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(Enztalbote)
Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt
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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.
slummer 195
Fernruf 179
Tagesspiegel.
Lik Metallarbeiter in Halle a. S. entschieden sich in einer Urabstimmung mit 5367 gegen 468 Stimmen siir den sofortigen Streik. In Mitteldeutschland ist die Bewegung für den Ausstand stark.
Tas englische Unterhalts wurde bis 18. Oktober vertagt.
Die rnssische Regierung hat in Amerika viel Getreide aufgekanft, in der Erwartung, daß England das Geld dazu vorschießt.
Nach einer Meldung aus Athen haben die Miriditen (katholische Albaniers eine Heeresavteilung der albanischen Regierung von Tirara überfallen, einen Offizier getötet «nd 12« Mann und 3 Offiziere zu Gefangenen gemacht. Die Gefangenen seien mit Ausnahme der Offiziere freigelassen worden, da die Miriditen sie nicht ernähren konnten.
Ter rumänische Ministerrat hat den Preis für einen Waggon Weizen für den Verbrauch im Inner« von 16 66« ans 18VVV Lei erhöht und den Ausfuhrzoll aus Holz und Erdöl und die daraus gewonnenen Erzeugnisse herabgesetzt.
Die SLetterhelastmrg der Sachwerte.
Aus d'er Denkschrift des Reichswirtschästsmimstenums über die Heranziehung der Sachwerte zur Bezahlung der Kriegsentschädigung werden in den Blättern bruchstückweise und ohne inneren Zusammenhang bereits einzelne Teile veröffentlicht. Amtlich wird nun eine llebersicht der Denkschrift, dre gegenwärtig im Reichskabiuett beraten wird, veröffentlicht. Die
wirtschafLspolitischen Ziele, die zunächst »rngestrebt werden, seien: Erzielung eines Ausfuhrüberschusses und Einfuhrbeschränkung beim inneren Luxusverbrauch; Heranziehung des vollen Gegenwerts für die Ausfuhrwaren durch Einstellung der volkswirtschaftlichen Selbstkosten; Angleichung an die Weltmarktpreise durch Beseitigung der Zuschüsse in der Getreidewirtschaft und bei den Verkehrsbetrieben; Abbau der Zwangswirtschaft und Preistiefhaltung bei der Kohle und auf dem Wohnungsmarkt. Als Folgen solcher Maßnahmen erwartet die Denkschrift den Wegfall müheloser Zwischengewinne sowie die Wiederherstellung der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft aus dem Weltmarkt. Die Politik des Reichs müsse auf diesen wirtschaftlichen Grundgedanken mitbauen, durch Verbrauchseinschränkung, durch Zölle, Ausbau der Umsatzsteuer, weiter durch die Nutzbarmachung der Zwischengewinne bei der Anpassung an die Weltmarktpreise für die Zwecke der Kriegsentschädigung.
Die Denkschrift schätzt für das Jahr: die notwendige Einfuhr auf 6—7 Milliarden Goldmark, die feste Leistung an Len Feind (bei 1 Milliarde Sachleistung) au! 1 Milliarde Goldmark; den Wert der 26proz. Ausfuhrabgabe auf 1,3 Milliarden; die Belastung aus dem Ausgle ichsverfahren auf 0,5 Milliarden; die Zinsen für die Auslandsschuld auf 1 Milliarde, so daß sich eine Summe von 9,8 bis 10 Milliarden Goldmark ergibt, zu der dann noch die Leistungen für die Besatzungskosten treten.
Demgegenüber werden in der Denkschrift die deutsche Ausfuhr auf höchstens 5,25—5,50 Milliarden Goldmark, die weiteren deutschen Wertempfänge' für Durchfuhr usw. auf 0,5, beide zusammen also auf 6 Milliarden Goldmark veranschlagt, so daß der Fehlbetrag der Wirtschaft mindestens 4 Milliarden Goldmark betragen würde. Die Deckung könnte, wie bisher, durch Anleihen und freien Marktverkauf erfolgen, was jedoch mit einem Kurssturz der Mark und regellosem wilden Ausverkauf der deutschen Produktionswerte an das Ausland gleichbedeutend wäre. Trotz aller Steigerung der deutschen Warenerzeugung kann, wie die Denkschrift zugibt, der Ertrag der deutschen Wirtschaft m den ersten Jahren weder den äußeren Wirtschaftsfehlbetrag noch den Abmangel im Reichshaushalt decken.
, Es erhebt sich also die Frage, ob zur Verhinderung
eures übermäßigen Kurssturzes, nötigenfalls zum Zwecke der Verpfändung an das Ausland, die Sub- u- n z der deutschen S a ch w.e r t e pom Reich plan-
Müäberö, Montag, äen 22. August 1921
Fernruf 179
müßig erfaßt werden oder ob man sich mit der Fortsetzung der bisherigen Methode begnügen soll. Der Friedensertrag der deutschen Wirtschaft wurde auf etiva 43 Milliarden Goldmark geschätzt; heute kann er allenfalls auf 25 bis 28 Milliarden Goldmark angegeben werden. Deshalb sei zunächst einmal eine
planmäßige Snvstanzerfassung (Erfassung der Vermögenswerte) notwendig. Notwendig seien die dinghafte Sicherung eines Ertragsteiles und seine Kapitalisierung. Als Grundgedanke schwebt den Verfassern der Denkschrift die Beteiligung des Reichs an den Substanzwerten der Wirtschaft zu einem Fünftel mit dinglicher Sicherheit für die Zwecke der Kriegsentschädigungslast vor. Damit würde die Deckung des Reichshaushalts während der ersten Jahre erleichtert und eine Grundlage für Auslandskredite erzielt.
Die Durchführung dieses Grundgedankens
wird in der Denkschrift folgendermaßen dargestellt. '
Ausgegangen wird von dem Verhältnis der Ertragssteigerungen im Vergleich zum Frieden und von den Verkaufspreisen, die die Goldwerte der Wirtschaft zurzeit erzielen. Die Wertsteigerung des landwirtschaftlichen Grundbesitzes gegenüber dem Frieden wird auf das Fünfeinhalb- bis Sechsfache, bei voller Freigabe der Getreidewirtschaft auf das Achtfache ors Friedens,verts geschätzt. Tie Wertsteigerung der st äd tis chen Wo h n- u nd M iets g ebäu- d e wird bei einer Steigerung der Mietpreise auf 300 Prozent der Friedensmieten mit etwa dem Doppelten des Friedensmerts'veranschlagt. Bei den gewerblichen und kaufmännischen Unternehmungen wird eine Wertsteigerung auf das Sechsfache angesetzt.
Die Heranziehung des landwirtschaftlichen und des städtischen Grundbesitzes wird in Form einer Gold- Grundfchuld vorg. schlagen, die an erster Stelle eingetragen und die sowohl durch den Eigentümer wie auch durch den Inhaber der Nachbelastungen soll abgelöst werden können. Die Grundschuld soll betragen, bei landwirtschaftlichen Grundstücken 20 Prozent des Gegenwartswerts, bei städtischen Grundstücken 75 Prozent des Friedenswerts, wobei eine Steigerung der Mieten aus 300 Prozent vorausgesetzt wird. Als Verzinsung sind ber landwirtschaftlichen Grundstücken 4 Proz., bei städtischen Grundstücken 4 Hz Prozent in Aussicht genommen.
Bei den gewerblichen und kaufmännischen Unternehmungen schlügt die Denkschrift eine Beteiligung des Reichs mit 20 Prozent vor, bei der allerdings Unternehmungen unter einer gewissen Größe freizulassen wären; Einzelunternehmungen sollen der Plicht zur K ö rp e r s ch afts b ild u n g unterliegen. Dem Anteil des Reichs soll kein Stimmrecht, wohl aber ein Gewinnvorzngsrecht von etwa 6 Pro- zent zusteheu. Die anderen Gesellschafter sollen ein Ablösungsrecht erhalten.
Bei der Beranschkagmtg der Erträgnisse
er Goldwertbelastung geht die Denkschrift davon aus, daß der Wert des landwirtschaftlichen Besitzes vor dem Krieg etwa 100 Milliarden betragen habe, sein gegenwärtiger Verkaufswert also 550 bis 600 Milliarden Papiermark betrage. Die Friedensmiete ans dem st 8 dtischen Grundbesitz wird mit 4 Milliarden Mark eingesetzt, so daß 300 Prozent der Friedensmiete 12 Milliarden Papiermark ergeben. Den Gesamtjahresertrag der gewerblichen und kaufmännischen Körpcr- schastsnnternehmungen schätzt die Denkschrift mit 18 Milliarden Papiermark, wozu noch etwa 9 Milliarden für Einzelunternehmungen kämen. Die Jahrescrträge dieser Belastung der Goldwerte werden folgendermaßen geschützt: Alles in Milliarden Papiermark:
Vorläufige Erträge:
Landwirtschaft Städtischer Grundbesitz
Industrielle und kaufmännische U nternehmungen
4,4
3
5
Hierzu gegebenenfalls später: ans der Lairdwirtschaft (volle Freigabe der Getreidewirtschaft)
aus dem städtischen Grundbesitz (bei weiterer Mietprcissteigerung) _
12,4
1,2
55 Iskrgkmg
zusammen als Erträgnis im Dauerzustand, rund: 17
Kapitalisierte Beträge:
Für die übernommenen, Substanzwerte ergäbe sich zunächst vorläufig folgende Aufstellung: Landwirtschaftliche Grundschuld 110
Städtische Grundschuld 67
Beteiligung an Unternehmungen _ 108
Mithin Wert der übernommenen: Substanzwerte im Anfang Hierzu kämen später: bei der landwirtschaftlichen Grundschuld bei der städtischen Grundschuld (im Falle weiterer Mietssteigerung) _
285
Somit Gesamtbetrag der übernommenen Substanzwerte im Dauerzustand 382
Hiervon wären abzuziehen: Erleichterungen für kleine Betriebe und Minderleistungen bei Steuern (Kör- perschaftscinkommen, Kapitalertragssteuer) mit 3 bis 4,5 Milliarden Mark jährlich.
Wirtschaftlicher Wochenüberblick.
Geldmarkt. Der Devisenjammer dauert unvermindert fort. Unsere Valuta gleitet immer tiefer herunter, besonders in Neuhork. Die Hinausschiebung der Entscheidung über Oberschlesiens Zukunft und unsere großen Zahlungen an die Entente sind die Hauptursachen. Am 19. August notierten 100 deutsche Mark in Zürich 7 (7.171/2) Franken, nachdem sie am 16. August sogar auf 6.30 gefallen waren; in Amsterdam 3.82 (3.92) Gulden; in Kopenhagen 7.40 (7.80), in Stockholm 5.70 (5.85) Kronen; in Wien 1218 (1232) Kronen; in London 3.07V4 (3.09) Schilling; in Neuhork 1.20 (1.21) Dollar und in Paris 15Vr (15Vs) Franken.
Börse. Anfangs der Woche gab es wieder an sämr- lichen deutschen Börsenplätzen eine so wilde Spekulation, daß -fast die gesamte öffentliche Meinung sich mit diesem Treiben beschäftigte und der Berliner Börsenvorstand sich genötigt sah, einige börsenfreie Tage anzuberaumen, damit die Kursmakler und die Banken der ungeheuren Flut von Spekulationsausträgen Herr werden konnten. Im Laufe der Woche setzte ein Rückschlag ein, der auch zu einer Kursermäßigung führte. Aber schon am Freitag reizten diese Kursabschläge zu neuen Käufen. Die Kurssprünge gingen bis zu 100 Prozent. Zu erklären ist die Erscheinung nur so, daß bei der fortschreitenden Entwertung unseres Papiergelds jedermann um jeden Preis sein Geld in Aktien anzulegen sucht. Das zuverlässigere Anlagegebiet, der Markt der festverzinslichen Staatspapiere, bietet allerdings der Spekulation keinen Anreiz und bleibt vernachlässigt: Reichsschatzscheine 98 (uneränvdert), Kriegsanleihe 77.35 (unverändert), 4proz. Württembergs!: angeboten mit 71 (-— 4).
Prodnktenmarkt. Seitdem das Regenwetter noch in letzter Stunde die schlimmsten Gefahren beseitigt hat, ist die Stimmung an den Produktenbörsen lustlos geworden. In Berlin notierten am 19. August Weizen 422—426 (— 30), Roggen 334-340 (— 10), Gerste 382—392 (Wintergerste) und Sommergerste 480—495 (— 10), Haber 336—342 (— 20), Mais 284—288 (— 30), Viktoriaerbsen 580—630 (-f- 60), Futtererbsen 360—380 (— 10), Raps 575—595 lunv.), Leinsaat 575-595 (unv.).
Warenmarkt. Die Nachfrage nach deutschen Waren im Ausland nimmt teilweise zu, besonders nach Eisenerzeugnissen. Auch sonst ist im allgemeinen über eine bessere Geschäftslage zu berichten, die sich iminer deutlicher auch in der Textilbranche durchsetzt. Häute und Leder zogen weiter im Preise an. Angesichts der durch die Teuerung hervorgerusenen neuen Lohnforderungen ist an einen Preisabbau nicht zu denken.
Biehmarkt. Die Preise haben sich in dieser Woche nicht wesentlich geändert. Da bereits wieder trockenes Wetter eingetreten ist, sind die Viehhalter weniger verkaufslustig, als man erwartet hatte. Milchschweine kosten 350-500 Mk. das Paar.
Holzmarkt. Die Woche hat keine Aenderung gezeitigt. Nadelstammholz und Bretter werden gern gekauft. Die Preise sind ungefähr dieselben wie vor acht Tagen.