(Enztalbote)
Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt
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Druck der Buchdruckerei Wilddader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung Th. Gack in Wildbad.
Nummer 242
Fernruf 179
Wildbad, Montag, den 16. Oktober 1922
Fernruf 179
57. Jahrgang
Tagessyiegel
Urieil im Rathenau - Prozeß wurde am Samstag nachmittag verkündet.
Die Londoner »Daily Mail" meldet, die allgemeine Ft- nanzkonferenz in Brüssel (23. Nov.) werde auf Wunsch Belgiens verschoben, da infolge des Marksturzes die deutschen Verpflichtungen von der LMfchädic-migskrrmmissiou neu geprüft werden müssen.
Rach einer Mitteilung I:s Lriegsministers in der französischem Kammer beträgt die Stärke des französischen Heers föhne die Farbigen?) 660 000 Mann. Davon stehen 6 Divisionen im Rheinland.
Die Unterzeichnung des Waffenstillstands von Mudania soll nach der e-rkundlgung des Reuterfchen Büros auf die mohammedanische Bevölkerung in Indien, Persien und Afghanistan von «vorzüglicher Wirkung" gewesen fein. Auch in den Vereinigten Staaten sei der Eindruck für England und Frankreich günstig gewesen. (Das war ja auch der Zweck der llebung.)
Die griechische Regierung hak die Bedingungen von Mn- dania (Räumung Oskgatiziens binnen 14 Tagen) angenommen. da Griechenland gezwungen sei, der Gewalt ,u weiche»
Zur Schuldsrage
' „Betrachten Sie Deutschlands Lage! Für Deutschland ist sein Heer, was für uns die Flotte ist: seine einzige Verteidigung gegen einen Angriff. Deutschland hat keinen Zw ei-Mächte-Standard geschaffen. Deutschland mag ein stärkeres Heer haben als Frankreich, als Rußland. als Italien, als Oesterreich; aber es steht zwischen zwei Großmächten, die zusammen eins weit größere Truppenzahl aufstellen können, als Deutschland sie hat. Vergessen Sie das nicht, wenn Sie sich wundern, warum Deutschland Bündnisse und Ententen fürchtet und gewisse geheimnisvolle Machenschaften, die in der Presse durchscheinen . . . Denken Sie sich, wir ständen hier vor einer Mächtevereinigung, die uns dem Angriff preisgäbs, denken Sie sich, Drustchlano und Frankreich oder Deutschland und Rußland oder Deutschland und Oesterreich hätten Flotten, dis zusammen stärker wären als die unfrige, wären wir nicht erschreckt? Würden wir nicht rüsten? — Selbstverständlich würden wir rüsten!"
(Lloyd George am 28. Juli 1908 in der Queens Hall; Helfferich, der Weltkrieg 1922, S. 31: Nach einer ,m eng- lischen Unterhaus imIuni1913 gegebenen Auskunft betrug damals die Friedensheerstärke Deutschlands 822090, Rußlands 1284 000, Frankreichs 742 000, Oesterreich-Ungarns 474 000 Mann )
Das Urteil im Rathenau-Prozetz
" Leipzig, 14. Okt. Heute nachmittag 3 Uhr wurde das Ur- teil im Rathenaumordprozeß verkündet. Es lautet: Ernst Werner Techow wegen Beihilfe zum Mord 15 Jahre Zucht- Haus und 10 Jahre Ehrverlust, der Gymnasiast Hans Gerd Techow wegen Beihilfe und Begünstigung 4 Jahre 1 Mo- nat Gefängnis, Willy Günther wegen Beihilfe 8 Jahrs Zuchthaus und 10 Jahre Ehrverlust, Niedrig und o. Salomo» je 5 Jahre Zuchthaus und 5 Jahre Ehrverlust, Tillessen wegen Unterlassung der Anzeige 3 Jahre Gefängnis und Plaß 2 Jahre Gefängnis. Schütt und Diestel erhielten wegen Begünstigung je 2 Monats Gefängnis. Die Angeklagten Steinbeck, Warnecke und k Voß wurden freigesprochen, ebenso Ilsemann; letzterer k wurde wegen verbotenen Waffenbesitzes zu 2 Monaten Setz fängnis verurteilt, der Haftbefehl aber aufgehoben. Den mit Gefängnis Bestraften wird die Untersuchungshaft angercch- net. Die Urteilsbegründung sagt, die Strafen seien nicht nach dem Gesetz zum Schutz der Republik, sondern nach dem gewöhnlichen Strafrecht bemessen. Der Rathenaumord sei eines der fluchwürdigsten Verbrechen der Geschichte, an dessen Folgen Deutschland unsäglich gelitten habe und noch leiden werde.
Neue Nachrichten
Der neue Reichsdiszlplinarhos
Berlin. 15. Okt. Der Reichspräsident hat folgende Mit- göeder des Reichsgerichts nach Maßgabe des Reichsgesetzes über die Pflicht der Beamten zum Schutze der Republik zu Präsidenten und zu Mitgliedern des Reichsd>.,zlplmarhofs in Leipzig bzw. zu deren Stellvertretern ernannt: 1 zum Präsident?» des Reich^erichl« Dv. Simons. 2. zu feinen
Stellvertretern vsnatsprästttmwn rrr. r-agrn», Lir. ichmrdt, Dr. Lobe und Dr. Mansfeld, 3. zu Mitgiedern die teichsgerichtsräte Niedner und Dr. Baumgarten, 4 . zu deren itellvertretern die Reichsgerichtsräte Zeiler, Dähn, Dr. War- seyer, Dr. Rieland, Müller, Nostnoerg, Dr. Metz und Sayn, folgende Bevollmächtigte zum Reichsrat sind zu Mitgliedern tzw. stellv. Mitgliedern des Reichsdisziplinarhass ernannt sokden: 1. zu Mitgliedern: Staarssekretär im preußischen Naatsministerium GLHre, der bayerische Gesandte in Ber- ln Dr. Preger, 2. zu deren Stellvertretern: der sächsische Ee- andte in Berlin Dr. Gradnauer, der würit. Ministerialdirek- or Dr. Keck in Berlin, der badische Gemndte in Berlin tiefer, der thüringische Staatsminister Fröhlich-Weimar, der «ssische Gesandte in Berlin Freiherr von Biegeleven, der )amburger Senator Dr. Petersen, der mecklenburgische Mim- terialdirektor Dr. Tischbein und der braunschweigische Ge- andte Dr. Baden.
Vas Auswärtige Amt
Berlin, 18. Okt. Wie verlautet, ist skr den mächtigsten Ltaatssekretärposten im Auswärtigen Amt, den bis jetzt von Simson einnimmt, der Abgeordn. Hilferding (Unabh. voz.) in Aussicht genommen. Für den Ministerpostsn kommt Staatssekretär a. D. Bergmann in Betracht.
Verschiebung der RetchsprSsidentemvahl?
BeMn, IS. Okt. Das Korrespondenzblatt der Deutschen Lcltspartei tritt nun auch wie die Zentrumspresss für Verschiebung der Reichspräsidenrenwahl ein. Wollte man den Reichspräsidenten wieder durch den Reichstag wählen lassen, so müßte die Verfassung noch einmal geändert werden. Der Wahlkampf würde das deutsche Volk in zwei Lager, für Hn» denburg und für Ebert, spalten. Auch sonst treten Bedenken auf, denen gegenüber die Verschiebung das kleinere Uebel wäre
Hannover, IS. Okt. Eeneralseldmarschall v. Hinden- bürg erklärt in den Blättern, daß er noch von keiner Seit« um eine Kandidatur angegangen worden sei, er habe daher auch noch keine Veranlassung gehabt die Kandidatur anzu- «ehmen oder abzulehnen.
Denkschland lehnk Verschärfung der Ne b e n va H rmg atz
Berlin, 15. Okt. Von amtlicher Seit« wird »rklärtz dtt Reichsregierung sei nicht gewillt, die Ueberwachung des deutschen Finanzwesens durch den feindlichen Garantieausschuß weiter ausdehnen zu lassen, als seinerzeit von dem Neichs- finanzminister Dr. Hermes angeboten wurde. Das Wcchi und Wehe der deutschen Bevölkerung könne nicht von den Befehlen ausländischer Behörden abhängig gemacht werden, die dafür keine Verantwortung tragen. Die Pläne (die von Bradbury stammen) seien umso weniger annehmbar, als dH britische Regierung zu erkennen gebe, daß sie Frankreich i« üer Entschädigungsfrags mehr und mehr jreis -and
Aus dein besetzt«, Getztet
Düsseldorf, 13. Okt. Betrunkene belgische Soldaten drangen vor einigen Tagen in das Lokal eines Turnvereins Oberkassel ein und erschossen einen deutschen Turner, D« belgische Vertreter der Rheinlandkommission hat sich rniy ausnahmsweise veranlaßt gesehen, beim Bürgermersterami das Bedauern der hohen Rheinlandkommission auszufprs- chen. — Was hätte es wieder für einen Spektakel gegeben, wenn einen von den belgischen Rausbotden die Strafe ereilt hätte I *
Die «armen" Engländer.
London, 15. Okt. Die britische Regierung erblickt in dm !>ohen Aufenthaltsgebühren, dis Bayern van den Ausländern erhebt, eine Verletzung des Artikels 276 des Versailler Vertrags. Das Kabinett hat da» Außsnaint bereits ermächtigt, alle deutschen Einreiseerlaubmsgesuchs ausnahmslos abzulehnen, falls Bayern aus seinein Standpunkt be> harrt. Das Kabinett erkennt andererseits an, daß dem Vorgehen Bayerns berechtigte Motive zugrunde liegen und wäre bereit, ihnen durch Einschränkung dsr Paßerteilung Rechnung zu tragen.
Die «freie Hand" Frankreichs
Paris, 15. Okt. In der Kammer erklärte 8er MgevrN- nete Marcel Hubert, die Kammer müsse einen festen Play llufstellen, um Frankreich gegen den Rachedurst Deutsch« lands dauernd zu schützen (gemeint ist natürlich die Weg« nähme des Rheinlands. D. Schr.) und von dem bankrotten Reich die Zahlungen zu erhalten. Nach dem Friedensoertrag haften auch dis deutschen Privatvermögen für die Zahlung. Die Kammer müsse di« Maßregeln der Regierung, dis dahin abzielen, entschlossen unterstützen.
Paris, 15. Okt. Ein Ministerrat erklärt» die BorschläO Bradburys auf 5jährige Stundung der Zahlungen gegen Schuldscheine Kr unannehmbar, auch ryeny
«rcwoury oaneven die weitestgehende N«S-rwach»nt de» deutschen Finanzwesen» fordere.
Der Rücktritt Bradbury« in der SntschMgung»- kommission gilt in politischen Kreisen als bevorstehend. Al» Nachfolger wird der britische Kriegrminister Evans g«, nannt. 1
Der Zahlungsplan Bradburys
Parks, 15. Okt. «Petit H ' sien" teilt aus dem EnkschWtz gungsplan Bradburys folgen.es mit« 1. Deutschland ßihu während 5 Jahren nur durch Staalswechsel.2. Für di» Sachleistungen hat di« deutsche Reichsregierung »den- falls Wechsel auszustellsn, für welche diejeniaen Länder, di« Lieferungen in Sachen erhalten, di« Wechselbürgschaft durch Unterschrift mit übernehmen sollen. Deutschland seinersritt Verde dies« Tratten durch ausländische Banken beleihen lassen, um dis deutschen Lieferanten mit ausländischen Devisen Zahlungsmitteln) zu versorgen, ohne dse Notenausgabe erhöhen Mi müssen. ». Zur F estignngds-MarkwartS sog die Verwendung der Paviermark im Austausch roefentych vermindert und durch Goldmark ersetzt werden. — Tö handelt ffch in dem Plan also darum, Deutschland von jed« wirklichen oder mittelbaren (Devisen)-Geldzahlung bei Enk- schSdigungszahlungen auf 5 Jahre zu befreien, andrrersektt die Papiermakk bei den nächsten Regelungen aoszuschattey,
Rußland tritt ans den Plan
Lonyvn. 15. Okt. Wie die «Times" berichtet, Kl London Meldungen eingetroffen, daß von Moskau aus eirtt verstärkte bolschewistische Aufreizung in Europa betrieben werden und oaß besonders in Deutschland zahlreich« kommunistische Agenten tätig seien, um einen Aufstand vorzubereiten. Zwischen Sowjetrußland und Litauen soll« ein Militärbündnis abgeschlossen werden und auch mit Persien sei ein Abkommen getroffen, nach dem Persien den roteg Truppen den Durchmarsch durch persisches Gebiet gestatt- um Mesopotamien anzugreifen. Endlich bestehe zwischen derl Regierungen von Moskau und Angora ein GeheimvertraH daß alle derzeit in Konstantinopel lebenden russischen Staats« angehörigen (etwa 25 000) dis Sowjetregierung anzuerkennen oder auszuwandern gezwungen werden sollen, faktt Kemal in Konstantinopel di« Regierung errichten werde. >
München, 15. Okt. Die bayerisch« Regierung hat in BerNn Beschwerde erhoben, daß das Auswärtige Amt den Bolsch,^ wisten aus Rußland in allzu entgegenkommender Weise Ett,- reiseerlaubnis erteile und dadurch die bolschewistischen Uttl trieb« in Deutschland begünstige. (Auch die innere Verw» tung des Reichs und Preußens soll vorstellig geworden seirch
Frankreich sucht Annäherung an Rußlantz
Paris, 15. Okt. Di« Sendung des Führers her Radikale^ Herrist (Bürgermeister von Lyon) nach Moskau» uch di« wirtschaftliche «nd politisch« Annäherung Frankreichs a« Ruhtsich» anzubahnen, tst so« Erfolg begleitet gewesen. Her- Kot berichtet telegraphisch an Potnöcwt. sein« Aufnahme Moskau sei freundschaftlich gewesen und es Heien ihm wem gehende Zusicherungen für dt« BetätigKnä französisches Unternehmer in Rußland gegeben worden. Auch sonst Hab« er viel erreicht, was di« Beziehungen beider Länder freundlich gestalten könne.
Der Londoner „Daily Telegraph" erfährt dazu, HerrM habe an Poincarä gemeldet, er (Herriot) habe der Sowset- regieruna die Versicherung gegeben, daß dis französische Rs, gierung die (gegen England gerichtete) Haltung der Sowjet» regierung im Orient und die rufsiscle Unterstützung Kemal» Durchaus billige; der Zweck seiner Moskauer Nelle sei, ein« Wiederannäherung zwischen Frankreich und Rußland her- beizuführen. Kurz vor seiner Rückreise, meldet «Daily Telegraph" weiter, habe Herriot von Poincars ein Telegramm erhalten, worin der Ministerpräsident Herriots Ansicht billiM und der Sowjetregierung den Dank Kr die freundschaftlich« Ausnahme Herriots ausspricht.
Die Türken ziehen sich zurück — Fortsetzung 8er türkischen Rüstungen :
London, 15. Okt. Reuter meldet, 8atz sich dtt KrkkfHW Truppen auf allen Punkten aus dem neutralen Gebiet ztti rückziehen, nachdem sie nunmehr von der Unterzeichnung d» Waffenstillstandsvertrags von Mudania unterrichtet Wördens sind. Dis türkischen Streitkräfte seien größer, als man ang»-' kommen hatte; di« Türken setzen übrigens ihre Rüstungen fort und da» Heer erfährt andauernd eine Verstärkung. Wenn di« Friedenskonferenz sich verzögern sollte, so sei e» wahrscheinlich, daß die türkischen Truppen dazu verwendet werden, einen Druck auf die Diplomaten auszuuben. t
Der französische Botschafter hatte eine Unterredung uM dem Außenminister Lord Curzon über die Durchführung des Vertrags von Mudania.