Ueue Nachrichten

Me Reichsausgaben

Berlin. 27. Dez. Die Reichsausgaben für das erste Viertel- lahr 1924 werden, wie verlautet, auf etwa 130« Millionen Goldmark veranschlagt. Der Reichsfinanzminister hofft, diesen Betrag durch die neuausgeschriebenen Steuern der zweiten Notverordnung und die Abgaben der dritten Notverordnung decken zu können. Ausgenommen sind freilich die Ansorde- rungen für die Besetzungstruppen. Inwieweit der Reichshaushalt davon entlastet werden kann» wird zurzeit noch innerhalb der Reichsregienmg erörtert.

Einstellung der Brennerelen-Enlschädigung Berlin. 27. Dez. Der Reichsminister der Finanzen erließ eine Verordnung, wonach die Paragraphen 213 bis 218 und die Paragraphen 220 bis 242 des Gesetzes über das Brannt­weinmonopol vom 26. Juli 1918 aufgehoben werden. Sie handeln von den Entschädigungen der Brennereibesitzer und Destillateure, die ihre Betriebe der Monopolverwaltung über- lassen mußten» und von den Unterstützungen entlassener An- gestellter.

Lin Reichssparausschutz

Berlin, 27. Dez. Durch Verordnung vom 18. d. M. ist unter dem Vorsitz des Sparkommissars, Staatsminister a. D. Saemisch, ein dreigliedriger Ausschuß eingesetzt worden, dem es obliegt, eine Vereinfachung der Verwaltung und eine Verringerung der Ausgaben des Reichs durchzuführen. Au Mitgliedern des Ausschusses sind der Staatssekretär z. D. Dr. Felix Buschund Staatssekretär z. D. Dr. Lewald berufen worden.

Sozialistisch-kommunistische Einigung Berlin, 27. Dez. In vertraulichen Versammlungen der sozialdemokratischen Parteibeauftragten wurde die Haltung der Reschstagsfraktion durchweg mißbilligt und die Kampf- stelluna gegen die bürgerliche Reichsregie­rung gefordert. Das Zusammengehen mir den Kommu­nisten bei den Reichstagswahlen sei unbedingt erforderlich.

Weimar, 27. Dez. Üm eine bürgerliche Mehrheit bei den Neuwahlen zum thüringischen Landtag zu verhindern, haben die Sozialdemokraten mit den Kommunisten ein Wahlab- kommen getroffen.

Keine Aufhebung des Ausnahmezustands in Sachsen

Berlin, 27. Dez, Wie verlautet, hat der Reichswehrmini- ster von seiner Reise nach Sachsen den Eindruck erhalten, daß zurzeit an die Aufhebung des militärischen Ausnahme­zustands in Sachsen nicht zu denken sei.

Fehlbetrag der preußischen Forfiverwalkung Berlin, 27. Dez. Im preußischen Landtag ist von der Devstchnationalen Fraktion eine große Anfrage eingebracht woroen, daß die preußische Staatsforstverwaltung trotz der hohen Holzpreise einen gewaltigen Fehlbetrag habe, der da­von herrührt, daß bis Februar 1923 die Holzkaufgelder zur Hälfte oder sogar bis zu zwei Dritteln bis zu 17 Monaten, und von Februar bis Oktober immer noch drei Monate ge­stundet wurden. Durch die Geldentwertung sei dem Staat ein Schaden von etwa 6« Millionen Goldmark entstanden, die durch Steuern gedeckt werden müssen.

Die Strafanträge im Düsseldorfer Prozeß Düsseldorf, 27. Dez. In der gestrigen Verhandlung gegen die Düsseldorfer Schutzpolizei beantragte der Anklagevertreter gegen den abwesenden Dr, Grützner wegenMords" die Todesstrafe, gegen die abwesenden Angeklagten Oberleutnant Beyer, Oberleutnant Boden st ein und Polizeikommissar Esser lebenslängliche Zwangsarbeit, gegen Oberleutnant Pohl, der die Hauptoerantwortung trage, Zwangsarbeit, ebenso gegen Hauptmann Pfeffer. Gegen Oberleutnant Hübner und gegen Hauptmann Paßlack ließ der An­kläger die Anklage aus Totschlag fallen und gegen Leutnant Vogt wurde die Anklage nicht aufrecht erhalten. Wegen der Schutzpolizei überläßt die Anklage die Strafzumessung dem Gericht. Ewers habe einen Franzosen mißhandelt und sine strenge Straf? verdient. Gegen den Angeklagten Krieg be­antragt? der Anklagevertreter eine hohe Gefängnisstrafe, gegen den Staatssekretär Neukirch ließ er wegen nicht genügender Beweise die Anklage fallen.

Nach Waterloo

Eine Bcmerngeschichte aus dem Taunus

von Fritz Ritzel. jZ9

XIV.

Frau Katharina Schilling ging in der großen Wohnstube des Rodenberger Hofes beständig auf und ab. Die sonst so gemessene Ruhe, welche gewöhnlich über ihrem ganzen Wesen lag, war einer nervösen Hast gewichen, mit der sie bald an einem der Fenster nach dem Hofe hinaussah, bald die Türe aufklinkte, um einen Blick in den weiten Vorplatz des Hauses zu werfen. Das, was die alte Ursel, die Botenfrau, ihr heute morgen als brühwarme Neuigkeit gebracht hatte, war aber auch ganz geeignet, die Seelenruhe der energischen Frau zu stören und sie mit unheimlichem Grauen vor der nächsten Zukunft zu erfüllen. Ihr Stiefsohn Heinrich, der seit fünf Jahren, seit der Schlacht von Waterloo, für tot galt, sollte wiedergekommen sein^ nachdem er die ganze Zeit durch eine verhängnisvolle Schicksalsfügung in aller Welt herum­geworfen worden wäre. Die Ursel hatte ihn selbst gesehen, als er gerade aus dem Wirtshaus zumGrauen Kopf" ge­kommen war. Sie wäre zu Tode erschrocken gewesen, denn sie hätte geglaubt, der alte Schilling stände leibhaftig vor ihr. Nachher habe sie von ihrer Vase, der Bärbel, erfahren, die ja neben Werners wohnte, der Heinrich sei bis am Ende der Welt, ja sogar in Amerika gewesen. Von dort habe er einen großmächtigen Klumpen puren Goldes mitgebracht, mit dem er das ganze Dorf kaufen könne. Seinem Lieschen habe er eine goldene Kette geschenkt, größer und schwerer, wie sie die Frau Herzogin trage, und dabei sei der Heinrich selbst ein feiner Herr geworden alles dies und noch viel mehr hatte die alte Ursel mit der ihr eigenen Zungenfertig­keit hervorgespruüelt, die ihr den SpitznamenGaloppschnut" eingetragen hatte. Das alte Weiblein war dann schnell nach dem Dorfe zurückgeeilt, um die wunderbare Neuigkeit auch anderwärts zum Vesten zu geben, ehe solche von einer ihrer Konkurrentinnen auf dem Gebiete des Dorfklatsches verbreitet werden konnte.

Eckart gestorben

UUiuchen, 27. Dez. In Berchtesgaden ist gestern abend der Schriftsteller und Herausgeber desVölkischen Beobnä>- ters", Dietrich Eckart gestorben. Eckart war im Zusammen­hang mit den Ereignissen des 8. November in Schutzhaft ge­nommen und am letzten Freitag in Freiheit gesetzt worden.

Das Düsseldorfer Schandurteil

Düsseldorf. 27. Dez. Das franz. Kriegsgericht fällte folg. Urteil: Reg.-Präs. Grützner 20 Jahre Zuchthaus. Hanptmann Beyer 10 Jahre Zuchthaus, Oberleuinnnt Bodenstein 10 Jahre Gefängnis, Oberpolizeikommissar Escher 12 Jahre Ge­fängnis, Polizeiinspektor Hösfner zwei Jahre Gefängnis, Ma- jor Engel freigesprochen, Aauptmcmn Winc?elmann 1 Iabr Gefängnis, 500 Jl Geldstrafe, Hauptmann Paßlack freige­sprochen, Hauptmann Pfeffer 6 Monate, Hauptmann Vogt freigesprochen, Oberleutnant Pohl 5 Jahre, Oberleutnant Hübner 5 Jahre, städtischer Palinst Krieg !8 Monate, Hess« Z Monate. Ewers 1 Jahr Gefängnis. Edel freigesprochen. Hülme 18 Monate. Kettler 3 Jahre. Hortmann 3 Jahre. Beyer 5 Jahre, Scköncmann 3 Jahre, schab,rcker 3 Jahre Vefängni». Mehrere Angeklagte wurden freigesprochen.

Der Zehnslundenkag im Ruhrgebiet

Esten. 27. Dez. Die Industriellen des Ruhrgebiets haben beschlosten, an der Forderung des zehnstündigen Arbeits­tags, den der Metallarbeiterverband °ast einstimmig abge­lehnt hatte, festzuhalten. Arbeiter, die nach dem 3. Januar di verlängerte Arbeitszeit nicht einbalten, sollen ausgcsperrt mck> die Betriebe nötigenfalls stillgelegt werden.

Esten, 27. Dez. Von 2500 deutschen Gefangenen im be­setzten Gebiet haben die Franzosen bis jetzt 61 entlasten.

Die Sachverständigen

Paris, 27. Dez. Die Entfchädigungskommifsion hat ge­stern die beiden Ausschüsse für die Untersuchung der deutschen ff'nanzlage und für die Auffindung des aus Deutschlandge­fluchteten" Kapitals festgesetzt. Der erstere Ausschuß wird sich folgendermaßen zusammensetzen. Vereinigte Staaten: General Charles D a w e s, Sparkommissar der Ver. St. (»r versteht etwas vomAbbau" und kann mächtig gegen Staatsverschwendung und Bürokratismus wettern). Eng­land: Sir Robert Kindersley (einer der Direktoren der Bank von England) und Josua Stamp, der frühere Leiter der Abteilung für direkte Steuern. Frankreich: Parmen- tier, früher Direktor im Finanzministerium, und Alix, Professor der Volkswirtschaft an der Pariser Universität. Ita­lien: Pivelli (Großindustrieller) und Professor Flora. Belgien: Baron Houtard (Bankier) und Frank (Bank- direkkor). Dem 2. Ausschuß gehörn ean von den Ber­einigten Staaten: Henry Mabinson aus Los Angelas (Bankd.); England M. Kenna; Frankreich: L. Akthalin (Direktor der Bank von Frankreich); Italien: Alberti (Bankier): Belgien: Jansen (Bankdirektor). Beide Aus­schüsse werden von den amerikanischen Mitgliedern geleitet; der erste tritt am 14., der zweite am 21. Januar zusammen.

Der bedeutendste Kopf in den Ausschüssen ist der frühere englische Schatzminister Mac>Kenna. Seit Jahr und Tag steht er im Federkrieg mit den französischenSachver­ständigen" und sucht ihnen klar zu machen, daß die deutschen ausländischen Guthaben kaum ausreichsn, um zwei Jahres­raten des Londoner Zahlungsplans von 1921 zu leisten, selbst wenn es richtig wäre, daß das geflüchtete deutsche Kapital fünf Milliarden Goldmark betrüge. In dieser Summe, die weit übertrieben sei, stecke aber eine notwendige Reserve der deutschen Wirtschaft, um mit dem Ausland überhaupt noch arbeiten zu können.

Der Frankensturz

Paris, 27. Dez. Finanzminister dr Lasteyrie gab im Senat die Erklärung ab, das Sinken des Frankenkurses habe seine Ursache nicht in einer Verschlechterung der fi­nanziellen und wirtschaftlichen Lage Frankreichs, sondern in dem Mißtrauen gewisser französischer Kreise, wen» Deutschland Bankrott mache, werde Frankreich mitbetrof- sen. Frankreich habe allerdings in diesem Jahr die Kosten des Wiederaufbaus zu bestreiten gehabt; es habe an Spa­nien 204 Will. Peseten, an Amerika 13 Mill. Dollar und an Japan 50 Millionen Pen zurückbezahlt. Aber die Staats­einnahmen seien MN 8 Milliarden böher als im vorigen

Jahr und Mebefreiten Gebiete" werben im nächsten Jahf 3)4 Milliarden Franken an Steuern abwerfen. Der ordent»! l liche Staatshaushalt sei im Gleichgewicht und Frankreich! !! nehme Anleihen für den Wiederaufbau auf. Der Sturz d«! ! Franken sei vor allem der Nichterfüllung des Vertrags von Versailles zuzuschreiben. Der Mangel an finanzieller Zusani-! , menarkeit unter den Verbündeten Hobe der eme mit Valuta­krise, der andere mit Arbeitslosigkeit zu büßm.

Württemberg

Stuttgart, 27. Dez. Auszeichnung. Dem Verlags- buchhändler Paul Schumann, Mitinhaber der Fa. I. Engel. Horns Nachf. in Stuttgart, ist in Anerkennung der Verdienst«, die er sich um die wissenschaftliche Geographie erworben hat, von der Universität Erlangen die Würde eines Dr. phil. h. c. verliehen worden. ;

Gerichtskosten und Rotariatsgebühren werden in Wür!> temberg ab 27. Dezember in Goldmark und in starker Sias, felung berechnet.

Gailsbach, OA. Meinsberg, 28. Dez. Brand. Dai Wohnhaus des Landwirts Heinrich Moser ist bis auf den r Grund niedergebrannt. Es konnte fast gar nichts gerettet werden. Man vermutet Brandstiftung durch den weg« - schweren Diebstahls steckbrieflich verfolgten Otto Röger.

Aalen, 27. Dez. Entgleisung. Der früh 6 Uhr ein- fahrende Härdtsfeldbahnzug ist am Montag bei demNeuen Weltübsrgcmg" infolge des Schneefalles entgleist, ohne daß ein Unglücksfall oder größerer Schaden entstanden wäre.

Dom Dodsnsee, 27. D«y. Aushebungei nerFalsch. m ü n z e r w e r k st ätt e. In Konstanz nahm die Kriminal­polizei in den Geschäftsräumen der vor einigsrkMonaten ge- gründeten Südd. Telephon-Gesellschaft nachts eine Durch­suchung vor. Dabei wurde eine regelrechte Falschmünzerwert- sichte entdeckt. Es waren schweizerische 5 Franken-Noten her- gestellt worden und zwar durch den früheren Sparkassenbuch- Halter Saier, den früheren Postangestellten Schmidt und den Buchdrucker Dilger, die aus den Betten heraus verhaftet wurde. Beschlagnahmt wurden 1700 falsche Frankennoten. 8000--9VV0 falsche Scheine dürften bereits in Umlauf sein. Die Scheine sind leicht erkenntlich, weil ihr Farbton zu hell ge­halten ist. Aus der Vorderseite ist außerdem das Wort Swizzera" etwas verschmiert.

Hschinsssn, 27. Dez. Weidmannsheil. Auf der Lei- beriinger Markung wurde dieser Tage vom Pächter der dor­tigen Jagd ein 280 Pfund schweres Wildschwein, ein Keiler, zur Strecke gebracht.

Ewr-kiuxsn in Hohen;., 27. Dez. Errvischtund wie­der entstehen. Der dem transportierenden Landjäger auf dem Weg von Jmnau nach Mühriygen entflohene ' Pferdedieb Türkin wurde hier fsstgenommen. Er hatte einige Stunden lang in emcr Wirtschaft gezecht, ohne zahlen zu können. Bei seiner Festnahme wurde er erkannt und in den Ortsarrest gebracht. Als ihm der Polizeidiener abends Wasser bringen wollte, fand er statt des Gefangenen ein Loch in der Scheidewand zwischen Arrest und Holzlagerraum und die Tür? von letzterem zum Treppenhaus gewaltsam geöffnet Anscheinend hat ein junger Mann Bürkin zur Flucht ver- holfen. Aus den Entflohenen wird jetzt wieder Jagd gemacht

Wangen bei Stuttgart, 26. Dez. Schwerer Rodel- u nfal l. Beim Schlittenfahren an verbotener Stelle verlor der Lenker die Herrschaft über den Schlitten, der an einen Weinbergzaun geschleudert und zertrümmert wurde. Dabei drasch einem 17jährigen Kaufmannslehrling ein Holzsplitter in Mastdarm und Blase. Der Schwerverletzte, an dessen Auf­kommen gezweifelt wird, wurde ins Karl-Olga-Krankenhaus gebracht.

Eklwangen, 27. Dez. Hinrichtung. Das Gnadengesuch der Raubmörder Ernst Nichmann von Untertürkheim und Wilhelm Geist von Cannstatt, die am 11. Juni ihren Freund den Kriegsbeschädigten Jakob Stingel von Untertt'irkhem bei Oberkirncck, Gde. Lorch, ermordet und beraubt batten, st aMlehnt worden. Die Hinrichtung findet ^ Zunächst statt

Baden

Karlsruhe, 27. Dez. Nach den Verhandlungen mit der französischen Behörde ist zu erwarten, daß bis Ende Dezember

Daß der Erzählung der Klatschbase eine wirkliche Tat­sache zugrunde lag, das wußte Frau Schilling bestimmt, denn sie erinnerte sich wohl des fremden Mannes, welchen sie gestern aus ihrem Wege nach der Grundmühle gesehen, und der ihr durch seine Aehnlichkeit mit ihrem verstorbenen Gatten einen so jähen Schrecken eingejagt hatte. Sicher war es der zurückgekehrte Stiefsohn gewesen, und ebenso sicher war es, daß dessen Rückkehr den alten Streit um die Erb­schaft neu entfachte.

Und wo war Hansjörg seit heute" morgen? Er. der sonst beständig hinter dem Gesinde her war und wie der reinste Ueberall und Nirgends bald im Hofe, im Stall, bald auf dem Felde auftauchte, mit munteren Worten die Leute cm- feuernd und selbst wacker zugreifend, er hatte zum Erstaunen der Mutter gleich nach der Morgensuppe im Sonntagsan­zug den Hof verlassen und war nach dem Dorfe zu gegangen. Sollte dieser Gang mit dem schrecklichen Auftritt von gestern in Verbindung stehen? Sollte das Ehrgefühl den Sohn wirklich so weit treiben, daß er einen Weg suchte, auf welchem das von ihr getane Unrecht gut gemacht werden konnte, ohne daß ihre Schuld an das Licht des Tages kam?

Sie hatte gestern abend und heute morgen keinen Ver­such mehr gemacht, Hansjörg zu überreden, von seinem Vor­haben abzustehen dem Vorhaben, auf den größten Teil seines Erbes zu verzichten, denn sie war der unumstößlichen Ueberzeugung, daß jedes Wort bei dem eisernen Willen, welchen er gezeigt hatte, fruchtlos sei. Jnständigst hatte sie ihn nur gebeten, ihr mitzuteilen, was er zu tun beabsichtige, ohne eine andere Antwort zu erhalten, als:

Loht mich nur, Mutter, ich waaß es selbst noch nitl Unser Herrgott ward schun helfe'!"

War dies die von dem Sohn erflehte Hilfe des Herrgotts, daß er den totgeglaubten, um sein Erbe betrogenen Stiefsohn just zur gleichen Stunde zurückkehren ließ, in welcher Hans­jörg den Betrug entdeckt hatte?

Ein Schauder vor der ewigen Gerechtigkeit durch itterte die sonst so selbstbewußte Frau vor der Gerechtigkeit, d e dem Auge des Sohnes ihr streng behütetes Geheimnis ent­

hüllt hatte und jetzt mit drohendem Finger vor ihr stand und ihr zurief:Du sollst nicht falsch Zeugnis reden!"

Ja, sie hatte falsches Zeugnis geredet; wider ihr besseres Selbst hatte sie gekämpft und hatte gestohlen und gelogen, hatte die Ruhe ihrer Nächte, den Frieden ihres Gewissens hingeopsert, alles in dem leidenschaftlichen Tri.b, i rem ^ eigenen Fleisch und Blut die Fülle des Wohlstandes zu sichern! Und welcher Dank ward ihr für ihr ungeheures ' Opfer? Ohne sich nur zu besinnen, wies der Sohn das, was sie für ihn auf unredlichem Wege erworben hatte, zurück; als etwas Selbstverständliches betrachtete er es, daß das Un­recht gutgemacht werde, ohne auch nur einen Augenblick zu erwägen, ob nicht eine Art und Weise herausgefunden werden könnte, die ihm gestatte, da? reiche Erbe für sich allein zu be­halten. Schämen mußte sie sich in tiefster Seele vor dem eigenen Sohn und angstvoll Merk? sie bei dem Gedanken, daß ihre Schuld die Kindesliebe in seinem Herzen tilgen könne. Wie oft schon hatte sie die Tat bereut, die chr die glühende Eifersucht auf die Tote, welche die Liebe ihres Gatten vor ihr genossen und die aus dieser Eifersucht ent­sprungene Abneigung gegen den Stiefsohn in einer unglück­seligen Stunde eingegeben hatte, und wie bitter war die Neue erst seit gestern über sie gekommen, nachdem sie mit Schrecken einsehen mußte, welches Unheil aus ihrer Schuld ! erwuchs. In der vergangenen Nacht, als sie sich schlaflos auf ihrem Lager hin und her gewälzt, hatte sie alle mög- lichen Pläne erwogen, wie Hansjörg dazu veranlaßt werden könnte, die Sache totzuschweigen. Bald wollt« sie die Hei­rat mit des Grundmüllers Pauline zugeben, bald gedachte sie ihm die Lage, in welche er nach Herausgabe des er­schlichenen Erbes kommen würde, als so armselig hinzustellen, daß er gewiß darauf verzichten würde, seinen Kopf durchzu­setzen. Dann wollte sie chn davon zu überzeugen suchen d- eine Rückerstattung des Erbteils gar nicht möglich sei, ohne daß sie, die Mutter, in Schimpf und Schande gerate; doch erschien ihr keines dieser Projekte Erfolg zu versprechen, wenn sie an die starke Entschlossenheit dachte, die das Wesen Hans« jörgs gestern gezeigt hatte.