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Zernsprecher Nr. S

verantwortl. Schrtstleitung: Zrieckrich Hans Scheel« Prack un6 Verlag 6er A. Oelschlöger'schen Suchäruckerei

Nr. 30

Donnerstag, den 6. Februar 1930

Jahrgang 102

Annahme des Poungplans jm Reichsrat

Auch das Polenabkommen, Reichsbahn und Reichsbankgesetz verabschiedet

regierung betrachte das Haager Abkommen und die Sanie-

-- Berlin, 6. Kehr. Im Neichsrat fand gestern die Ab­stimmung über das Haager Abkommen statt. DerNeue Plan" wurde mit 48 gegen 6 Stimmen (Thüringen, Ostpreu­ßen» Brandenburg, Pommern» Niederschlesie«) und bei zwei Enthaltungen (Bayern «nd Mecklenburg-Schwerin) ange­nommen.

Die Vollsitzung des Netchsrats am Mittwoch beschäftigte sich mit den Ergebnissen der Haager Konferenz. Der Gene­ratberichterstatter, Ministerialdirektor Dr. Brecht, stellte fest, daß der Durchschnittswert der Annuitäten nach dem neue« Plan einschließlich der Zahlung an die Vereinigte« Staaten ohne die DawesAnleihe für die erste« 87 Jahre 1922,7 Millionen (für die ganze Zeit 1807 Millionen) betrage» also mit der DaweS-Anleihe etwas »nter 2 Milliarde» Mark. Die Entlastung für 1020 betrage» wenn man die Zah­lungen an Belgien «nd den einmalige« Beitrag für die Kommission berücksichtige, 618,8 Millionen» für 103» 663,1 Millionen und der Gegenwartswcrt der ganzen Repara­tionsschuld berechne sich ans rnn- 84 Milliarden Reichsmark z« Prozent.

Diese Rechnungsart sei richtig. Man könne nicht statt des­sen die Annuitäten einfach addieren und sagen» daß unsere Schuld 100 Milliarden beträgt. Die jetzige Bemessung der Gesamtschuld aus rund 84 Milliarden Gegenwartswert er­innere an das Angebot der Regierung Fehrenbach-Simons im März und April 1021 ,n London, das aus 60 Milliarden Goldmark abzüglich der bisherigen deutschen Vorleistungen gegangen sei, wöbet nach deutscher Rechnung eine Schuld von etwa 30 Milliarden geblieben wäre. Die Gläubiger- mächte hätten damals dieses Angebot man kann wohl sagen mit Hohn und Spott znrückgewiescn und hätten statt dessen einzelne 132 Milliarden Goldmark in Jahres- zahlungcn verlangt, die ab 1920 6 Milliarden und ab 1932 6 Milliarden hätten betragen sollen. Das Nein der damali­gen deutschen Olegierung hätten die GläubigerMächte mit der Besetzung weiterer dentscher Städte beantwortet. Erst ans dem Umwege über die Erfüllungspolnk sei es allmählich gelungen, der Welt die Grenze des Möglichen etwas mehr zum Bewnßtsein zu bringen.

Die jetzt vereinbarte« Jahreszahlungen seien im-mer noch so hoch, daß auch von «ns niemand die Verantwortung über­nehmen könne» ihre Aufbringung «nd noch weniger ihre« Tra-sfcr als gesichert z« betrachte«.

Wir hätten in dieser Hinsicht die größten Zweifel. Für unsere Entscheidung komme es aber nicht nur auf die abso­lute Höhe der Jahreszahlungen an, sonst würden wir das Abkommen ablehnen. Es sei und bleibe in der Geschichte ohne Vorgang, daß ein Volk neben seinen eigenen Kriegs­kosten eine solche Kriegsschuld zahlen soll. Aber die Jahres- zahlungen seien doch wesentlich geringer als die, zu denen wir zurzeit ans Grund des Londoner Abkommens von 1929 verpflichtet seien. Lehnte« wir den neuen Vertrag ab, so bleibe bis auf weiteres der alte in Kraft. Das sei der Kern­punkt. Der Berichterstatter wies darauf hin, daß unsere wirtschaftliche Lage im Zeichen schwerer Krisen stehe. Mit der Annahme des neuen Planes höre die unwürdige Fi­nanzkontrolle auf. Vier Gründe, und zwar:

1. die sofortige Ermäßigung der Gesamtannuität um zu­nächst rund 709 Millionen;

2. die Möglichkeit, bei-ws'tercr ungünstiger Wirtschafts- entwicklnng neue Verhandlungen hcrveizuführen;

3. die wirtschaftlichen katastrophalen Folgen einer Ab­lehnung;

4. der Fortfall der Finanzkontrolle

hätten die Ausschüsse veranlaßt, trotz der ungeheuren Ge­samtlast die Zust mmung zu dem Abkommen zu empfehlen. Zu diesen finanziellen Gründen komme die Ränmnng dcS Rheinlaudrs bkS zum 80. Juni d. I. Die Ausschüsse hätten sich ferner davon überzeugt, daß nach dem neuen Abkommen die Sauktionsklaiiscl des Versailler Vertrages hinfällig werde. Reichsbahn nnb NelchSvank würden jetzt rein deutsche Unternehmungen mit rein deutschen Vorständen und Ver- waltungörätcn.

Für die bayerische StaatSregierung bedauerte der baye­rische Ministerpräsident Held, daß im Ausschuß der baye­rische Bertagnngkantrag abgelchnt worben sei. Tie Fi­nanzlage d'S Reiches, der Länder und Gemeinden treibe einer Katastrophe zu. Ohne eine vorherige Sanierung sei eS un­möglich, das Haager Abkommen zu erfüllen. Ueberdies, so betonte der Redner, sei dieses Abkommen wiederum auf der Kriegsschiildlüge aufgcvant. Eine Zustimmung znm Haager Abkommen wäre nicht zn verantworten, wenn nicht im glei­chen Zeitpunkt wenigstens Vorsorge für eine innere Sanic. rnng der öffentlichen Finanzen des Reiches, der Länder und .der Gemeinden getroffen sei. ES sei eine unmögliche Zumu­tung. die Entscheidung über da? Haager Abkommen in dem Ivorgeschencn Eiltempo zu treffen. Die bayerische Staals-

rung als eine untrennbare Einheit und müsse beantragen, daß beides gleichzeitig behandelt und verabschiedet werde.

Neichsantzenminister Dr. Curtins wandte sich gegen die Bemerkung des Vorredners, daß das neue Abkomme« ans der Kriegsschuldlügc ansgebaut sei. Da­zu habe er zu erklären:

1. habe die gegenwärtige Neichsregiernng, wie alle ande, ren stets gegen das KriegSschnldurteil des Versailler Vertra­ges Einspruch erhoben nnd werde alles daran setzen, «m die Wahrheit ans Licht zu bringe«;

2. hätte die deutsche Neichsregiernng niemals eine« Ver­trag vertreten, der die Anerkennung dieses Kriegsschuld«!» teils in sich geschlossen hätte.

NcichSsinanzminister Dr. Moldenhauer verwies auf seine letzte Neichstagsrede über die energischen Bemühungen der Neichsregiernng, schleunigst die ReichSkaffe zu sanieren und eine durchgreifende Reichsfinanzreform vor- zubereiten. Die Arbeiten seien so weit gefördert, daß heute das Neichskabinett sich mit seinen Vorschlägen zum Haushalt 1030 beschäftigen werde. Ende nächster Woche werde er mit den Finanzministern der Länder beraten, vor allem über die Beseitigung der Kassennot. Der bayerische Verla- gungsantrag fand nicht die erforderliche Unterstützung, so daß er nicht zur Abstimmung gestellt werden konnte.

Jm weiteren Verlauf der Reichsratssitzung wurde bann das Neichsbankgesetz und das Reichsbahngefetz angenommen.

Auch das Polenabkommen angenommen.

Freiherr von Gayl erklärte, bas deutsch-polnische Ab­kommen sei für die Vertreter des deutschen Ostens unan­nehmbar. Ueber dieses Abkommen sollte daher gesondert ab- gesttmmt werden. Ncichsaußeuministcr Dr. CnrtinS be­tonte, für die Nclchsreglernng würde eine Ablehnung des deutsch-polnischen Abkommens unannehmbar sein.

Ein ostpreußtscher Antrag auf Streichung des deutsch-pol­nischen Abkommens aus dem Gesetz wurde abgelehnt, und zwar mit 87 gegen 21 Stimmen bei 8 Enthaltungen. Gegen das deutsch-polnische Abkommen stimmten Ostpreußen, Posen-Wcstpreußcn, Brandenburg, Ober- und Niedcrschlc- sien, Schleswig-Holstein, Westfalen, Nheinprovinz, Bayern und Mecklenburg-Schwerin. Enthalten haben sich Würt­temberg, Thüringen, Bremen und Oldenburg.

Die unveränderte Lignidationsoorlage rvnrde mit 43 gegen 12 Stimmen bei 11 Enthaltungen angenommen.

Tages-Spiegel

Der Reichs rat hat gestern die Aonnggesetze, darunter das Reichsbahn- «nd Neichsbankgesetz, sowie das Liqnidat'ons- abkomme« mit Pole» angenommen.

O

Das Reichskabinett beriet den Neichsetat 193», der m»t einem Defizit von 7»» Millionen abschließt. Moldeuhaue« machte Vorschläge über neu« Stenerqnellen.

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Zwischen Dentschland «nd den Besatznngsmächte« wurde eine Amnestie vereinbart» die auch die Separatisten be­trifft.

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Der Aonngplan ergibt für Frankreich trotz Schuldenzahl««» gen an Amerika »nd England erhebliche Ueberschüsse.

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Zwischen Mussolini «nd Bundeskanzler Schober ist beschlos­sen worden» heute einen Freundschasts» «nd Ausgleichs­vertrag zwischen Italien «nd Oesterreich zu unterzeichne«.

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Der Bruch eines Staudammes in der Nähe von Schueide- mühl (Grenzmark) hat katastrophale Ucberschrvemmnngs- schäden verursacht.

Augenepidemie im Lager Hammerstein ^

Etwa Oüü Auswanderer erkrankt.

TU. Berlin, S. Febr. Jm Hammersteiner Lager ist eine Trachom-Epidemie ausgebrochen, die von den deutschen Aus­wanderern aus Rußland mit eingeschleppt worden ist. Auf Veranlassung der Sanitätsbehörden ist Prof. Krückmann von der Universität Berlin nach Hammerstein berufen worden, da sich die Krankheit stark au-gebreitet hat. Von den etwa 4809 Personen in Hammerstein sin- ungefähr 990 von Tracho­men befallen, einer entzündlichen Augenkrankheit, die an der Bindehaut kleine Knötchen nnd Geschwüre Hervorrufen und sogar zur Erblindung führen können.

»

Die ersten rnßlanddeutschcn Bauern in Brasilien eingctroffe«.

Der Neichskommissar teilt folgendes mit:Ter erst« Transport der deutsch-russischen Kolonisten, die von der deut­schen Negierung ausgenommen waren, ist heute in San Fran- ziSco do Sul (Brasilien) eingetrvssen und dort im Anstrage des NclchskommissarS von Regierungsrat Dr. Lange emp­fangen worden. Er wird über Blumenan nach dem Sied­lungsgebiet Hansa Hammonia weiter geleitet."

Die Sanierung der Reichsfinanzen

Der Reichshaushalt 1930 im Reichskabinett Ein 700 Millionen Defizit Statt Sleuersenkung Erschließung neuer Steuerquellen

TU. Berlin» 6. Febr. Amtlich wird mitgctcilt: Das Neichskabinett trat am Mittwoch unter Vorsitz des Reichs­kanzlers in eine erste Beratung über die Gestaltung des Etats 103» ein. Der Ncichssinanzminister erstattete über den gegenwärtigen Stand der Vorbereitung dcS Haushalts und die sich daraus ergebenden Notwendigkeiten einen ausführ­lichen Bericht, dem eine eingehende Aussprache folgte.

ES wurde i» Aussicht genommen, am Freitag vormittag mit den Parteiführern eine Besprechung über de» gleiche« Gegenstand zu veranstalte«.

Diese amtliche Mitteilung über die Beratungen des NeichS- kabinttts ist deshalb so inhaltsarm, weil Beschlüsse noch in keiner Weise gefaßt worden sind. Dagegen sind in aller Ausführlichkeit die Möglichkeiten einer Umsatz­steuererhöh nng sowie einer Stützungsak- tion für die Arbeitslosenversicherung erwo- gen worben. Zuverlässigen Informationen zufolge berechnet man im Neichsfinanzmlnistcrium den Fehlbetrag, der unbe­dingt z« docken sein wird, nunmehr mit 7»» Millionen Mark. Daran beteiligt sind in der Hauptsache rund 18» Mil­lionen Mindereingänge an Steuern, etwa 48» Millionen für die Sozialversicherung nnd rund 103 Millionen Forderungen aus dem Nachtragshanshalt.

Die ursprünglich geplante« Steuersenkunge« dürfte» damit aus unbestimmte Zeit vertagt «erden. Dr. Moldcnhancr plant znr Deckung des EtatdesizitS eine Erhöhung der Vierstener,. anS der man Mehreinnah­men in Höhe von etwa 18» Millionen erwartet, und eine Heranssetznng der Nmsatzstcncr um Prozent. Von de« aus dieser Steuer erzielte« Einnahme« würden im Etats­jahr 1980 aus das Reich 19», auf die Länder 8» Millionen ent­fallen. Aus diese Weise würden 87» Millionen abgedeckt. Der weitere Fehlbetrag müßte dann dnrch Ersparnisse aufge­bracht werde«.

Auch Sparmöglichkeite» sind erörtert worden. Man ist jedoch der Ansicht, daß etwa öS v. H. der Ausgaben zwangsläufig sind «nd die Sparmöglichkciten daher sehr gering. Zur Abdeckung des großen Fehlbetrags der Arbeits­losenversicherung denkt man daran, bei de« übrigen Versiche, rungsgcsellfchaften eine ans zwei Jahre befristete Anleihe anfzunehmen. Der Gedanke einer sogenannten Gefahrenge» meinschaft aller Versicherungsgesellschaften ist jedoch falle« gelassen worbe«.

Fragen des Reichswehrhaushalts sind in der Mittwoch- sitzung des Nelchskabinetts nicht erörtert worden. Man geht jedoch nicht fehl in der Annahme, daß bei der angekündigten Parteisührerbesprechung am Freitag neben der gesamten FI- nanzlage und Vorschlägen zur Stopfnng des Lochs im Reichs- Haushalt auch die bereits in der Oeffentlichkclt erörterte Frage der Geldbewilligung für den Bau des Panzer­schiffes 8 zur Verhandlung kommen wird.

Zu der Kabinettssitzung über den Etat weist dieD.A.Z.* darauf hin, daß das deutsche Volk jedenfalls vor der erschüt­ternden Tatsache stehe, daß eS auch weiter auf den ernsten Willen znr Sparsamkeit warten solle und daß öle Aoung» planersparnisse durch Nusgabenstcigernngen nicht nur voll verzehrt würden» sondern nicht einmal ansreichte«, diZe völlig zn decken. In weiten Wirtschastskrclsen, die der Volks- Partei und dem Zentrum nahestehen, sei die Stimmung alles andere als freundlich. In den gleichen Kreisen habe es auch besonders befremdet, daß die tatsächliche Verknüpfung zwischen Polenvertrag und Uoungplair nun auch formal dnrch den Einbau des Polenabkomens in daß allgemeine Liqnldations- gesetz hcrgestcllt sei, während die Bemühungen, auch nur die Innerdeutsche Finanzpolitik in Beziehung znm Aonngplan zn bringe», kein geneigtes Oür gefunden hätten.