Nummer 288

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(Enztalbote)

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Fernruf >79

Die Not des Hauses

Don deutscher Häuslichkeit haben alte und junge Dichter kr begeisterten Tönen gesungen, und sie wollten ein stilles, trauliches Glück preisen, das in seiner Eigenart unüberbietbar ''nd unersetzlich ist. Mag sein, daß romantische Poesie da ge­legentlich m allzu rosigen und harmonischen Farben malte, aber immer lag ein guter und richtiger Gedanke im Lob des deutschen Hauses, der Gedanke vor allem, daß di sie Welt im kleinen wie ein immerwährender Quellborn für alle guten deutschen Kulturkräste sei. Ein ruhiges, stilles Famlienglück ist nicht nur eine erfreuliche persönliche Ang.'legenhett, son­dern es ist auch etwas Bedeutsames für das große Ganze.

Nun ist aber, so schreiben dieLeipz. N. N-", das deutsche Haus aufs schwerste durch die allgemein wirtschaftlichen Nöte erschüttert. Man kann von einer Not des Hauses reden in der sich die Not des deutschen Volks spiegelt. >md die wie­der ihrerseits dem Volk schwere Sorge bring: Natürlich hat das Haus auch früher seine Wirtschaftssorge gehabt, zumal während der vier Kriegsjahre hat es nächtig ringen müssen Aber was bedeutet das gegenüber den gegenwärtigen Schwie rigkeiten! Wie trostlos ist vielfach oas häusliche Wirtschaften geworden! Redlich, treulich, tapfer haben die Hausfrauen in all diesen Jahren ihren Platz ausgesüllt. Aergeil che Ausnahmen bestätigen nur die Negel. Sie verrichten ge­duldig. alle Arbeiten, und wenn sich der Abend in d e Nachr hinüberwandelt, beugen sich die müden Augen über einem Pack Wäsche oder Kleidungsstücken, wo schon ein dutzendmal die geschickte Nadel ihr Werk versuchte, und immer von neuem muß es sich noch einmal lohnen, die schließlich doch aussichts­lose Flickarbeit aufzunehmen. Viele Hausfrauen können gar nicht mehr daran denken, ihren Haushalt aus Woche und Monat einigermaßen zu organisieren. Alle wirtschaftlichen Berechnungen zerflattern, wenn von Tag zu Tag das Geld entwertet wird, wenn ein Tausender für sechs Dinge reichen soll, und er ist schon bei den dreien erledigt. Räsoniert dann auch noch der Mann, was das alles koste, dann ist's begreif sich, wenn auch die gesündesten Frauennerven ins Wanken geraten und zu böser Letzt womöglich ganz streikm Gerade die Gewissenhaftesten unter ihnen, und gerade die häuslich Sach- und Fachverständigsten, leiden setzt in einem Ausmaß unter der Not ihres Hauswesens, das ganz oesonüere Person- llche Rücksicht erfordert. Es muß einmal festgestellt werden, daß die Hausfrau doch nicht bloß als das wehrlose Aschen­puttel der neuen Zeit angesehen werden darf. Was wird sonst alles geredet und getan, um dem weiblichen Geschlecht zu seinem rnodernen Recht zu verhelfen! W-'e hält man daraus, daß auch die Frauen das Geistige nicht vernachlässigen? Ja was wird nicht alles von den deutschen Frauen erwartet! Und es ist schön, daß man zu ihnen solches Vertrauen hat, ein weitgehendes Zutrauen, hinter dem mehr oder weniger be­wußt die Erinnerung an tausendfache Bewährung durch deutsche Jahrhunderte steht. Um so trauriger st es me in un­gezählte Hausfrauen unter dem ewig zermürbender. Drucke wirtschaftlicher Not und Unsicherheit geistig und 'erlisch oer­kümmern, wenn sie allen idealistischen Schwung verlieren urch kaum noch die nötigste Lebensfrend'gkett für sich selbst und den nächsten Familienkreis aufbringen. Es ist keine bloße Sentimentalität und Butzenscheibenlzn?, wenn man die Gattin und Mutter das Herz des Hauses nennt; und wo es gesund und lebenskräftig schlägt, da ist das ein Segen für alle, die im Hause ein- und ausgehen, auch wenn's ein noch so bescheidenes Hauswesen ist. Man brütet über allen mög­lichen volkswirtfchaflichen Maßnahmen behufs Wiederauf­bau und deutscher Daseinsmöglichkeit; möge man dabei die Not des Hauses nicht vergessen.

Der deutsche Hatz

Kühnenote und Widerstand

Die bis zum 10. Dezember befristete Sühnenote des Pa­sser Botschafterrats und die Schwierigkeiten ihrer Beant­wortung haben wieder einmal die Frage des deutschen Wi­derstands, deutlicher: der deutschen'Revanche" aufgerollt. Bayerische Blätter verschiedener Parrerrichtung erwarten vom neuen Reichskanister Cuno eine entschlossene Tat. vergessen aber dabei, sich klar zu machen, ob dieser Tat eine entschlossene Haltung des ganzen deutschen Volts entspräche. Wie steht es denn damit, das heißt mit oisser Rückendeckung? Der ehe- malige General der Infanterie Berthold von Deimling, der seinen Frieden mit der Republik gemacht hat, wies kürz­lich in der Oeffentlichkeit daraus hin. daß ein deutscher Wider- hguü M KMvh . «ch, M Wavs» iv der Sank. Keller

Wilddad. Freitag, de« 8. Dezeruder 1>M

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57. Zahrgans

Tagesspiegel

Der preußische Staaksrat legte gegen die Rautzabsichken Frankreichs auf das Rheinland Einspruch ein und stellte mit Genugtuung fest, daß alle Lockungen und Einschüchterungen am Rhein entschiedener Ablehnung des Landes begegnen.

Rach einem Bärsengerücht soll Reichsdankpräsident Haoen- stein nach London abgereist sein.

In Reichstagskreisen verlautet, die Sozialdemokraten seien nunmehr doch' bereit, in die Regierung bzw. in die Große Koalition einzutreten. Im nächsten Monat Januar solle das Reichskabinett entsprechend umgebildet und erwei­tert werden.

Rach einerTimes"-Meldung soll in der Rationalvsr- sa.amlung in Angora eine Spaltung erng .ceien sein. Der stellvertretende zweite Vorsitzende sei zurückgelreten.

Rach amerikanischer Meldung hat eine chinesische Räu­berbande den Hafen der (von Deutschland geschaffenen) Stadt Tsingtau, der am 5. Dezember von Japan an China zurück- gegeben werden sollte, besetzt. Die Bevölkerung flüchtet.

Wahnsinn sei. (Nebenbei gesagt, wäre es nur e'ne Ar! Franktireurkrieg mit Revolvern und Jagdflinten, mit Gummi­knüppeln und Schlagringen gegen des mit allen neuzeitlichen Kampfmitteln reich ausgestattete Heer de- schwarzen Fran­zosen am Rhein.) Deimling sagte, niemand wisse besser als der Mitkämpfer des Weltkriegs, daß sin solcher Kampf für irgendwie absehbare Zeit undenkbar bleibe, nachdem wir ent­waffnet sind und unsere Rüstungsindustrie zerstört ist. Auch das deutsche Volk sei nicht im unklaren darüber, daß es in seiner Waffenlosigkeit keinen Krieg führen kann. Aber es müsse einmal mit aller Deutlichkeit gesagt werden und zwar damit die französischen Kreise den ganzen Ernst erkennen: Im deutschen Volk herrscht eine mit Naturgewalt aus Zorn und Scham entstandene tiefe Erbitterung und ein dumpfer Haß sowohl wegen der Drangsalierungen, Reizungen, De­mütigungen und Härten der Besetzung am Rhein, als auch allgemein wegen der starren Politik der französischen Re­gierung. die einzig die Ausführung ihrer angeblichen Ver­tragsrechte verfolge, aber keine Rücksichtnahme auf die Le­bensmöglichkeit und die Lebensrechte Deutschlands zu k»rmen scheine. In dieser Politik der französischen Regierung liege der Keim zu einem neuen Krieg. Wenn Frankreich diese unweise Politik fortsetze, dann würden die Massen in Deutschland tatsächlich zur Verzweiflung getrieben und es könne trotz allem die Zeit und die Gelegenheit kommen, da ver Rachegedanke furchtbare Wirklichkeit wird.

Soweit Deimling. Man muß hinzrnügen, daß die seelische Verfassung im heutigen Deutschland nicht klar zutage liegt, sondern sehr verwickelt und verschleiert ist. Der Haß ist da, aber kecne Entschlossenheit. Mst dem Ausliefern der Waffen ist in breiten Volksschichten der Wille zum offenen Widerstand zerbrochen worden. Wir sind heute noch so weit, daß Opfer, sogar blutige Opfer zwar im inneren Krieg als selbstverständlich galten, daß zur Befriedigung der Ansprüche der Entente die schwersten Opfer an Volksgut, Volksgesundheit und Volksehre erbracht werdey, daß aber jedes Opfer, das zur Befreiung oder wenigstens zur Besserung unserer Lage führen könnte, von weiten Volks­schichten abgelehnt wird. Dieser geistigen Verfassung muß man ms Gesicht sehen und mit ihr rechnen, um nicht Trugbildern nachzujagen.

Dennoch muß sich jedem denkenden Menschen angesichts der neuesten Quälereien der Botschafterkoiiserenz, die an die Wochen und Monate kurz nach Kricgsschluß erinnern, der Gedanke aufdrängen: Ist das deutsche Volk und damit seine Regierung denn völlig ohnmächtig? Bestehen nicht Möglich­keiten, den Verbündeten den Erfolg ihrer Drohungen zu verderhen? Schon mehrmals ist in der Presse auf die Be­deutung des Boykotts hingewiesen worden, der von politisch schwach gewordenen Völkern, wie besonders den Chinesen und Türken bis in die neueste Zeit hinein häufig und mit Erfolg angewandt worden ist. Einem deutschen Boykott französischer Waren ist durch den Vertrag von Versailles mancher Riegel vorgeschoben. Trotzdem hätte eine Volksbewegung Aussicht auf Erfolg, wenn von sachverstän­diger Seite die Richtung gegeben wird, damit Ziellosigkeit und Zersplitterung vermieden werden. Noch näherliegen, der als der Boykott ist heute der passive Widerstand gegen feindliche Anordnungen, die sich gegen das Lebensinteresse von deutschen Staaten und Gemeinden richten. Ein drittes Mittel: Das Unrecht, das Deutschland angetan wird, täg- lichindieWeltzurufen, so lange und so laut, bis sie merkt, daß sie durch dieses Unrecht selbst betroffen und ge­schädigt wird. Die deutsche Presse, soweit sie noch nicht von der Teuerung erwürgt ist, tut ihre Pflicht. Man erwartet ein erlösendes Wort jetzt aber auch von der deutschen Diplo- matieler.

Krupps Versuch in Rußland

Au° altem Weideland der Kosakenpferde wird die 'ndu- strislle Weltsirma Friedr. Krupp-Essen nach einem am letzten Montag mit der russischen Botschaft in Berlin abge- schlossenen Vertrag einen landwirtschaftl. Grotz- betriebins Leben rufen, sobald die noch erforderliche, aber sicher erscheinende Bestätigung durch die Moskauer Sowjet­regierung vollzogen ist. Wie derD. Tagesztg." berichtet wird, geht der Pachtvertrag über eine Landfläche von etwa 26 000 Hektar auf 36 Jahre. Die Größe der Fläche cnupricht den Wünschen auf russischer Seite, während di« Firma Krupp für den Versuch ein geringeres Ausmaß vorgezogen haben würde.

Beide Teile waren sich darüber klar, daß der Wiederaus, bau der durch Jahre zerrütteten russischen Wirtschaft bei der Landwirtschaft zu beginnen Hab« und daß die Wiederein- fügung der russischen Erzeugung in den Weltmarkt am zweck­mäßigsten eingeleitet würde durch die Einführung eine« deut­schen Musterbetriebs in großem Stil.

Russischer Boden soll nach dem eigenen Wunsch der Sow­jetregierung unter deutscher Leitung und mit aus Deutschland bezogenen landwirtschaftlichen Maschinen nutzbar gemacht werden, und dis erforderlichen Geldmittel werden aufgebracht unter namhafter Beteiligung einer englischen Bank.

Es ist begreiflich, daß Krupps Versuch große Beachtung findet Auch wenn der deutschen Firma nur ein Pachtvertrag für 36 Jahre gewährt wurde, so ist damit doch ein weiterer, grundsätzlich sehr bedeutender Abbau des Systems vollzogen, mit dem die Räteregierung die Welt beglücken wollte. Ein ganz kapitalistisch ausgezogener Großgrundbesitz im tiefsten Rußland als Musterwirtschaft nach dem völligen Versagen der Sozialisierung so gut wie der reinen Kleinbauernwirtschaft für das einstige Agrarausfuhrland, das heute zu einem Hun­gerland geworden und das der Jndustrielandwirt Krupp wie- der auf die Wege zum Ausfuhrland zurücksühren helfen soll!

Die Firma Krupp ihrerseits betrachtet den Versuch völlig unpolitisch. Dienst am Weltmarkt das ist es, was sie in ihrer Großzügigkeit zu verrichten glaubt. Gewiß, die Firma Krupp stellt seit ihrer Friedensumst.llung auch landwirtschaftliche Maschinen her und hat, rein privatkapitalistisch betrachtet, etn natürliches Interesse daran, neue Absatzmärkte für diese Ma­

chinen zu schaffen, wie sie durch eine solche Musterwirtschaft n Rußland wohl entwickelt werden können. Aber zugleich teil sie sich damit doch in den Dienst der deutschen Industrie nsgesamt und der nach Wiederbeginn russischer Einfuhr hun­gernden deutschen Konsumentenkreise, darüber hinaus in den Dienst des Weltmarkts ganz allgemein. Der Weltmarkt kann Rußland auf unabsehbare Zeiten nicht entbehren. Aber im­merhin, ein Wagnis bleibt das Unternehmen vorerst doch. Es gibt der deutschen Landwirtschaft mancherlei zu denken: in einer Zeit, in der die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in Deutschland die Landwirtschaft mit einem Rückfall von in­tensiver in extensive Wirtschaftsweise bedrohen, tut sich in Rußland ein Großbetrieb industrialisierter Landwirtschaft auz, den. wenn er gelingt, andere folgen werden. Doch ist der Weg noch sehr weit, bis Rußland uns etwa billigeres Getreide liefern könnte, als wir selbst bauen. Zurzeit wäre es nur er­wünscht, wenn wir manche unerschwinglich teure Getreide­sendung aus Amerika durch europäische Zufuhr ersetzen könn­ten, die sich unserem Jnlandpreis nähert, ohne ihn zu drücken. Denn daher rührt ja zum Teil unser wirtschaftliches Elend, daß zwischen dem Jnlandpreis unserer landwirtschaft- liä en Erzeugnisse und dem Preis der ausländischen Einfuhr ein so schreiendes Mißverhältnis besteht.

Auf der anderen Seite ist es von Wichtigkeit, einen Markt zu gewinnen, der unserer Ausfuhr von Maschinen u. a. näher geruckt ist, und am wichtigsten wäre unter gesunden wirtschaft­lichen Verhältnissen zweifellos der russische Markt. Von die­sem Gesichtspunkt aus ist der Kruppsche Versuch in Rußland zu würdigen. Seine etwaigen praktischen Werte liegen aber noch in ziemlich weitem Felde. Das in Angriff zu nehmend« Gebiet ist sehr entlegen, auf landwirtschaftliche Tragfähigkeit nicht erprobt und muß ganz neu in Kultur genommen wer­den. Das Unternehmen wird an seine Leitung sicherlich lehr hoh Anforderungen stellen.

Preise für Lebens- und Futtermittel

Der Landwirtschaftlich« Hauptverbnnd Württe-nberg schreibt uns: Das Wucheramt Stuttgart hat sich der Presse bedient, um die Landwirte zu warnen, beim Verckauf ihrer Erzeugnisse nicht den jeweiligen Börsenpreis zu Gxunde zu legen Der Zweck dieser Veröffentlichung soll wohl sein, eine weitere Steigerung der Verbraucherpreise für landwirischaft- liche Erzeugnisse und ihre Verarbeitungsprodukte zu verhin- dern. Die Wirkung der Veröffentlichung ist aber anders. Die Gestaltung der Produktenpreise hängt nicht vom Landwirt ab. In erster Linie ist die wirtschaftliche Lage dafür maß- avbend 'md « ist gpr rscht möglich, die an der Stuttgarter.