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Rümmer 104
Fernruf 17»
Tagesspiegel
Reichsflnanzmmister Dr. Hermes erstatkele am Mittwoch abend den Führern aller Reichstagsparleien (nur die Kommunisten waren nicht vertreten) Bericht über die Verhandlungen in Genua. Ob der Auswärige Ausschuß einberufen werden soll, ist noch nicht entschieden.
Präsident Millerand hak von Tunis die Rückreise nach Frankreich angetreten.
Im Hennegau (Belgien) sind die Grubenarbeiter in den Ansstand getreten, weil der neue Tarif die Löhne der gelernten Arbeiter um 12 und die der ungelernken Arbeiter um 6 bis 7 Prozent herabsetzt.
In England begann am 4. Mai die Aussperrung der 47 Maschinenarbeiterverbände außerhalb des Vereinigten Maschinenarbeiterbunds. Die Zahl der Erwerbslosen ver- mehrt sich dadurch um 800 000 Mann.
Valutaprotzen — Valutabettler
Es läßt sich nicht mehr verheimlichen, daß die ganze Welt Mvn der Gefahr einer Finanzkatastrophe bedroht wird, die alles in den Schatten stellen würde, was sich bisher jemals an Krisen ereignete. Und merwürdig: das Land, dem die Riesensummsn der Kriegsentschädigung aufgebürdet werden, hat einstweilen die geringste Arbeitslosigkeit, während diejenigen Staaten, denen die Gelder zufließen, von einer Arbeitslosigkeit heimgesucht werden, wie sie sie in ihrer ganzen Geschichte bisher niemals zu erdulden hatten! In Deutschland gibt es in manchen Berufszweigen so gut wie gar keine Arbeitslosen mehr. Dagegen sind sie in den Vereinigten Staaten auf beinahe 6 Millionen, in England au? beinahe 2 Millionen angeschwollen.
Geheimrat Bücher, Geschäftsführer des Reichsverbands der deutschen Industrie, hat eine Berechnung aufgestellt, die auch in England Beachtung gefunden hat: Wenn man nur 1)4 Millionen Arbeitslose in England annimmt, und die Arbeit, die jeder von ihnen täglich leisten würde, einen Wert von 15 Schilling haben würde, so hätte die englische Volkswirtschaft auf 280 Arbeitstage im Jahr eine Verlustsumme von 310 Millionen Pfund Sterling oder 6,2 Milliarden Goldmark zu tragen. Das aber sei weit mehr, als England jemals aus den deutschen Entschädigungen an Geld erhalten könne.
Die Zahl der Konkurse in England und in den Vereinigten Staaten nimmt reißend zu. Vergebens bemüht sich die Regierung, der Geschäftswelt Mut zum Durchhalten einzuflöhen. Es ist kennzeichnend, daß nicht einmal die Banken mehr vertrauensvoll in die Zukunft sehen. Die Wirtschaftskrisis in England, die sich vor etwa Jahresfrist plötzlich einstellte, nahm ihren Ausgang von dem Zusammenbruch einer der größten Banken. Bei der Ueberfüllung aller Lager durch die Spekulation der Konjunkturjahre (auch nach dem Waffenstillstand), der Ueberspannung von Bankkrediten, der abnehmenden Kaufkraft jener Länder, die früher die besten Kunden Englands waren, mußte man wohl von einer Auf- blähuna des gesamten Geschäftslebens sprechen. Jeder Rückgang ausländischer Bestellungen mußte daher Zusammenbrüche englischer Häuser nach sich ziehen.
Heute ist das Bild noch trüber. Und was damals vor etwa 1^ Jahren in England eintrat, droht jetzt auch vielen anderen Ländern. Banken, die in der Hochkonjunktur der Kriegsjahre und der Scheinkonjunktur der beiden folgenden Jahre ungeheuerliche Gewinne em- heimsten können doch vielfach, trotz aller Rücklagen, nicht mehr den drohenden Erschütterungen ruhig entgegensetzen. Allenthalben, nn valutastarken Aus and, und aerade dort kriselt es m den Banken. Es macht den Nnd?uck als handle es sich um das Vorspiel eines riesigen Finanzkraches aus dem ganzen Erdball, wenn wir de/daß in dich eine nicht unbedeutende Bank in dl^ ist' daß eine der ersten
Banket mehr sicher ist daß in Nord-
EriL e"ne Ä7zah?v°n Bankm die Zahlungen emge-
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nationale Anleihe großen Stils de^
Ländern, deren Wirtschaftskraf wieder erstarken muß wenn die Weltwirtschaft geuesen oll entzprechenoes Kapital zur Verfügung zu stellen, hat man so lang« uver
Wütztech, Freitag, de« 5. Mai 1S22
die erforderlichen Sicherheiten beraten und so ungünstige Bedingungen dafür gestellt, daß bisher so gut wie nichts geschehen ist. Die internationale Verkettung der Staatsschulden wird immer mehr zu einem Bleigewicht, das sämtliche Völker in die Tiefe zieht. Man weiß, daß es heute Nationen gibt, die im Reichtum ersticken, und andere, deren Armut keine Grenzen mehr kennt. An der Spitze dev ersteren stehen die Vereinigten Staaten, die aus im Ausland angelegtem Kapital, aus Anleihen und Vorschüssen heute einen Gesamtbetrag von etwa 14 Milliarden Dollar zu fordern haben. Mehr als die Hälfte alles Goldes der Welt.befindet sich heute in ihrem Besitz. Das Gold hat sich aus die eine Seite der Erde gelegt.
Die amerikanischen Gläubigersummen werden zusammen mit den deutschen Kriegsverpflichtnngen mehr und mehr zur Achse der gefaulten Weltpolitik und damit der Weltwirtschaft. In den 10 Milliarden Dollar, die allein die amerikanische Regierung von den Verbandsländern fordert, steckt der größte Teil dessen, was Amerika während der Kriegsjahre im Handel mit dem Ausland verdient hat. Legt man auch nur eine vier- prozentige Verzinsung zugrunde, so müßten ihnen dafür jährlich an Zinsen 400 Millionen Dollar (mehr als 1600 Millionen Goldmark) zufließen.
Durch diese Verschiebungen ist der Gleichstand der Landeswährungen zerstört, die Kaufkraft der Völker den gröblichsten Verschiedenheiten der Bewertung unterworfen. Die einen sind zu Valutabettlern geworden — und daher der Willkür der anderen geldstärkeren ausgeliefert, die nun über den Kredit der Welt eine fast unbegrenzte Verfügungsgewalt besitzen. Die letzteren aber befinden sich ebenfalls nicht wohl dabei. Es ist ein verhängnisvoller Irrtum, daß der Reichtum nur Annehmlichkeiten biete.
Einstweilen glaubt man hier und dort, namentlich in den Vereinigten Staaten, noch an die Möglichkeit, den eigenen Reichtum zu sichern, wenn man sich gegen die übrige Welt abschließt. Allein das ist technisch unmöglich und müßte wirtschaftlich erst recht zur allgemeinen Katastrophe führen. Andererseits wirkt ein Zusammenleben von äußerstem Reichtum und bitterster Armut auch unter den Völkern demoralisierend aus beide Teile. Die Industriestaaten haben das an den sozialen Zuständen des eigenen Volks reichlich erfahren. Man hat einqesehen, daß allzu große Spannweiten der Personal- Einkommen volkswirtschaftlich schädigend und moralisch übel wirken, und hat deshalb einen Ausgleich angestrebt, mindestens aber das Herabsinken von Menschen in einen Zustand hoffnungslosen Elends zu verhlndern gesucht. Wo dies nicht gelang, hat sich ein Bodensatz der menschlichen Gesellschaft gebildet, der eine ständige Gefahr für die übrigen Teile bildet. . „
Der Gedanke aber, in emem Land zu leben, dessen Währung zum Spielball fremder Willkür geworden ist und dadurch das eigene Schicksal tagaus! lagern bedroht zu sehen, muß aus die Dauer erregend selbst auf dre ruhigsten Gemüter wirken. Wenn jedes Pfund Brot, jeder Löffel Zucker, jede Nolle Garn, jede Lebensnotwendigkeit durch das Sinken der Valuta abermals verteuert wird, ohne daß Fleiß, Anstrengung, Sparsamkeit dieser Verarmung Einhalt gebieten können, so muß eines Tags blinde Verzweiflung die Millionen erfassen, die sich solchem Schicksal überantwortet sehen. Unter der Oberfläche flammt das Fieber. Wirtschaft und Kultur sind dann gemeinschaftlich vom Untergang bedroht. Es wäre zu spät, helfen zu wollen, wenn die Axthiebe einer solchen Weltrevolution erdröhnen.
Der Deutsch-Schweizerische Schiedsvertrag
Am 1. Mai ist, wie berichtet, der deutsch-schweizerische Schiedsgerichts- und Vergleichsvertta^ in Kraft getreten. Dieser Vertrag verdient wohl die größte Aufmerksamkeit, weil er durch wichtige Neuerungen außerordentlich erwünschte und wirklich gesunde Fortbildungen des Schiedsgedanken im Völkerrecht enthält.
Die bisherigen Schiedsabkommen waren ungeachtet aller friedfertigen Absichten in Wirklichkeit doch nur faule Redensarten. Denn immer enthielten sie Vorbehalte in Bezug ihrer Anwendung; zumeist in der Form, daß Streitfragen, welche die ,.EHre u. Existenz der Nationen berührten", dem Schiedsverfahren nickt unterlieaen sollten. Oder jje beschränkten sich
Fer«r«f 17S 57. Iahrß««-
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darauf, Fristen einzuschälten, vor deren Ablauf keine kriegerische Handlung vorgenommen werden durfte. Darin lag dann stets eine Benachteiligung der. Staaten mit besserer Wehrverfassung. Der deutsch-schweizerische Schiedsvertrag ist nun der erste, der eine wirkliche Bindung enthält and kein Ausweichen gestaltet. Es ist eine der bemerkenswerten Neuerungen, daß eine Einrede überhaupt nicht mehr von einer der Parteien einseitig und aus deren eigener Machtvollkommenheit gemacht werden darf, sondern daß über deren Zulässigkeit wiederum das Schiedsgericht zu befinden hat. Und dies muß so geschehen, daß die Zulässigkeit der Einrede entweder einstimmig oder nur gegen eine einzige Stimme vom Schiedsgericht ausgesprochen werden muß.
Trotz dieser Strenge ist die ganze Handhabung de» Schiedsverfahrens handlich und beweglich gestaltet. Hiezu dient die Vorschaltung eines ständigen Vergleichsrat», dem kleinere Reibungen und Streiftälle vorzulegen sind, damit er sie von sich aus aus der Welt schaffe, ohne daß erst die schwerfällige Maschinerie eines eigentlichen internationalen Schiedsgerichts bemüht werde. Auch hier ist vorgesehen, daß keiner der Beteiligten sich gegen die Anwendung dieses beweglicheren Verfahrens sperren kann, indem nämlich bei Uneinigkeit über die Vorfrage, ob der Vergleichsrat sich mit einem Streitfall zu befassen habe, wiederum die Entscheidung nicht den Parteien, sondern dem Schiedsgericht zusteht.
Grundlegend neu ist die Bestimmung, die das Verhalten der Schiedsrichter regelt. Sie billigt ihnen einen weiten Spielraum zu in solchen Fällen in denen das geltend» internationale Recht offenbare Lücken aufweist. In dem deutsch-schweizerischen Vertrag ist das Schiedsgericht wohl allgemein angewiesen nach den Bestimmungen des Völkerrechts zu urteilen. Bei dessen Versagen sollen sich die Schiedsrichter jedoch leiten lassen von ihrer Anschauung dessen, was nach ihrer Ansicht internationale Geltung haben soll. Hier wird also eine Quelle neuen Rechts erschlossen. Die Neubildung des Rechts kann sich neuen Verhältnissen anpassen: eine bisherige Starrheit wird gelöst. Bis heute war es meist so, daß gerade in den gefährlichsten Streitfällen das bestehende Recht versagte und der Streit sich in einer Sackgasse sestfuhr, aus der dann der Krieg schließlich als einziger Ausweg blieb. Nach dem deutsch-schweizerischen Schiedsvertrag ist der Weg zu neuer Rechtsschöpfung auf internationalem
Gebiet freigelegt worden, indem die Richter ausdrücklich befugt sind, das bestehende Recht im Fall seines Versagens in dem Sinn zu ergänzen, in welchem es sich nach allgemeiner Rechtsverfassung fortzuentwickeln hätte.
Der zwischen den beiden Staaten abgeschlossene Vertrag stellt somit eine wirkliche Großtat auf dem Gebiet des Schiedsgerichtsgedankens dar, als denkbar schärfsten Gegensatz zu der bombastischen Großrednerei, aus der die verlogenen Satzungen der „Liga der Nationen" bestehen. Es kann gar nicht ausbleiben, daß eines Tags die Völker, eines nach hem anderen, gewahr werden, wie sehr sie sich mit den Schaumfchlägereien des Völkerbunds hatten einseifen lassen. Dann wird die Zeit gekommen sein, da man den tiefen Gedankengehalt und die gediegene Rechtsform des deutsch-schweizerischen Schiedsvertrages würdigen und ihn zum Muster nehmen wird. Den Vorgang geschaffen zu haben wird ein Ruhmestitel Deutschlands und der Schweiz bleiben.
Der deutsche Kronprinz über die Marneschlacht
Tbl Aus den am 12. Mai erscheinenden Erinnerungen deS deutschen Kronprinzen können wir dank dem frdl, Entgegenkommen der Z. G. Cottaschen Verlagsbuchhandlung in Stuttgart heute schon das nachstehende Kapitel, das mit besonderem Interesse gelesen werden wird, veröffentlichen.
Nach einigen einleitenden Bemerkungen schreib! der deutsche Kronprinz über die Marneschlacht: Was ich hier niederlegen will, soll nicht ein Bild der militärischen Entwicklung und Operationen meiner 5. Armee in jenen bitter- schweren Tagen sein — dafür ist ja eine andere Stelle von mir vorgesehen — es soll allein in großen Zügen die Umstände zeigen, die das deutsche Heer damals mitten aus siegreichem Bormarsch heraus zu dem tragischen Rückzug führten.
Eine Schuld meinerseits? Nur gemeine Böswilligkeit konnte derlei erfinden, nur grenzenlose Dummheit es glau-. .den. Ms Oberbefehlshaber der 5. Armee habe ich im August 1914 den Bormarsch meiner Armee geführt, die Entschließungen, Meldungen und spärlichen Aussprachen mit der O. H.-L. (Obersten Heeresleitung) und den Nach- barameen ständig miterlebt und endlich in den Tagen der Marneschlacht die Entwicklung der Dinge aus nächster, bester Stelle stündlich mit angesehen und studiert. Nach meinem Eindruck ist es eine ganze Reihe von- Umständen, deren unglückseliges Zusammenfliehen die Entwicklung der Ereignisse zu ihrem heillosen Abschlüsse geführt hat. Neben der zweifellosen Unzulänglichkeit und dem aus ihr sich ergebenden moralischen und physischen Nie-