Nr. 34 - Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 98. Jahrgang.

Ersckkln>,»o»weil«:km«> wSSMtl. «n,e>grprei» : Die Zeile »0 M., Familienonzeigen

bO Mt., Reklamen ^20 M. Auf Sammelan-eigen kommt ein Zuschlag von 100/». vernspr. S.

Samstag, de« 10. Februar 1923.

Be-ugipieii: I» der Stadt mit Lrüderlohi, 12VÜMk monatlich. PostbrziiMreii IMSM.

mit Bestellgeld. Schluß der Anzeigenannahme 8 Uhr vormittag».

Neueste Nachrichten.

Die Franzose» setzen die Vergewaltigung der Einwohnerschaft mit unethörter Brutalität fort, und sichren auch planmäßig die Ausweisungen der Beamten fort. Da sie die für ihre Hoch­öfen nötigen Erze nicht erhalten, zerstören sie deutsche Maschi­nen, um die Bruchteile benützen zu können, So wird das Ruhrgebiet bald zerstört sein.

Do» Seiten der andern Alliierten wird kein Schritt unternom­men, um das immer wahnsinnigere Formen annehmende Wü­ten der Franzosen zu behindern. Auch die Neutralen warten zu; so wurde im Schweizer Nationalrat von Regierungsseite erklärt, daß man sich Schritte Vorbehalte, wahrscheinlich bis die Katastrophe da ist. r- »

Aus England kommen Meldungen, dah die Stimmung gegen Poinccre in Frankreich nmzuschlagen scheine. Poincare hat anscheinend auch ans dem Kammerausschuh für auswärtige

Angelegenheiten Kritik erfahren, weshalb er diesem ans Wunsch, ihn zu hören, erklären lieh, dah er von niemand Rat­schläge in Empfang nehme« wolle.

Die Orientkrists soll sich nach englischen Quellen verschärft habe«, weil die türkischen Nationalisten Widerstand gegen die eng­lischen Raubansprüche wünschen.

Die französische Gewaltpolitik.

Eine deutsche Antwort auf französische Anmaßung.

Berlin, lg. Febr. Der deutsche Geschäftsträger in Paris wurde beauftragt, de rfranzösischen Regierung eine Note zu überreichen, in der cs heißt, dah die französische Regierung mit ihrer Note vom 4. Februar die Note der deutschen Botschaft vom LI. Januar zurückgesandt und zugleich angekündigt habe, dah sie zukünftig kein Schreiben mehr entgegennehme, die ihrem Wort­laut oder ihren» Sinne nach irgend eine Kritik der Feststellungen der Neparationskommission oder der infolge dieser Feststellungen geirosfenen Mahnahmeu enthielten. Die deutsche Regierung weist demgegenüber darauf Hin, dah die zurückgesandte Note nur Vorwürfe der französischen Negierung über Vertragsverlet­zungen seitens Deutschlands entkräftigte und einen Beschlutz der Neparationskommission überhaupt nicht erwähnte. Die franzö­sische Negierung wolle mit ihrem Vorgehen anscheinend die letzthin in Frankreich laut gewordene Auffassung zu ihrer eigenen machen, dah die Neparationskommission durch ihren Beschluh vom 26. Januar den deutschen Rechtsstandpunkt hinsichtlich der Nuhraktion als unbegründet verwerfe. Die deutsche Regierung habe aber ihre Stellungnahme zu dem Beschluß der Reparations». lommission dieser selbst mitgetcilt und habe keinen Anlaß, sich hierüber mit der französischen Regierung auseinanderzusetzen. Sie muffe auch der französischen Regierung das Recht bestreiten, jenen Beschluh als authentische Billigung ihres eigenen Stand­punktes zu bewerten, was schon deshalb verfehlt sei, weil die Auslegung der Bestimmungen des Versailler Vertrags von der Neparationskommission nur einstimmig hätte beschlossen werden können, was bei dem fraglichen Beschluß vom 26. Januar nicht zutreffe. Die französische Regierung erhebe mit ihrer Ablehnung, deutsche Vorstellungen gegen die von ihr getroffenen oder beab­sichtigten Maßnahmen anzuhören, den Anspruch, daß alles, was sie tue, von Deutschland stillschweigend hingenommen werde. Die deutsche Negierung kann, so heißt es am Schluß, in diesem Verhalten, das allen Regeln friedlichen internationale» Ver­kehrs widerspricht, nur ein Anzeichen dafür sehen, daß sich die französische Regierung im Bewußtsein der Schwäche ihres Rechts- standpunktes der Notwendigkeit zu entziehen wünscht, in eine rechtliche Erörterung des deutschen Vorbringens einzutretc«. Die deutsche Regierung kann und wird sich hierdurch n,cht y«.. dem laßen, den französischen Maßnahmen auch zukünftig das entgegenzuhalten, was ihnen nach Recht und Gerechtigkeit ent- gegengehalten werden muß.

D»e Fortsetzung der französischen Gewalttaten.

Düsseldorf, lg. Febr. Die Franzosen verhängten gestern Mit­tag über den Bahnhof Scharnhorst eine 24stündige Sperre, weil angeblich ein Kohlenzug abhanden gekommen war. Da der Bahnhof für die Lebensmitelzufuhi sehr wichtig ist, hat der Re­gierungspräsident von Düffeldorf bei der Bcsatzungsbehörde Schritte zwecks Aushebung der Sperre unternommen. Der Bürgermeister von Uerdingen, Dehof, wurde vom Kriegsgericht in Aachen wegen Nichtausführung von Befehlen der Besatzungs­behörde zu 8 Tagen Gefängnis verurteilt, die durch die erlit­tene Untersuchungshaft für verbüßt erklärt wurden. Der Bür­

germeister wurde aber ausgewiesen. Dasselbe Los traf eine Anzahl von Post- und Eisenbahnbeamten. Die Franzosen gehen jetzt dazu über, auch offene Wagen, die aus dem besetzten in das unbesetzte Gebiet gehen sollen, anzuhalten mit der Be­gründung, daß auf diese Weise Kohlentransportwagen aus dem Ruhrgebiet herauskommen würden. Der RheindampferDüs­seldorf" der Hapag ist von den Franzosen festgehalten und nach dem Zollhafen gebracht worden. Sie verlangen, daß die aus hoch­wertigen rheinischen Erzeugnissen und Lebcnsmiteln bestehenvc Ladung verzollt werde, was seitens des Empfängers der Waren aber abgelchnt wird. Die Franzosen erklären, daß, wenn der Zoll nicht innerhalb 8 Tagen bezahlt werde, die Ladung meist­bietend versteigert werde.

Trier, 16. Febr. Gestern Morgen erhielten Bürgermeister Oster, der Amtmann des Hauptzollamts und drei weitere Zoll­beamte, sowie 6 Lehrer des hiesigen Gymnasiums, darunter der katholische Religionslehrer, ferner ein Baumeister Ausweisungs­befehle. Ihre Familien müssen innerhalb 4 Tagen das besetzte Gebiet verlaßen.

Trier, 16. Febr. Di« Lage im hiesigen Eisenbahndirektions- bezirk ist unverändert. Im Hauptbahnhof Trier haben die Fran­zosen 2 Lokomotiven in die Drehscheibe geworfen. Andere Loko­motiven find wegen Unkenntnis in der Handhabung der Stell­werke entgleist.

Koblenz, 16. Febr. Vor dem hiesigen französischen Militär­gericht hatten sich gestern zwei evangelische Pfarrer, der von Bacharach und der von Simmern, unter der Anklage der Auf­wiegelung, der Störung der Ruhe und Ordnung und der Belei­digung der Besatzungstruppen zu verantworten. Das Urteil lautete gegen den Pfarrer von Bacharach aus 16 006 Ut, gegen den von Simmern auf 26 600 Geldstrafe.

Essen, 9. Febr. Die Bahnhöfe Barop und Helgstei find von den Franzosen verlaßen worden. Im linksrheinischen Gebiet und im westlichen Teil des Bezirks Esten ist die Streiklage unverändert. Gestern wurde auf der Strecke EstenDüsseldorf ein Wagen mit Benzol beschlagnahmt. In Barmen sind 3 Textilfabriken wegen Kohlenmangels stillgelegt. In Witten trat die Belegschaft der Post wegen der Besetzung des Amts in den Streik. In Recklinghausen kam es im Anschluß an die gestrigen Vorgänge zu neuen Hebelgriffen der Franzosen und infolgedessen auch zu neuen Menschenansammlungen, gegen die die Franzosen Kavckl- lerie einsetzten. Neue Verhaftungen sind nicht erfolgt. Der Proteststreik ist beendet. Die am 7. Febr. verhafteten Po- lizeibeamtsn sind nach Düsseldorf abgeschoben worden.

Dortmund, 9. Febr. Der Polizeioberkommistar Schuh, sowie ein Polizeiassistent und zwei Polizeibetriebsassisten­ten find heute Vormittag im Stadtteil Dortfeld von den Franzosen verhaftet worden. In einer darauf von der Polizeimannschaft angenommenen Protestresolution wird betont, daß durch das Vorgehen.der Franzosen das Pflicht­gefühl der Polizei nicht gelockert, sondern eher gefestigt werde. Außerdem wird die sofortige Freilassung der Ver­hafteten verlangt.

Heidelberg, 9. Febr. Der Negierungsdirektor und Vor­stand der Negisrungsforstkammer der Pfalz, Etöwinger, der vor einigen Tagen trotz seines schwer leidenden Zu­stands mit seiner Familie aus Speyer ausgewiesen worden war, ist infolge der seelischen Erregung und der damit verbundenen Verschlechterung seines Zustandes heute in der Heidelberger Klinik gestorben.

Zwribrücken, 9. Febr. Wegen seiner ablehnenden Hal­tung hinsichtlich der Requirierung des Landgerichtsgefäng- nistes Zweibrücken wurde nach derPfälzischen Rundschau"

der erste Staatsanwalt, Riffel, durch die Besatzungsbe- ^rde verhaftet und in das Gerichtsgefängnis nach besten Räumung als erster Gefangener eingelicfert.

Osfenburg, 6. Febr. Die Lage hat wider Erwarten eine Verschärfung erfahren. Die Besatzungsbehörde lehnt nach wie vor nicht nur die Zurückziehung der französischen Posten von den öffentlichen Gebäuden ab, sondern hat auch den Nachtverkehr von 8 Uhr abends bis 5 Uhr morgens neuerlich verboten. Eisen­bahn- und Postverkehr ruhen nach wie vor vollkommen.

Ems, 9. Febr. Von der französischen Defatzungsbehörde sind heute der Vuchdruckereibesitzer Sommer, Verlag derEmser Zei­tung" und derDiezer Zeitung", sowie d:r Schriftleiter dieser Blätter, Bruchhäuser, nebst ihren Familien ausgewiesen worden.

Unerhörte Forderungen nn die Stadt Essen.

Essen, 9. Febr. Der Divisionsgeneral Fournier erließ an den Oberbürgermeister von Esten einen Befehl, worin der Essener Stadtverwaltung auserlegt wird, im städti­schen Krankenhaus zu Hüttenscheid 215 Belten für ver­wundete oder kranke französische Soldaten und Offiziere zur ? . rsügung zu stellen, sowie von der sranzöst'chen Mili­tärbehörde auszuwühlends Räume als Küche, Lebensmit­tellager, Waschräume und Apotheke vollständig «inzurich­ten. Der Befehl enthält ganz genaue Vorschriften über die von der Stadtverwaltung zu stellende Ausstattung der Krankenzimmer und verlangt ferner die Bereitstellung von 2 Baracken zur Unterbringung von 70 Sanitätssolda­ten mit erforderlichen Möbeln und Schlafgelegenheiten. Ferner hat die Stadt die Einrichtung für chirurgische, radiologische und mechano-terapeuthische Behandlung, so­wie eine Kapelle und eine Leichenhalle zur Verfügung zu stellen und für genügende Heizung und Beleuchtung sämt­licher angeforderten Räumlichkeiten zu sorgen. Angefordert werden weiter 450 Paar Bettücher, 450 Kistenbezüge und 500 Servietten. Die angesorderte Ausstattung ist instand zu halten, den Bedürfnissen entsprechend zu erneuern und das Material zur Reinhaltung der Räume und Möbel zu liefern. Auch für die Desinfektion der Kleider und des Bettzeugs der Kranken hat die Stadt zu sorgen und für die Beerdigung der verstorbenen Kranken alles Erforder­liche zur Verfügung zu stellen. Als Entschädigung wird der Stadt, falls sie es wünscht, die Summe von 3 Marl pro Tag und pro eingerichtetes Bett einschließlich der in dem Befehl spezifierten Lieferungen und Möbel gewährt, die mit dem von dem französischen Armeearzt monatlich festzusetzenden K oesfizienten multipliziert wird. Die radivlogiscke Behandlung, die- chemisch-bakteriologische Ana­lyse» die Desinfektionskosten, die Kosten für Waschen und dergl. sowie die Beerdigungskosten sollen nach den städti­schen Tarifen vergütet werden.

Unerhörte französische Kriegsgerichtsjnftiz.

Main, S. Febr. Von dem französischen Kriegsgericht wurde heute gegen den Staatsanwalt am Landgericht der Provinz Rhein-Hessen. Dr. Karl Albert Schröder, der am Tage des Thyssen-Prozesses als in der Mittagstunde die Angeklagten ab­geführt wurden, einen Hochruf ausstieß, wegen feindseliger Kund­gebung gegen das französische Kriegsgericht verhandelt. Der Angeklagte, der sich durch Uebertritt in das unbesetzte Gebiet der Verhaftung entzogen hat, wurde in Abwesenheit zu einem Mo­nat Gefängnis verurteilt. Der 19jährige Arbeiter Ferdinand Gabriel aus Mainz-Kastel erhielt wegen Teilnahme an den Maffenkundgebungen vor dem Kriegsgerichtsgebäude 2 Monate Grfängnis. Der 67 Jahre alte pensionierte Oberpostsekretär Friedrich Mantel aus Mainz, der lei den Kundgebungen Dro­hungen ausgcstoßen haben soll, wurde wegen feindseliger Hal­tung gegen die Besatzungsiruppcn zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt. Als ein französischer Geheimpolizist einen Demon­stranten festnehmen wollte, kam es zu einer Schlägerei, in deren Verlauf ein Polizeiinspektor von dem Gerichtsreferendar Joseph Eödecker aus Maine einen Siblag auf den Kopf erhielt, sodaß er zu Boden stürzte. Bei seiner Festnahme leistete Gödecker außerdem Widerstand. Das Urteil gegen ihn lautete unter Be­jahung sämtlicher Schuldfragen auf drei Jahre Gefängnis und L90 Fr. Geldstrafe. Die französische Gewaltpolitik kennt keine Grenzen mehr, und das wird den Gewalthabern eines Tages zum Verderben werden. Kennzeichnend ist es auch, daß diefriedliche Aklion" Poincarös durch Kriegs-Gerichte un­terstützt wird.

Die Unmöglichkeit der Einbringnnq der Neparatiöuskohlen durch Frankreich.

Brrlin, 9. Febr. Wie von zuständiger Stelle mitgetcilt wird, war vor dem Einbruch in das Nuhrgebiet das amtliche Liese»