(Enztalbote)
Amtsblatt für WilZbad. Chronik und Anzeigenblatt
für das obere Enztal.
Erscheint täglich, ausgenommen Sonn- und Feiertags. Bezugspreis halbmonatlich 70 Pfennig frei ins Haus geliefert; durch die Post bezogen im innerdeutschen Verkehr monatlich 1.80 Alk. :: Einzelnummern 10 Pfg. Girokonto Nr. 50 bei der Oberamtssparkasse Neuenbürg Iweigst. Wildb. :: Bankkonto: Enztalbank Ko mm.-Ges. Häberle L Co. Wildbad.:: Postscheckkonto Stuttg. 29174.
Anzeigenpreis: Die einspaltige Petitzeile oder deren Raum im Bez. Grundpr. 12 Pfg., außerh. 15 einschl. Jns.-Steuer. Reklamezeile 30 Pfg. :: Rabatt nach Tarif. Für Offerten u. bei Auskunfterteilung werden jeweils 10 Pfg. mehr berechnet. :: Schluß der Anzeigennahme tägl. 8 Uhr vorm.:: In Konkursfällen od. wenn gerichtl. Beitreibung notw. wird, fällt jede Nachlaßgewähr, weg.
Druck, Verlag und Schriftleitung Theodor Gack in Wildbad, Wilhelmstraße X 151; Wohnung: Charlottenstraße 221
Nummer 261
Fernruf 179
Wrldbad, Freitag, den 24. Oktober 1924
Fernruf 179
Jahrgang 59.
Die unsichtbaren Ursachen der Teuerung
Dem Hauptverband des Deutschen Großhandels ist aus Hamburger Einfuhrhandelskressen ein interessanter Beitrag zu dem Kapital „Unproduktive Belastung der 5 delsbe- triebe und aus ihm folgende Preissteigerungen" zu. ,angen, den wir nachstehend zur Veröffentlichung bringen:
„Unsere Firma ist ein altes, sogen, gut fundiertes Großhandels- und Jmporthaus von Butter und Fettwaren. Wir kaufen unsere Waren bei den ersten Quellen des In- und Auslands, setzen sie ab beim Kleinhandel und den Verbrauchern, vermeiden also jeden überslüssigen Zwischenhandel, unser Betrieb entspricht also einem volkswirtschaftlichen Bedürfnis. Durch eine Gegenüberstellung der Vorkriegszustände und der jetzigen Verhältnisse hoffe ich, ein genaues Bild geben zu können.
1. Früher arbeitete ein Großhandelshaus unseres Fachs in der Hauptsache mit eigenem, immer flüssigem Kapital. Die Inflation hat das Kapital stark vermindert, so daß die Aufnahme von Leihgeldern erforderlich ist. Wir in Hamburg mußten geraume Zeit 5 v. H. im Monat bezahlen; jetzt schwankt der Satz zwischen 2 und 3 v. H. für den Monat. Da unsere Kundschaft ein kurzes Ziel beansprucht, so muß ein Teil dieser Zinsen zu Lasten des Warenpreises gehen.
2. Unsere Kundschaft war früher mit geringen Ausnahmen „gut" für ihre Bezüge, jetzt muß jeder Kunde genau unter die Lupe genommen werden. Der Ausfall für zweifelhafte Ausstände betrug bei uns früher etwa 2 v. T., in den letzten Monaten jedoch trotz größter Sorgfalt zirka 2 v. H. vom Umsatz.
3. Wir Mußten einen eigenen Beamten zur Auskunfteinholung unterhalten. Die Auskünfte bei ersten Bureaus kosteten früher etwa 1 das Stück, jetzt 3 -K das Stück bei großen Abonnements. Unser Auskunftswesen kostet etwa 2 v. T. vom Umsatz, früher eine Bagatelle.
4. Stadtgespräche stellten sich früher bei guter Ausnutzung der Leitungen auf etwa 1—2 Z, jetzt auf 15 Z. Telegramme kosten das Zweieinhalbfache, Ferngespräche (jetzt meistens dringend) das Zwei- bis Vierfache.
5. Das Porto ist zwar kaum erhöht, aber die Bestellung der Briefe erfolgt meist nicht am nächsten Morgen, so daß telegraphiert wird, wo früher Briefe genügten.
6. Die Kunden zahlten früher am Verfalltag von selber, jetzt unterhalten wir eine Inkassoabteilung, holen also das Geld sowohl bei den hiesigen wie auswärtigen Kunden aus dem Hause. Bei. 50 v. H. der Fälle ist „Wiedervorzsigen" nach einigen Tagen erforderlich, obgleich unsere Artikel sog. Kassaartikel sind.
7. Der Betrieb wird ferner durch Mahn- und Klagesachen belastet.
8. Die Umsatzsteuer, da sie für verschiedene Artikel verschieden erhoben wird, beansprucht bei uns die halbe Arbeitskraft eines Angestellten.
9. Auch heute, nach Ueberwindung der Inflation, verursacht der schwankende Wechselkurs der fremden Devisen dem Importeur verwickelte Kalkulationen und ein gewisses Risiko beim Kauf, das in Vorkriegszeiten unbekannt war. Die Führung der Devisenkonten verursacht erhebliche Mehrarbeit.
10- Urlaub der Angestellten bedeutet eine Erhöhung des Gehaltbudgets um etwa 5 v. H., da Hilfskräfte eingestellt werden müssen. Diese Hilfskräfte arbeiten jedoch nicht fehler- Bummelestn "^Ursachen häufig unaufdeckbare Fehler und
. r?achtstündige Arbeitstag erhöht nicht nur das Gehaltsbudget, sondern verzögert den Warenumlauf: die Trans- Zinstn! ^ doWE sg unterwegs. Die Ware frißt
langsame Arbeiten der Banken und Postscheck- ^ Samstagschluß resp. Samstagfrühschluß macht
EN^LSVn-ftS.'" """ dl-""'
herrschenden Geldmangel verlangen die länd- lichen Lieferanten zur schnelleren Befriedigung jetzt Bezah- Geldbrief. Ein Angestellter ist mehrere Stunden täglich nur mit der Anfertigung von Geldbriefen beschäftigt.
1-1. Während der Chef früher Zeit hatte, Kunden selber zu bedienen, sie auf Reisen selber zu besuchen, überhaupt alles zu tun, was zur Befriedigung der Kunden dienen konnte, wird er jetzt von seinem eigentlichen Arbeitsziel durch mancherlei Leerlauf abgedrängt. Seine, die wertvollste Arbeitskraft und Arbeitszeit, wird vergeudet, er muß als Ersatz teure Angestellte einstellen, ohne daß der gleiche Nutzeffekt' erzielt werden kann. In dieses Gebiet gehören folgende Uebelstände:
^ Noch immer sind sogen. Preisprüfungen an der Tages- onung; ich habe im Lauf der Zeit Hunderte von Nachfor-
v» r»,t LN-l. vielt. .liUllchiette 1-Ull litUtt/IUt-
Mungen in eigener Angelegenheit beantworten müssen. Jede nzelne beansprucht eine stundenlange Arbeit. Wohlverstan- n war jede einzelne unbegründet und verlief zur Befriedi-
Tagesspiegel
Der bayerische Landtag wurde am Donnerstag eröffnet. Im Saal und aus den Tribünen waren Kriminalbeamte verteilt, wogegen die Kommunisten Einspruch erhoben.
Der Senat in Bremen, der für den Schutzzoll eingetreken war. ist nach einer Alißkrauensabstimmung der Bürgerschaft (Bürgerausschuß) zurückgekreten.
Die Austritte aus der demokratischen Partei dauern fort. Neuestcns haben Abg. Dietrich-Baden, Graf Bernftorsf, Prof. Walter Gvtz und andere ihren Austritt erklärt.
Die sterblichen Aeberreste des Papstes Leo XIII. sind ohne Gepränge von Sk. Peter nach der Kirche San Giovanni in Laterans überführt worden.
Der Gouverneur von Paris hak eine geplante Versammlung der Offiziere der Garnison, in der Gehaltserhöhungen gefordert werden sollten, verboten. In der Geschichte des französischen Heers wäre dies die erste derartige Versammlung. Die Regierung werde sich mit der Gehallsfrage beschäftigen.
Die Regierung Mac Donalds hat den Offizieren und Mannschaften der Flotte jede Beteiligung an den Wahlen verboten. Dis „Daily Mail" erhebt Einspruch gegen diesen Eingriff in die persönliche Freiheit, der in England unerhört sei.
Neue Nachrichten
Aus dem Parkeileben
Berlin, 23. Okt. Ein Teil der Deutschnationalen Volkspartei wünscht, daß Hergt die Parteiführung über die Zeit des Wahlkampfes beibehalte, ein anderer Teil ist für die Führerschaft Tirpitz. Die Versammlung der Landesvorsitzenden, die am Sonntag in Berlin stattfindet, wird die Entscheidung treffen.
Großadmiral v. Tirpitz wird wieder als deutschnationaler Kandidat im Wahlkreis Südbayern aufgestellt.
Der Wahlaufruf der Vaterländischen Verbände schließt mit der Aufforderung: Nie wieder Sozialdemokratie!
Heute früh fand eine Beratung der bisherigen demo- kra. tischenFraktion statt. Wie verlautet, wird auch
der seitherige Abgeordnete Schmidthans aus der Partei austreten.
Reichswehrminister Geßler, bisher demokratischer Reichstagsabgeordneter, wird für den neuen Reichstag kein Mandat übernehmen. Geßler war entschieden für die Regierungserweiterung nach rechts eingetreten. :
kommunistische Verhaftungen Berlin, 23. Okt. Gegen neun Führer kommunistischer Betriebsräteverbände in Berlin wurde im Auftrag des Staatsgerichtshofs ein Verfahren eingeleitet wegen Veranstaltung von militärischen Geländeübungen in Berlin-Köpenick an den letzten Sonntagen. Die Hebungen wurden von den Betriebsräten ausdrücklich als Vorbereitungen zum Bürgerkrieg bezeichnet.
In Bremen wurde der kommunistische Reichstagsabgeordnete Eppstein verhaftet. ;
Räumungen
Mainz, 23. Okt. Havas meldet, daß, nachdem die Städte Karlsruhe, Mannheim, Remscheid, Vohwinkel und Limburg auf rechtsrheinischem Boden, sowie die Rheinhäfen Emmerich und Wesel geräumt seien, werde die 40. Division,.die am Rhein stand, nach Frankreich zurückgezogen und durch die 38. Division ersetzt, die aus dem Ruhrgebiet genommen werde. , . -
gung der Behörden: aber der Volkswirtschaft als solcher war eine Kräftevergeudung erbeblichen Umfangs erwachsen. Auch beute noch glauben die Wucherbebörden, ihre Unentbehrlichkeit durch Belästigung des Handels beweisen zu können.
b) Die Beobachtung der Devisenvorschriften mit verwickelter Schreiberei und Auskunftspflicht.
c) Das schwierige Disponieren mit den knappen verfügbaren Geldern bereitet nicht nur Sorgen, sondern raubt dem Chef die Zeit.
ä) Die Anfertigung vielerlei Bilanzen ist selbst bei Zuhilfenahme von ' -r-n Hilfskräften ohne Mitwirkung des Chefs nicht zu e> .Ligen.
' e) Die zahlreichen Prozesse sind ohne seine Mitwirkung nicht durchzuführen. "
k) Unzählige Vernehmungen auf Len Steuerbureaus bedeuten eine Belastung an Zeitaufwand.
§) Eine Geschäftsreise im Inland ist wegen -er verschlechterten Zugverbindung nicht mehr in derselben Zeit durchführbar wie früher. Die Zeit, in welcher die Kundschaft zu sprechen ist, ist abgekürzt.
ti) Eine Reise ins Ausland kostet einen vollen Tag Laufereien zu den verschiedenen Behörden.
i) Das Studium der wechselnden Gesetze und Verordnungen ist zeitraubend.
lc) Ebenso Sitzungen in Berufsvereinigungen, die um so mehr Zeit kosten, wenn der Chef ehrenamtliche Tätigkeiten in ihnen wahrzunehmen hat.
15. Schließlich ist nicht nur dem Angestellten, sondern auch dem Chef, -er in den beispiellosen letzten zehn Jahren die Verantwortung für den Bestand des Unternehmens trug und unersetzbare Nervenkräfte zusetzen mußte, eine Minderung seiner psychischen Leistungsfähigkeit zugute zu rechnen.
Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Diese sogen, verborgenen Preisteuerungsmomente mögen jedes einzeln betrachtet unbedeutend erscheinen, in ihrer Gesamtheit sind sie jedoch so bedeutend, daß unser Unkostenetat das Doppelte der Vorkriegszeit beträgt (bei verringerter Warenmenge!), Umsatzsteuer, andere Steuern und Frachten nicht gerechnet.
Es dürfte eine -ankbare Aufgabe sein, zu untersuchen, welche dieser preisteuernden Moments beseitigt werden könnten und welche als unabänderlich durch den Wandel der Zeiten, durch unsere veränderte soziale Struktur und durch den Versailler Vertrag als unabänderlich hingenommen werden müssen.
Jede Vereinfachung unserer Geschäftsmethoden wird preisverbilligend wirken.
Essen, 23. Okt. Die Franzosen werden die Zechen Viktor, Eckern und König Ladung am 27. Oktober, nachts 12 Uhr, also erst in der letzten Minute der vom Dawesplan gegebenen Frist, räumen. Die Zechenverwaltungen werden den Betrieb am 29. «der 30. Oktober wieder aufnehmen, aber wegen der schlechten Geschäftslage mit verminderter Belegschaft, wahrend die Franzosen für ihre Rechnung bei stark erhöhten Belegschaften wahren Raubbau betrieben hatten.
Vom bayerischen Staatshaushalt München. 23. Okt. Nach dem dem Landtag vorgelegten Staatshaushaltplan gleicht sich der Staatshaushalt in Ein- nahmen und Ausgaben für 1924 im ordentlichen Teil aus mit rund 544 Millionen Goldmark, im außerordentlichen mit 16,79 Millionen, für 1925 mit rund 562 bzw. 3,46 Millionen.
Skaalsbilanz in Frankreich
Paris, 23. Okt. Nach dem „Journal" soll Finanzmini- ster Elemente! eine Aufnahme des Vermögensstands Frank- reichs machen, um über das Finanzgebaren der dem Ministerium vorangegangenen Regierungen Aufklärung geben zu können.
Die französische Botschaft beim Vatikan abgelehnk Paris, 23. Okt. Der Finanzausschuß der Kammer hat die von den Rechtsparteien beantragten Mittel für die französische Botschaft beim Vatikan mit 20 gegen 12 Stim-' men abgelehnt.
Die Zerstörung der Luftschiffhallen London, 23. Okt. In einer Unterredung mit dem Vertreter der (deutschfeindlichen) „Morning Post" sagte der
Untorstaatssekreiär für die englische Luftschiffahrt, Cynat, ^s " ' ' ß DcG'chlnnd die Zeppelinhallen in Frie-
iei kein Zweifel, daß drichshafen zerstören müsse, allerdings sei dafür kein be stimmter Zeitpunkt festgesetzt. Es sei zu befürchten, daß, selbst wenn die Reichsregierung zustimmte, die Arbeiter den Befehl nicht ausführen würden. In diesem Fall würde sofort diplomatisch eingeschritten werden. Deutschland habe nach dem Krieg nicht weniger als 70 Hallen gehabt, von denen einige noch bestehen. Jedenfalls werde Frankreich auf dem sofortigen Abbau bestehen, auch wenn die Reichsregierung Vorbringen wollte, daß die Hallen in Friedrichshafen unentbehrlich seien für den Luftschiffdienst, den England nach Aegypten und Indien einzuführen beabsichtige.
So« ich — soll ich nicht?
Paris, 23. Okt. Der „Newyork Herold" berichtet, die amerikanische Regierung wolle nicht amtlich für die Erhaltung der Zeppelinwerft in Friedrichshafen eintreten. Sie werde zunächst über -ie öffentliche Meinung in Amerika sich unterrichten und dann vielleicht halbamtlich den deutschen Standpunkt unterstützen. Im amerikanischen Flugdienst und im Heer sei die Meinung darüber geteilt.
Die Hauptursache des Weltkriegs Newyork, 23. Okt. Der britische Botschafter in Washington, Sir Esme Howard, sagte in einer Rede in Newyork, der Wettbewerb um die Konzessionen (z. B. die Ausbeutung der mesopotamischen Erdölquellen durch Deutschland, die der türkische Sultan gestattet hatte, von England und Amerika aber Hintertrieben wurde. D. Schr.) sei eine Hauptursache des Weltkriegs gewesen. Die Regierungen sollten festsetzen, daß in unentwickelten oder minderentwickelten Ländern keine Konzessionen., an bevorzugte