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Fernruf l7S
Wilddad, Mittwoch, de» 6. Dezember 1V22 L«r««f i?« 57. Zahrga»«
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„Undurchführbar"
Uns Deutschen glaubt man's nicht, wenn wir die Umuöz- licheit des Londoner Ultimatums behaupten. Gleich heißt cs: Die Deutschen sind Drückeberger; sie könnten wohl zahlen, aber sie wollen eben nicht.
So hatte der Zentrumsabgeordnete Trimborn namens der Regierungsparteien nach dem Vekarmttoerden der sog. Pariser Beschlüsse (138 Milliarden Anfangswert. 287 Milliarden Endwert) erklärt: „Die von unseren Gegnern in Paris aufgestellten Forderungen sind für uns unerfüllbar und unannehmbar." Der Sozialdemokrat Müller- Franken sagte im Auftrag seiner Fraktion: „Eine deutsche Regierung, die bereit wäre, diese Borschläge als ausführ - bar zu erklären, würde sich nicht finden." Und Rathe - nau schrieb am 10. Mai 1921 (also an dem Tage, an dem unsere Regierung das Londoner Ultimatum unterzeichnete- im „Berliner Tageblatt": „Der Rest unserer Ehre ist, daß wir nichts versprechen, was wir nicht halten können. . . . Dasi st unmöglich, und deshalb dürfen wir nicht unterschreiben."
Daß Nathenau und Müller und Trimborn recht, vollkommen recht hatten, das haben wir in diesen anderthalb Jahren in furchtbarster Wirklichkeit erfahren. Und dennoch: „Die Deutschen verstellen sich. Sie leben herrlich und in Freuden. Ihre Industrie blüht wie keine andere auf dem ganzen Erderrrund. Die schlechte Valuta der Mark ist nichts anderes als eine Gaunerei, mir der die Berliner Regierung die Welt betrügt."
So oder ähnlich kann mans in den Pariser Blättern lesen oder von einem Poincare hören. Alle unsere Proteste dagegen haben keinen Wert. Die Franzosen glauben es nicht und, wenn sie es glauben, so tun sie wenigstens, als ob es anders sei.
Da ist es gut, wenn ab und zu ein Mann im Ausland and namentlich im feindlichen Ausland, über die Undurchführbarkeit des Versailler Vertrags seine mutige Stimme erhebt. Die Erklärungen der Engländer Keynes, Morel and Macdonald sind bekannt. Nun aber hat in der allerjüngsten Zeit wieder ein Engländer sich hören lassen. Es ist wohl das Kräftigste und Klarste, was in dieser Richtung bis jetzt gesagt wurde. Wir meinen den Arbeiterführer C t y n e s.
Bekanntlich hat der neue englische Crstminister Bonar Law vorige Woche sein Regierungsprogramm in Form einer Thronrede dem neugewühlten Parlament vorgetragen. Die zweitgrößte Partei ist jetzt in England die Arbeiterpartei. Macdonald und Clones sind ihre Führer. Clynes nun am- wortete namens seiner Partei auf we Erklärung der Re- gierur> <Ec sagte u. a.: Die internationale Politik seit End: dez 5><wgs sei zum großen Teil die Ursache der Arbs:ts losigkeit. Der Vertrag von Versailles sei un durchführbar. Es sei eine Torhe-t gewesen, auf die unbegrenzten Wiedergutmachungsm.llionen zu hoffen. Anfangs seien 50 Milliarden Pfund genannt worden und diese Summe sei jetzt allmählich aus Churchills Ziffern von 2,5 Milliarden herabgesunken. Die Minister müßten, statt mit dieser Frage in dieser zwecklosen Weise zu spielen, sie ernster behandeln- Es sei keine Besserung der Lage zu erhoffen, bevor eine Regelung dieser Frage erzielt sei. Die industrielle Lage and die herrschende Arbeits- losigkeit in England seien zum größten Teil auf Torheiten bei der Behandlung der Wisdergutmachungsfrage zurückzu-
ren.
Das ist sehr deutlich. Aber das ist ja eine Oppositions- :tei, sagt vielleicht der eine oder der andere, dazu noch e Arbeiterpartei, die gerne starte Farben auszutragcn ege.
Ent, dann wollen wir einen ehemaligen Staatsmann ier Ordnung hören. Ritt', ttalienischer Minist-erpräsi- it a. D-, schreibt in seinem berühmten Werk „Das fried- : Europa", S. 275: „Wenn 'chon die Sieger ihre Aus- idsschulden nicht bezahlen können, wie soll dann der Beste die geforderten Niesensummen zahlen können? Mw em Tag klärt sich die Täuschung über die Entschädigung hr und mehr auf. Nicht etwa, daß die Laien m Frrmnz. »eimnisse eingedrungen sind, aber der gesunde Mmschen- -stand sagt ihnen, daß das Goldgeflimmer das ihnen vor Angen gezaubert wurde, nur eine ^dichte Rauchwolke >r, aber sicher im Aether verschwindet.
Das sagte Nitti W einer Zeck, wo die astronomische Z-.hl
Tagesspiegel
Poincare wird nach tzavas am Freitag mit dem Finanz minister Lasteyrie nach London reifen, auch Mussolini wird sich einstellen, ohne vorher in Paris auszusteigen. Poincare wird seinen geheimen Zahlungsplan auch in London noch nicht auf den Tisch legen, diese wichtige handlang soll für die Brüsseler Konferenz Vorbehalten bleiben, wo der Chor de» kleinen Verbands seiner Stimme Widerhall geb n soll. Die Londoner Besprechung soll demnach, falls sie unbefriedigend ausfäkt. im voraus der entscheidenden Bedeutung entkleidet werden.
2m Unterhaus erklärte Bonar Law auf eine Anfrage erneut, ihm sei von einem Plan Frankreichs auf das Rubr- gevi« «nichts bekannt". Mit einer Ausnahme schweig a sich alle englischen Blätter über den bekannten Pariser geheimen Rat immer noch geflissentlich au».
Die verhafteten griechischen Generale Vusmanls. Pallls, Erdaktylos und Valettas sind « Athen wieder in Freiheit gesetzt worden.
von 132 bezw. 138 Goidmilliarden noch nicht herausgerechnet war, zu einer Zeit, wo die Abkommen von Wiesbaden und Cannes mit den jährlich 720 Goldmillionen in bar und Devisen und den 1450 Goldmillionen in Sachleistungen, den 240 Goldmillionen Ausgleichszahlungen und den himmelschreienden Besatzungskosten noch nicht bekannt waren. Was würde er heute sagen?
Ja, er hat wieder unlängst das Wort zu der Sache ergriffen. In den „Foreign Affäirs" (dem'Organ der Union of Demokratie Control) schreibt er, daß der „sogenannte" Friedensvertrag von Versailles jeglicher Vernunft ins Gesicht schlage. Deutschland soll zahlen, nachdem man ihm 83 Prozent seiner Eisenerze und 25 Prozent seiner Kohlen weggenommen habe. Das Versailler Zahlungsprogramm sei gerade das geeignetste Mittel, um nicht nur Deutschland zu ruinieren und zu Boden zu strecken, sondern auch ganz Europa zu vernichten und in einen Zustand zu schleudern, in dem „die Moral des Taschendiebs und des Plünderer-" t'zlich mehr Einfluß gewinnen werde.
Wen» das ein Deutscher gelchriel n hätte! Wie hätte man dann in Paris über die Boches, denen es einfach am guten Willen fehle, losgewettectl Ja, das eben möchte Poincare um jeden Preis heraustüfteln Liegt bei Deutschland eine „Verfehlung" vor, dann kann er wieder mit Sanktionen und Pfändern aller Arr. Beschlagnahme der linksrheinischen Forsten und der rechtsrheinischen Staatsbergwerke, Besetzung von Essen und Bochum und dergleichen ^Ungeheuerlichkeiten kommen.
Für uns aber liegt der in Art. 234 des Versailler Vertrags vorgesehene Fall vor. Dort heißt es: „Die Wiedergutmachungskommission wird von Zeit zu Zeit die Hilfsmittel und die Leistungsfähigkeit Deutschlands prüfen. Sie wird den Vertretern Deutschlands angemessene Gelegenheit geben, gehört zu werden, und ist danach ermächtigt die Fristen auszudehnen und die Tilgüngsarten zu ändern."
Das ist das Mindeste, das unsere Neichsregierung jetzt unter allen Umständen verlangen muß, wenn sie nicht, was noch besser wäre, erklären will, daß wir, nachdem wir jetzt schon 45 Milliarden Goldmark geleistet, große produktive Reichsgebiete ohne Entschädigung abgegeben und unsere gesamten Kolonien ebenfalls ohne irgend eine Aufrechnung ausgefolgt haben, überhaupt nichts mehr schuldig sind. „Wir lehnen die Forderungen ab mag da kommen, was kommen will." ^Ebrrt.) VE dl.
Die Londoner Vorkonferenz
Von einem Außenpolitikcr
Es ist nun so gut wie sicher, daß die Ministerpräsidenten der Entente am 9. Dezember in London zur Vorkonferenz für Brüssel Zusammenkommen werden. Die Brüsseler Kon- sercuz selbst ist nach langem Hin und Her zwischen Paris und Laudon auf Ende Januar oder Anfang Februar hinausgeschoben worden, und die Prejseherolde der Regierung Bonar Laws verkünden, daß England nicht eher nach Brüssel gehen werde, als b s die Einigkeit inncrhni > der Entente gesichert sei. Hinter dieser Ansage steckt eine Welt von Verwicklungen! Im britischen Außenamt erwartet man, daß Poincare in London — wenn er wirklich kommt — lei
nen neuen Entschädigungsplan, den er vis jetzt ängstlich ge- heimgehalien hat, endlich Mitteilen werde. Um sich den Anschein zu geben, daß man unter „Herzlich Verbündeten" mit offenen Karten spiele, und weil man sich in Lausanne auch wirklich wieder etwas näher gekommen ist, ließ Bonar Law die Nachricht hinausflattern, er werde in der Vorkonferenz als erstes für die am 15. Januar und 15. Februar sättigen " rutschen Zahlungen eine n e u e F r i st beantragen, allerdings kurzfristig auf zwe, oder drei Monate. Die endgültige Regelung der Kriegsentschädigung — wie alt ist diese schon vergeblich angesagt worden! — bleibe der Brüsseler Konferenz Vorbehalten. Grund: Nor dem englisch-amerikanischen Meinungsaustausch sei eine abschließende Erörterung der Frage der Verbandsschulden unmöglich und infolgedessen könne auch die Herabsetzung der deutschen Schuld sowie die nur unter dieser Voraussetzung denkbare internationale Anleihe jetzt noch nicht erörtert werden.
Was ist nun die Tagesordnung der Londoner Borkonferenz? Poincare ist sehr vorsichtig geworden. Er schweigt sich darüber aus. Aber er läßt einen Versuchsballon steigen. Der Pariser „Temps" mußte ein vorläufiges französisches Programm aussiellen. Darin wird empfohlen, die Angelegenheit der Verbandsschulden und die Frage der deutschen Schuldverschreibungen Reihe L, die nach dem bekannten französischen Vorschlag gegen die Verbandsschulden ausgerechnet werden sollen, einem S a ch v e r st ä n d i g e n- aus schuß zu überwe.sen und einstweilen nur die Frag« zu besprechen, auf welche Weise die Zahlung von Zinsen und die Heimzahlung der Schuldverschreibungen Reihe /r und 8 gesichert werden könne Auch der „Temps" ist der Meinung, daß die Allgemeinregelung und Lösung der An- lübefrage bis zur Brüsseler Konferenz hinausgeschoben werden solle. Aber — und das ist Poincarcs Geschoß — ein vorläufiger oder endgültiger Zahlungsaufschub, gleichviel für welche Dauer, ist nach dem halbamtlichen Blatt iür Frankreich unannehmbar, wenn nicht gleichzeitig Pfänder erfaßt werden. Hier zeigt sich bereits die Frucht der geheimnisvollen Kabinettssitzungsn. die Poincare m der letzten Woche abhielt. Er rüstet sich zu einer Kraftprobe. Sie lautet: Eine neue Frist nur aeaen „Pfänder!" England wird darauf hingewiesen, daß cs sich ja nur um eine Probefrist bandle, die im Interesse der Verbündeten liege. Wird dann Poincare nachgeben? Selbst ttanzösische Preßstimmen, die noch nicht ganz verlernt haben, kühl zu rechnen, geben der Meinung Ausdruck, Poincare werde bei diesem diplomatischen Ringkampf untcr!ieg°ri Wenn er aber nach- a:bt, wenn sich seine neueste Pfänderpolitik als leere Drohung herausstellt, wenn er übertriebene Forderungen aufgestellt hat, um sich schließlich mit einem Trinkgeld zufrieden zu geben, dann ist es mit dem Kabinett Poincare zu Ende. Es tst verbraucht und erledigt. Die K r i s e n st i m m u n g in Frankreich ist Tatsache, und die Gerüchts von einem künftigen Ministerium Loucheur-Barthou oder einem Ueber- gangskabinett Sarraut sind ernst zu nehmen! Offenbar um sein« Stellung bei den nationalistischen Parteien der Kammer zu stärken, hat Poincare als Sprecher der Botschafter- konfcrenz die Sühnenote wegen der in Passau, Ingolstadt und Stettin begangenen „Frevel" an die deutsche Neichsregierung gerichtet. Es ist einige Zeit her, seit die Botschafterkonferenz derartige Noten noch Berlin gerichtet hat, und man sollte annehmsn dürfen, daß vier Jahre nach Eintritt des Waffenstillstands solche Angriffe nicht mehr möglich wären. Im englischen Unterhaus hat Asquith von den „eingebildeten Werten" gesprochen, die man aufgeben müsse, wenn man noch etwas von Deutschland perausholen wolle, und Bonar Law gab dieser Meinung ausdrücklich Recht. Wie wäre es. wenn man sich auf der Londoner Vorkonferenz erst einmal über die eingebildeten Werte der französischen Enlschädigungspoliiik unterhielte? — er. <
Zur Schuldfrage
„Wenn Deutschland beschlossen hätte, zu versuchen, aus dem direkten Weg statt aus dem Weg über Belgien in Frankre ch einzudringen. so hätten wir trotzdem unter e>n.r tiefen Verpflu/ung gestanden, Frankreich und Rußland zu Helsen. . . . Alle unsere Abmachungen mit Frank- reich — unsere Billigung seiner Politik, unsere militärischen. Besprechungen mit seinen: Stab, unsere endgültige Verbindung mit seinen Handlungen draußen — hatten uns seine Sacke anvertraut, so klar wie wenn wir ein festes Vündms mit Frankreich abgeschlossen hätten. Und was wahr ich °ur unser Einvernehmen mit Frankreich, ist ^kaum weniger wahr für unser Einvernehmen mit Nußland.
i.Lpeckakor' in London im Dezember 1914; Helfferich, der Weltkrieg S. 126). ^
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N'rll", 5. Dez. Der Reichstag beendete gestern bei schwach