Nr. 65
Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.
98. Jahrgang.
Erscheinungsweise : 6mal wöchentl. Anzeigenpreis: Die Zeile 1A) Mk., Familienanzeigm 75 M., Reklamen 330 Mk. Auf Sammelanzeigen kommt ein Zuschlag von 100 "/o. — Fernspr. 9.
Montag, den 19. März 1923.
Bezugspreis: In der Stadt mit Trügerlohn 3400Mk. monatl. Postbezugspreis 3400Mk. ohne Bestellgeld. Schluß der Anzeigenannahme 8 Uhr vormittags.
Neueste Nachrichten.
Ans den Landesverräter Smeets, der mit französischem Celde seit Jahren seine schamlose Propaganda für eine rheinische Republik von Frankreichs Gnaden betreibt, wurde ein Anschlag verübt, durch den er lebensgefährlich verletzt wurde.
Das deutsche Auswärtige Amt verwahrt sich gegen die Beschuldigung der Entente, als ob man die französischen und belgischen Offiziere in der Militärkontrollkommission nur aus Gründen der Sabotage gegen diese Kommission entfernt wissen wolle. Die Tätigkeit der Militärkommisfio« wird angesichts der völligen Entwaffnung Deutschlands lediglich als Herausforderung gekennzeichnet.
»
Po» halbamtlicher französischer Seite wird auf die verschiedenerlei Gerüchte über angebliche deutsche Bermittlungs- gesuche in London und Washington kategorisch erklärt, daß Frankreich eine Vermittlung als unfreundlichen Akt betrachten würde, und daß die französische Negierung nur offizielle deutsche Vorschläge anzuhören bereit sei.
Der deutsche Reichspräsident hat inHam m, also im Bereich des französischen Einbruchsgebiets mit wünschenswerter Deutlichkeit die Gewaltpolitik und den Imperialismus Frankreichs gekennzeichnet» und der Bevölkerung des Ruhrgebiets den Dank aller deutschen Volksgenossen ausgesprochen.
Ser ReichsprWcnl im Einbruchs««.
Sr* " 'er Protest
gegen den fr«n ö schen Imperialismus. Dank an die Bevölkerung des Nuhrgebiets.
Hamm, 18. März. Der Reichspräsident, Reichsarbeits- minister Dr. Brauns, Reichswirtschaftsminister Dr. Becker, der preußische Minister des Innern Severing, und der preußische Handelsminister, Siering, sind zu Besprechungen mit Führern der Behörden, der wirtschaftlichen Organisationen, der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände des RuhrgeLiets hier eingetroffen. In einer im Laufe des Nachmittags abgehaltenen, von etwa 1500 Delegierten und Vertretern des wirtschaftlichen und des öffentlichen Lebens des RuhrgeLiets besuchten Versammlung sprach Reichspräsident Ebert. Er legte dar, dag Deutschland nicht aus eigener Schuld in diesen Kampf geraten sei. Es habe von den unerträglichen Lieferungen des Friedensdiktats erfüllt, was es zu leisten vermocht habe. Es habe die größten Opfer gebracht, um die rechtlose Besetzung weiteren deutschen Gebiets zu verhindern. Es habe im Dezember in Paris positive, von der gesamten deutschen Volkswirtschaft getragene Vorschläge gemacht, die nicht entgegengenommen worden seien. So können wir, fuhr der Reichspräsident fort, mit ruhigem Gewissen vor aller Welt seststellrn, daß Deutschland es nicht ist, das diese Auseinandersetzung verschuldet oder gar gesucht hat. Die Unruhestifter, die schuldig an diesem Konflikt sind, der immer weitere Wellen schlägt und heute schon ganz Europa in Mitleidenschaft zieht, sitzen da, wo man schon seit Jahrhunderten nach der Rheingrenze strebt, wo man deutsche Stämme und deutsches Gebiet wie Ncgcrkolonien mit Gewalt an das eigene anschmieden will, wo man die Nuhrbefetzung schon lange beschlossen hatte, ehe man sich die Ziffern der Kohlen- und Holz- licfr ungen zurecht gemacht hatte. Dieser Einbruch eines fremden Heeres in ein friedliches und arbeitsames Gebiet, heifchlerisch der Weli als Entsendung einer Ingenieurkommission mit geringer militärischer Bedeckung ang'ekiindigt, ist der leichtfertigste Bruch von Recht und Moral, den die neuere Geschichte kennt, durch nichts veranlaßt und begründet, wirtschaftlich ein vollkommener Wahnsinn. Dieser Einbruch ist die krasse und fast "»verhüllte Aenßerung des französischen politischen und wirtschaftlichen Imperialismus. So wurde dieser Einbruch auch von Ihnen, Männer und Frauen an der Ruhr, gleich erkannt. Cie wußten, daß hier ein Schlag gegen Ihre und unsere Le- bcnsbedingnngen geführt wurde, daß unter dem fadenscheinigen Borwand von R parationszielen deutsches Land und deutsche Arbeit fremder imperialistischer Beutesr cht dienstbar gemacht werden sollte. Sie, Arbeiter wie Unternehmer, wußten, daß das deutsche Wirtschaftsleben und die deutsche Einheit in Gefahr standen. Ohne daß es auch nur einer Aufforderung der Regierung bedurft hätte, schloffen Sie sich zu einigem und entschloffe- ««m Widerstand zusammen. Das ist gerade das Große an dieser
.Abwehr, daß sie nicht befohlen oder angeordnet wurde. Kein Plan über Organisation oder Methode dieser Abwehr lag vor. Aus dem Boden der Heimat, aus dem zähen Willen der Bewohner, aus eigener politischer und wirtschaftlicher Erkenntnis entstand spontan und allerorts die Front des Widerstands gegen militärische Vergewaltigung. Sie haben durch diese Haltung, durch diesen impulsiven Willen der Einzelnen, der zusammenfloß zu dem Willen des Volkes, der Welt gezeigt, daß di» Macht Idee größer und stärker als die Idee der Macht war. Mit nüchterner Ueberlegung, Entschlossenheit und zähem Willen zur Selbstbehauptung, gestützt auf unser -unerschütterliches gutes Recht leisten Sie einer bis an die Zähne bewaffneten Militärmacht Widerstand. Zähneknirschend ertragen Eie brutale Gewaltakte, ohne sich durch alle diese rohen, geradezu sadistischen Quälereien zu Unbesonnenheiten hinreiben zu lasten. So haben Sie mit der Macht des eisernen Willens den Erfolg erkämpft. Nichts hat der Gegner «reicht. Alle seine Methoden find fehlgeschlagen. Das dankt Ihnen heute mit bewundernder Anerken-
Dollar-
Schatzanweisungen des Deutschen Reiches
Garantiert von der Reichsbank
Schluß der Zeichnung:
Ssmßend. den 24. Marz 1823
nung das ganze deutsche Volk, das ganze Volk, das einig und geschloffen hinter seinen Brüdern im Ruhrgebiet steht. Zn herzlicher Bewegung gedenken wir aller derer, die in diesem Abwehrkampf im vordersten Treffen stehen: der Beamten des Reichs, des Staats und der Kommunen und der Männer der Schutzpolizei, gegen die sich mit besonderem Haß die brutale Roheit einer enttäuschten Soldateska richtet, der Eisenbahner aller Dienstzweige, die eher Freiheit, Haus und Hof dahingeben, als sich fremdem Joch beugen, der Schiffer und Transportarbeiter, die verächtlich auf alle Lockungen und Bedrohungen blicken, der in zähem und entschlossenem Willen zusammenstehenden Bergleute, der Führer des Bergbaus und aller Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die in Not und Last diesen passiven Widerstand leisten. Was von der Ruhr gilt, gilt vom Rhein, von Hessen, der Pfalz und Baden. Allen danke ich im Namen des Reichs aufs herzlichste. Nie wird und darf Deutschland vergessen, welche großen Dienste die Kämpfer an der Ruhr und am Rhein dem Vaterland in schwerster Zeit geleistet habe». In Trauer und Empörung gedenken wir aber auch der erschreckend zahlreichen toten Volksgenossen, die eine brutale, Recht und Gesetze mit Füßen tretende fremde Militärwillkühr ermordet hat, die einem unmenschlichen Militärterror zum Opfer gefallen sind. Ihrer Hinterbliebenen zu gedenken, ihnen unsere Fürsorge zuzuwenden, soll eine Ehrenpflicht des ganzen Volkes sein. Mit freudiger Befriedigung können wir seststellen, daß die Pflicht, den Bedrängten im Einbruchsgebiet helfen zu müssen, und der Wille, ihnen nach Kräften beizustehen, in allen Schichten des Volkes lebendig ist. Auch diese Pflichttreue ist impulsiv wie der Wille zur Abwehr, von selbst entstanden in allen Kreisen des Volkes. Groß ist die Fülle der Spenden und Gaben, die aus dem ganzen Reich» von vielen Deutschen jenseits unserer Grenzen und zahlreichen Deutschfreunden im Ausland täglich zusammenfließen. Allen diesen Gebern sei heute Dank gezollt für die Bekundung ihrer Zusammengehörigkeit zu den Brüdern in Not und ihre Hilfsbereitschaft, die wir auch weiter brauchen. Wir hoffen zuversichtlich, daß diese Opferbereitschaft nicht erlahmt, sondern erstarkt. Jeder neue Druck, jede neue Gewalttat der Gegner muß mit neuer Hilfe für die Bedrückten erwidert werden. Besonders erfreulich ist es, daß hier im Hammer Revier wie in den anderen deutschen Kohlenbezirken die Bergleute im Bewußtsein, auch in äußerster Arbeitsleistung dem deutschen Wirtschaftsleben zu hel
fen, mit lleberschichtenleistnnge« in die Bresche springen. Ihnen danke ich dafür besonders herzlich. Schwer liegt die Hand des fremden Eroberers auf dem Gebiet, das bisher nur den Pulsschlag friedlicher Arbeit kannte. Groß ist die Not an vielen Orten und in vielen Familien, insbesondere da, wo die Willkür der fremden Gewalthaber die arbeitsamen Bewohner des Landes zu Arbeitslosigkeit gezwungen, wo sie Beamte und Arbeiter aus den Wohnungen verjagt, wo sie Verkehr und Versorgung verhindert hat. Sie dürfen überzeugt sein, daß das Reich und Preußen alles tun werden, um jeder Not zu steuern und jeder Zermiirbung der Bevölkerung, wie sie die Gegner systematisch betreiben, entgegenzuwirken. Kein Opfer darf uns M groß sein, wenn es gilt, der Not zu wehren, insbesondere die Ernährung sicher zu stellen. Wo sich aber statt Eemeinsinn und Opferbereitschaft Gewinnsucht Einzelner zeigt, wo Preistreiberei und Wucher sich breit machen, muß gegen solches Schmarotzertum mit aller Energie und Schärfe vorgegangen werden. Wer in dieser Zeit unserer schwersten Not seine persönlichen Interessen nicht der Gesamtheit unterordnet, handelt verbrecherisch. Bis jetzt ist der fremde Anschlag auf diesen durch Recht und Arbeit geheiligten Boden abgewehrt, am eisernen Willen der Männer der „roten Erde" zerschellt. Aber noch zeigen die Gegner kein« Bereitschaft zu einer freien und gerechten Verständigung, zu de, die deutsche Regierung immer bereit war. Noch herrscht bei ihnen der Geist militärischer und wirtschaftlicher Diktatur. Niemand von uns kann darüber im Zweifel sein, was es bedeuten würde, wenn wir uns den Machtgelüsten Frankreichs unterwürfen. Dann wäre es geschehen um Bestand, Selbstbestimmung und Zukunft der deutschen Republik, um die wirtschaftliche und soziale Stellung der deutschen Arbeiter und deren Weiterentwicklung, di« dem französischen Kapitalismus ein Dorn im Auge ist. Wir wissen, welche Folgen es für unsere Volkswirtschaft hätte, wenn dieses Land der Kohlen dauernd unserer Arbeit entzogen wäre, daß es dann zu Ende wäre mit der Selbständigkeit und der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, mit der unser Dasein aufs engste verknüpft ist. Die Lebensmöglichkeit vieler hunderttausend deutscher Arbeiter wäre vernichtet. Diese Erkenntnis gibt uns den festen Willen und die Kraft auszuhalten in der Abwehr. Auf uns allein gestellt, müssen wir diesen schweren Kampf weitrrsühren. Wir find wehrlos. Wir können ihn nur führen, mit der Waffe des passiven Widerstands, gestützt auf unser gutes Recht und auf unseren festen, unbeugsamen Willen. Bei Euch, Männer von der Ruhr, liegt die Last der Abwehr, aber auch ihre Kraft. Auf Euch vertraut Deutschland. Haltet aus! Seid wie bisher tapfer, fest, ruhig und besonnen! Dann ist unserer gerechten Sache der Erfolg sicher, Dazu: "Glückauf!"
Ei« Anschlag a«f de« Landesomälkr Saleeis.
Köln, 17. März. Wie WTB. zuverlässig erfährt, ist Smeets heute abend durch einen Kopfschutz schwer vertzetzt worden. Sein Sekretär ist tot.
Köln» 18. März. Ueber den Anschlag auf Smeets werden noch folgende Einzelheiten berichtet: Smeets befand sich mit seinem Schwager Kaiser und einem Bureauangestellten in einem als Verlagsbureau der „Rheinischen Republik" dienenden Raum seiner Wohnung, als gegen 7 llhr abends ein junger Mann Einlatz in die Wohnung begehrte. Der Schwägerin von Smeets, die ihm öffnete, erklärte er. er wolle Zeitungen kaufen. Er schritt auf das Bureau zu, öffnete die Tür und feuerte vier Revolverschüsse ab, durch dieSmeetsschwer verletzt und Kaiser getötet wurde. Der Angestellte entzog sich durch eine Bewegung dem auf ihn abgegebenen Schutz und blieb unverletzt. Der unbekannte Täter zertrümmerte dann eine Scheibe der Korridortür und entwich unbehindert auf die Stratze, wo er sofort verschwand. — Von zuständiger Seite wird zu dem Atttentat noch mitgeteilt: Als Täter kommt ein junger Mensch in Betracht, der einen heruntergekommenen Eindruck machte und etwa 27 Jahre alt ist. Die Mordkommission der Kölner Polizei ist mit der Angelegenheit befaßt. Es wird von der zuständigen Polizeibehörde alles zur schnellsten Aufklärung des Falles getan. — Nach einer weiteren Meldung ist die an Smeets vorgenommene Operation gut verlaufen. Die Kugel konnte entfernt werden. Ter Zustand von Smeets ist jedoch noch sehr ernst, doch hosst man ihn am Leben zu erhalten. Auf die Ermittelung und Ergreifung des Täters hat der Regierungspräsident eine Belohnung von 1 Million Mark ausgesetzt. Drei Leute, die noch am späten Abend wegen Tatverdachts sest- genommen wurden, mutzten wieder auf freien Fuß gesetzt werden, da die Ermittelungen ihre Schuldlosigkeit ergaben.