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(Enztalbote)

Amtsblatt für M'ddad. Chronik und Anzeigenblatt

für das obere Euztal.

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Verlag und Schriftleitung Th. Gack iu Wildbad.

Nummer 22 Fernruf 179 Wildbad, Samstag, den 27. Januar 1923 Fernruf 17« 58. Jahrgang

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Deutsches Volksopfer.

Deutsche Volksgenosse«: Im Frieden, entgegen ge­schlossenen Verträgen, hat der französische Jmsterialis- das Ruh gebiet, freies deutsches Land, mit militä­rischer Gewalt dergetvaitigt. Im Rheinland hat er die Schranken durchbrochen, die die Verträge den Be- Besatznngsmächten anserlrgen. Darüber hinaus bedroht jetzt das ganze deutsche Land wirtschaftliche Not nnd Teuerung. Frieden und Recht sind gebrochen. Gewalt und Unrecht sind unseren Volksgenossen angetan, die unter schwerster Last ihrer Arbeit nachgchen wollten.

In zäher Abwehr steht die Bevölkerung der ver­gewaltigten Gebiete wie ein Mann. Aus Gedeih und Verderb in ihrem Wirtschaftsleben nnd ihrer Freiheit verbunden, setzen sich Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Beamte im Kamps für das Recht ein.

Nene schwere Not entsteht, schwerer noch als wir sie jemals trugen, Not im vergewa'tigten Gebiet, Not im altbesetzten Land am Rhein, Not in ganz Deutsch­land.

Der Staat wird helfen» wo er kann. Aber vor der Staatshilfe muß eine andere kommen, freier, bewrg- liibrr: dir Hilfe des Volles im Volk! Schon haben sich Herzen nnd Hände aufgeschlossen, um die Leihen zu lindern, den Widerstand für das deutsche Volk zu stählen und der Welt die Kraft Deutschlands und sein Recht knndzutun.

Was Deutschland aufs neue anfcrlegt wird, verlangt Von uns große Opfer. Große wirtschaftliche Verbände haben schon den Hilfsgedanken in ihren Kreisen zur Tat werden lassen. Niemand wird znrückstehcn dürfen, kein Land, kein Alter, kein Stand, kern Geschlecht. Wir wenden uns darum an alte Volksgenossen mit dem Ruf: Empfindet die kommende Not als die gemein­same deutsche Not, wehrt sie ab, lindert sie, entsagt dem Lnxns und der Ueppigkeit, um dem Nächsten zn Helsen! Gebt aus dem Neberflnß, wie ans bescheide­nen Verhältnissen, wa§ geleistet werde» kann! Es geht um Deutschlands Dasein und Zukunft, «m Recht nnd Freiheit des Volkes. Gebt deshalb zumTentschen Volksopfcr"!

Tie aufgebrachten Mittel werben von einem Ber« trauensansschutz verwaltet und verwendet, der unter dem Vorsitz des Reichskanzlers Zusammentritt.

Berlin, 24. Januar 1923.

Ebert, Reichspräsident.

Für die Reichsregierung: Reichskanzler Tr. Enno.

Tie Regierungen der deutschen Länder.

Aufruf an Arbeitgeber und Arbeiter.

Berlin, 24 Jan. Mitten im Frieden haben fran­zösische und belgische Truppen deutsches Land besetzt unter Vorwänden, die niemand in der Welt über die wahren Absichten täuschen. Mitten im Frieden haben sie Belagerungszustand und Kriegsrecht über deutsches Gebiet verhängt. Sie haben Beamte, weil sie, ihrer beschworenen Pflicht getreu, zum Reich hielten, ihres Amtes entsetzt und verhaftet und ihrer Heimat ver­wiesen, Unternehmer, die sich der unrechtmäßigen Ge­walt nicht beugen wollten, ins Gefängnis geworfen und vor ein f anzösisches Kriegsgericht gestellt, direkte Eingriffe in Privateigentum vorgenommen und den Willen der freien Arbeiterschaft unter den franzö­sischen Imperialismus zu zwingen versucht. Alle diese Versuche sind gescheitert an dem festen Willen aller Schichten der Bevölkerung, die in Treue zum Reich und zum Volk stehen. Alle Deutschen sind mit der Reichsregierung entschlossen, auch weiter für Frieden und Freiheit mit der Waffe des Rechts zu streiten. In diesem Kampf mutz unsere Sache siegen. Aber wenn sich auch das Recht durchsetzt, so werden doch von unserem schwergeprüften Volk noch weitere Opfer ge­fordert. Schwere Not kann hierbei entstehen, sowohl an der Ruhr, als auch im yltbesetzten Gebiet und darüber hinaus im ganzen Deutschen Reich. Wir wen­den uns an die deutsche Wirtschaft mit dem Aufruf, diese Not als gemeinsame aufzunehmen, abzuwenden nnd zu überwinden, mit dem Aufruf, die Herzen und die Hände zu öffnen für die erste Linderung, mit dem Aufruf, auch aus kargem Unterhalt zu geben, was möglich ist. Wer viel hat, schuldet viel! Aber es gibt keinen, der nicht auch an seinem Teil Schuldner ist-. Wirtschaftliche Not wollen wir lindern und durch

Tagessyiegel

In Düsseldorf kam es im Anschluß an den zrveistürr- digcn Proteststreik der Reichs-, Staats- und städtischen Be­amten gegen die Beamtenverhaktungcn zu gewaltigen Kund- gedungen. Französische Infanterie und Reiterei suchten in den späten Abendstunden die Massen vergebens auseinander zu treiben. Die Truppen gingen mit blanker Waste vor und §ab->n Schüsse ab.

In Trier fanden aroße vaterländische Kundgebungen statt. Ueber Trier ist der Ausnahmezustand verhäng! worden.

Durch den Ausstand im Lchleppamt und Schleisenbekrieb des Rhein-Kernekonals ist der gesamte Schiffsverkehr aus der: nordwestdeutschen Wasserstraßen lahmgelegt.

Poincare keilte in der Senakskommiksion mik, daß die kosten der Rnhrbesehung für die Monate Ianuar und Fe­bruar sich auf ungefähr 45 Millionen Franken belaufen.

solche Laten unseres Volkes Ansehen stärken, um dem Ausland zu zeigen, daß sich unser Volk für Recht und Freiheit mit allen Kräften einzusetzen bereit ist.

Wir fordern daher die Arbeitgeber nnd die Arbeit­nehmer ans. sofort für diesen Zweck Geldmittel zur Verfügung zu stellen. Zahlungen nehmen entgegen die Reichsbank und ihre Nebenstellen, sämtliche Banken und Bankiers, Sparkassen und Genossenschaften unter der BezeichnungRnhrhilse" (Abwehr des Einfalls in das Ruhrgebiet). Von den Arbeitgebern wird er­wartet, datz sie vorangehend Opfer bringen in Höhe des Vierfachen der von ihren Angestellten und Arbeitern bereitgestellten Beträge. Unternehmer, die eine im Ver­hältnis zu ihrer wirtschaftlichen Bedeutung geringe Zahl von Arbeitern und Angestellten beschäftigen, wer­den gebeten, ihren Beitrag entsprechend zu erhöhen. Arbeiter, Angestellte und Beamte sollen ihrerseits zu­nächst den Verdienst einer Arbeitsstunde opfern. Um die Mittel schnell und reibungslos bereitzustellen, wird empfohlen, den entsprechenden Abzügen bei den Lohn- und Gehaltszulagen zuzustimmen. Die Verein­barungen sind zweckdienlich unter Mitwirkung der wirt­schaftlichen Vertreter der Arbeitnehmer zu treffen.

Die Arbeitgeber werden den Ertrag der gemeinsamen Opfer an die obengenannten Stellen überweisen. Die Verwaltung und die Verwendung der Mittel liegt in den Händen eines Verwaltungsausschusses, der von den Spi e Verbänden paritätisch zusammengesetzt wor­den ist. Ueber die Annahme von Spenden und Le­bensmitteln ergeht durch die landwirtschaftlichen Or­ganisationen besonderer Ausruf.

Die SPfte»verbände der Arbeitgeber und Arbeit» ejrncr.

Wochenrundschau

So um die Mitte des vorigen Jahrhunderts herum ver- sügte der BerlinerKladderadatsch" über politisch-satirische Zeichner, die man wahre Genies nennen kann. Mit wenigen Strichen entwarfen sie Charakterbilder der führenden Män­ner, Darstellungen der politischen Lage im großen und klei­nen, so klar, so eindringlich, wie es die längsten Abhand­lungen nicht fertig bringen konnten. Wenn man heute die Zeichnungen jener künstlerischen Politiker in die Hand nimmt, lernt man die damalige politische Zeit besser verstehen als aus den dickleibigsten Geschichtswerken. Auch damals gab es einedeutsche Frage", an der die europäischen Groß­mächte herumdokterten, bis auf einmal ein Bismarck er­stand, der die unehrlichen, eifersüchtigen und habsüchtigen Quacksalber zum Kuckuck jagte und die deutsche Frage auf seine, d. h. auf deutsche Art lüste. Der Zeichenstift hat an dem Werk des großen Kanzlers einen gewissen Anteil. Heute nach 60 oder 70 Jahren haben wir leider wieder eine deutsche Frage. Wenn wir dazu auch wieder die deutschen Zeichner hätten, was würden sie wohl für Bilder von der Gegenwart entwerfen? Was sind dieMomentaufnahmen" in den Bil­derbeilagen der Zeitungen, was lüe eintönigen, einfärbigen oder farblosen oder aber auch einseitig gefärbten Berichte der Nachrichtenbüros? ein paar geistvoll erfaßte Karikaturen würden uns mehr erzählen. Bielleicht beschert uns der Himmel bald solche Künstler, denn jedes Ding.und jeder

ur Ruhrhilfe!

Mann kommt zu seiner Zeit, und dis Zeit für politische Kart-- katurenzeichner, die belehren, trösten und Wege weisen, ver­teidigen und anklagen in einem können scheint wieder ge­kommen zu sein.

Was sich da unten im Ruhrgebiet zurzeit abspielt, das auch nur in annähernd übersichtlicher Weise zu schildern, ist schier unmöglich. Jeder der vielen Orte ist sozusagen eine Geschichte für sich. Der sinnlose, brutale Mißbrauch einer durch fremde Hilfe und abgrundtiefe deutsche Dummheit un­verdient erlangten Machtstellung der französischen Barbaren, der trotzige Widerstand des in seinen heiligsten Gefühlen ver­letzten, mit Zähneknirschen aus traumhafter Selbsttäuschung erwachten deutschen Volks diese beiden stehen in einem Kampf um Leben und Tod, moralisch, politisch und wirtschaft­lich gesprochen. Was soll man üocr den Einfall der Fran­zosen und Belgier mit jetzt reichlich 100 000 Mann in dem urdeutschen Westfalen sagen? Mit nichtigeren Gründen und gewissenloser ist niemals ein Land im Frieden überfallen worden. Politisch will der derzeitige Träger der franzö­sischen Politik, Poincar 6, Deutschland zerreißen oder doch, so ohnmächtig machen, daß das feige, innerlich morsche Frankreich nie wieder etwas von dem deutschen Nachbarn zu fürchten hat. Daneben mag ihn die Eitelkeit treiben, irgend­wo ein waffenstrotzendes Heer einen siegreichen Einzug halten zu lassen, nachdem den Franzosen im völkerrechtlichen Krieg nicht vergönnt gewesen war, den von Poincare versprochenen Einzug in Berlin anders denn als Kriegsgefangene mitzumachen. Der wirtschaftliche Zweck des Einbruchs ist die Unterwerfung der deutschen Großindustrie und der Kohlenerzeugung unter die Macht des Großkapitals in Frank­reich. Alles, was sonst von der französischen Regierung oder der Cntschädigungskommission vorgebracht worden ist, ist Lüge und Heuchelei. Frankreich hat iw. Verein mit Belgien den Vertrag von Versailler gebrochen, vorsätz­lich und in übelster Absicht.

Aber, wird man fragen, der Vertrag von Versailles ist doch, abgesehen von Deutschland, von 27 Staaten unter­schrieben worden, wo sind denn die fünfundzwanzig? Die Herrschaften von Liberia, Siam, Haiti, Monie-Carlo usw. können bleiben, wo sie wollen. Aber England, Amerika, aM Ende noch Italien, sind sie nicht durch ihre Unterschrift für die Einhaltung des Vertrags durch alle Siebenundzwanzig verantwortlich? Gewiß sind sie das. Aber wie kommt er. daß diese Großmächte sich um den Tisch herumdrücken und irr wohlwollender Neutralität" zusehen, wie Frankreich dem Deutschen Reichfriedlich" den Hals abzudrehen sucht? In England weiß man wohl, um was es bei der sich immer weiter ausdehnenden Abschnürung des Ruhcgrbiets vom Deutschen Reich geht. Die sogenannte öffentliche Meinung wettert gelegentlich gegen den französischen Vertragsbruch, der sich in letzter Linie ja doch auch gegen England kehren muß; Lloyd George wird nicht müde, in deutschen und anderen Zeitungen Poincares tünterlisllges Werk anzuklagen, an dem er selbst reichlich mitschuldig ist, die englischen A r - beiterführer verdammen da und dort die übermütige Friedensstörung, nur wenn es sich um die Hilfeleistung für Deutschland handelt, werden auch sie merkwürdig kühl< eine neue Warnung für die deutschen Arbeiter, Hoffnungen; auf den Internationalismus zu setzen; er ist immer bei der Hand, wenn es gegen Deutschland geht, aber für Deutschland da sucht man ihn vergebens. Die englische Regierung aber kümmert sich den Deut um ihreöffent­liche Meinung". Sic will es mit Frankreich nicht verderben, mag es zehnmal den Vertrag brechen nnd gegen ein waffen­loses Volk wüten. England hat in der letzten Woche allein 1)4 Million Tonnen Kohlen mehr verkamt als in der Dor- woche und das genügt. Etwas anderes als ein Geschäft war der Weltkrieg gegen Deutschland auch nicht, und solange England bei dem Einfall ins Ruhrgebiet auch sein Geschäft macht, will es sich um Kleinigkeiten wie den Vertragsbruch nicht kümmern. Wobei allerdings zu beachten ist, daß Deutschland erst am Anfang des Kampfes um das Ruhrgebiet steht und die durch einen ausdauernden Abwchrkampj zu schaffenden politischen Tatsachen erst beginnen, wirksam zu werden.

Die amerikanische Regierung scheint sich über-