(Enztalbote)

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Druck der Vuchbruckerei »ilbbaber Lazblatt; Werl», und Schristleibunz Th. »ack in »ildbad.

Nummer 100

Fernruf 17»

Tagesspiegel.

England verzichtet auf die Konferenz der Signatar« mächte, da Frankreich sich nach dem LI. Mai un­mittelbar mit Lloyd George verständigen will.

HavaS veröffentlicht den Inhalt der französischen Denkschrift zur Wiederherstellung Rußlands, die einem Plane systematischer Ausbentung gleichkommt.

Ministerpräsident Graf Bethle« erhob schwere Bor- wiirfe gegen die Mißwirtschaft der ungarischen Roya­listen.

Er-kaiscrin Zita wird sich auf Einladung doS KV. nigs AlfonS mit ihren Kindern z« dauerndem Auf­enthalt nach Spanien begeben.

Wie dieVoss. Ztg," aus München Meldet, soll Lloyd George beabsichtigen, auf seiner Rückreise von Genna nach München und Oberammergau zn kom­men. Für Mitte Mai sei für ihn und seine Familie in Oberammerga« Quartier bestellt worden.

TaS Preußische StaatSmknisterium hat beschlossen, die Stadtverordnetenversammlung von Stendal aufzulöscn, weil sie infolge des Zwiespalts zwischen den bürger­lichen und den sozialistischen Parteien beschlußunfähig geworden ist.

Amerika und Europa.

Bon Tr. Paul Ostwald.

Immer sind die Vereinigten Staaten von Amerika bemüht, sich als die friedfertigste und unkriegerischste Macht hinzustellen. Davon kann natürlich für jeden, der die amerikanische Machtentwicklung kennt, keine Rede sein, denn wir sehen sich Krieg an Krieg reihen, die die Vereinigten Staaten aus ihrem imperialistischen Drängen heraus führten. Mer immer nur betraf dieses den eigenen Kontinent und die Machtstellung auf diesem; kriegerische Verwicklungen auf fremden Kontinenten wurden absicht­lich vermieden. Um ihnen vorznbeugen, unterlieh man es sogar, sich in Ostasien, wie die anderen Großmächte, ein Kvlonialgebiet zu verschaffen und gab sich mit einer über den Stillen Ozean führenden amerikanischen Jnsel- brücke zufrieden, wobei der Besitz der Philippinen immer als. eine schwere Belastung empfunden wurde. Auf den fremden Kontinenten sollte immer nur die wirtschaftliche Ueberlegenheit der Vereinigten Staaten zur Geltung ge­bracht werden. Mit dieser Methode amerikanischer Poli­tik, bei der sich die Vereinigten Staaten durchaus wohl befanden, zu brechen, sollte einem Wilson Vorbehalten bleiben, der sein Volk in eine Kriegspsychose zwang und eS dazu brachte, sich mit den europäischen Kriegshändeln so weit zu befassen, daß es für die Entente sein Mut auf Frankreichs Boden zu vergießen bereit war. Doch schon nach dem Abschluß des Waffenstillstandes zeigte es sich, daß im amerikanischen Volke langsam die Besinnung wiederkehrte und Ueberlegungen in der Richtung an Raum gewann, auf welche verkehrte und gegen das eigene Inter­esse führende Bahnen man sich durch einen Wilson hätte locken lassen. Das Versailler Friedensdiktat wurde von der Washingtoner Regierung nicht unterschrieben, Wilson wurde nicht wiedergewählt, sein Nachfolger Harding lieh sich weder von Deutschland um Hilfe gegen das Londoner Ultimatum im Frühjahr vorigen Jahres annisen, noch hat er der Entente gegenüber Bereitwilligkeit gezeigt, die Erprefserpolitik gegen uns mitzumachen. Die ame­rikanischen Truppen verlassen das besetzte Gebiet, und auch an den Konferenz in Genua ist Amerika offiziell nicht beteiligt. Alles deutlichste Beweise, wie die Ver­einigten Staaten wieder in die alten bewährten Bahnen amerikanischer Politik znrückzustreben sich bemühen, wie man Europa sich selber überlassen will. Mehr als ein wirtschaftliches Interesse hat man von jenseits des Atlan­tischen Ozeans an den europäischen Händeln nicht zn er­warten, und auch das darf nicht überschätzt werden. Denn für die amerikanische Wirtschaft bedeutet heute der ostasiatische Markt weit mehr, als der europäische; Ost­asien und nicht Europa steht im Brennpunkt des ameri­kanischen Tollarimperialismus.

' Auf dieser Seite sollte man diese Lage der Tinge endlich klar erkennen und sich nicht immer wieder trüge­rische» Hoffnungen auf amerikanische Unterstützung hin- L»be«. Wenn unS schon eine Hilfe von außen und. auS

»llttatz, Montag, tze« 1. Mai 1»22

Fernruf 179

S7. Jahrgang

oer politischen Konstellation kommen soll, so wird diese nur aus dem französisch-englischen Gegensatz zn erwarten sein, und zwar in dem Sinne, daß England einmal doch aus eigenem Interesse heraus sich gezwungen sieht, den französischen Machtpolitikern ein energisches Halt zuzu- ttisen. Einige Vorstöße in dieser Richtung sind, wie jetzt in Genua durch Lloyd George, schon erfolgt. Noch glaubt indessen Frankreich, Trümpfe in der Hand zu haben, um die englische Politik sich gefügig zu machen. Daß aber der Augenblick kommen wird, schon aus rein weltwirtschaft­lichen Gründen, wo die französische Machtpvlitik sich über­schlagen und dem englischen Gegner Grund zum Ein­greifen geben muß, ist nicht zu bezweifeln. Sorgen tvir dafür, daß wir als Nation Und als Volk bis dahm nicht an inneren Kämpfen zugrunde gegangen sind!

Die Konferenz in Genua.

Lloyd Georges Garantiebertrag.

Genua, 89. April. Eine Gruppe von Mächten, «an spricht von der Kleinen Entente, unter Führung von Dr. Benesch, hat vorgeschlagen, dem großen Ga­rantlevertrag von Lloyd George einige Punkte hinzuzusügen, da der Kleinen Entente der bisher inoffiziell verbreitete Wortlaut des Paktes rchht genügend erscheint. Das Argument umfaßt vier Punkte: 1. Ter Pakt mutz die Garantie geben, daß die bestehc.rdcn Verträge auch weiterhin beobachtet wer­den; 2. die örtlichen Grnppiernngen, d. h. die Al­lianzen bleiben erlaubt, darnach wird die Große und die Kleine Entente bestehen -leibe«; 3. die militärischen Maßnahmen zur Sicherung feierlich gegebener Zusa­gen müssen gestattet bleiben (dieser Punkt stammt von Tr. Benesch persönlich und bedeutet nach seiner Mei­nung einen Zusatz gegen die Rückkehr der Habsburger); 4. militärische Sanktionen, die zur Sicherung der Durch­führung des Friedensvertrages notwendig sind, dür­fen Mcht akS Angriff betrachtet werden.

Lloyd George und Barthon.

Genua, 29. April. In der gestrigen Sitzung bat Lloyd George Barthou von seinem Plane, abends nach Paris abzureisen, im Interesse der Konferenz abzu­stehen. Barthou erklärte, es sei noch nicht sicher, ob er abreisen würde. Wie aus Kreisen der französischen Delegation mitgeteilt wird, ist der Grund für die Ab­reise BarthouS nicht in Differenzen mit Poin- eare zu suchen, sondern Barthou-wolle sich gegen die im Kabinett gegen ihn erhobenen An­griffe persönlich verteidigen. Die Konferenz »st bis Barthous Rückkehr suspendiert, sodaß auch die tu Aussicht genommenes Plenarsitzungen unter diesen Umständen nicht werden stattfinden können.

Genua, 29. Avril. In den späten Abendstunden Wurde gestern die Nachricht verbreitet, daß Barthou feine Reis.- nach Paris verschoben und erst heute an- trstev werdh.

Tie russische Frage.

Genua, 29. April. Die ursprünglich für gestern nach, mittag einberufene Sitzung der Verbandsvertrctec zur endgültigen Feststellung der Denkschrift über Rußland begann um 4 Uhr. Anwesend waren die Vertreter der einladenden Mächte und je zwei Vertreter des Kleinen Verbands und der Neutralen. Es liegen zwei Fas­sungen vor,,eine englische und eine französi­sche. Vor Beginn der Verlesung gab Barthou eine Erklärung ab, in der er sagte, entgegen irreführenden Zeitunqsmeldungen wolle er betonen, daß, wenn er zur Abreise gezwungen sein sollte, er sich bemühen werde, sobald wie möglich zurückzukehren. Es sei Vor­sorge getroffen, daß während seiner Abwesenheit die Arbeiten der Konferenz keine Verzögerung erleiden. Die französische Vertretung werde in der Zwischenzeit mit den Arbeiten fortfahren. Llohd George dankte Barthou für die Mitteilung und sprach die Hoffnung aus, ihn bald wieder zurück zu sehen. Er erklärte, so­wohl seine schätzenswerte Mitarbeit als auch der Um­stand, daß er der Führer einer der wichtigsten Ab­ordnungen sei, werde seine längere Abwesenheit als höchst bedauerlich erscheinen lassen. Barthou wieder­holte nochmals seine Zusicherung, daß er so bald wie möglich zurückkehren werde. Dann gab Llohd George noch eine grundsätzliche Erklärung ab, in der er auS- führte, daß keinestbns von der Grundlage der in Can­nes festgelegten Bedingungen abgegangen werden dürfe. Ferner hob er mit Nachdruck hervor, daß diese Bedingungen ein Ganzes darstellen. Man könne nicht einzelne Teile daraus herausziehen, sondern müsse alles als ein großes Ganzes behandeln.

Me Bekvrecbunaen lind nach langer Dauer zu Ende

gegangen, ohne daß .über ein Ergebnis etwas Bestimm­tes verlautet. ES wird angenommen, daß die Be­sprechungen morgen fortgesetzt werden. Ueber den Ter­min der nächsten Vollsitzung der Konferenz steht noch nichts fest. Eine Vollsitznng wird wahrscheinlich erst für Mittwoch in Frage kommen.

Der politische Unterausschuß hat beschlossen, einen . RedaktionSaüsschutz zu ernennen, der die Aufgabe er- - hält, aus dem englischen und dem französischen Ent­wurf der Denkschrift eine einheitliche Fassung herzu- , stellen. Der Ausschuß setzt sich aus je einem Vertreter' Englands, Frankreichs, Italiens, Belgiens und dsr^ Schweiz zusammen. -'

Die deutsche Abordnung bei Tfchltscheei« M Gast.

Genna, 30. April. Die Vertretung der russische« föderativen Sowjetrepublik hatte heute abend eine An­zahl von Mitgliedern der deutschen Abordnung M - einem Abendessen geladen. Der Einladung waren lxr Reichskanzler Dr. Wirth, der Reichsminister deS ^ Aeußern Dr. Rathenau und der ReichNvirtschaftS- .ninister Schmidt gefolgt. Lschitschertn begrüßt« die Gäste als Vertreter des ersten großen Landes, das durch einen Vertrag auf der Grundlage friedlicher Z«-- sammenarbeit zu Sowjetrußland in normale Bezi«- hungengetreten sei. Reichskanzler Dr. Wirth betonte in seinem Trinkspruch, der dem russischen Volk galt, den wirtschaftlichen Charakter des Vertrages, der nicht den Interessen einer Nation, sondern ganz Europa und der Menschheit zu dienen bestimmt sei.

Londoner Konferenz-Erörterungen.

Berlin, 30. April. Aus London, 28. dS. meldet dieDeutsche Allg. Ztg.": Das Interesse der englische» Oeffentlichkert richtet sich gegenwärtig vor allem ans den zehnjährigen Waffenstillstand, den Llohd George in Genua zu erreichen hofft. Soweit man die Absicht des Ministerpräsidenten bisher kennt, kommen diesem Plan gegenüber erhebliche Bedenken zum Ausdruck, die sich zum Teil auch in den offiziösen Organen fin­den. Man fürchtet, daß alle in Genua vertretenen Mächte mit Ausnahme Deutschlands und Rußlands durch den Artikel 10 des Völkerbundsvertrages ge­bunden seien. Besonders von den Neutralen werden erhebliche Widerstände erwartet. Der diplomatische Mitarbeiter desDaily Telegraph" sieht voraus, daß die neutralen Mächte starken Einspruch erheben wür­den, weil innerhalb des Völkerbunds der Einfluß der Verbündeten Mächte vorherrschend sei und sie nicht das geringste Interesse daran haben könnten, für einen neuen Vertrag verantwortlich gemacht zu werden, durch ^ den infolge der Haltung Frankreichs wiederum Z

tärische Strafmaßnahmen vorgesehen wären. Solange H - diese Schwierigkeiten nicht überwunden seien, könne der ganze Plan als ein gefährliches Unternehmen be- < zeichnet werden.New Statesman" glaubt, daß diese Angelegenheit neue Verwicklungen auf der Konferenz bringen werde. Die Entwicklung der russischen Frage wird hier nach wie vor mit geringer Zuversicht be­urteilt.Times" will erfahren haben, daß die russi­schen Vertreter infolge erhaltener Weisung e§ ablehnen werden, wegen des Staatseigentums Zugeständnisse z« machen, selbst wenn dadurch die Konferenz scheitern würde. Die englische Regierung sei von diesem Beschluß der Russen bereits unterrichtet. Das gleiche Blatt be­staubtet, auch die deutschen Vertreter würden einem Bruch der Bolschewisten mit den Verbandsmächten mit Sorge entgegensehen. Die Deutschen würden dann in­folge des Vertrages von Rapallo mit Rußland vereint den Westmächten gegenüberstehen. In anderen Kon­ferenzkreisen hofft man aber, daß Deutschland infolge einer solchen Notwendigkeit sich genötigt sehen würde, in der Entschädigungsfrage, wie in anderen Streitfra­gen den Verbündeten Nachgiebigkeit zu zeigen. Die Frage, ob die Vertreter Deutschlands an der geplan­ten Konferenz der Unterzeichner des Vertrags von Versailles teilnehmen werden, ist, wie dieTimes", meldet, bisher noch nicht entschieden.

Neues vom Tage.

TaS Eisenbahn finanzgesetz.

Berlin, 30. April. Die Beratungen über das S i s e n- vah n finanzgesetz, die der Organisationsausschuß bei« ReichG'erkehrSmlnisterium seit einigen, Wochen gepflogen hat. sind, wie die T- U. erfährt^ I^t zum Abschluß Dekmnmen. Zn der Sitzung am Freitag b schüftigte man sich noch einmal nnt dem Kon f l t kt Paragraphen, zu dem Staatssekretär PrvUtz ein ausführliches Gutachten geliefert hatte. Auf Antrag,

wurde in diesen Paragraphen folgender Wortlaut aus­genommen:Gegen die Beschlüsse des Verwaltung-s rats kann der Reichsverkehrsminister die Entscheidung . -es Neickstaaes anruken. Die Anrufung des ReichS- M