenk und Himmels­bach auch andere in das schwer lohnende Geschäft mit hineinnehmen müssen. Im ganzen hätten sich 11 deutsche Fir­men zur Uebernahme der Schläge gemeldet, die in zwei Gruppen aufgestellt wurden. Die Schenk-Gruppe umfaßt fünf Firmen, die Himmelsbachgruppe sechs Firmen. Die Franzosen hätten die Ausbeutung der Waldbestände in der Pfalz der Schenk-Gruppe gegeben, während der Himmels­bach-Konzern Rheinhessen und Rheinpreußen .ausnuhen" wollte. Die näheren Bedingungen seien in einem Geheim­vertrag fcstgelegt worden, der in Koblenz geschlossen wurde. Einige Tage später habe der Inhaber der Firma-H immels- bach mit der interalliierten Rheinlandkommission noch zwei weitere Verträge abgeschlossen, von denen jedoch weder Schenk, noch die anderen deutschen Firmen Kenntnis erhiel­ten und in welchem ihm von den Franzosen auch der Mald- schlag in der Pfal z zugesicherk wurde. Als diese Verträge mit den Franzosen durch Himmelsbach geschlossen wurden, habe das Dawes-Gukachken bereits Formen angenommen. Herr Aimmelsbach, der politische Beziehungen bis zum Reichspräsidenten besaß und sie auch ausgenutzt habe, sei genau darüber unterrichtet gewesen, daß mit dem Inkraft­treten des Dawesplans die Verträge mit den Franzosen hin­fällig werden mußten. Infolgedessen habe die Firma Him­melsbach bei der Ausnutzung der deutschen Waldungen in der Pfalz eine Eile an den Tag gelegt, wie man sie nie­mals vorher in der Forstwirtschaft gesehen habe. Die sZrrna Himmelsbach habe in 8 Wochen etwa 80000 Fe st meter H o lz in den Forsten der Pfalz geschlagen, während die 10 anderen deutschen Firmen zusammengenommen noch Mehr einmal die Hälfte herunkergeschlaaen hätten. Einige Firmen hätten aber auch keinen Holzschlag vorgenommen, weil sie die mit den Franzosen geschlossenen Verträge lediglich z»m Schutz des deutschen Waldes ausnuhken.

Bei dem von den Franzosen beabsichtigten Holzschlag handelt es sich insgesamt um 500 000 Feskmeker, wovon 350 000 Feskmeker auf die Pfalz kamen. Die anwesenden Wrtteter der Regierungen erklärten, daß die Verträge der Holzlieferungen mit den Franzosen niemals von den Re­gierungen genehmigt worden wären.

Landforstmeister Gernheim gibt als Zeuge an, er habe Himmelsbach gewarnt, die Verträge abzuschueßen. Von den ihnen zugewiesenen 118 000 Festmetern habe die Firma in allerkürzester Zeit 80 000 Feskmeker geschlagen und der Forstschaden werde dadurch noch größer, daß der Einschlag außerordentlich unpfleglich und rücksichtslos geschah. Der preußische Staat habe einen Schaden von etwa 9 0 00 Morgen. Die Gewinne Himmelsbach seien außerordentlich hoch gewesen.

Ministerialdirektor Mantel (München) erklärt, es sei unwahr, daß die Firma Himmelsbach unter einem Zwang gehandelt habe. Die angerichteten Schäden können erst in 200Iahrenwieder gutgemacht werden. Die Verwüstung wäre den Franzosen auch nur annähernd nicht in dem Umfang möglich gewesen, wenn sie nicht die Hilfe der deutschen Firmen, besonders der Firma Himmelsbach, gehabt hätten, denn die Franzosen. verfügten nicht über den notwendigen Apparat.

Ministerialrat Dr. Kutsch (Hessen) bekundet, die Firma Himmelsbach habe in Hessen wertvolles Kiefernholz schlagen lassen, das ihr gar nicht gehörte. Die schönsten Eichenwäl­der seien verschwunden.

Der Barmatskandal

Berlin, 8. Febr. Wie B. S. meldet, hat Julius Bar­mat, nachdem seine Anträge auf Haftentlassung abgelehnt worden sind, der Staatsanwaltschaft mitgeteilt, er besitze schwerwiegende Anschuldigungen gegen den früheren Reichs­postminister Höfle und den Reichstagsabgeordneten Lange-Hegermann und werde im Notfall davon Gebrauch machen.

Der frühere Reichskanzler Bauer hat sein Reichs- taasMandat niederaelegt. Durch weitere Ur-

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