wehrministers Geßler und S p a r r e r - Nürnberg, die beide Reichstagsabgeordnete sind, kommt in Frage. — Somit würden in wenigen Tagen sechs Reichstagsabgeordnete, drei preußische Landtagsabgeordnete und ein Mitglied des Reichsrats aus der Partei ausgetreten sein.
Parteitage
Berlin, 22. Okt. Der Reichsparteitag der Deutschen Volkspartei wurde nach Dortmund einberufen. Das Zentrum hält seinen Parteitag am Samstag, den 25. Okt.. in Berlin ab.
Der Parteitag der Demokratischen Partei ist bis auf weiteres abgesagt worden.
Absperrung der Ostgrenze
Berlin. 22. Okt. Mit der Auflösung des Reichstags sind auch 32 kommunistische Abgeordnete, gegen die ein Hochver- ratsverfahren schwebt, der Rechte der persönlichen Abgeordnetenfreiheit verlustig gegangen. Da angenommen wurde, daß diese bisherigen Abgeordneten versuchen werden, sich in Polen und Sowjetrußland in Sicherheit zu bringen, ist die Ostgrenze des Reichs seit Dienstag nachmittags 2 Uhr abgesperrt. Wie nach der Ermordung Rathenaus, ist bei der politischen Abteilung des Berliner Polizeipräsidiums ein Fahndungskommando gebildet, um die Flüchtigen abzufangen und nach dem Staatsgerichtshof nach Leipzig zu bringen. Fünf der am schwersten belasteten Kommunisten sind schon frühzeitig verschwunden. Ihre Spur führte an die Grenze des polnischen „Korridors". — Sie scheinen entkommen zu sein.
Der Abgeordnete Höllein wurde am Dienstag verhaftet und sofort ins Untersuchungsgefängnis abgeführt. Gegen Remmele und Grylewicz sind Haftbefehle erlassen, sie sind aber bis jetzt nicht auffindbar.
Der Prozeß gegen die „Organisation Lonsul"
Leipzig, 22. Okt. Vor dem süddeutschen Senat des Staatsgerichtshofs zum Schutz der Republik begann heute der Prozeß gegen 24 ehemalige Angehörige der „Organisation Konsul", die fast alle ehemalige Offiziere und jetzt kaufmännische Angestellte sind. Verteidiger ist u. a. der bekannte Rechtsanwalt Dr. Lütgebrune. Der Angeklagte Hoffmann, früher Kapitänleutnant, bestreitet, daß die nach Auflösung der Brigade Ehrhardt gegründeten drei Vereinigungen, der ehemaligen Sturmsoldaten, der Ehrhardt-Offiziere und der ehemaligen Angehörigen d?r 2. und 3. Marine-Brigade eine Fortsetzung der Ehrhardt-Brigade sein sollen. Vorsitzender des Vereins ehemaliger Sturmsoldaten war v. Killinger, der Vorsitzende des Bunds ehemaliger Offiziere Hoffmann. Der Bund hatte den Zweck, für seine Mitglieder Unterkommen zu schaffen. Bezüglich der „Organisation Conful" bittet Hoffmann, seine Ausführungen in nichtöffentlicher Sitzung machen zu dürfen. Rechtsanwalt Niethammer betont, daß die Oeffentlichkeit das größte Interesse daran habe, daß die Dinge, die in der Presse so sehr entstellt worden sind, wahrheitsgemäß ans Licht kommen. Trotzdem widersetze er sich nicht der Bitte Hoffmanns auf Ausschluß der Oeffentlichkeit.
Die wirtschaftliche Räumung
Duisburg, 22. Okt. Die Hauptzollämter in DuisburH- Ruhrort, das Zollamt in Hamm sowie sämtliche Zollabfertigungsstellen daselbst sind der deutschen Verwaltung zurückgegeben worden.
Die Bahnhöfe von Limburg und Eschhofen werden an die Reichsverwaltung übergeben.
Die Rheinlandkommission hat beschlossen, die französisch- Ausbeutung des Ruhrgebietes vom 27. Okt. an einzustellen.
Vereinigung D
Detmold, 22. Okt. Die Verbände Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten, Westfalenbund und Eheruskerbund haben ihre Verschmelzung zu einem einzigen Verband unter dem Ramen Stahlhelm vollzogen.
Der englische Wahlkampf
London, 22. Okt. Der Wahlkampf nimmt immer heftigere Formen an. Die meisten Reden halten Lloyd George und Mac Donald. Die Arbeiterpartei hat über 30 Millionen Flug? blätter verteilt. Mac Donald nannte in einer Rode in Sheff field die Liberalen „seine Freunde", was großer Auftehen erregte. In der Arbeiterpartei befürchtet man, daß bei den Wahlen diesmal die weiblichen Stimmen sehr ins Gewicht fallen werden-, die Frauen stimmen überwiegend konservativ. (Von 21 Millionen 2iimm-m sind 9 Millionen weibliche Wahlberechtigte.)
Wie der amtliche englische Funkdienst meldet, werden sich bei den kommenden Wahlen 1 393 Kandidaten um 583 Sitze bewerben. Die übrigen 32 Sitze sind bereits besetzt, da den Kandidaten kein Gegenkandidat gegenübersteht. Die Konservativen haben 520, die Arbeiterpartei 494 und dis Liberalen 337 Kandidaten aufgestellt. 7 Kandidaten werden als Konstitutionelle bezeichnet. Sie gehörten bisher teils der liberalen, teils der konservativen Partei an. 10 werden Unabhängige genannt und 8 vertreten die Koperativbewe- gung. In Ulster, wo lange Zeit Konservative gewählt wurden, sind 7 republikanische Kandidaten aufgestellt. 6 Kandidaten vertreten kommunistische Grundsätze. Die übrigen 4 Kandidaten vertreten keine anerkannte politische Partei.
Türkischer Einspruch
London, 22. Okt. Auf die Nachricht, daß die von England im Irak eingesetzte arabische Regierung, König Fessal, Ausbeutegerechtsame für Erdöl zu „vergeben" beabsichtige, erklärte der türkische Gesandte, die türkische Regierung werde diese Gerechtsame nicht anerkennen. Die Türkei werde ihre Hoheitsrechte über das Irakland, zu dem auch Mossul gehört, niemals aufheben.
Reuter meldet, der entthronte König Hussein von Hed- schas werde seinen Wohnort in Vasrah im Irak (Mesopotamien) nehmen. — Hussein ist der Vater des Königs Fessal.
London, 22. Okt. Der „Daily Telegraph" meldet, bei der nächsten Sondersitzung des Völkerbundsrats in Brüssel, die den Mossulstreit zu behandeln habe, werde Frankreich durch Briand, Italien durch den Botschafter in Brüssel, Or- sini, vertreten sein. Der Rat wird einen Ausschuß ernennen, der sich nach dem Irak begeben wird, um die Grenzverhältnisse in Augenschein zu nehmen und festzustellen, ob die türkischen Truppen den im Londoner Abkommen festgesetzten Grenzstand verletzt haben. Das Blatt erfährt, die türkische Regierung habe gegen die Zusammensetzung des Ausschusses Einspruch erhoben, worauf die Verzögerung seiner Tätigkeit zurückzuführen sei.
Württemberg
Stuttgart, 22. Oktober. Ehrung eines Würt- tembergers. Geheimer Regierungs-Rat Professor Dr. Ing. Dr. mont. Dr. phil. Fritz Wüst, Direktor des Kaiser-Wilhelms-Jnstituts für Eisenforschung in Düsseldorf, ist gelegentlich der heutigen Festsitzung aus Anlaß des fünfzigjährigen Jubiläums des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller in Berlin zum Ehrenmitglied dieses Vereins ernannt worden.
Beendeter Streik. Durch eine Vereinbarung zwischen dem Deutschen Holzarbeiterverband und der Glaserzwangsinnung Groß-Stuttgart-Feuerbach wird eine Lohnzulage von 10 auf den Tarif der Holzindustrie gewährt. Für den über 22 Jahre alten Facharbeiter ergibt das eine sofortige Lohnzulage von 7 Pfennig für die Stunde. Die Arbeit wurde nach fünftägigem Streik wieder ausgenommen.
vom Tage. In einem Haus der Werastraße hat sich ein 22 Jahre alter Notariatspraktikant erschossen. — In ihrer Wohnung der Marienstraße wurde eine 75 Jahre alte Frau bewußlos aufgefunden. Sie hatte vergessen den Gashahnen zu schließen. — Vom hiesigen Amtsgericht wurde Frau Barbara Lackner wegen Zusammenlebens mit einem französischen Offizierstellvertreter zu 150 Mark Geldstrafe verurteilt.
Aus dem Lande
Eßlingen, 22. Okt. Streik. Seit Montag früh befinden sich die Bauarbeiter von hier im Ausstand. Sie verlangen Angleichung der Löhne an die ihrer Stuttgarter Kollegen.
Hohenstein OA. Besigheim, 22. Okt. Raubvogel. Kürzlich wollte ein Hühnerhabicht am Hellen Mittag in unmittelbarer Nähe des Dorfes ein Huhn rauben. Aus das Geschrei eilte der Besitzer herbei und rettete die allerdings schon tote Henne aus den Krallen des Räubers.
Heidenheim, 22. Okt. Schlimme Botschaft. Stadtpfarrer Eisele in Schnaitheim erhielt die Nachricht, daß sein 18jähriger Enkel, ein Sohn des llniversitätsprofessors Dr. Wechßler in Berlin, dort von einem Auto überfahren und getötet worden sei.
Im Hause des Ingenieurs Raißle wurde eingebrochen und daraus 580 Meter Stoffe gestohlen, von denen der Täter in der Stadt einen Teil verlor. Die eisernen Fenstergitter wurden durchgesägt. Sogar den Hund haben die Täter mitgenommen.
Ach, wie ist der Mensch zerbrechlich,
Ach wie flüchtig unaussprechlich Eilt die Zeit und nimmt ihn mit!
Fr. Rückert.
Des Hauses Sonnenschein.
Roman von Irene v. Hellmuth.
23. - (Nachdruck verboten.)
Anneliese neckte ihn deswegen in ihrer heiteren, fröhlichen Art, während sie ihm Kaffee einschenkte, „Woran denken Sie? Haben Sie Sehnsucht nach Ihrer Heimat? Oder — nach der jungen Dame — ich meine nach dem Mädchen, von dem Sie neulich mit mir sprachen. Sie erinnern sich doch, was Sie mir erzählten, als wir von der Liebe sprachen, — von der Liebe auf den ersten Blick?"
Hans-Heinz konnte es nicht verhindern, daß ihm eine glühende Röte ins Gesicht schoß, und kam sich recht unbeholfen und täppisch vor; denn die Augen Frau Minnas sahen ihn so forschend und ernst an, daß er verlegen den Blick senken mußte.
,Za, denke dir nur, Mutti," wandte sich das übermütige Mädchen an die still lächelnde Frau, „Herr Arnold erzählte mir, daß er verliebt sei in ein reizendes junges Mädchen — er liebte es schon, als er es zum ersten Mal sah. Glaubst du an Liebe auf den ersten Blick, Mutti?"
Iran Minna machte plötzlich ganz erschrockene Augen, bernahe bestürzt sah sie aus. Es war gut, daß Hans-Heinz den Blick nicht von seiner Tasse hob, sonst hatte er sicher dre Veränderung in dem freundlichen Gesicht der guten Frau bemerkt.
Auch Anneliese weidete sich an der sichtlichen Verlegenheit des jungen Mannes, und weil ihr das so großen Spaß bereitete, fuhr sie lustig fort: „Ich möchte sie wohl einmal sehen, Ihre Herzallerliebste. Sie muß ja sehr schön sein. Können Sie mir die Tame nicht einmal vorstellen? Vielleicht kommt sie ^einmal nach Tanneck, wenn Sie sie einladen! Ach,
das wäre hübsch. Nicht wahr, Mutter, das würde uns freuen?"
Frau Minna sah ihr Töchterchen strafend an.
„Anneliese, wer wird denn solche Sachen ausplaudern? Wenn dir Herr Arnold im Vertrauen eine solche Mitteilung machte, so mußt du nicht weiter davon sprechen."
„Aber Herr Arnold hat mir doch nicht verboten, davon zu sprechen," verteidigte sie sich, „und übrigens finde ich kein Unrecht dabei, von seiner Liebe zu einem fchönen, reizenden Mädchen zu sprechen."
Hans-Heiz hatte sich rasch gefaßt. Heiter ging er auf den Ton ein.
„Sie haben recht, Fräulein Anneliese. Nur mit der Einladung nach Tanneck wird es nichts werden."
„Warum denn nicht?"
„Weil, — nun, wie sollte ich dazu kommen, die Tame einzuladen? Sie ist ja noch nicht meine Braut, hat keine Ahnung, daß ich sie liebe, — ich kenn sie docb erst kurze Zeit."
„Ach so," machte Anneliese gedehnt. „Aber wenn Sie das Mädchen doch lieben, warum sagen Sie es ihr
„Weil ich nicht weiß, ob ich wiedergelrebl werde.
„Na, ich würde sie ganz einfach fragen."
„Tas dachte ich auch schon, — aber, wenn sie nun Nein sagte, dann Hütte ich gar keine Hoffnung mehr.'
„Ach was, dann nehmen sie eben eine andere!"
„Tas kann ich nicht."
„So sehr lieben Sie das Mädchen?"
„Ja!"
Anneliese machte erstaunte Augen.
„Ich möchte wohl wissen, wie das ist, wenn man jemand so furchtbar lieb hat," meinte sie sinnend.
„Es ist schön, gewiß, — sehr schön!" sagte Hans- Heinz leise, „aber man leidet auch dabei, man hat Sorge und Qual davon."
„Ich habe immer nur meine Eltern lieb gehabt."
Anneliese stellte das Kaffeegeschirr zusammen, um es rn die Küche zu tragen. So bemerkte sie den heißen, innigen Blick nicht, den Hans-Heinz auf. sie heftete.
Ein Bauer hatte dieser Tage das Unglück, daß ihm durch Scheuwsrden des Gespanns beim Führen von Saft ein größeres Faß vom Wagen geworfen wurde, so daß sich das teure Naß auf die Straße ergoß.
Die Gegend von Heidenheim—Schnaitheim war vor 100 Jahren überaus wildreich. Als König Friedrich im Jahr 1914 den Besuch des Zaren Alexander von Rußland erhielt, mußten auf Gemeindekosten Hirsche und Wildschweine eingefangen und lebend auf Wagen zu einer großen Jagd auf der Solitude abgeliefert werden. Die hiesige Gegend soll damals 1200 Hirsche und Schweine aufgebracht haben.
Horb. 22. Okt. Besitzwechsel. Karl Lohmüller verkaufte sein Wohn- und Geschäftshaus an die Hospitalverwaltung um 15 800 lst.
Schwenningen, 22. Okt. Lohnbewegung in der U h r e n i n d u st r i e. Das seit dem 7. April bestehende Lohnabkommen ist van den beteil-gten Arbeitnehmer-Organisationen der Uhrenindustrie auf den 1. November gekündigt worden.
Schwenningen. 22. Okt. Eigenartiges Mißgeschick. Ein Aldinger Bauer lud vor einem hiesigen Gasthof Kartoffeln ab. Um sich bei der Arbeit etwas zu erleichtern, hüngte er seinen Rock, in dem sich noch eine lederne Geldtasche befand, an das Tor, hinter dem sich der Schweinestall befand. Die dort befindlichen drei Schweine bemächtigten sich des Rock?s. zer^tzten ihn und fraßen ihn buchstäblich mitsamt der ledernen Brieftasche auf.
Slntlgarl. 22. Okt. Verhaftung von Kommunisten. Heute morgen wurden die Redakteure der Süddeutschen Arbeiter-Zeitung. Maslowski und Opitz, aus dem Bett heraus verhaftet. Maslowski war Mitglied des unmehr ausgelösten Reichstags.
Kleineislingen, OA. Göppingen, 22. Okt. Selbstmord. Auf dem Bühnenraum des Rathauses wurde abends eine 27 Jahre alte geschiedene Frau erhängt aufgefunden. Sie hatte bei einer im Rathaus eingemieteten Familie ihr Kind untergebracht. Der Grund zur Tat ist nicht bekannt. Vermutlich aber war es Furcht vor einer anzutretenden Strafe.
Lrhrambsrg, 22. Okt. Brand. In dem freistehenden Holzschuppen der Brennerei von Otto Moosmann brach aus noch nicht aufgeklärter Ursache Feuer aus, dem das mit Sägmehl, Holzwolle, leeren Korbflaschen und sonstigem leicht brennbaren Material gefüllte Gebäude binnen kurzer Zeit vollständig zum Opfer fiel. Der Schaden beträgt etwa 1800 Mark.
Burgrieden, OA. Laupheim, 22. Okt. Großfeuer. Dienstag nacht brannte das uralte Gemeindearmenhaus, ein Wahrzeichen des Orts, vollständig nieder. Das alte Gebäude war von zwei Familien und einem alleinstehenden Fräulein bewohnt. Die Insassen konnten nur notdürftig bekleidet entfliehen. Der Hausrat fiel den Flammen zum Opfer.
Hechingen, 22. Okt. Betrüger. Vom Schöffengericht Balingen war der mehrfach vorbestrafte Händler Hermann Boß aus Tailfingen wegen Betrugs zu 4 Monaten Gefängnis verurteilt worden. In der Berufungsinstanz erhielt er 9 Monate Gefängnis.
Gruol in Hohenzollern, 22. Okt. Brand. Im Anwesen des Landwirts Schollian brach Feuer aus, dem die ganzen Frucht- und Futtervarräte zum Opfer sielen.
Württembergischer Landtag
Ainanzminisier Dr. Dehlinger zum Staakshaushalkplan
Stuttgart, 21. Oktober.
Nach viermonatiger Pause nahm der Landtag heute nachmittag seine Sitzungen wieder auf. Die Tribünen waren gut besucht und sämtliche Minister waren anwesend. Präsident Körner gedachte zunächst des großen Erfolgs des Zeppelinlustschisfs L. Z. 126. Die Freude über das Gelingen des großen Flugs sei nirgends herzlicher und wärmer gewesen als in der Heimat des Grafen Zeppelin. Der Präsident sprach dem Zeppelinwerk in Friedrichshafen Glückwünsche und Anerkennung aus, daran den Wunsch knüpfend, daß es den Anstrengungen aller in Betracht kommender Kreise gelingen möge, die Luftschiffwerft und - - r Weiterbau von Zeppelinluftschiffen in Friedrichshafen zu evyalten, um durch dieses bedeutende Beförderungsmittel die Völker der Welt in friedlichem Verkehr einander näher zu bringen. Der Präsident gedachte auch dann noch des Friedrichshafener Unglücksfalls, bei dem Ministerialrat Linder den Tod fand. Die Abgeordneten erhoben sich zum Zeichen der Anteilnahme von den Sitzen.
Frau Minna ging still hinaus. Um ihren Mund lag ein zufriedenes Lächeln, obwohl die Lippen noch blaß waren.
Sie wußte plötzlich, wen Hans-Heinz so heiß und leidenschaftlich liebte, — der eine Blick hatte es ihr verraten. Nun zweifelte sie nicht mehr an der Erfüllung ihres Herzenswunsches. Wenn sie richtig vermutete, dann waren sie alle geborgen, dann brauchten sie ihr geliebtes Tanneck nicht zu verlassen.
IV.
Tu das Wetter ausnehmend günstig war, hatte man mit der Roggenernte bereits begonnen. Sie fiel leider nur mittelmäßig aus. Hans-Heinz beteilrgte sich mit vielem Eifer an den Arbeiten. Er griff fest mit zu, denn er wollte alles lernen. Aus dem Felde ging es diesmal nicht so ernst und schweigsam zu, wie in früheren Jahren, denn Anneliese mochte nicht allein zu Hause sitzen, wenn alles draußen war. j
So schob sie Kurts Rollwagen mit hinaus und zwischen ihr und dem Herrn „Volontär", wie Han^ Heinz vom Gesinde genannt wurde, flogen stets solch heitere, lustige Scherzworte hin und her, entspann sich oft ein so eifriges Wortgefecht, daß die Tagelöhner ein freundliches Schmunzeln nicht unterdrücken konnten. . , , '
Anneliese war der erklärte Liebling aller; sie hatte für jeden ein gutes, freundliches Wort, und selbst verdrießliche Mienen hellten sich aus, wenn sie erschien. Man tauschte schon heimliche Bernerkungen aus, da Hans-Heinz stets an ihrer Seite war, und man vermutete in ihm den künftigen Bräutigam vom „Fräulein", wie man sie kurzweg überall nannte. Nur sie selbst ahnte nichts davon. Sie gab sich so unbefangen im Verkehr mit dem jungen Manne, wieil "er festen Meinung war, daß in seinem Herzen die Lrebe zu einer anderen wohnte.
Auch ihr Vater war in letzter Zeit recht heiter und zufrieden. Ten Grund ahnte Anneliese nicht. Sre wußte nichts davon, daß er dank der Hilfe seines Freun-- des die dringendsten Gläubiger befriedigen konnte. ^
^ (Fortsetzung folgte .. . ^ 2