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(Enztalbote)
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Ksanvuf ir»
Wttdbad, Samstag, den 8. März 1924
Fernemf ir»
Jahrgang L».
Bußtag
Sprich von Reue mir nicht, wenn d« uiO» empfindest als Unmut über die Fölsen der Schuld, oder «l» Furcht de» Gerichts. Wirkliche Reu ist verwandelnde Glut-, nur weit L-n ein anderer würdest, sobald du sie fühlst, hat sie zu sühnen Gewalt.
Geibel.
Politische Wochenschau
Mt der Auflösung des Reichstags scheint er nun doch Ernst werden zu wollen, wenn man den Berichten aus Berlin glauben darf. Lang« wurde hin und her verhandelt, offen und im Geheimen. Di« 'Reichsregierung wollte selbst nicht fo recht an das Wagnis der Neuwahlen heran, aber sie scheint eingefehen zu haben, daß mit dem lebenden Leichnam dieser Reichstags nichts Vernünftiges mehr anzufangen ist. Nachdem der Reichstag sich selbst einig« Monate so gut wir ganz ausgeschaltet hatte und seine Einkünfte in beschaulicher Ruh« genoß, erhebt er auch seinerseits in richt.ger Erkenntnis keinen Anspruch mehr darauf, als vollwichtiges Parlament z« gelten. Offenbar nimmt sich der Reichstag oder ein Teil desselben nicht mehr ernst. Die sogenannte große politische Aussprache, in der man zwei Wochen lang zi«l- und zwecklos aus Kosten der Steuerzahler herumplätscherte, spielt« sich meist vor leeren Bänken ab; sie war im großen ganzen nicht das Papier wert, das die Zeitungen auf die Berichte verwendeten. Die Hauptarbeit, während man im Reichstag nichtssagende Reden halten ließ, waren die bei den .Krisen'^ üblichen geheimen oder vertraulichen Verhandlungen der Parteiführer untereinander oder mit der Regierung, bei denen man nachher so klug ist wie zuvor. Denn schließlich kommt es doch auf das zwangsläufige hinaus. Es ist wohl nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet, daß wir dank der Eigenbrötelei und blinden Selbstsucht der Parteien ein kostbares Icrhr verloren haben, ein Jahr, in dem viel geschaffen nnd viel hätte verhütet werden können, wenn der Reichstag «ruf der Höhe gestanden hätte. Aber was kann man anders erwarten, wenn bei der Duellgeschichte de» Abgeordneten Eremer und der deutschvölkischrn Abgeordneten, die übrigens besser im Reichstag nicht berührt worden wäre, einig« Spaßmacher es für vereinbar mit der Würde des Parlaments hielten, am Rednerpult einige alte Pistolen aufzuhängen. So geschehen in der „großen politischen Woche"! E» ist und bleibt bedauerlich, daß die Regierung sich nicht aufraffen konnte, ihre Reformvorschläg« zum Wahlgesetz durchzudrücken und die Listenwahl in den „Orkus" verschwinden zu lassen, denn diese trägt doch »ine wesentliche Schuld an dem Niedergang der Parlamente allenthalben, weil sie die Gestellung der Kandidaten den Parteiklüngeln überantwortet und die Wähler der Möglichkett beraubt, die Männer »hres Vertrauens auszusuchen.
Sollte es nun wirklich zur Reichstagsauflösung kommen und nicht die „Kompromisselei" wieder das Notwendige verschleppen, so werden die nächsten Wochen unter dem Zeichen des Wahlkampfes stehen. Bismarck hat einmal gesagt, wir sollten in dem andern Deutschen erst den Landsmann und dann erst den politischen Gegner sehen. Um wie viel besser stünde es um Deutschland, wenn die Mahnung des Reichsgründers allseitig beachrel würde! Der beste Kampfruf wäre setzt, nicht das Programm der oder jener Partei, sondern der Ruf zur nationalen Erneuerung, wie er einst den Freiheitskriegen vorangegangen ist Deutschland tut vieles not, aber nichts ist ihm notiger als ein starkmutiger, ideal gerichtete» Geschlecht, das sich mit geistigen Waffen die Welt gewinnt »nd den deutschen Namen aufs neue zu Ehren bringt unter den Völkern. Wer uns Führer sein will zu solchem Ziel, dem gehöre unsere Stimme!
Aber es wird wohl noch ein reichliche» Matz von Not und Pein Hereinbrechen müssen, ehe die Deutschen so weit sind. Wir sehen, daß Kräfte am Werk sind, zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern wieder einen scharfen Keil einzutreiben und die Verlängerung der Arbeitszeit zu benützen, «m dem unter der allgemeinen Volksnot allmählich verblaßten Klassenkampfgedanken wieder neues Leben einzuhauchen. In Ludwigshafen am Rhein kam »« wieder einmal zu einem blutigen Ktrahenkampf. Solche bedauerliche Erscheinungen können aber doch über die Tatsache nicht hinwegtäuschen, daß der Zug noch der VolksMmttnschafl gerat»« mich bei den Arbeitnehmern in starkem Wachstum begriffe» ist. Wie anders wären die Wablen in Sachsen, Thüringer», Mecklenburg und neuestens in Hamburg-Land zu erklären? keberall haben die Verfechter des Klaffen kampfes, dir Sozialdemokraten, so schwere Niederlagen erlitten, daß in .hren eigenen Reihen bereits offen von der »Zersetzung der Partei" gesvrochen wird. Und die Vermutung liest nab« diß keine, »sch so geschickte Parteiführung sie vor ähnlichen Erfahrungen bei den Reichstagswahlen bewahren wird. Ln einem wirklichen Kulturvolk soll es wohl Stände aber keine Staffen Mö-n. Die Zustünde, i« denen wir uns befinde», schreie«
Tagesspiege!
Reichskanzler Dr. Marx beabsichtigt, in nächster Zeit dein Bundeskanzler Seipel iu Wien einen Besuch zu mache». Im letzten Spätherbst waren die beiden Staatsmänner schon «ms österreichischem Gebiet (invorarberg) zufammeugetroffen.
Dem Reichstag wird anfangs nächster Woche ein Gesetzentwurf über die Einrichtung einer Gokdnotenbank zngehen.
D«» englische Unterhaus hat einen Antrag der Konservativen, als Mißbilligung der Herabsetzung der deutschen Ausfuhrabgabe «ms 5 Prozent, die Bewilligungen für de« Staatshaushalt zu kürzen, mit 240 gegen 170 Stimmen ab- gekehnl. Die Liberale« stimmten gegen den Mißtrauen», antrag.
Bet TW-Afla «nd bei Laacib-Ridar (Marokko) solle« di« Riffkabylen die spanisch« Front eingedrückt und K00 Gefangene gemacht haben. Vier spanisch. Flugzeuge wurden abgeschoffen. Die Spanier erlitten schwere Verluste. — Woher di« kabyten nur die Luflabwehrgeschütze haben!
Die türkische Regierung in Angora ist zurückgrtreten, angeblich um die Pläne Jsmed Paschas zur Umbildung der Regierung nach den Beschlüssen der Tlationalversainmlnng zu erleichtern.
geradezu nach lebendiger Bottsgemeinschifft. Und das Volk hat den Schrei gehört.
Da» ist ja das Geheimnis, warum Adolf Hitler in drei oder vier Jahren Millionen zu seinen begeistert;» An- Hangern machte, daß er diesen Schrei begriff und ihn mit überzeugender Beredsamkeit zu verdolmetschen verstand. Er steht in München vor Gericht in einem Prozeß, wie man noch keinen erlebt hat. Keiner der zehn Angeklagten sucht sich zu ««Lasten; sie behaupten, was sie getan haben, das haben die gesetzlichen Machthaber in Bayern auch getan, ja, diese haben vorbereitet, was am 9. November 1923 ausgeführt werden t« — mn einige Wochen zu früh — wie der General- cwtskommiffar von Kahr meinte Einer der Verteidiger rdert« geradezu die Verhaftung des früheren Generalstmts- kommiffarr, des Generals von Lossow und des Oberst 8 eißer; sie seien di« eigentlichen Schuldigen und die — Mörder der erschaffenen Freunde Hitlers. In München hört man aus allen Gaffen, der Befehl zum Schießen sei insgeheim gegeben worden, um unbequeme Zeugen au, dem Weg zu räumen. Wie durch ein Wunder sirch Hitler und Luden- oorff von den Kugeln der auf sie gerchteten Maschinen- tzewehre verschont geblieben. Die ausgezeichnete Leitung der Ptvzeßverhandlungen bürgt dafür, daß alles restlos an den Tag gebracht und gerecht beurteilt wird, was den unseligen Tagen de» 8. und 9. November zu Grunde liegt. Bedauerlicherweise find aber jetzt schon bedenkliche Mißgriffe festgestellt worden, wie die versuchte Bee nflussung von Zeugen durch geheime Rundschreiben, Mitteilung geheimer Akten an einflußreiche Abgeordnete wie Dr. Heim u. a. Und so hat sich nach den leidenschaftslosen Aussagen der Angeklagten selbst schließlich doch eine gere zt« Kampfesstimmung entwickelt, di« am Donnerstag zu einem scharfen Zusammenstoß zwischen einem Verteidiger und den beiden Staatsanwälten führte, so daß der erste Staatsanwalt in großer Erregung den Saal verließ. Ueberraschungen dürft« der Prozeß, d«r noch drei Wochen dauern soll, wohl noch mehr bringen.
M t begreiflicher Spannung sah man der Verteidigungs- n oe des Generals Ludendorff entgegen. Er sprach fast d-'ei Stunden lang, klar und eindringlich. Bemerkenswett iß, daß er di« Auflehnung des Generals von Lossow gegen den General von Seeckt mit dürren Worten ein« Meuterei nannte. Ludendorff wandte sich auch gegen di« Zentrumsparkei. deren Politik nach seiner Meinung der Verlust Oberschlesiens zuzuschre ben sei und die den Ab- sttmmungsparagraphen in neue Verfassung hereingcbracht habe, um den Großstaat Preußen zu zerstückeln und vor allem die Rheinprovinz von Preußen zu trennen. Für oder gegen eine Partei politisch Stellung zu nehmen, ist natürlich jedermanns Recht, aber auf eine franzosenfreundliche Aeuße» runa des verstorbenen Papstes Benedikt XV., bei Gelegenheit der Heiligsprechung der Jungfrau von Orleans zurückzugreifen, daraus hätte Ludendorff wohl bester verzichtet, schon im Hinblick darauf, daß der j e tz i g e Papst in großen Schenkungen an Deutsche ohne Unterschied des Bekenntnisses bewiesen hat, daß ihm die deutsche Not zu Herzen geht. —
Der englische Erstminister Mac Donald hat, nachdem der Lurch seinen Parteifreund und M'nisterkollegen H ende r s o n verursachte Feuerlärm sich gelegt hatte, an Herr» Poincare einen zweiten langen Brief — den ersten, wem- ger wichtigen schrieb er anfangs Februar — geschickt und Poincare hat ihn alsbald beantwortet. Als diejenigen, di« die Kosten auf jeden Fall zu bezahlen haben, dürfen wir wohl fragen, was die beiden Brieffchrriber bezweckten. Auf den ersten Brief hatte Poincare mit nichtssagenden Redewendungen erwidert. Ab«r Mac Donald ist zäh. Tr iit
Veen Lnchänder, fvnd«rn Schotte. Tr packt di« Politik an**» an als Baldwin. Seit dem ersten Brief hat sich ja onch t»! Frankreich manches ereignet. D«r Franke« rft weiter wärt, gerutscht und die Kammermehrhoit Poincarä» bröck«ft» entsprechend ab. Die Arbeiten der SachverstSndigen-AnO» schüffe gehen ihrem Abschluß entgegen. Und das belgisch» Kabinett Theums-Jaspar, das durch dick und dünn hint» Poincarö» Politik hertrab de, ist über das Wirtschaft»«»-' kommen mit Frankreich gestürzt, da, di« Hörigkett Belgien» auf absehbare Zeit besiegeln sollte. Diesen Augenblick »»- nützte Mac Donald. Sein zweiter Brief redet ein« denid kichere Sprache als der erst«. Daß er Poincarö über-euIM werde, erwartet« Mac Donald wohl selbst nicht. Wen» «lo dämm spricht, daß die Politik Poincares auf die VermchtunG Deutschlands abzielt, wenn er ihm oorwirft, «inen wahaoO Krieg im Frieden zu betreiben und den Frisdensoertrag »op- letzt zu haben, wenn er ausführt, daß letztlich der e wM O» Steuerzahler für di« Summen auszukommen hat, die Po»» care für die militärischen Rüstungen seiner vasallinstaaT» ausgibt, und wenn er andererseits ein« freundschaftlich« T»- ständigung zwischen England und Frankreich asdietet, ft, zeigt er an, daß «r. Mac Donald, ein guter Fr«und, ob» auch ein erbitterter Feind sein könne. Rur will er stch «iM wie seinerzeit Lloyd Georg«, am Barrens«it sreundschaz» licher >i> stnmmgen von Zugeständnis z« Zugeständnis sühn« lasten, ohne daß wirklich Entscheidendes geschieht.
Das Festhalten an den großen Linien und den groß« Zielen, di« Absage an die Politik Keiner Gerissenheiten »n» Spitzfindigkeiten gibt Mac Donald eine Neberlegenheit Wen. Poincare, die sich schon in diesem Briefwechsel zeigt. VT übsichen Verlogenheiten Poincares von seinen „sriedKch«« Absichten", die er in seinem Antwortschreiben wieder -»W besten gibt, nehmen sich gegenüber Mac Donalds Aufforb*- rung zu freimütiger Besprechung dürftiger und kläglich«, aus als je. Poicare weicht einer Aussprache aus; er nM T, Entschädgungsv er Handlungen wieder auf den diplomatisch« Weg schieben, auf dem sein Starrsinn, gestützt von der französischen Militärmacht, schon einmal geoen Turzon qefteWt hat. Aber immerhin, Mac Donald rüstet. Er muß ns« zeigen, aus welchem Holz er geschnitzt ist. Lord Tur-o« scheiterte, well er von seiner eigenen Partei :m Rücken <MO»- griffen wurde, Mac Donald ist freier und «r kann sich meto» günstigeren Umständen mit Poincare messen, ab« e« seftn« Vorgängern möglich war.
Der Hitlerprozetz
s. D«rhandlungrtag Fortsetzung der Zeugcnvernehmuns.
München, 7. März.
Zu Beginn der heutigen Verhandlung nimmt Staats- anwalt Sten glein wieder seinen Platz em. Rechbo- anwalt Justizrat Kohl erklärt, er bedaure dxn gestrig« Vorfall und bitte den Staatsanwalt um Entschuldigung.
Als Zeuge wird sodann Hauptschristleiter Adolf S-Hie dt vernommen.
Rechtsanwalt Roder: Ich muß gegen die Beeid gun» dieser Zeugen Widerspruch erheben. Er kommt, rechtlich gesprochen, als Mittäter in Frage und ist daher uudediuG M vernehmen. Er wußte von dem Marsch nach Berlin und Hot in der Richtung sich als Hauplmilorbciler des Herrn v. Katze ständig betätigt. Das Gericht unterläßt vorläufig die Beeidigung des Zeugen.
Zeuge Schiebt gibt an, die Versammlung im Bürge»- bräukeller sei unter seiner wesentlichen Mitwirkung zustande gekommen. Es sei ihm klar gewesen, daß hier ein Putsch vor sich gehe, der mit bestehenden Staatseinrichtungen ft» Bayern und rm Reich aufräumen wollte. Da er die Ei» stellung des Herrn von Kahr zu den großen politisch«« Fragen im allgemeinen zu kennen glaubte und wußte, von welchen Sorgen Kahr, namentlich während der letzten TaO« über die Haltung Hitlers erfüllt war, so sei ihm (dem Zeugen) der Sinn der Erklärungen Kahrs und der anscheinenden Einigung nicht klar gewesm. Ein Diktator, der sich mit der Pistole zu «mer anderen Auffassung drängen läßt, könne unmöglich noch eine Rolle spielen, und dem Volke nicht mehr ein Führer aus eigenem Entschluß sein, Cr habe nicht etwa die Ueberzeugung gehabt, daß eine Komödie gespielt werde, dazu seien die Vorgänge zu ernst gewesen.
Vorfltzrnder: Sir haben bei ihren früheren Vernehmungen gesagt, daß sie beauftragt wurden, in später Nachtstunde da» Herauskommen der Morgenzeitungen zu unter- binden.
Zeug« Schiebt: Er sei in das Polizeipräsidium gegangen und habe dort eine große Gruppe von Press.»erst etern und den Oberregierungsat Obermeyer getrost m, der Gelegenheit schaffte, unbeachtet zu telephonieren. Auf Anfrage im Generalstaatskommissariat habe Baron Freyberg durck das Televdon aeantwortet: »Zurück, aber recht barm-