Verhandlungen befassen. Die Atmosphäre in den politischen Kreisen deute darauf hin, daß der Schatzkanzler es nicht leicht haben werde, das Kabinett davon zu überzeugen, daß der amerikanische Vorschlag angenommen werden sollte. Im Kabinett beständen zwei verschiedene Strömungen und die Mitglieder, die an den amerikanischen Bedingungen Kritik übten, seien, wie angenommen werde, in der Mehrzahl. Bonar Law gehöre, wie man glaube, zu den Ministern, die bisher nicht in der Lage waren, der Auffassung zuzustimmen, daß das Angebot Amerikas angenommen werden sollte. — Es scheint uns auch hier wieder Verschleppungspolitik vorzuliegen.
Deutschland.
Berufung von Mitgliedern in den süddeutschen Senat des Staatsgerichtsho's.
Berlin, 31. Jan. Nach einer Mitteilung des Reichsjustizministers Dr. Heinze im Hauptausschuß des Reichstags find in den süddeutschen Senat beim Staatsgerichtshos zum Schutze der Republik berufen: für Bayern. als Mitglieder: Dr. von Calker, llniversttätsprofessor rn München. Klemm, Oberlandesgerichtspräsident in Nürnberg» und Mächter, Oberbürgermeister in Bamberg, als stellv. Mitglieder: Dr. Allfeld, Universitätsprof. in Erlangen, Justizrat Dr. Michel, Ludwigshasen a. Rh und Kajetan Freund, Schriftleiter in München; für Württemberg, als Mitglied: Vlos, Staatspräsident a. D., Stuttgart, als stellv. Mitglied: Fezcr, Reg.Präs. in Ellwangen; für Baden, als Mitglied: Fehrenbach, Reichskanzler a. D., Freiburg i. V., als stellv. Mitglied: Frey, Rechtsanwalt und Stadtrat in Karlsruhe; für Hessen, als Mitglied: Justizrat Dr. Reh, Rechtsanwalt und Notar in Alsfeld. Der Vorsitzende, die Reichsgerichtsräte und deren Stellvertreter sind dieselben wie beim norddeutschen Senat.
Leicht ertiges Todesurteil eines belgischen Militärgerichts gegen 4 deutsche Beamte.
Berlin, 30. Jan. Zu dem gegen vier Beamte der Hamborner Schlitzpolizei wegen der Ermordung des belgischen Leutnant» Graft ausgesprochenen Todesurteil des belgischen Militärgerichts in Aachen erfahren wir von zuständiger Seils noch folgendes: Seitens der deutschen Verteidiger ist bei der Beweisaufnahme bereits hervorgehoben worden, datz die jetzt Verurteilten unmöglich die Täter sein können, da in den letzten Tagen drei andere ehemalige Beamte der Hamborner Schutzpolizei vor dem Untersuchungsrichter in Stettin glaubhaft gestanden hätten, die wirklichen Mörder zu sein. Es handelt sich um die ehemaligen Schupobeamten Kaws, Schwirret und Engeler, die sich jetzt sämtlich in Stettin in Haft befinden. Die Abschriften sämtlicher in Stettin aufgenommenen Protokoll« sind alsbald nicht nur in Brüssel durch den deutschen Geschäftsträger dem belgischen Minister für auswärtige Angelegenheiten, sondern gleichzeitig auch in Aachen durch ein Mitglied der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft dem belgischen Militär-Auditorat überreicht worden. Außerdem ist bei der belgischen Negierung unter Hinweis auf die früheren Rechtsausführungen der Antrag wiederholt worden, die Aachener Angeklagten den deutschen Gerichten zuriickzu- geben, da Hamborn zur Zeit der Tat unbesetzt war. Letzteres tst auch von dem belgischen Kriegsminister in seiner Rede vor der Kammer und von der hiesigen belgischen Gesandtschaft in der Note zur Begründung von Forderungen gegen die deutsche Regierung aus Anlaß des Mordes hervorgehoben worden. Zugleich hatte sich die deutsche Regierung unter Aufrechterhaltung ihres Rechtsstandpunktes bereit erklärt, Abgesandten der belgischen Regierung Einblick in die Akten und ihre AnweseDeit bei der Vernehmung der Angeschuldigten zu gestatten. Bisher ist eine Antwort auf diese Anträge noch nicht eingegangen. Das Urteil des Aachener Militärgerichts wird Anlatz geben, erneut auf die schwere Verantwortung hinzuweisen, die in dieser Angelegenheit, bei der vier Menschenleben auf dem Spiele stehen, alle Beteiligten tragen. Die deutsche Regierung ist bestrebt, die Frage unter Ausschaltung aller politischen Gegensätze lediglich im Dienste der objektiven Wahrheit nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und Menschlichkeit zu erledigen. Es stehen weitere Schritte in Brüssel bevor und es wird nichts unversucht ge-
daß ihm sein kleines, sonst so vorlautes Ich diesmal so spät eingefallen war.
„Was hast du denn vorhin gelesen?" fragte Erhard weiter.
Der Knabe eilte gehorsam, holte das Büchlein und reichte es stumm seinem Vater dar. Es schien, als ob er nicht bloß seinen siebenten, sondern auch feinen sechsten Sinn versessen habe. Das kleine Mädchen folgte ihm nach und hielt sich an ihm fest.
Erhard schlug das löschpapierene Erzeugnis einer alten Presse auf und las: „Eine schöne anmutige und lesenswürdige Historia von der unschuldig betrangten Genoveva, wie es ihr in Abwesenheit ihres herzliebstrn Ehegemahls ergangen. Mit Holzschnitten geziert, und neue Auflage; auch die allerhöchste Zensur passiert." Er lächelte. Sein Auge flog bedeutungsvoll über Justine hin, blieb aber an der Schusterin haften. „So ist also doch wirklich eine Gräfin im Haus!" rief er. „Da haben wir es ja Schwarz auf Weiß!"
„Ich glaube sogar, eine geborene Herzogin!" sagte der Schuster lachend.
„Aus Brabant?" ergänzte der kleine Erhard mit der Wichtigen Miene des Gelehrten, der für den geschichtlichen Buchstaben einzustehen hat, und abermals muhten die Erwachsenen lachen.
„Du weißt ja alles!" bemerkte Erhard. „Und was denkst du denn über die Geschichte da?"
„Dem Goto täte ich gleich den K >pf abhauenl" rief Knabe, _ -
lassen, um einen Justizmord zu verhindern und die wahrhaft Schuldigen der verdienten Strafe zuzuführen.
Ei« furchtbares Deegwerksunglüch i« Beuthen.
KV Bergleute tot. 3VV noch eingeschlosse«.
Benthe«, 31. Jan. Aus der Grube Heinitz ereignete sich eine Kohlenexploston. Bis 6 Uhr abends waren etwa 20V Mann geborgen. Es befinden sich aber immer noch etwa 600 Mann unter Tage. Die eigentliche Unglücksstelle ist der Römhildschacht bei Birkenhain. Man befürchtet, daß die Katastrophe zahlreiche Opfer gefordert hat.
Benthe«, 1. Febr. Bis gestern abend um 11 Uhr betrug die Zahl der zutage geförderten toten Bergleute 60. Man rechnet damit, datz sich noch mindestens 300 Bergleute unter Tage befinden.
Vermischtes.
Erschwerter Raub.
Kattowitz, 30. Jan. Gestern verfolgten auf der Straße zwei Banditen den Viehhändler Steinitz, der. kurz vorher 6 Millionen deutsche Mark für geliesertes Vieh erhalten hatte. Die Banditen drangen in seine Wohnung und raubten außer den 6 Millionen noch weitere 200 000 einen Pelz im Werte von 300 000 und Wäschestücke. Daraus verließen die Räuber die Wohnung, verfolgt von Steinitz und seiner Frau. Ein Arbeiter, der die Banditen.aufzuhalten versuchte, wurde durch einen Schuß ins Herz getötet. Die Täter entkamen.
Max. der Vielfältige.
Max, der Vielfältige. Ein überaus liebenswürdiger Herr war der Fürst eines unserer alten Bundesstaaten, Maximilian der Xte, ein prächtiger, scharmanter alter Herr, der gern im bequemen Jagdanzug ging, allerdings die Uniform, als nicht „kommod", unzern anlegte. So saß diese denn auch bei dem alten Herrn nie besonders; namentlich der Sitz der Beinkleider ließ stets erheblich zu wünschen übrig.
Auf einem Jagdausflug wird eines schönen Tages, wie Ernst Nigmann in der „Gartenlaube" erzählt, von allerlei scherzhaften Beinamen gesprochen, die gekrönte und andere hohe Herren vom Dolksmunde zu erhalten pflegen, — Auch der alte Maximilian möchte brennend gern wissen, ob er einen solchen Beinamen babe und bestürmt seinen Flügeladjutanten, ihm auch seinen Beinamen zu sagen; er nähme gewiß nichts übel. Ter Adjutant, in großer Bedrängnis. andererseits aber bei der vornehmen Gesinnung des Fürsten auch sicher, daß dieser nicht empfindlich sein würde, beichtet denn auch schließlich und sagt: „Eure Majestät wissen Höchstselbst, daß Eure Majestät die Uniformbeinkleider gern bequem, deshalb etwas unmodern und sehr lang zu tragen pflegen, so daß diese viel Falten werfen — deshalb nennt man wohl im Scherz Eure Majestät manchmal „Max, den Vielfältigen".
„Na, schaun S', mein lieber A-," sagte der hohe Herr darauf schmunzelnd, „wie ich immer recht 'tan Hab', daß ich nit auf Ihren Rat g'hört Hab', mir a Bügelfalten in mei Hos'n plätt'n zu lassen; — hernach hieß i am End „Max der Einfältige!"
Aus Stadt und Land.
Ealw, den 1. Februar 1923.
Schwäbisch« Ruhrhitfe.
Auf Einladung des Arbeits- und Ernährungsminlsteriums fand am Montag unter dem Vorsitz von Staatsrat Rau eine Besprechung mit Vertretern der Landwirtschaft, des Handels und der Industrie über die Sammlung von Naturalgaben für das Ruhrgebiet statt. In der Besprechung teilte Direktor Ströbel mit, datz die Landwirtschaftskammer die
Sammlung von Lebensmitteln und Gelb ^eCdeir MnbwIrken Tü die Wege leiten werde. Als Sammelstellen für die Spenden der Landwirtschaft sollen die im ganzen Land bestehenden Bezirksausschüsse der Heimatnothilfe (Bezirkswohltätigkeitsvereine) dienen. Dagegen war man sich darüber einig, datz außerhalb der Landwirtschaft in erster Linie nicht Naturalien, sondern Geldspenden gesammelt werden sollen. Soweit gleichwohl aus Kreisen der Industrie oder des Handels von privater Seite ausnahmsweise Naturalgaben gespendet werden wollen, sind zu ihrer Entgegennahme gleichfalls die Bezirksausschüsse der Heimatnothilfe bereit. Alle eingehenden Naturalgaben werden an die Landwirtschaftskammer Westfalen, Zweigstelle Minden i. W„ die außerhalb des besetzten Gebiets liegt, weitergeleitet, von der die Verteilung der Spenden an alle durch die Vesatzungsaktion betroffenen Gebiete unter Leitung des Regierungspräsidenten in Düsseldorf und unter Mitwirkung von Vertretern der notleidenden Bezirke vorgenommen wird. Vertretern der Spender wird auf Wunsch Gelegenheit gegeben, an Ort und Stelle in die Tätigkeit dieser Verteilungsorganisation Einblick zu nehmen. Unentgeltlich zur Verfügung gestellte Spenden werden als Liebesgaben von der Reichsbahn frachtfrei befördert, falls die Absen- dungsstelle amtlichen Charakter hat.
Berbandslag de« wvrtt. Viruvereine in Göppingen.
Am letzten Samstag und Sonntag fand in Eöppin - gen im Dreikönig der 14. ordentliche Verbandstag des Verbundes württ. Vauvereine e. V. unter dem Vorfitz von Vaurat Daser statt. In der Samstagstagung erstattete der Verbandsrevisor, Obersekretär Krauß einen eingehenden Bericht über seine Tätigkeit und die bei der Revision der Baugenossenschaften zutage getretenen Verhältnisse. Im allgemeinen konnte er ein günstiges Vild von der Tätigkeit der Baugenossenschastsorgane geben. Dor Vorsitzende des Vorstandes, Baurat Daser, erstattete Bericht über das letzte Geschäftsjahr, wonach der Verband nunmehr 115 korporative Mitglieder umfaßt. Die 101 gemeinnützigen Bauvereiniqungen des Verbandes zählen zusammen 20 000 Personen. Ungemein rege war die Tätigkeit der Verbandsleitung im vergangenen Jahr. Verbandsarchitekt Dauch e r gab zunächst einen Bericht über die Bautätigkeit im letzten Jahr, wonach seitens der Verbandsmitgtieder 881 Wohnungen um 300 Millionen Mark erstellt worden sind. Sodann hielt «r einen Vortrag über Selbsthilfeverfahren im Wohnungsbau. Daucher gehört dem Deutschen Ausschuß für sparsames Bauen an und hat als Angestellter der staatlichen Beratungsstelle mehrere Reisen nach Norddeutschland-ausgeführt. bei denen er diese Frage eingehend studierte. An der Hand seiner Erfahrungen gab er ein klares Vild, wie der Selbsthilfebau zu organisieren und was für Voraussetzungen für denselben notwendig seien. Dann berichtete er noch über die zahlreichen Lehmbauten in Norddeutschland die in Württemberg mehr Nachahmung verdient hätten. Keinen leichten Stand hatte der Regierungsvertreter Baurat Weigle. Er konnte zwar entsprechend dem Landtaqsbeschluß die Versicherung geben, daß die Bauten von 1022 durchgeführt werden sollen. Aber für den Wohnungsbau 1923 seren keine Mittel vorhanden und die Aufstellung eines Bauprogramms sei unmöglich. In einer Entschließung wurde die Forderung aufgestellt, datz der Neubau-von Wohnungen auch in diesem Jahr nicht völlig aufhören dürfe und daß die erfoderlichen Mittel von Reich, Staat, Gemeinde und Arbeitgeber rechtzeitig gesichert werden müssen. Der Bauaufwand ist in der Hauptsache durch Erhöhung der Wohnungsabgabe und aus den Mitteln der produktiven Arbeitslosenfürsorge zu decken.
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(STB) Neuenbürg, 31. Jan. In der Nacht auf Montag statteten Diebe dem Aufbewahrungsraum für Häute der Metzgerinnung Neuenbürg-Wildbad einen Besuch ab. Einem Schutzmann gelang es, drei Häute, die die Diebe auf einem Handkarren sortbringen wollten, am Steinbruch an der Eräfenhäuser Steige zu beschlagnahmen. Mit drei Häuten entkamen die Diebe in der Dunkelheit; einer davon, ein gewisser Sieler, der sich seit einiger Zeit im „Ochsen" aufhielt, wurde von der Pforzheimer Kriminalpolizei in
„Gib du lieber auf dein Schwesterlein acht!" sagte Erhard. ihm den Arm haltend, mit welchem er die Gebärde desKöpsens, voraussichtlich zum Schaden des Kindes, machen wollte. „Weißt du denn nicht, daß der Eolo seit mehr als tausend Jahren tot ist?"
„Nein," sagte der Knabe, „ich habe es noch nicht ganz ausgelesen."
„Das ist was anderes," bemerkte Erhard. „Hast du auch schon den Robinson gelesen?"
„Nein," erwiderte der Knabe.
„Warte, den sollst du jetzt haben!" sagte Erhard. „Die Kinderlehre ist aus, das Christkind ist da. Lauf, was du kannst, und hole deine Geschwister, alle!"
Der Knabe flog wie ein Pfeil. „Nimm dich in acht, daß du nicht fällst!" rief ihm Erhard nach, da er etwas gar zu buchstäblich die Treppe hinab gehorchte.
„Was ist denn der Robinson?" fragte der Schuster.
„Es ist die Geschichte eines Schiffbrüchigen, der lange auf einer wüsten Insel leben mußte," erwiderte Erhard. „Das Buch ist kürzlich von einem Gelehrten eigens für die Kinder bearbeitet worden. Es steht leider viel altkluges Zeug darin, das mir gar nicht behagt und die Kinder nicht einmal besonders gescheit machen wird, aber da drin" — er deutete aus das Büchlein, das er weAgeiegt hatte — „stehen Dinge, die ihnen jedenfalls noch weniger taugen, denn sie lernen da nicht bloß die Genoveva kennen, sondern auch den Eolo, und das ist sür ihr Alter viel zu früh."
Die Kinder kamen, um ihre Ehriftgeschenke in Empfang LN nehmen, welche Erhard und 3u!ti»e. dem oerabre-
deten Plane gemäß, auf dem Tische ausgebreitet und unter die einzelnen verteilten. Auch die älteren Kinder fanden sich ein, die nicht mehr im Hause lebten. Jedes nahm seine Gabe in der ihm von Natur gegebenen Art in Empfang: das eine mit stiller, das andere mit lauter Freude, alle aber mit einer Befriedigung, an welcher nicht gezwei- felt werden konnte, da die Bescherung ihre angewohnte Genügsamkeit weit überstieg. Der Schuster, welcher Schwager und Schwägerin gewähren lassen mußte, weil er es bei seinem Volk nicht anders hätte verantworten können, freute sich selbst über die fremden Herrlichkeiten, die demselben zuteil wurden; die Schusterin aber sah mit glänzenden Augen darein, denn der vornehme Zug, den ihr Christoph seinem Dorle zugestehsn mußte, hatte bei dieser Bescherung ihrer Kinder, mit der sich in keinem Fall eine andere Weihnachtsbescheerung im Städtchen messen konifte, seine volle Genugtuung gesunden.
Die Glocken läuteten zusammen, und nun zog die ganze, so unerwartet vergrößerte Familie in die Kirche. Die Kinder trafen unterwegs mit andern Kindern zusammen, zeigten zumteil ihre reichen Christgeschenke vor, und ehe noch die Gemeinde ganz zum Gottesdienste versammelt war, hatte sich die öffentliche Sage über den reichen Oheim aus der Ferne festgestellt und waren seine Tausende bereits zu Millionen angewachsen. Diese hohe Meinung diente zugleich zu der Beilegung einer Frage, die schon bei manche« Gelegenheit Streit tn der Kirche des Städtchens erregt hatte.
_ (Fortsetzung fol,