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Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.
98. Jahrgang.
Nr. 70
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Samstag, den 24. März 1923.
Bezugrpr«»»: I» der Stadt mit Lrägerlohn Z4V0 Rk. nwnatl. Posibkzu-SPl-is S40VM. ohne Bestellgeld. Schluß der Anzeigenannahme k Uhr vormittag».
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Neueste Nachrichten.
Kci seinem gestrigen Besuche in Stuttgart wurde der Reichskanzler von der Bevölkerung aufs herzlichste begrüßt. Anläßlich eines Zusammenseins mit Vertretern aller Stände im Handelshof ermahnte der Reichskanzler nochmals zu geschlossenem Durchhalten» wobei er auch auf die verschiedenen weitgehenden Angebote Deutschlands zur Regelung ver Reparationsfrage hinwies, die von Frankreich jedesmal ab- grwiescn wurden.
Die französische Presse beschäftigt sich mit der Rede des Reichskanzlers in München, und verlangt einmütig vollständige Unterwerfung unter die Forderungen des französische« Gläubigers, der jetzt den Gerichtsvollzieher und Gendarmen nach Deutschland schicke. Die im Unterhaus gemachte Feststellung der englischen Regierung, daß der englische Vertreter in der Militärkontrollkommisston in Berlin die Entwaffnung Deutschlands sowohl hinsichtlich der Mannschaften als auch des Kriegsmaterials für effektiv erklärte, wird von der gesamte« französische« Presse unterschlagen.
Wie von Regierungsseite mitgeteilt wird, soll demnächst die Kohlensteuer um ein Viertel herabgesetzt werden.
Ser Best- der ReiWMur st Stuttgart.
Stuttgart» 23. Mürz. An einem in Licht und Sonne getauchten warmen Frühlingstage hielt der Reichskanzler Dr. C«ne heute mittag in die im ersten Grün und in vollem Flaggenschmuck prangende Stadt seinen Einzug. Tausende von Menschen hatten sich um den Bahnhof angesammelt und umsäumten die Straßen zu den Staatsgebüuden, in denen der Reichskanzler sich angesagt hatte. Der Kanzler war pünktlich im Rathaus in Begleitung des Neichswehrministers Dr. Eeßler, Reichspostministers Et in gl und des württembergüchen Gesandten Hilde nbrand, sowie des Chefs der Reichskanzlei Dr. Hamm angelangt und vom Staatspräsidenten Dr. HieLer in Begleitung der Minister Bolz, Schall und Keil, des Generals Reinhardt, des Oberbürgermeisters Dr. Lautenschlager und des Polizeipräsidenten Klaiber empfangen worden. Hochrufe begleiteten ihn auf seinem Wege über den Schießplatz, wo das Deutschlandlied ertönte, zum Staatsministerium und dort fand zunächst eine kurze Begrüßung im engeren Kreise statt, worauf der Reichskanzler zum Landtagsgebände fuhr, um dem Landtagspräsidcnten seinen Besuch abzustatten. Nach seiner Rückkehr wurde der Reichskanzler im großen Sitzungssaal des Staatsministeriums von den Vertretern der rvürt- tembergischen Presse, Verlegern und Redakteuren, erwartet. Regierungsrat Vögele von der Preffeabteilung begrüßte den Reichskanzler und dankte ihm dafür, daß er trotz der knapp bemessenen Zeit auch der Presse sich noch einige Minuten widmen wolle. Der Reichskanzler, dessen jugendliche, elastische Erscheinung allgemein auffiel, gab seiner Freude Ausdruck, daß er, wie seit seinem Amtsantritt überhaupt, so auch heute beweisen könne, welch außerordentlich großen Wert er auf die Mitarbeit der Presse bei der Durchführung der jetzigen Politik der Rcichs- regierung lege. Nicht die Negierung habe diese neue Politik gemacht; sondern sie entspringe dem einmütigen Willen des Volkes. Die Presse werde es ih-m bestätigen, daß sie nirgends Widerspruch finde, wenn sie ihren Lesern die Grundsätze der heutigen Abwehrpolitik auseinandersetze. Nicht die Regierung, das Volk allein führt den Kampf. Wir aber, namentlich die Presse, haben die Aufgabe, die Schwachen zu stützen, die Schwankenden zu halten und auf dem geraden Wege fortzuschreiten. Diese Politik müssen wir sortsetzen, rein sachlich und lediglich abgestimmt auf das Cesamtinteresse von Volk und Vaterland, unter Ausschaltung aller Parteiwünsche und unter völliger Unterordnung unter den Volkswillen. Nur so werden wir den Kampf bestehen und geläutert aus ihm zu einer neuen Freiheit emporsteigen. Nach lebhaftem Beifall sprachen namens der Redakteur-Verbände K. K. Dussel und namens der Verleger Direktor Esser dem Reichskanzler den Dank für sein warmes Interesse an der Press« und die Zusicherung des gesamten württ. Zeitungswesens aus, daß jeder auf seinem Posten und unter Hintanstellung alles Trennenden die ganze Kraft seines Amtes und seiner Persönlichkeit in den Dienst der Regierung stellen wolle, um dem Reichskanzler den Weg zu einem siegreichen Ende des Kampfes zu ebnen. Nach einem Frühstück im engsten Kreise bei Staatspräsident Dr. Hieber besuchte der Reichskanzler, auf den Straßen wiederum erwartet und begrüßt, den Oberbürgermeister im Rathaus, vor
dem bei seiner Ankunft und Abfahrt wiederum Hochrufe erschallten.
Stuttgart, 83. März. Zu Ehren des Reichskanzlers fand heute abend aus Einladung der Staatsregierung und der Stadt Stuttgart im Handelshof ein geselliges Zusammensein statt, zu dem an die Vertreter des Landtags und der Stadtverwaltung, der Industrie und des Handels, der Arbeiter und Angestellten, der Landwirtschaft, des Handwerks, der Beamtenschaft» der Presse, Wissenschaft und Kunst, sowie der staatlichen um» kirchlichen Behörden zahlreiche Einladungen ergangen waren. An dem Tische des Reichskanzlers hatten noch Platz genommen Staatspräsident Dr. Hieber und Oberbürgermeister Dr. Lau- tenschlager, der Reichswehrminister, der Reichspostminkster, die Minister Schall, Keil und Bolz, der Landtagspräsidrnt, der
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Schatzanweisungen des Deutschen Reiches
Garantiert von der Reichsbank
— Heute
Schluß der Zeichnung.
Bischof von Rottenburg, Dr. v. Keppler, und Konst- storialpräsident v. Zeller.
Staatspräsident Dr. Hiebe«
bewillkommnet« den Reichskanzler namens der Staatsregierung und des württ. Volkes mit einem schwäbischen herzlichen Grüß Gott. Der Besuch und der begeisterte Empfang, der den Reichskanzler begrüßt habe, fei ein äußeres Zeichen der unerschütterlichen Einheit und Einigkeit des deutsthen Volkes in allen seinen Ländern und Stämmen, unerschütterlich auch in dieser trüben, entscheidungsschweren Zeit. Das deutsche Volk in seiner überwältigenden Mehrheit danke dem Reichskanzler für den opferwilligen Mut, mit dem er sein Amt übernommen, für die klare Entschlossenheit, mit der er es seither geführt habe. Mehr als je haben wir heute, da ein rachegieriger Feind unsere Grenzen überschritten hat, uns bis aufs Blut quält und demütigt, da seine weit ausschauenden Pläne der wirtschaftlichen und politischen Zerstückelung, ja Vernichtung Deutschlands sich für jeden, der sehen will, immer unverhüllter darstellen, die geschlossene Einigkeit des deutschen Volkes nötig, und es sollte alles nach außen und innen vermieden werden, was diese Einigkeit zu stören geeignet ist. Wenn je unter unseren Gegnern die Toren noch nicht ausgestorben sein sollten, die ihre politischen Pläne auf eine Trennung von Nord und Süd eingestellt haben — und sie scheinen in der Tat noch nicht ansgestorben zu sein — so dürfen wir zwar mit Genugtuung feststellen, daß hier zn Lande derartige Pläne nie und nirgends einen ernsthaften Widerhall gefunden haben, ich möchte aber trotzdem die Gelegenheft nicht vorüber- gehen lassen, ohne solchen Pläneschmieden namens des schwäbischen Volkes mit aller Deutlichkeit zu sagen: .Laßt alle Hoffnung fahren!", ohne der Welt zu sagen: Wo es die Treue gegen das deutsche Vaterland gilt, Treue nicht nur in Tagen des Aufschwungs und der Erhebung, sondern gerade auch in Not und Gefahr, da wird das württ. Volk hinter keinem anderen deutschen Lande zurückstehen. Solche Treue zu halten haben wir gelernt, nicht bloß in Eefllhlswallungen, nein, in tiefernstem Erleben, in persönlichem Nachprüfen und Nachdenken solchen Erlebens durch lange schwere Jahre des Kämpfens und Siegens und Unterliegens und Sichwiederaufrichtens hindurch. Dieses gemeinsame Erleben hat uns zusammengeschweißt, so daß mit der Liebe zur Heimat und dem Stolz auf ihre Eigenart eine durch nichts zu beugende Liebe zum deutschen Vaterland, eine hingebende Treue gegenüber dem politisch und wirtschaftlich einigen Deutschen Reich sich zu untrennbarer Einheit verbunden hat. Innerhalb dieser Einheit, darauf legen wir allerdings Wert, bleibt für die Eigenart, für das Sonderleben, auch weiterhin für die Sonderverwaltung der einzelnen Länder und Stämme Koch
Raum genug. Die Ereignisse an Ruhr und Rhein halten uns täglich in Atem. Wenn die deutsche Regierung die Politik des entschlossenen, unbeugsamen Widerstandes gegen brutale Gewalt und Vertragsbruch führt, so darf sie versichert sein, daß das deutsche Volk und wir in Württemberg mit ihm hinter der Reichsregierung als Trägerin dieses Kampfes steht. In der opferwilligen Bereitschaft, die Leiden unserer Brüder und Schwestern im besetzten Gebiet mit allen Kräften zu mildern, in dem Entschluß, die Freiheit und das Recht bis zum Aeußersten zu verteidigen, wird Württembergs Volk und Regierung der Reichsregierung treu zur Seite bleiben, bis wir wieder in voller Wahrheit singen und sagen dürfen: Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand. Blüh' im Glanze dieses Glückes, blühe deutsches Vaterlandl (Stürmischer Beifall.)
Hierauf begrüßte Oberbürgermeister Dr. Lantenschlas ger den Reichskanzler namens der Stadt Stuttgart in herzlichen Worten und mit dem Wunsche, dem Reichskanzler mögen die Kraft und die Nerven erhallen bleiben, die er zur Bewältigung seiner ungeheuren Aufgaben braucht:
Reichskanzler Dr. Enno
betonte, batz er wie in Bayern, so auch in Württemberg die Einstellung auf das große Ziel der Wiederbefreiung unse- res Volkes und Vaterlandes von fremdem Joch gefunden habe. Das habe ihn nicht überrascht und gebe der Reichsregierung neue Kraft und Entschlossenheit, unbeirrt den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Man müsse sich im unbesetzten Gebiet zu demselben Opfermut und derselben Vaterlandsliebe bekennen, die an der Front herrschen. Der Reichskanzler erinnerte sodann an das, was geschehen war, um abzuwenden, was sich an Ruhr und Rhein abspielt, wie der Gang zu der Ruhr- und Nbeinpassion des deutschen Volkes gewesen ist. Er nannte das Angebot zu der Konferenz in London, durch das Frankreich sofort zu Geld gekommen wäre, das aber von vornherein abgelehnt wurde. Er erwähnte ferner die Ankündigung eines neuen Vorschlags zu der Pariser Konferenz und das Anerbieten eines Zusammenwirkens mit der französischen Industrie. Schließlich wurde das Angebot der politischen Sicherung Frankreichs durch den Rheinpart gemacht. Frankreich hätte somit wirtschaftlich, finanziell und politisch die volle Sicherheit freier Entwicklung für sgin Volk und Land gehabt, wenn es aus dem Boden des Vertrags van Versailles bleiben wollte. Die Antwort auf diese Angebote war nicht nur ein Nein, sondern der frevelhafte und rechtswidrige Einmarsch. Es kgnnte nicht mehr geschehen, um die Franzosen davon abzuhalten. Ein ehrlicher und anständiger Mann kann nicht mehr anbieten, als er zu leisten vermag, er kann dem eigenen Volk und Land nicht mehr zumuten, als was mit der Aufrechterhaltung der Souveränität und Freiheit unvereinbar wäre. Jedenfalls würde ich es nicht tun können, (Bravo). So haben wir von uns selber und vor aller Welt ein gutes Gewissen. Der passive Widerstand ist unüberwindlich. wenn die Voraussetzungen für seine Weiterführung so wie heute gesichert bleiben. Aber Disziplin, Selbstzucht und moralische Stärke, wie die Ruhr- und Rheinbevölkerung sie täglich zeigen, müssen auch aufs unbesetzte Gebiet übertragen werden. Wer die innere Ordnung stört, indem er unbesonnen handelt, von welcher Seite es immer kommen wag, vergeht sich am Vaterland. Wie wird die dritte Phase aussehen? Kommt bald ein glückliches Ende? Die Antwort ist sehr einfach. Wenn wir den bisherigen Weg verlassen und uns unterwerfen, so ist es um Deutschland» das deutsche Volk und seine Freiheit geschehe«. Ein Angebot, das die Souveränität des Reiches, die Unantastbarkeit der Lande an Rhein und Ruhr, die Unabhängigkeit und Freiheit des deutschen Volkes zum Opfer bringt, wird dieses Kabinett nicht machen. Vorhand, lungen müßten von der vorbehaltlosen Räumung der Ruhr ausgehen. Aber was uns von der Gegenseite entgegenklingt, ist nicht so, als ob wir bald darauf reMen könnten. Es ist nicht an der Zeit, Hurrastimmung nnWizuten Patriotismus hervorzurufen. Der beste Patriot lMm»cr nicht in lauten Worten, sondern in ehrlicher Arbeit die ganze Schwere der Verantwortung erkennt und sich einheitlich auf die glückliche Durchführung der Abwehr an Ruhr und Rhein *einstcllt. Das Volk muß wissen, daß der Weg, den wir zu gehen haben, nicht leichter werden wird, daß es noch lange dauern wird. Lieber wollen wir uns durch eine frühere Beendigung überraschen lassen, als daß unser Atem auch nur um fünf Minuten zu kurz wäre. Und kommt eine