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(Enztalbote)
Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt
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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung Th. Gack in Wildbad.
Nummer 26
Fernruf 17»
Wildbad, Mittwoch, den 1. Februar 1922
Fernruf 179
56. Jahrgang
Tagesspiegel.
s» Berliner diplomatische» Kreisen verlautet. Nasj «an mit einer Verschiebung der Konferenz von Genna M« eine« Monat bestimmt zu rechnen habe.
Her „Petit Parisien" bestätigt, daß die Konferenz von Genua nicht am 8. März, sondern wahrscheinlich erst nach Ostern stattsinden könne. Tie Einigung über di« Tagesordnung beanspruche mehr Zeit, als man angenommen hatte, auch sei es schwierig für die große Zahl der Teilnehmer Unterkommen zu beschaffen.
Die Besprechung der Verbündeten Außenminister über die Orientfragen, die am 1. Februar in Paris beginnen sollte, ist in letzter Stunde ans Verlangen des englische« Außenministers um einige Tage verschoben worden. In Paris ist man überrascht und enttäuscht, welk man in der Verschiebung eine Unfreundlichkeit gegen Potneare sieht.
Tu einem Kamps zwischen den Spaniern und den Marokkanern bei Sonk Buernama wurden 37 Ma- »okaner getötet und 130 verletzt. Infolge dieser Niederlage verlangt der Stamm der Beni Said, sich den Spaniern zu unterwerfen.
England und Aegypten.
Soll jetzt, nach einer wechselnden Fremdherrschaft von 8500 Jahren, das ägyptische Volk die Unabhängigkeit wiedererlangen? Soll diese Herrschaft in ihrer letzten Wandlung, der britischen Vormundschaft, tatsächlich ein Ende nehmen? ,
Vierzig Jahre lang hat England der Welt verkündigt, dah es nur zeitweilig in Aegypten bleiben wolle da es sich genötigt sehe, sichere Zustände zu begründen, damit der Suezkanal und die Verbindungen mit Indien und Jnner- afrika nicht gefährdet würden. Als es im Jahr 1882 ein- griff, war das Land in einer Übeln Verfassung. Auf die ersprießliche Verwaltung Mehemet Alis, der die tatsächliche Herrschaft des Grvßherrn von Stambul nach mancherlei Kämpfen vom Lande abgeschüttelt, und unter einer nur mehr schattenhaften Oberhoheit des Sultans die Regierung als erblicher Statthalter angetreten hatte (1841), war nach zwei kürzern Regierungen von Abbas und Said der prunkliebende Ismail zum Beherrscher des Niltals geworden (1863), Mehemet Ali, der Albanieer, unterwarf mit kräftiger Hand den näheren Sudan und legte damit den Grund für 'die Bewässerungsarbeiten an dem fruchtbringenden Strom. Ismail, der erste Vizekönig, (Chediv), nahm den Ruhm der Vollendung des Suezkanals in Anspruch und verschleuderte, ohne im Lande Wirkliches zu leisten, dessen Einnahmen in einem solchen Maß, daß schließlich eine internationale Schuldenverwaltung aus Vertretern der europäischen Mächte gebildet werden mußte, während Ismail selbst 1875 seinen Besitz in Aktien des Suezkanals an England verkaufte, das auf diese Weise kräftig Fuß in Aegypten faßte. So folgte auf den vielversprechenden Anlauf Mehemet Alis zur Selbstregierung der erste Eingriff des Auslands in neuester Zeit, 1879 gefolgt von der Absetzung des Chedivs. 1881 brachen sowohl wegen dieses Eingriffs tvie der Mißwirtschaft des Herrschers Unruhen im Volk aus; sie waren schon, wie die heutigen, nationalistischer Art. Sie führten 1882 zu der Beschießung Alexandriens durch die englische Flotte, zur Entfernung des volkstümlichen Führers Arabi Pascha und zu der Besetzung, die jetzt ein Ende nehmen soll, nachdem sie 1914 in eine förmliche Schutzherrschaft Großbritanniens umgewandell worden war, freilich mit der Zusage, daß es „nur für die Dauer des Kriegs" sein sollte. Daß diese Zusage nicht erfüllt wurde, verschärfte die iw zwisch-en, wie überhaupt in der Welt, der islamischen embe- griffen, entfachte völkische Bewegung der Aegypter.
Die Billigkeit verlangt, die Leistungen anznerkennen die seit 1882 England im ägyptischen Land vollbracht hat. England verdankt das Land besonders dre großen Stauwerke, die sein Kulturland erweitern lasten, und mit deren Ran noch fortgefahren werden soll- Doch das Bild hat ^ Schattenseiten. Die englische Venvaltung hat namentlich . die Volksbildung vernachlässigt und hierin alles geladen, wie sie es gefunden hatte, doch ^cht ohne dre gefährliche , Duldung und Förderung der ergmtlrchen Gebildeten. So hat es hier wie in Indien - und auch ^ Ede'cn Tecken U^ikss - geistige FüL-rer «uskommm lasse«, die imstande
MV, die Doltsmasten gegen die Fremden aufzuwiegeln. Die Kleinbürgerschaft und das städtische Proletariat wie auch die Fellachen (Bauern) sind Wachs in den Händen geschickter Führer und rufen nach Selbstregierung. Man gebe sie ihnen, so lautet das liberale Losungswort in England, wo manche befürchten, daß, wenn es jetzt zu einer weiten Volkserhebung und militärischer Unterdrük- kung kommt, am Ende doch gewährt werden muh, was dem Volk zustcht.
Das Volk murrt ob der Teuerung des Lebensbedarfs, einer unmittelbaren Folge der britischen Wirtschaftspolitik. Lord Cromer und seine Gehilfen und Nachfolger hatten im Interesse der englischen Industrie den Ackerbau ganz auf Baumwolle gestellt, so daß Getreide aus dem Ausland eingesührt werden mußte. Ein wahres Verhängnis während des Kriegs und seither, denn wie in Europa fehlten bei der allgemeinen Zerrüttung der Schifffahrt die Gelegenheiten zur Zufuhr. Es gärt nicht nu.r unter den Verbrauchern, sondern auch unter den kleinen, ! meist noch dem Fellachenstand ungehörigen Pächtern,
^ die wohl mit scheelen Augen sehen, daß' die über weite Landstrecken gebietenden Kapitalisten Ausländer sind, die obendrein, kraft der Verträge, die den Europäer zum Träger von Vorrechten machen, von der Steuerpflicht befreit sind. Und schließlich ist die britische Vormundschaft dem Lande teuer zu stehen gekommen. Man bedenke was es heißt, daß der in alle Landesverwaltungen verteilte Stab von britischen Beamten im Jahr 1896 erst 286 Köpfe betrug, um zuletzt auf 1671 zu steigen, und zwar bei verminderter Leistungsfähigkeit. Abgesehen davon, daß während des großen Kriegs viele dieser Beamten in das Heer eintraten, worauf die Dinge im Staatsdienst drunter und drüber gingen, nachdem dieser nun einmal auf die Mitwirkung der Ausländer zug.schn.bten war.
Cs gibt zwei Richtungen der Nationalisten, die zuletzt auf die Namen der Paschas Zaghlul und Adli eingetragen waren. Unterschiede scheinen im Grunde nur in der Tonart vorhanden zu sein Alle völkisch Gerichteten im Land sind sich darüber einig, daß die 1913 gewährte Einrichtung einer Gesetzgebenden Versammlung, deren Mitglieder nur zum Teil gewählt, tzum Teil aber ernannt werden, den Geboten der Zeit nicht entspricht; alle auch darüber, daß die Schntzherrschaft aufhören soll. Eine Bewegung, die im Frühjahr 1919 ausbrach, offen- barte den gewaltigen Umfang der Bestrebungen, die tief im Volke wurzelten. Für den damaligen Ausbruch wurde Zaghlul verantwortlich gemacht und nach Malta verschickt. Das verhinderte nicht, daß dieser Politiker, ein früherer Unterrichtsminister, ein Jahr später in London mit Lord Milner über die Grundlagen einer neuen Verfassung unterhandelte, die später mit einem Bündnis mit England t rknüpst werd n sollte. Es kam eine Verständigung zu- N die auch die Billigung der Gesetzgebenden Versammlung erhielt. In England indes wich die Regierung einen Schritt zurück, und Lloyd George verlengnete die Vorschläge Lord Milners. In Kairo trat das Ministerium zurück und Adli Pascha kam an die Spitze des Kabinetts. Er reiste darauf, von der Gruppe Zaghluls angeseindet, nach London zu Unterhandlungen mit Lord Curzon, aus denen der jüngst bekannt gewordene Curzonsche Vorschlag hervorging, dem Adli nicht zustimmte, sondern nach Hause ,:eiste und seine Entlassung einreichte. Der Curzonsche Vorschlag bedeutet einige Botmäßigkeit und hätte dem Verfasser von vornherein als unannehmbar für die Aegypter erscheinen müssen. Mittlerweile waren im letzten Frühjahr und Sommer allerlei Unruhen entstanden, denen nun, seit Weihnachten herum, weitere gefolgt sind.
Die ersten Unruhen wurden blutig unterdrückt und Zaghlul zum zweiten Mal, und zwar nach Ceylon in die Verbannung geschickt. Aber die Glut der Empörung war nicht gelöscht. In der Mitte des Januar brachen neue Aufstände aus, die die großen Städte zeitweise völlig in die Hand der Aufständischen brachten. Die englischen Truppen hatten schwere und verlustreiche Kämpfe gegen die fanatisierten Aegypter zu bestehen. Die englische Zensur hat alle Nachrichten darüber unterdrückt, aber die Vorkommnisse scheinen der Londoner Regierung nun doch einen klaren Begriff von der gefährlichen Lage gebracht zu haben. So ist es zu verstehen, wenn das Auswärtige Amt ganz unerwartet vor das Parlament tritt mit dem Vorschlag, Aegypten volle Unabhängigkeit zu gewähren, die nur an die Bedingungen geknüpft sein soll, die für England den freien Seeweg nach Indien und den übrigen britischen Besitzungen sicherstellen. England
will ferner Mittel in der Hand behalten, um die ausländischen Besitzungen in Aegypten zu besetzen. Keine andere Macht (z. B. die Türkei) soll sich in die inneren Angelegenheiten Aegyptens einmischen dürfen. Wahrscheinlich vermutet man in England — und wohl nicht mit Unrecht —, daß die Bewaffnung der Aegypter von Frankreich aus besorgt werde, daß also das „verbündete" Frankreich insgeheim in Aegypten die gleiche Aufwieglerrolle spiele, die es inIrland zu spielen versuchte, um England gegenüber den französischen Absichten gegen Deutschland gefügig zu machen. Das britische Weltreich hat eben gar so viele verwundbare Stellen, die einem Feind oder einem so „ehrlichen Freund" wie Frankreich erwünschte Angriffspunkte bieten. Die britische Admiralität hat vor Gibraltar 50 Kriegsschiffe zusammengezogen. Sollte diese ganz außerordentliche Maßregel vielleicht dazu bestimmt sein, der französischen „Politik" in Tanger, Aegypten und Kleinasien als Warnungstafel vorgesteckt zu werden?
London, 31. Jan. Hier erhält sich das Gerücht vom Rücktritt des britischen Oberkommissars in Aegypten, Lord Allenbys. In Aegypten ruft das Gerücht allerdings keine Ueberraschung hervor. In Londoner ägyptischen Kreisen werden die englischen Angebote an Aegypten außerordentlich kühl ausgenommen, weil sie die Wünsche der Aegypter in keiner Weise befriedigen. Nur eine vollständige Anerkennung der Unabhängigkeit Aegyptenkönne die Ansprüche der Aegypter zufriedenstellen. Die einzige Persönlichkeit, die mit der englischen Regierung verhandeln könne, sei Zaghlul Pascha.
j Reichstag.
! Tic Reichsfinanze«.
! Berlin, 30. Jan.
: Reichsminister Hermes (fortfahrend): Die ZwangS-
j anleihe von einer Milliarde Goldmark wird auf min- ! destens zwei Jahre unverzinslich sein. Da es aber auch damit nicht möglich ist, den Haushalt auszugleichen, will die Regierung auch das Mittel einer inneren freien Anleihe versuchen. Der französische Finanz- : minister rügt unsere Politik auf dem Gebiet der Lebens» ; Mittelzuschüsse. Wir haben die bestimmte Absicht, den : völligen Abbau bis Ende 1922 durchznführen. Die weiter gerügte Vermehrung der Beamten um mehr j als 40 Prozent beruht im wesentlichen auf der Ueber- nahme der Beamten der Betriebs-, Finanz- und Zollverwaltungen auf das Reich und auf der neuen NeichS- steuerverwaltung. Die Reichsregierung ist bestrebt, die Zahl der Beamten nach und nach auf 78 Prozent zn vermindern. Die wirtschaftliche Lage der Beamten, Angestellten und Arbeiter des Reichs wird fortdauernd geprüft, inwieweit eine weitere Erhöhung ihrer Bezüge notwendig wird. Es ist in Aussicht genommen, den Reichsarbeitern durch Ueberteuernngszuschüsse in Orten, in denen ihre Bezüge hinter denen der Privatwirtschaft wesentlich Zurückbleiben, einen Ausgleich zu schaffen. Ich kann namens der Reichsregierung alle Beamte nur dringend warnen, der Streikaufforderung zu folgen. Die Reichsregierung wird dem mit allen ihr zu Gebot stehenden Mitteln nachdrücklich entgegentreten. (Große Unruhe auf der äußersten Linken.) Der Minister erwähnt sodann im einzelnen die Summen, die für Pensionen, Renten, Wochenhilfe, Erwerbslosenfürsorge usw. vom Reich aufgebracht werden. Ein großer Teil dieser Beträge werde dadurch erspart werden, daß im Lauf dieses Jahres die Arbeitslosenversicherung Gesetz werde. Das Vorschußwesen bei den Besoldungen muß möglichst bald eingestellt werden. Ein Eingriff in die Finanzhoheit der Länder und Gemeinden und ihrer Selbstverwaltung beabsichtigt da» Reich nicht. Allergrößte Sparsamkeit ist auch bet den Kriegsgesellschaften erforderlich, die die Reichsregis- rung weiter abzubauen bestrebt ist. Auch die Frage der Aufhebung von Ministerien soll weiter geprüft werden. Zur Ausführung des Jriedensvcrtrags erfordert der Haushalt als laufende Ausgaben rund 148 Milliarden und für außerordentliche Ausgaben rund 40 Milliarden. Die Wiederherstellungskommission ist gebeten worden, zu prüfen, ob nicht die Zahlung von ' 720 Millionen Goldmark herabgesetzt werden kann, da , dies einen Austvand von 97V- Milliarden Papier- . mark er,orderlich mache.
! Abg. Scheidemann (Soz.) erklärt, an dem Ideal einer deutschen Republik fehle noch viel. Die Justiz der . Republik könne kein Vertrauen genießen. Er verlangte ^ nach einer Polemik gegen die Deutschnationalen ein« j Amnestie für die wegen Teilnahme am mitteldeutschen ! Aufstand Verurteilten . ^