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Zernsprecher Nr. S

Verantrvortl. Lchristleituna: Friedrich Hans Scheele Druck und Verlag der A. Oelschiager'schen Suchdruckerei

Nr. 31

Fr ei lag, den 7. Februar 1930

Fahrgang 102

Die Neuordnung der Reichsfinanzen

Die Zuschüsse

für die Arbeitslosenversicherung

Eine gefährliche Klippe.

---- Berlin, 7. Febr. In der auf heute vormittag anbe­raumten Parteivertreterbesprechung mit der Reichsregie- rnng wird neben dem Etat- und Steuerprvgramm auch die Arbeitslosenversicherung eine große Roll« spie­len. Cs ist bekannt, daß die Einnahmen -er Versicherungs­anstalt nicht ausreichen, um den Ansprüchen der Versicher­ten zu genügen. Ans Grund der gesetzlichen Bestimmungen ist das Reich verpflichtet, Kredite zur Verfügung zu stel­len. Diese Kredite bereiten dem Rcichsfinanzminister Dr. Moldcnhauer im Augenblick die größte Sorge. Man weiß noch nicht, wie man aus den Schwierigkeiten herans- kominen wird. Aber schon jetzt zeichnet sich bei Moldenhaner das Bestreben ab, bas Reich von den Zuschüssen für die Arbeitslosenversicherung zu entlasten.

Man hat zwei Wege ins Auge gefaßt. Einmal soll die Rngestclltcnversichernng mit ihre« Geldmittel« ein- s','riugcn und der Arbeitslosenversicherung die erforderlichen Kredite zur Verfügung stellen. Dabei ist man sich aber noch nicht klar darüber geworden, wie die Zurückzahlung der ge­liehenen Beträge vor sich gehen soll. Die Augestelltenver- sichrriing kann auf längere Zeit viele hundert Millionen nicht so ohne weiteres entbehren. Die Arbeitslosenversiche­rung dagegen wird vorläufig kaum in der Lage sein, auf- gcnommcne Kredite znrückzuerstatten. Sie steckt ja ohnehin schon beim Reich tief in Schulden und besitzt keine Möglich­keit, sich von dieser Last zu befreien, es sei denn, daß man dazu übergeht, aus der Arbeitslosenversicherung eine echte mit ansbalanziertem Etat zu mache».

Tvllce cs sich nicht ermöglichen lassen, die Angestellten- ven'ichcruiig anzuspanuen, bann benkt man a« eine Er­höhung der Beiträge für die Arbeitslosen­versicherung. Auch dadurch würde bas Reich entlastet werden. In der Praxis würden jedoch Wirtschaft und Ar­beitnehmer die neuen Lasten zu tragen haben, die man ihnen sonst in Form irgend einer Steuervorlage zur Aus­bringung dieser Mittel zumuten würde. Es ist möglich, daß gerade die Arbeitslosenversicherung in den Mittelpunkt

einer heftigen Auseinandersetzung rücken wird, zumal bei dieser Gelegenheit das Thema «Reform der Versicherung" erneuI angeschnitten werden muh.

Um die Sleuerpläne des Reichsfinanzministers

Schwierige Steuerverhaudlungen in Sicht.

DerVorwärts" beschäftigt sich mit den Deckungsmög­lichkeiten für den Fehlbetrag im Retchshaushalt. Unter Hinweis auf die ergebnislose Kabinettssitzung am Mittwoch betont er, baß schon der äußere Verlaus dieser Sitzung die große« Schwierigkeiten zeige, die die Erledigung des Etats verursachen werde. Nach einer eingehenden Auseinander­setzung mit den Steuerplänen des Neichsfinanzministcrs schreibt Las Blatt u. a., das Ziel verantwortungsvoller Fi­nanzpolitik müsse es sein, die Neichsfmanzen zu sanieren und das Reich unabhängig von den Banken zu machen. Für diesen Zweck müßten auch steuerliche Opfer slj gebracht wer­den, jedoch müsse bei allen Steuercrhöhungcn sehr sorgfäl­tig abgewogen werden, was wirklich notwendig sei. Die Vorschläge des Finanzministers riefen fast den Eindruck hervor, als wolle man aus einem Extrem ins andere ver­fallen: nach de« Ausschweifungen Le« Steuersenkungspro­pheten Ausschweifung«« i« der Stenererhöhnugsfrendigkelt. Ein derartiges Ueberschlagen ins andere Extrem sei weder notwendig, noch entspreche es aus di« Dauer den Anforde­rungen einer Finanzpolitik, die auch den Gesichtspunkt der stenerlichcn Gerechtigkeit nicht aus den Auge» verlieren wolle. Vor allem erscheine es bedenklich» danerude Stener- erhöhungen porznnchme«, noch daz» bei Steuerarte«» die eine spätere Senkung sehr problematisch erscheinen liehen, »m Deckung für einen einmaligen Fehlbetrag zu schasse«. Moldcnhauer schlage Erhöhungenvon Verbrauchs­steuern tu einer Gcsamthöhe von rund 400 Millionen Mark vor. Das sei ein sehr breites, ja ein überreiches Steuerbukett. Die sozialdemokratische Ncichstagsfraktion sehe sich nun vor der Aufgabe, gründlich zu prüfen, was an diesem Stenerbukett «otwendig «nb sozial tragbar sei. Sie wird das Notwendige bewilligen, um die Sanierung der Fi­nanzen und die Ilnalchäiigigkeit der Reichsfinanzpolitik hcr- beiznsühren.

Fortschritte auf der Flottenkonferenz

Das Seekriegsrecht für O-Boote

TU. London, 7. Febr. Ueber die Donnerstagsitzung des ersten Ausschusses der Flottenkonscrenz wurde ein Bericht auSgegcben, in dem es u. a. heißt: Der Ausschuß trat in eine Prüfung der Möglichkeiten für «ine« Ausgleich der beiden Methode« für die Begrenzung der Flottenrüstun­gen, dag System aus Feststellung eine« Gcsamttonnage oder Klassifizierung nach Kategorie« ei«. In diesen Verhandlun­gen wurden vorbehaltlich einer von der italienischen Abord­nung vorzunehmenden Erneuerung der allgemeinen Vor­behalte Fortschritte über die Rotwendigkeit eine, vorheri- gen Ulä-nng der Frage der Quote« «nd der Gesamttonnage erz elt. Bei der Erörterung der Klassifizierung von Kriegs­schiffen gelang es gleichfalls, in vielen Punkten ein Einver­nehmen zu erzielen. Zur Prüfung gewisser technischer Fra­gen wurde ferner ein Unterausschuß von Sachverständigen eingesetzt.

Mau hofft aus dieser Grundlage einen Ausgleich zwi­schen de» Forderungen der drei großen Flottenmächte und Spaniens und Frankreichs zu ermöglichen.

Ein n 'ncr Vorschlag Frankreichs ln der UnterseebootSsrage

In Kreisen der französischen Abordnung wird eine Ent­schließung zur Unterseebootsfrage vorbereitet, die von Tardieu in der nächsten Vollsitzung der Konferenz am Dienstag unterbreitet werden soll. Wie zuverlässig verlau­tet. wird darin vorgcschlagen, daß in KrtegSzetten alle in­ternationalen maritimen Seegesetze und Bestimmungen aus Grund deS Haager Abkommens ans Unterseeboote genau so Anwendung finden sollen, wie auf andere Kriegsschiffe. Eine dieser Bestimmungen sieht vor, daß kein Kauffahrtei­schiff durch ein Kriegsschiff versenkt werde« darf, eS fei denn, daß die Sicherheit der Passagiere gewährleistet wird und i» dem angrcisenbc« Schiff ansrcichend Raum für die Unterbringung dieser Passagiere vorhanden ist. Frankreich wird verlangen, daß alle Mächte, die Unterseeboote besitzen und auf der Londoner Konferenz nicht vertreten sind, ver­anlaßt werden, dieses Abkommen nachträglich zu rati­fizieren.

Eirschrottimg von 17 Grohkampsschiff««?

Wie die Daily News hört, wird zwischen drei der fünf Abordnungen der Floitenkviiferenz gegenwärtig ein Plan erörtert, dessen Durchführung' die Einschrvltnng von ins­

gesamt 17 großen Kampfschisfen mit sich bringen würde und zwar 8 sür England, 6 für Amerika und S für Japan. Vor­läufig handelt es sich aber um private Verhandlungen zwi­schen den Drci-Märhte-Vertretern. Die Nnterseeboots- srage wird in der Vollsitzung am Dienstag nächster Woche behandelt werden.

Die Kosten der kürzlich bekanntgegebenen Beschrän­kung deS britischen Flottenbauprogr a m mS werden nun amtlich mit 6,8 Millionen Pfund Sterlin an­gegeben.

Frankreichs Einnahmen aus dem Doungplan

TU. Paris, 7. Febr. Finanzminister Cheron gab vor der Finanzkomrmssion der Kammer «ine ausführliche Darstel­lung der gegenwärtigen Finanzlage Frankreichs. Dabei teilte er auch mit, daß der Noungplan Frankreich nicht mnr die automatische Deckung feiner Schulde« an Großbritan­nien «nd dl« Vereinigten Staate« sichere, sondern «och einen jährlichen Ueberfchnß von «r« Millionen Reichsmark, d. h. mehr als 2^ Milliarden Franke« ans einen Zeitraum von 37 Jahren lasse.

Der Stand der Saarverhandlungen

Aufgabe der sranzöstschen Zurückhaltung.

TU. Paris, 7^ Febr. Wie von französischer Seite ver­lautet, ist dem kurzen Pariser Aufenthalt des französischen Ministerpräsidenten, der am Mittwoch nach London zurück- kchrte. eine gewisse Bedeutung für den Fortgang der Saar- verhandlungen beizümeffen. Der Minister für öffentliche Arbeiten, Pernot, der die französische Saaravordnung leitet» hat mit Darbten eine ausführliche Aussprache gehabt, in der letzterer Über den Gang der Saarverhandlungen auf das genaueste unterrichtet wurde. Man erwartet, daß Per­not, der sich bisher einer außerordentlichen Zurückhaltung befleißigte» von Tardieu neue Richtlinien erhalten hat. Ob diese ein Entgegenkommen gegenüber Deutschland bedeuten» Ist allerdings mehr als fraglich. Doch dürften sie das Gute haben, daß Pernot aus seiner starken Zurückhal­tung herausgchen dürfte. Es besteht daher die Hoffnung, daß man nun deutscherseits in Zukunft genau wissen wird, woran man ist, was bisher nicht -er Fall war.

Tages-Spiegel

In Berlin »erden heute dt« Pnrteisührerbesprechnnge« über die Maßnahmen zu« Sanierung der Rcichssi»«»ze«, be­sonders znm Ansgleich des Etats 18SÜ, fortgesetzt.

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Bon sozialdemokratischer Seit« «erde« Bedenke« gegen die Stenerplän« Dr. Moldenhaners laut. Di« Verbrauchs- ftcnererhöhnngen finde« keine« Anklans.

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Gegenüber einer überraschende« Aeußerung Tardiens in der französische« Kammer hält man i« deutsche« Negie- rnngskreise« daran fest, daß die Ganktionsklansel durch das Haager Abkomme« praktisch beseitigt ist.

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Bürgermeister Scholtz legte vor dem Gklarek-UntersnchnngS- auSschuß zahlenmäßig dar» daß Berlin durch GcsetzcS- «bändernnge« einen Sinnahmeverlnst von 178 Millionen gehabt habe.

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Ein französischer Vorschlag zur Vermenschlichnng des U-Boot-Krieges hat in London großes Aufsehen erregt. Tardieu will damit der Beschränkung der U-Boote znvor- komme«.

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In Parts ist dnrch eine« Handstreich der GPU. ein russi­scher Emtgrantengeneral entführt worden. Eine Aufklä­rung des in Paris sehr verstimmende« Vorfalls war bis­lang »och nicht möglich.

Abschluß des österreichisch-ilalienischen Freundschaflsvertrages

TU Rom, 7. Febr. Der italienisch-österreichische Frennd- schafts-, Vergleichs- und SchiedSgerichtSvertrag ist von Scho­ber und Mussolini am Donnerstag «nterzeichnet worden» Der Wortlaut des Vertrags wird am Mittwoch in Wien und Nom veröffentlicht «erde«. Der Vertrag ist aus 1k Jahre abgeschlossen worden, läuft aber weiter, wenn er nicht gekündigt wird.

Am Donnerstag abend veranstaltete Mussolini ein Fest­esten zu Ehren -es österreichischen Bundeskanzlers Scho­ber, auf dem zwischen beiden Staatsmännern herzliche Trinksprüche gewechselt wurden.

Mussolini führte u. a. aus, die Regierung und das italienische Volk hätten Schober herzlich ausgenommen und werteten seine Bedeutung besonders, da in dem neuen Vertrag die Freundschaft zwischen beiden Nationen festge­legt worden sei. Die Bedeutung Oesterreichs ln Europa sei der faschistischen Negierung immer klar gewesen und das er­kläre Italiens Haltung auf -er Haager Konferenz. Mit Interest« verfolge Italien Oesterreichs Bemühungen, zu einer Gesundung seiner politischen und wirtschaftlichen Lage zn kommen. Mussolini schloß mit einem Hoch auf den Bun­de? Präsidenten, die Republik Oesterreich und den Bundes­kanzler.

Schober dankte Mussolini für die frenndlichen Worte, die in seinem Herzen ansrichtigen Widerhall gefunden hät­ten. Das Ergebnis der Haager Konferenz Pi für Oester­reich von historischer Bedeutung. Der Erfolg hätte nicht erzielt werden können, wenn nicht Italien, das der größte Gläubiger Oesterreichs war. anch diesmal wie schon wieder­holt weitgehendes Verständnis für österreichische LevenS- notwendigkeiten bewiesen hätte. Die frenndschaftkkchen Be­ziehungen zwischen Italien und Oesterreich seien durch den Frcundschastsvertrag bekräftigt worden.

Exploflonskalaslrophe in Wien

IS Arbeiter verletzt.

TU Wie«, 7. Febr. Donnerstag vormittag ereignete sich in einer Werkstätte der Alpenländlischen Drahtindustrie im Simmering ein furchtbares ExplosionSungliick. Die Ex­plosion, die dadurch entstand, daß eine Sancrstofs-Flasche durch Rückschlag in die Lust flog» hatte schreckliche Folgen. Das ganze Gebäude stürzte ein »nd begrub 18 Arbeiter unter den Trümmern. Unter aufopferungsvoller Arbeit gelang es der Rettungkgesellschaft und der Feuerwehr, die verschütteten Arbeiter zu bergen.

Die Explosion!katastrophe in der Alpculändlichcn Draht- Industrie AG. gehört zn den grüßten, die in den letzten Jahren in Wien zu verzeichnen waren. Die Explosion er­eignete sich in der Gitterschlosserei; wo auch geschweißt wird. Sie ging von einer Stahlflasche aus, in der sich un­ter starkem Druck zusammengepreßt etwa 2000 Liter GaS befanden. Die Gitterschlvsterei war in einem Augenblick ein Trttmmerhanfen. Das Dach wurde abgetragen und zn Boden geschlendert. Die Wände stürzten zum Teil ein. Alle Maschinen waren nnr noch ein Hansen zerrissener nnd ver­bogener Mctallteile. Die Unglttcksstätte bietet rin Bild granenhafter Zerstörung.