(Enztalbote)

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Nummer 27

Fernruf 179

Wildbad, Freitag, den 2. Februar 1S23

Fernruf 179

58. Jahrgang

Tausende von ausländischen Schiebern und Schädlingen halten sich in Deutschland auf, die keinen andern Daseinszweck zu haben scheinen, als den Deutschen die letzte Habe vollends

abzugaunern und durch einen schändlichen Lebenswandel das deutsche Volk in den Augen aller Welt herabzuwürdigen. Mit ihren Geldmitteln besetzen die Elemente in den größeren Städten die prächtigsten Wohnungen und Pensionen Erweck die barbarische Willkür der Franzosen und Belgier Hunderte der besten deutschen Familien in das Elend hinausstößt und ihnen das eigene Obdach raubt. Was sollen da noch die Aus- landsschieber in Deutschland? Sie müssen entfernt wer­den, denn sie zehren genau wie Poincarä am Mark deutschen Lebens. Die ausgewiesenen Ruhrbewohner sollen nicht auf der Straße oder in Lagern sitzen; ihnen sollen in erster Linie die Wohnungen der ausländischen Schieber zugute kommen.

Der Werwolf

Bon dem grauenvollen Wüten desWerwolfs", des in Wolfsgestalt verwandelten wilden Mannes, hat Her­mann Löns ein erschütterndes Bild entworfen, eine wuch­tige Bauernchronik voll zehrenden Leidens und stillen Hel­dentums, das hohe Lied der niedersächslschen Heidebauern im Dreißigjährigen Krieg.

Heute nach drei Jahrhunderten ist der grimme «Wär- wolf' zurückgekehrt. Nicht in seiner natürlichen Gestalt, sondern gehüllt in das Gewand des «Friedensbringers'. 140 000 Milchkühe, 4000 Zungrinder, 120 000 Schafe, 10000 Ziegen, 15 000 Mutkerschweine und mehr noch hat er in seiner scheinheiligen Friedseligkeit verschlungen. Den Kindern vom Mutterleibs an hat er in maßloser Gier die Nahrung weggefressen, daß sie frühzeitig hinwelkten und rettungslos verkümmerten. Den Erwachsenen hat der Un­ersättliche Fleisch und Brot entrissen, daß sie kraftlos sich Hinschleppen und untüchtig werden zu nutzbringender Arbeit. Der Mangel an Nährstoffen hat die Jugend in ihrer körper­lichen Ausbildung schwer Zurückbleiben lassen. 6075 vom Hundert der schulpflichtigen Kinder sind unterernährt. Durch die rücksichtslose Wegnahme von Krankenhäusern, wie sie sich jetzt in Essen französische Roheit erdreistet, wird natür­lich der Bernichkungsprozeß unter der deutschen Jugend nur beschleunigt. Llemenceaus lästerhafter Ausruf: Es gibt 20 Millionen Deutsche zu viel! beginnt in ggnz ungeahnter Art fürchterliche Folgen haben zu sollen. Nicht durch Aus­wanderung, nein, durch Auszehrung, durch Aushöhlung, durch Knochenerweichung werden diese «20 Millionen zu­viel' erledigt. Denn neben den Kindern werden auch im­mer mehr Erwachsene Opfer des erbarmungslosen Wer­wolfs.

Während aber vor dreihundert Jahren die Verwüstung des deutschen Volks eine unmittelbare Wirkung der Kriegs­wirren war, geschieht heute diese Zersetzung im Zeichen des Friedens, eines Friedens, der angeblich zur Völkerver­söhnung und zum Wiederaufbau die Grundlagen bieten sollte. Daher ist das Schicksal des deutschen Volks unserer Tage noch um vieles härter und schwerer. Um so gewissen­loser ist dann aber auch die Haltung derer, dle für diesen Werwolfs-Frieden mit verantwortlich sind, die sich scheuen, die natürlich längst begriffenen Fehler wieder gutzumach'en, der Menschlichkeit unter den Völkern wieder zu Achtung und Ansehen zu verhelfen. Kein Finger rührt sich in England zur Linderung von Deutschlands Leid. Keine Hand wird uns aus Amerika herübergereichk, um uns endgültig wieder aufzurichten. Gefühllos, seelen­los sehen die anderen zu, wie das deutsche Volk stirbt. Da ist denn unter uns in letzter Stunde, vielleicht noch zu rechter Stunde, ein unerschrockener Mann erstanden, der den Mitschuldigen am Versailler Elend, besonders den Eng­ländern, ins Gewissen redet:

»Ich sage, was ich gesehen habe anders und genauer als Cure, schnellen Oberammergaureisenden und Königsseefahrer: Unsere Kinder verhungern. Unsere alten Leute verhungern. Nicht in ein paar Fällen, sondern zu Tausenden. Sie verhun- gern leise und klaglos. Aber ich klage für sie und sag Euch vor Gott: Das Elend der Masse derer, die den brutalen Kampf ums Dasein nicht verstehen, ist in aller Stille so fürchterlich, daß alle Almosen von Schweden, Holland, Amerika ihm bei weitem nimmer Nachkommen. Es ist der stille Tod: Schwindsucht in allen Formen, Rachitis, Verhungern und schlüpft alle Tage aus dm Licken des Versailler Nertrasr. und.-alle Laae bringt

Tagesspiegel

Die Franzosen haben offiziell die Aohleusperre ins un­besetzte Deutschland ab 1. Febr. verhängt. Der deutsche unentwegte Widerstand blieb aber davon unberührt.

Amtlich will man in Paris nichts davon wissen, daß Aemal Pascha von Poincare mitgeteilt worden sei, der ge­meinsame Friedensvertragsentwrrrf sei nicht als endgültig zu betrachten und Frankreich sei für sich zu weiteren Zuge­ständnissen bereit. Im Gegenteil habe Poincare Keniat aufgefordert, dein Entwurf wenigstens äußerlich zuzu­stimmen.

Donar Law lehnte die Forderung der Arbeiterpartei, da» Parlament vor dem 3. Februar einzuberufcn, bestimmt ab, weil die äußere Lage es nicht gestatte, gervisk politische Dinge (Ruhrbesetzung) im Parlament jetzt zu besprechen.

«Echo de Paris" erfährt, der schwedische Ministerpräsi­dent Dranking werde die Ruhrbesetzung doch vor den Völker­bund bringen.

er feine Ernte ein alle Tage, alle Tage. Ihr wißt es so gut wie die Franzosen, und wenn Ihr's nicht wissen solltet, so schreien wir doch diesen Mord Euch ins Gesicht, und die ganze Melk wird diesen Schrei nicht mehr unterdrüllen tonnen."

Der so aus ktefinnerlicher Bewegung seine Stimme er­hebt, nennt sich Meister Suntram von Augs­burg. Mir wissen nicht, wer sich hinter diesem in An­lehnung an die bekannten großen Bolksprediger des Mittel­alters gewählten Decknamen verbirgt; aber wir spüren es am heißen Atem seiner Sprache, es ist ein echter Deutscher mit warmem Herzen für sein Bolk, dem ein starkes reli­giöses Gefühl die Kraft verleiht, als mutiger Zeuge der Wahrheit wider welschen Trug zu fechten. Seine Schrift («An England', Gustav Schloeßmanns Verlagsbuchhand­lung, Gustav Fick, Leipzig und Hamburg) verdient weiteste Verbreitung in der Heimat, aber auch im Ausland, und das ganz besonders in diesen Tagen, da der grimmige Wer­wolf seine Zähne gewaltiger fletscht denn je, um sich aus dem kodeswunden Körper Deutschlands das fetteste Stück herauszureißen.

Aber nicht mit Reden allein, mögen sie noch so prächtig geformt, noch so mächtig in der Wirkung sein, kann die Schicksalswende fürs deutsche Voll, herbeigeführt werden. Das Größte und Schwerste müssen wir als Volks­gemeinschaft, als Notgemeinschaft selbst tun. Das alte Sprichwort: Hilf dir selbst, so hilft dir Gott! hak in der Gegenwart auch heute noch seine Berechtigung. Die zähe Trohigkeit und die mannhafte Widerstandskraft der wackeren Westfalen, die am nächsten den Zugriffen der Feinde ausgesetzk sind, müssen uns allen im unbesetzten Ge­biet leuchtendes Vorbild, anfeuerndes Beispiel sein. Wie sich bei Löns der Heidebauer Wulf mit seiner unerschrocke­nen Schar gegen den »Werwolf" des Dreißigjährigen Kriegs behauptet hat, so werden und müssen auch alle Deut­schen ihre letzte Kraft anspannen und zusammenraffen, um dem übermütigen Frankreich, dem Werwolf der Gegen­wart, zu zeigen, daß auch gegenüber einem äußerlich zwar wehrlos gewordenen, aber innerlich im Willen einigen Volke Tyrannenmachk eine Grenze hak.

Ein Ausweg?

Ruhrkrieg und Völkerbund

Im Petit-Luxemburg, einem Nebengebäude des Luxem­burg-Palais zu Paris tagt der Völkerbundsrat. Die Ueber- siedlung von Genf zum Zweck dieser Tagung verursacht einer Mehraufwand von 70 000 Schweizer Franken. Da der Völ­kerbund wie gewisse andere politische Gebilde des nieder­gehenden Europas stark überschuldet ist, kommt es daraus auch nicht mehr an. Die Hauptsache ist, daß Herr Poincare seine Leute am Ort besser beeinflussen kann. So hat er in langstündiger Unterredung seinen lieben Kollegen, den schwe­dischen Ministerpräsidenten Branting dahin gebracht, zu versichern, das kleine Schweden denke nickt daran, in Sachen der Entschädigung oder gar der Ruhrbesetzung klagend vor dem Völkerbundsrat aufzutreten. Branting hatte bekanntlich Miene gemacht oder sich doch den Anschein gegeben, er walle als Mitglied des Völkerbundsrats den Friedensbruch Frank­reichs und Belgiens vor den Rat bringen. Aehnlsch hat sich

bereits die Schweizer Regierung unterworfen. Der Augen­blick für eine solche Handlungsei noch nicht gekommen". Schließlich käme ja auch gerade die Schweiz als Gastgeberin des Völkerbunds unter Umständen in eine heikle Lage, wenn sie ungefragt eine Vermittlung einleiten wollte. Aber es sind noch andere Staaten da, die sich bei dem belanglosen Pariser Programm des Volkerbundsrats nicht beruhigen wollen. So die südamerikanischen Länder, die es für dringend notwendig halten, daß dem Krieg im Ruhrgebiet ein rasches Ende gemacht und die Welt endlich von einem Albdruck erlöst werde. Argentinien hat ja schon in Genf an Frankreichs Haltung Deutschland gegenüber scharfe Kritik geübt. Die Havasagentur ließ einen Versuchsballon steigen: Man könne sich ja im Petit-Luxemburg außerhalb der Sitzungen über Entschädigung und Ruhcfrage unterhalten und dann allmählich zu einer Entschließung übergehen, des Inhalts, der Völkerbund möge sich auf Verlangen der be­teiligten Mächte mit den genannten Fragen befassen.

Soweit der Vorfühler. Was erwartet man nun vom Völkerbund? Als er gegründet wurde, rief die Werbung der Verbandsländer den Anschein hervor, als gäbe es so etwas wie einemoralische Einheitsfront" in der Beurtei­lung dessen, was im Handeln der Völker gegeneinander gut und böse sei und als sei hier die völkerrechtliche Offenbarung der zivilisierten Welt gef inden. Vier Jahre sind seitdem in» Land gegangen. Der Völkerbund hat völlig versagt. Al» nach vier Jahren zweifelhaften Wirkens endlich die Repara­tionsfrage unabweisbar an ihn herantrat, hielt er es nicht für nötig, durch ein Gutachten offen und ehrlich Stellung zu nehmen, und er versäumte es durchaus, die beteiligten Ententevölker rechtzeitig darauf aufmerksam zu machen, daß Gewalt das ungeeignetste Mittel ist. wirtschaftliche Leistungen aus einem Volk herauszuholen, und daß es eine schwere Ge­fährdung des europäischen Friedens bedeutet, wenn mili­tärische Machtmittel gegen entwasfnete Völker zur Er­ledigung schuldrechtlicher Fragen angewendet werden. Seit Mai 1921 stellte Frankreich durch seine Drohungen diese Ge­fahr für Europa in Aussicht. Der Völkerbund Hot nichts ge­tan, diese Gefahr wenigstens mit geistigen Mitteln zu be­kämpfen, bevor sie zur friedenstörenden Tatsache wurde. Auch in der Orientfrage glänzte der Völkerbund durch Schweigen. Was kann also aus Genf und vollends aus Paris von Völkerbundsgnaden noch Gutes kommen? Man hört, daß jetzt halb Amerika für den Eintritt der Vereinigten Staaten in den Völkerbund sei. Man liest aber auch, Hardings persönliche Ansicht sei, daß selbst bei einmütiger Zustimmung des amerikanischen Volkes zu seinem Eintritt in die Liga der Nationen kein Ausweg aus einer derartigen Krisis gefunden werde, wie sie Frankreich durch seine Ruhr­aktion geschaffen habe. Der Präsident in Washington dürfte besser informiert sein, als man in Europa glaubt. Es ist eben zu spat für Amer-ka. z u s p ä t für den Völkerbund, zu spät jedenfalls für die Pariser Taguna, die schon Ende dieser Woche wieder auseinanderlaufen will.

Aus den besetzten Gebieten

Welkere Verhaftungen

Esten, 1. Febr. Die Franzosen habm mehrere Polizei­angehörige verhaftet, die gemäß dem Befehl der preußischen Regierung die feindlichen Offiziere und Fahnen nicht ge­grüßt haben. Der Autofabrikant Lumeg und zwei Beamte seines Werks sind in Bochum verhaftet worden, weil sie die Ausbesserung französischer Autos verweigerten. In Cleve wurden Bürgermeister Dr. Wulf und mehrere Be­amte von den Belgiern verhaftet. Die Belgier besetzten den Bahnhof und vertrieben die deutschen Eisenbahner.

Mainz, 1. Febr. Die ans beute angekünd'gte Ausrufung der Rheinischen Republik ist anscheinend ins Wasser gefallen. Seit gestern regnet es in Strömen.

Berlin, 1. Febr. Die Reichsrecsierung hat kn Paris gegen die Beschlagnahme der Krankenhäuser in Essen Einspruch erhoben.

Einspruch der Reichsbank

Berlin, 1. Febr. Das Direktorium der Reichebank hat in einem Schreiben an die Rheinlandkommission unter Hinweis darauf, daß die Reichsbank ein selbständiges, rein auf Privatkapital gegründetes Bankunternehmen ist, gegen die verschiedenen gewaltsamen EBa-iste der Fran-osen und VelMr.und gegen den Raub von 6.2 Millionen Mark aus der Bankstelle in Aachen durch Belgier Einspruch erhoben.