Der Landtag befaßte sich sodann mit den Anträgen des Geschäftsordnungsausschusses betr. die Verfolgung von Mitgliedern des Landtags und stimmte der Aufhebung von Strafverfahren gegen die Abgeordneten Schumacher (Soz.), Schneck (Komm.) und Karl Müller (Komm.) zu. Abg. Karl Müller begründete einen Antrag auf Entlassung der Abgg. Becker und Schneck aus Strafhaft. Justizminister Beyerle betonte, der Fall sei der Zuständigkeit der württ. Justiz enthoben und beim Staatsgerichtshof zum Schuß der Republik anhängig. Der Antrag Müller wurde mit 42 gegen 25 Stimmen abgelehnt. Weiterhin wurden durch Regierungskommissar Köstlin mehrere Kleine Anfragen beantwortet und eine Reihe von selbständigen Anträgen an die Ausschüsse überwiesen. Zu einem Antrag des Abg. Heymann (Soz.) auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses für die Handhabung des Versammlungsrechts lag ein Zentrumsantrag vor die Zahl der Mitglieder dieses Ausschusses aus Gründen' der Sparsamkeit von 15 auf 9 herabzuseßen. Dieser Antrag wurde mit 35 gegen 30 Stimmen angenommen. Bezüglich der vorliegenden Großen Anfragen erklärte sich Staatspräsident Bazille zur Beantwortung teils im Lauf der Ctatsberatung, teils später bereit.
Hierauf begann die Beratung des Staatshaus-, haltplans für das Rechnungsjahr 1924, die von Finanzminister Dr. Dehlinger mit einem eingehenden Bericht über die Finanzlage des Landes eingeleitet wurde. Der Minister betonte, daß der Haushnltplan zum erstenmal seit Kriegsbeginn wieder gründlich und gleichmäßig durchgearbeitet und nicht mehr auf abgleitender Währung aufgebaut sei. Damit sei ein sicherer Boden für die Staatswirtschaft und ein klarer Ueberblick über die Finanzlage gewonnen. Dadurch sei aber auch der ungedeckte Abmangel von 30 Millionen Mark, mit dem er bei Amtsantritt im Juni zu rechnen hatte, o h n e irgend eine Steuererhöhung auf 3)4 Milli o- n e n Mark heruntergedrückt und eine den Staatsfinanzen drohende Katastrophe verhütet. So schnell wie diesmal sei noch nie ein Haushaltplan zustande gebracht worden, und die Angriffe gegen die Regierung seien in dieser Beziehung künftig unberechtigt. Von einem Haushaltplan für 2 Jahre wurde abgesehen, da die Wirtschaft doch noch nicht als vollkommen fest anzusehen war. Auch ist noch mit Verschiebungen auf dem Gebiet des Finanzausgleichs zwischen dem Reich und den Ländern zu rechnen.
Durch den Personalabbau wurden bei der gesamten Staatsverwaltung 10,3 Prozent der Stellen mit einem Aufwand von rund 3)4 Millionen erspart. Die Gesamtersparnisse an Personalausgaben betragen sechs Millionen, einschl. der Einsparung an Sachaufwand 6)4 Millionen, denen indessen ein Mehraufwand an Pensions- und Wartegeldern von mehr als 5 Millionen Mark gegenübersteht. So schrumpfen die Vorteile aus dem Beamtenabbau jedenfalls für die nächsten Jahre recht erheblich zusammen. Mit dem Personalabbau sind indessen die Maßnahmen zur Verringerung der Staatsausgaben noch nicht abgeschlossen. Die Regierung hat eine großzügige Vereinfachungsaktion emgeleitet in vierfacher Richtung: 1. Vereinfachung der Behördenordnung und Beseitigung entbehrlicher Behörden, 2. räumliche Zusammenlegung der Behörden, 3. Vereinfachung des Verfahrens, 4. Vereinfachung des gesamten Landesrechts. Diese Arbeit ist sehr schwierig und kann sehr langsam vorwärts schreiten. Die Regierung behält sich besondere Anträge hierüber vor.
Das Schullast engesetz hat dem Staat eine Entlastung um etwa 10 Millionen Mark gebracht. Zu berücksichtigen war, daß in nicht ferner Zeit eine weitere Besoldungsaufbesserung Nachfolgen dürfte. Wie der Fehlbetrag von 3)4 Millionen gedeckt werden soll, läßt sich angesichts' der noch schwebenden Reichsfinanzreform noch nicht übersehen.
Der Minister ging dann auf die schon bekannten Zahlen des Haushaltplans näher ein. Das gesamte Staats personal beträgt über 24 000 einschl. der Lehrer und der Schutzpolizei, was gegenüber 1914 eine Vermehrung um über 7000 bedeutet. Läßt man die Polizei weg, so beträgt die Vermehrung immer noch rund 11 Proz. Recht schwierig ist die Wirtschaftslage der Beamtenschaft der Gruppen I—VI. Die Regierung hat beim Reich nachdrückliche Schritte unternommen, um eine Besserung im Rahmen des Tragbaren und Möglichen herbeizuführen. Bezüglich der Eisenbahnen und der P o st e n hat sich Württemberg ebenso wie Bayern alle vertraglichen Rechte gegenüber dem Reich Vorbehalten und wird dies auch ferner mit Nachdruck tun. Der Steuerdruck durch Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer kann auf die Dauer nicht ertragen werden, aber für 1924 konnte eine Herabsetzung noch nicht in Frage kommen. Solange noch nicht klar zu übersehen ist, in welcher Weise und in welchem Umfang der Finanzausgleich mit dem Reich und die Reichssteuern umgestaltet werden, kann trotz der drückenden Steuer, last weder an eine Ermäßigung, noch an eine sonstige Aende- derung der staatlichen Steuer- und Finanzgesetze gedacht werden. Notwendig ist vor allem eine Vereinfachung desgesamtenSteuerwesens. Sobald sich die vom Reich beabsichtigte Gesetzesänderung und ihre Auswirkung übersehen läßt, wird die Regierung die Entwürfe über die Aenderung der württ. Steuer- und Finanzgesetze vorlegen; dabei wird dann besonders zu prüfen sein, vb und in welchem Umfang an einen Abbauder Steuerlast herangetreten werden kann.
Schließlich wandte sich der Minister noch den Einzelheiten des Planentwurfs zu und bat die Parteien dringend, nicht über das hinauszugehen, was die Regierung vorgeschlagen hat. Der verarmte Staat und das durch schwere Tribut« an den Feindbund niedergehaltene Volk kann sich nicht mehr dieselben Ansprüche gestatten wie vor dem Krieg. Planmäßig und zielbewußt gilt es, den ungedeckten Abmangel von 5)4 Millionen Mark vorsichtig zu entfernen und die Ordnung im Staatshaushalt zu erhalten. Erst dann kann die Frucht einer Herabsetzung der drückenden Steuerlast langsam heranwachsen und ausreifen.
Baden
Karlsruhe, 22. Okt. Der badische Schwarzwaldverein hatte auf seiner im Juli ds. Js. in Gernsbach abgehaltenen Hauptversammlung den Beschluß gefaßt, ein Denkmal für die gefallenen Vereinsmitglieder zu errichten, das nach dem Entwurf des Professors Meckel in Freiburg ausgeführt und bei Allerheiligen zwischen den Wasserfällen und den Klostergebäuden aufgestellt werden soll. Gegen diesen Plan haben sich in den letzten Wochen vielfach Stimmen in den Tages- blättern und in Eingaben an den Verwaltungsausschuß erhoben. Es wird geltend gemacht, mit der Ehrung für die Toten ein Hilfswerk für die Lebenden zu verbinden, wie dies aus dem Kobrenbükl.in mufte.rMjjüLr MMe in For m einer
Jugendherberge geschehen ist". Zur 'ErlKugstng dieser Angelegenheit hat der Vorsitzende eine außerordentliche Haupt- versamlmung für nächsten Sonntag nach Freiburg berufen.
Pforzheim, 22. Okt. Gestern nacht ließ sich in Brötzingen ein etwa 20iähriger Mann vom Zug von Calw überfahren und war sofort tot. Seine Personalien konnten noch nicht fcstgestellt werden. In seinem Besitz befanden sich noch 15 -Z Bargeld. — Die Diebstähle nehmen in der letzten Zeit hier außerordentlich zu. So wurden 21 Zentner Zwiebel am hiesigen Bahnhof aus einem Güterwagen gestohlen. Auch eine Anzahl Fahrräder wurde gestohlen. Auf dem Rathaus in dem benachbarten Ottenhausen befinden sich sieben Fahrräder, deren Eigentümer noch gesucht werden und die vermutlich von Diebstählen herrühren.
Ein 20jähriger Bäcker versuchte sich zu erschießen. Der erste Schuß ging durch die Hand, dann nahm er Gift und jagte sich eine Kugel durch den Kopf.
Mannheim, 22. Okt. Der für die Metallindustrie gefällte Schiedsspruch, wonach die Lohnarbeiter ab 13. Okt. eine Lohnerhöhung von 5 Proz. erhalten sollen, ist laut „Volksstimme" von den Metallindustriellen abgelehnt worden. Der Metallarbeiterverband hat daraufhin die Rechtsverbindllch- keitserklärung des Schiedsspruchs bei dem badischen Landesschlichter beantragt. ,
Der 43jährige verheiratete Schlosser Julius Weber von Neckarau, der in der Anilinfabrik beschäftigt war, geriet beim Aufspringen auf die Straßenbahn zu Fall. Er kam unter die Räder des Anhängewagens, wobei ihm ein Bein und der rechte Arm abgefahren wurden. Weber ist im Krankenhaus seinen Verletzungen erlegen.
Wemherm, 22. Okt. Auf der Straße zwischen Weinheim und Viernheim stieß das von einem französischen Direktor aus Ludwigshafen geleitete Auto gegen eine zum Lauf der Straße sehr ungünstig gebaute Brücke, an der sich schon mehrere zum Teil schwere Autounfälle ereignet haben. Von den Insassen wurde eine Frau erheblich verletzt.
Hornberg, 22. Okt. Auf der Fahrt von Freiburg nach Denzlingen stieß der hiesige Arzt Dr. Lenz, durch die Scheinwerfer eines entgegenfahrenden Autos geblendet, mit einem Langholzwagen zusammen, wobei er mehrere Rippenbrüchc und anscheinend auch innere Verletzungen erlitt.
Kaisheim, 22. Okt. Der 16jährige Sohn des Werkmeisters Seiler in Kaisheim fuhr auf seinem Rad und hielt sich an der Seite eines vorüberfahrenden Lastautos. Er kam dabei zu Fall und fiel so unglücklich unter das Auto, daß ihm beide Füße abgefahren wurden.
Singen a. H.. 22. Okt. Lohnbewegung in der Metallindustrie. Im Arbeitskonflikt in der Metallindustrie des Seekreises wurde seitens des Schlichtungsausschusses ein Schiedsspruch gefällt, nach dem der Spitzenlohn der ungelernten Arbeiter ab 13. 10. 24 eine Erhöhung um 2 ^ für die Stunde erfährt. Die übrigen Löhne erhöhen sich entsprechend mit einer Abstufung für die jüngeren Altersklassen. Für die Wintermonate wurde eine Gießereizulage von 7 für die Stunde (bisher 8 ^), für die Sommermonate 9 -Z (bisher 10 -Z) zugestanden. Der Schiedsspruch, der sich nur auf die Aluminiumwerke bezieht, wurde von den Vertretern der Firma abgelehnt, während die Vertreter der Arbeiterorganisation ihn annahmen und seine Nerbindlich- keitserklärung beim Lapdesschlichter in Karlsruhe beantragten. — Auch die übrige Metallindustrie des Seekreises hat neue Lohnforderungen erhoben, in denen ebenfalls infolge Ablehnung seitens der Arbeitgeber der Schlichtungsausschuß angerufen werden muß.
Stellen a. k. M., 22. Okt. Die Bevölkerung vom Heuberg wünscht, daß der Truppenübungsplatz Heuberg wieder feinem ursprünglichen Zweck zugeführt werde. Es wird die Frage aufgeworfen, ob die Gründe, die für eine Unterbringung größerer Teile der badischen Truppen in außerbadifchen Gegenden (Württemberg) noch heute stichhaltig sind, und ferner wird darauf hingewiesen, daß der Heuberg mit seinen massiven Baulichkeiten und seinen zahlreichen Stallungen, sowie dem großen Uebungsgelände besonders berittenen Truppen ein gutes Unterkommen bieten würde. Der Heuberg sei zwar zurzeit Kindererholungsheim, aber es frage sich, ob, nachdem seit einiger Zeit die Beschickung des Heubergs mit Kindern stark zurückgegangen sei, die Zuwendungen und die Aufrechterhaltung des Erholungsheims Heuberg nicht ihre Berechtigung verloren habe.
Oehningen bei Radolfzell, 22. Okt. Der 24jährige Sohn des Metzgermeisters Alois Ruf fuhr bei dichtem Nebel mit feinem Motorrad auf ein Fuhrwerk auf, wurde oon seinem Rad geschleudert und erlitt einen doppelten Schädelbruch.
Konstanz, 22. Okt. An einer Kohlenoxydgasvergiftung ist die ledige 42jührige Köchin Maria Bächle aus Wolfach gestorben.
Lokales.
Wildbad, 23. Okt. 1924.
Neue Zentralheizungsanlage. Der Besitzer des Caf6 Winkler hat sich entschlossen, für seine Lokalitäten und Fremdenzimmer eine Zentralheizungsanlage einrichten zu lassen. Vivant ssquentesl — Bekanntlich ist die Durch- führung einer kleinen Wintersaison in Wildbad von gut und gleichmäßig durchwärmten Lokalitäten und Fremdenzimmern abhängig ; ohne eine genügende Anzahl von solchen ist ein Winterbetrieb undenkbar. Leider gehören die meisten hiesigen Pensionen und Hotels nur in die Kategorie der Sommerhäuser. Es wäre daher wünschenswert, daß die Hotel- und Pensionsbesitzer sich entschließen möchten, ebenfalls zur Zentralheizung überzugehen; dann wäre der Weg zur Wintersaison gebahnt. Ohne Winterhäuser kein Winterbetrieb I
Die im Rathausgebäude seit einigen Tagen eingerichtete Zentralheizung ist nun im Betrieb. sWir haben uns gestern davon überzeugt, müssen aber vorläufig konstatieren, daß der Sitzungssaal überheizt und eine atembeklemmende, trockene Luft darin herrschte. Es ist wohl anzunehmen, daß dies eine Ausnahme war.s — Die Ende Juli vom Gemeinderat genehmigte Warmwasserheizungsanlage (Kostenvoranschlag 8260 Mark) wurde der als sehr leistungsfähig bekannten Firma F. H. Sallwey-Pforzheim zur Ausführung übertragen und macht dem ausführenden Monteur Hermann Wildbrett-Wildbad alle Ehre. Er hat seine Aufgabe glänzend gelöst; alles arbeitet tadellos. Die Bedienung muß sich eben natürlich erst einarbeiten. Es sind nun sämtliche Räume des Rathauses, vom Sitzungssaal und Meldeamt bis hinauf zu den obersten Stockwerken, mit Heizkörpern versehen, welche durch die im Keller be
findliche, verhältnismäßig kleine Kesselanlage gespeist werden. Der Kohlenverbrauch ist sehr mäßig und beläuft sich durchschnittlich auf ca. 4 Zentner pro Tag.
Kredit für den Handwerkerstand. Die Han d- werkskammer Reutlingen teilt uns mit, daß die Verhandlungen mit dem württ. Staat wegen der Bürgschaftsübernahme und Durchführung zu einem befriedigenden Ergebnis, allerdings reichlich spät, geführt haben. Es handelt sich grundsätzlich nur um einen Kredit zur Aufrechterhaltung der Betriebe, niemals darf dieses Kapital zum Kauf von Maschinen nnd sonstigen Mobilien und Immobilien festgelegt werden.
Der einzelne Gewerbetreibende muß sich wegen der Kreditinanspruchnahme an die örtliche Genossenschaftsbank wenden, auch sind die Gewerbevereine des Schwarzwaldkreises über die Voraussetzungen der Darlehensgewährung von uns unterrichtet. Wie lange das Kapital gegeben werden kann, läßt sich im voraus nicht bestimmen, jedenfalls aber mindestens auf 1 Vierteljahr. Die Art der Sicherheitsleistung, welche die einzelne Gewerbebank vom Darlehensnehmer verlangt, ist Sache der Gewerbebanken.
Zwecks Unterstützung wende sich der einzelne Handwerker nötigenfalls an den Herrn Gewerbevereinsvorstand oder direkt an die Handwerkskammer Reutlingen.
Die Auslegung der Wählerlisten für die Reichskagswahl.
Nach einer Bestimmung des Reichsministers des Innern sind die Stimmlisten und Parteivorschläge für die Reichstagswahl vom 16. bis einschließlich 23. November aufzulegen. Einsprüche gegen die Stimmlisten müssen bis zum Ende der Auflegungsfrist abgegeben sein. Wählen kann nur, wer in die Wählerliste ausgenommen ist oder wer während seiner Abwesenheit vom Wohnort am Wahltag sich einen sogenannten Stimmschein hat ausstellen lassen.
Polnische Schikane. Die polnische Telegraphenverwaltung droht, nach Polen gerichtete Telegramme, bei denen die Angabe des Bestimmungsortes nicht mit der Bezeichnung „im amtlichen Verzeichnis der für den internationalen Verkehr geöffneten Telegraphenanstalten" übereinstimmt, zukünftig als unbestellbar zu behandeln. Der Zweck dieser Drohung ist lediglich, daß fortan nicht mehr die deutschen, sondern die polnischen Ortsbezeichnungen gewählt werden. So schmerzlich es auch für uns Deutsche ist, dieser Zwangsvorschrift zu genügen, so kann den Absendern, die mit Polen im Verkehr stehen, nur empfohlen werden, dieser Vorschrift zu genügen. Die Telegramme kommen sonst unweigerlich als unbestellbar zurück und Zeit und Kosten sind verloren.
Vollmiele für Oktober. Man schreibt uns: Das Monats- ende naht und in vielen Familien erhebt sich die Frage, wie man sich zur Vollmiete stellen soll, die das Württ. Ministerium des Innern durch Erlaß vom 26. Sept. ds. Js. vorgeschrieben hat. Sie gilt in Stuttgart für Wohnungen mit emer Friedensmiete von 1700 Mark aufwärts; in Alm. Heilbronn, Eßlingen, Ludwigsburg, und Reutlingen bilden 1200 Mark die Grenze, in den übrigen mittleren Städten 1000 Mark, in Gemeinden von 4000—10 000 Einwohnern 800 «st, in den sonstigen Gemeinden 600 «st. Cs kommen nun, namentlich aus den mittleren Städten schwere Klagen, daß diese Vollmiete nicht zu erschwingen fei. Denn die Betroffenen sind nur in wenigen Fällen reiche Leute, meistens verarmter Mittelstand, der keine billigere Wohnung finden kann, hauptsächlich auch kinderreiche Familien. Solche Not- rufe erhoben sich schon damals, als auf 1. April ds. Js. das Ministerium die Friedensmieten auf 100 Prozent steigerte. Das Ministerium sah sich dadurch veranlaßt, unterm 14. April die Verfügung dahin abzufchwächen: wenn die Cin- kommensoerhältnisse des Mieters es rechtfertigen, kann er verlangen, daß der Vermieter die Vollmiete auf den allgemeinen Satz (damals 60 Prozent, jetzt 70 Proz.) ermäßigt; im Streifall soll das Mieteinigungsamt entscheiden. Daß diese Ausnahme auch heute noch gilt und zwar auch für diejenigen, die erst seit Oktober in die Klasse der Vollmieter eingerückt sind, ergibt sich aus dem Zusammenhalt der drei Erlasse, ist aber leider in weiten Kreisen der Neubetroffenen unbekannt. Es kann den Parteien cuxch nicht zugemutet werden, die früheren Erlasse, die sie nichts angingen, im Gedächtnis zu haben. Daher wäre es sehr erwünscht gewesen, wenn die Ausnahmebestimmung im neuesten Erlaß erwähnt und damit viel Beunruhigung, Aerger und Streit erspart worden wäre. Der neue Erlaß bedeutet zweifellos eine große Härte für alle Meter, deren Einkommen die Friedensbezüge noch nicht erreicht hat, da ja auch die sonstigen Lebenshaltungskosten über dem Friedensstand liegen. Dis Unzufriedenheit der Hausbesitzer bleibt ebenfalls bestehen, da ihre Mehreinnahmen weggesteuert werden.
Die Blutlaus. Die jungen Aepfelbäume werden in diesem Herbst sehr viel von der Blutlaus heimgesucht. Der Name dieser Bewohnerin jüngerer Apfelbäume kommt daher, weil beim Zerdrücken der aus bläulich-weißem, flockigem Schaum bestehenden Laus eine blutrote Flüssigkeit entsteht. Die Blutlaus ist an Wunden von Stamm und Aesten zu finden und hat sich in diesem Herbst an den schönen Tagen überraschend schnell vermehrt. Wenn ein Apfelbaum befallen ist — die Blutlaus geht nur an diese — so zerdrücke man mit einem Lappen sämtliche Läuse und bestreiche die Wunden am besten mit Blutlaussalbe (Paraphinsalbe, mit 1 Proz. Zitro- benzol versetzt, liefert jeder Apotheker und Drogenhändler). Auch Bestreichen mit Fett hilft schon. Die so bestrichenen Stellen bleiben längere Zeit frei oon Blutläusen. Das muß aber bald geschehen. Sind die Läuse schon auf die jüngeren Triebe übergegangen, so ist eine Wasserkur am besten.
Allerlei
General Dr. Freiherr von Freykag-Loringhoven ist in
Weimar nach langem, schweren Leiden gestorben. Im Krieg wurde der General zunächst der österreichischen Obersten Heeresleitung zugeteilt, 1915 wurde er zum Generalquartiermeister an der Westfront ernannt und war bis 1916 kommandierender General des 9. Reservekorps bei Arras. Dann wurde er Chef des Stellvertretenden Großen Generalstabs in Berlin. Frentag-Loringhoven war einer der bedeutendsten Militärschriftsteller.
Mac Donalds Einkommen. Amerikanische Blätter besprechen die Angelegenheit des Geschenks eines Automobils und von 30 000 Pfd. Sterl. durch einen schottischen Fabrikanten an Mac Donald und meinen, die Annahme des Geschenks und die darauf erfolgte Verleihung des Barontitels an den Fabrikanten sei ein schwerer politischer Fehler Mac Donalds gewesen. Allerdings sei das Einkommen des englischen Erstministers gering: es betrage neben seiner Wohnung usw. nur 5000 Pfd. St. (100 000 Mark).
.Aex NissifchL Großfürst Kyrillurch, seine Gemahlin untere