(Enztawote)

Amtsblatt für Wildbao. Chronik und Anzeigenblatt

für das obere Enztal.

Lrlmeml lSgiicn, ausgenommen Sonn- u. feiertags Lerugspreis monstlicv Mk. 4.30. vierteljädrlicti 13.50 frei ins yaus gelieterl: äurcd cüe Post berogen im innk^äeuOcsten Verkedr Mk. 13.00 einscstlieölicst post- destellgelä

Anzeigenpreis: nie einspaltige petnrmr oaer «terrn kaum 50. pfg., auswärts 60 plg., keklamereilen 1.50 Mk.. bei größeren Aufträgen kabakl nacst llsrik. ZctiluL <ier Aneeigenannabme: lägücki 8 Udr vor­mittags

Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt;

Verlag und Schristleitung: Th. Gack in Wtldbad.

Nummer 11

. Fernruf 179.

Miläbsö, Zum5tug, öen 15. januar 1921

Fernruf 179.

85. ^LlirgcMg

Sonntagsgedanken.

Daheim.

Die Welt, die Fremde, lohnt mit Kränkung, wa- sich umwerbend ihr gesellt;

DaS Haus, die Heimat, die Beschränkung, die sind da» Glück und sind die Welt.

Fontane.

Wochenrundschau.

Am 10. Januar 1920 ist der Vertrag von Ber sailles in Kraft getreten. Man hat den Jahresta ül Deutschland kaum beachtet; man hätte seiner auch mir als des schwärzesten Tags in Deutschlands Geschichte mit Schmerz und Scham gedenken können. Nur der Deutsche Ostmarkenverein hat im Namen der besonders schwer getroffenen Deutschen in den Ostmarken «nen flammenden Einspruch gegen den Vertrag von Versailles an die ganze Welt gerichtet.

Die Finanzminister der acht größeren Bun- deSstaaten sind am 7. und 6. Jarruar in Bam­berg zu einer Besprechung über schwebende Finanzfra- gett zusammengekommen. Der bayerische Finanzrnrei-- ster Dr. Krausneck betonte in seiner Ansprache aus­drücklich. daß die Besprechung keineswegs den Zweck habe, ge^rn die Reichsfinanzverwaltung Opposition zu machen, aber es müsse gefordert werden, daß man in Berlin so­viel Rücksicht auf die Bundesstaaten und die Gemein­den nehme, daß sie leben können, denn ohne diese Grundlagen würden alle Anstrengungen zum Wieder­aufbau des Reichs vergeblich sein. Das ist unbedingt richtig, aber es ist über das Ziel hincmsgeschossen, wenn sin führendes Blatt in Bayern aus diesen Worten glaubt folgern zu dürfen, in Bamberg sei einegeschloffene Finanzfront" der Einzelländer gegen die Reichsfinanz« Verwaltung geschaffen werden.

Dabei soll allerdings nicht verkannt werden, daß die Reichsfinanzpolitik in den letzten Monaten nicht immer stetig und klar gewesen ist. Man braucht nur an die unendlichen Verhandlungen in der Besoldungsfra- e, die aufs neue zu einer Reichskrisis sich auszuwach­en droht was sie nie zu werden brauchte, zu er­innern. Die Zahl der Reichsbeamten beträgt gegenwärtig 677 408, die der gegen Taggeld Angestellten (Diä- ltare) 122 000, dazu kommen noch 90000 Vertrags­angestellte und die im Reichsdienst stehenden Arbeiter. Durch das Besoldungsgesetz vom 30. April 1920 wur­den die Bezüge der Beamten und Diätare um 9910 Millionen Mark jährlich erhöht. Das Gesetz vom 17. Dezember 1920 fügte weiter 1000 Millionen hin­zu. Infolge der Erhöhung der Kinderzuschläge und der Aufbesserung der Diätare kamen dazu noch 743 Millionen und durch die Erhöhung der Bezüge der Mtpensionäre 1800 Millionen. Tie Umänderung des OrtsUassenverzeichNlsses, die viele Beamte einer höheren Ortsklasse zuteilt, verursachte einen weiteren Aufwand von einigen hundert Millionen. Im ganzen betrug der Aufwand für die Besoldung der Reichsbeamten 13 bis 14 000 Millionen Mark. Die im November v. I. von den Eisenbahnerverbänden eingereichten Forderungen hätten eine neue Belastung von 5740 Millionen er­fordert, durch Vergleich wurde der Betrag auf 2854 Millionen ermäßigt, wovon auf die Eisenbahnen (Be­amte, Angestellte und Arbeiter) 1336 Millionen, auf die Post 609 Millionen, aus die übrigen Reichsverwal­tungen 909 Millionen entfallen. Für Beamte, Arbeiter und Pensionäre hat also das Reich 16 600 Millionen jährlich aufzubringen. In dieser Summe sind aber di» Beamten, Pensionäre und Arbeiter der Einzelstaa­ten, Gemeinden, Amtsverbände nsw. nicht inbegriffen, die nach dem Vorgang des Reichs ohne Weiteres in den Genuß der erhöhten Bezüge kommen müssen, die Ausgabe wird sich also im ganzen Reich vervielfältigen.

Kalter Schweiß trat dem Reichsfinanzminister aus die Stirne, als er am 7. Januar, nach der Rückkehr aus den Rechnachtsfersen in Freiburg, im Finanzausschuß des Reichswirtschaftsrats seine Not klagte. In seiner Ab­wesenheit hoble man Milliarden verhandelt, ohne zu fragen, woher das Geld komme. Er mache sein Ver- hmben im Amt davon abhäirgig, daß für di» n«UM

MSgaben auch sogleich die Deckung geschaffen werde. Es werde klar, daß jede Finanz Politik schließlich Wirtschaftspolitik sei eine alte Wahrheit, die leider so oft nicht verstanden wird. Die direkten Steuern könne man nicht weiter anspannen; ohne neue Steuern aber sei nicht auszukommen, es sind also neue oder verschärfte indirekte Steuern, Verbrauchs­steuern in Aussicht genommen, und dazu eine sehr starke Erhöhung der Eisenbahn- und Post­tarife.

Ueber diese Deckungsfragen berieten nun Meder die Finanzminister der Bundesstaaten im Reichs­finanzministerium. Aber soviel matt hört, haben dis Pläne Dr. WirthS vor den Augen der Kollegen keine Gnade gefunden. Cs soll zu erregten Verhandlungen ge­kommen sein und noch am dritten Tag der Beratung scheint keine Einigung erzielt worden zu sein, sodaß, wie gemeldet wurde, eine weitere Konferenz in Dresden, fern von Berlin, anberaumt werden dürfte. Woran sich dr« Finanzminister hauptsächlich, gestoßen haben, ist noch nicht bekannt, man dürste aber kaum fehlgehen, wenn man annimmt, daß sie den unaufhörlicher Steigerungen der Eisenbahn- und Posttarife, di« nachgerade kulturu feindlich wirken, ein Ende gerno<M wissen und viel­mehr mil den Vielen unnötig-.. -LlLaWstelll" aufrüumetz wollen. Dr. Wirch ist des Glaubens, daß wie be­liebige LuxuLwaren, die Eisenbahn- und Posttarife Ln dem Maß erhöht werden können, als der Geldwert ge­sunken ist. Dann käme z. B. der Jnlandbries auf 1,20-1 40 Mark, und die Postkarte aus 6070 Pfennig em Kilometer B, hn'ahrt auf 50-60 Pfennig. SoM Finanzheillnittel sind praktisch unmöglich und obendrein unzulänglich. Dagegen verdient der Vorschlag «in?» Ber­liner Eisenbahnbeamten die vollste BeaHnng der Her­ren Finanzminister, daß nämlich alle Beamten, Ange­stellten und Arbeiter von Reich, Staat und Gemeind«, al» Gegenleistung der schweren Opfer des Reichs für sie, freiwillig eine neunte Dienststund» täglich übernehmen.

Daß die Deckungsfrage, überhaupt der Ausgleich des Haushalts des Reichs und der Staaten unter der Ein­wirkung deS Frisdensvertraas, der von dem noch ver­bliebenen Rest unseres VolrsvermögcnS ein Stück um das andere losreißt und immer neue Lasten, neue Ver­minderungen der Erwerbsmöglichkeiten bringt, bald zu einem großen Rätsel werden muß, das steht fest. Auf den 10. Mai müssen nach, dem Schiedsspruch des Ame­rikaners Hynes von der deutschen Rheinflotte Käh­ne und Schleppschiffe im Wert von 500 Millionen Gokd- mark (mindestens 5 Milliarden Papiermark, mit den bald nachfolgenden Elbe- und Oderschifsen wird sich der Werk mindestens verdoppeln) an Frankreich ausgeliefert sein und zwar nicht etwa als Ersatz für im Krieg vernichtetes Gut, da Frankreich von seinen Flußschiffen so gut wie nichts verloren hat. Es ist ein blanker Raub, ein würdiges Gegenstück zu dem famosen Kohlenabkvm- men von Spa, das Frankreich mit Kohlen über-, schwemmt, sodaß es nicht weiß, was es mit ihnen an­sangen soll. So wird es mit unseren Kähnen gehen, die wir so bitter notwendig brauchen könnten und die nun in irgend einem Winkel Frankreichs verrosten wer­den. In den anderen Ländern der Welt ist nämlich bereits ein Ueberfluß von Handelsfahrzeu­gen vorhanden, da infolge der Ausschaltung Deutsch­lands und Mitteleuropas vom Weltmarkt durch die Frie­densverträge Handel und Wände: im größten Teil der Welt vollständig darnllderliegt und diese Weitkrise sich immer mehr verschärft, was allerdings nicht hindert, daß dafür umso mehr Kriegsschiffe gebaut werden, mit der Bestimmung, die Weltm achtssrage zur Ent­scheidung zu bringen, die durch den letzten Krieg nu» angeschnitten worden ist. Auch Frankreich will ganz« Flvtten von Torpedobooten und Tauch­booten bauen, um seine Kriegshäsen am Atlantischen Weltmeer zu ausschlaggebenden Stützpunkten für die ein« oder andere Mächteg uppierung in dem künftigen gro­ßen Kampf zu machen und sie, wie der Admiral Four- nier sagt, als ein diplomatisches Druckmittel aus Eng­land sowohl wie auf Amerika zu benützen. Denn wenn dann diesen beiden Nebenbuhlern im Streit um di» Secherrschast, dir gleichbedeutend ist mit der Hand»kS- Herrschaft, dargn gelegen sei» muß, sich km Ernstfall dt«

, t

französischen Mützpuükte bedienen zu können, so müs­sen sie sich um die Freundschaft Frankreichs beiverben und sie werden den Würgeplänen Frankreichs ge- gen Deutschland keine ernstlichen Hindernisse in den Weg legen. So rechnet Admiral Fonrnter und so rechnen Pvincare, Foch, Lefevre usw, die soeben das Kabinett Lcygue» gestürzt haben, eines persönlich ehrcnwe» ten, nicht aus lauter Deutschenhaß zusammengesetzten, aber freilich auch diplomatisch nicht eben hervorragenden Mannes, den man mit dem verstorbenen Bethmann Holl­weg vergleichen könnte. Der französischen Krigi Partei scheinen sich die besten Aussichten zu eröffnen. Aber freilich, schätzen kann auch fehlen. Wilson hat die weitere Mitwirkung Amerikas an derFrie- denSarbett" der Verbündeten endlich aufgesagt, aber ohne sich der Mitverantwortung an dem an Deutschland begangenen Unrecht entledigen zu können. Was sei« Nachfolger Har ding tun wird, ob er den Frarizo- sen aus den Leim gehen wird, ist noch dunkel

Auch Lloyd George hat keine rechte Lust mehr, an ber Zusammenkunft der Obersten Rats in Paris, die ans 19. Januar anberaumt war, tstlkmehmen, vielleicht traüt er sich selber nicht Mehr ganz. Di» Zusammenkunft wirb Wohl wetzen der französischen KabrnettsLnderung verscho­ben werden. Daun wird aLrr auch dir Fortsetzung der Sachverständig erckonfereiH Pt Brüssel über die Kriegs-

gerückt, bvn der man mehr ganz in bar, Nachlieferungen für die Wiederherstellung Pt Frankreich geleistet «Verden solle. In der Entwaffnung wird labet, das hat man io England klar ausgesprochen, nichts nachgelassen werden. Nur soll nicht bas Ruhrgebiet besetzt werden, waS den Engländern nicht paßt; dagegen ststht es den Fran­zosen frep Bayern einzurücken und die Mainlinie z» be^y^ W» DMchlqnd sich weiterstraffällig" machen

Neues vom Lyge.

Die Deckungsfrage.

Berlin, 14. Jan. Reichsfinanzminister Dr. Wirth erklärte einem Vertreter derVoss. Ztg." die aus der Besoldungserhöhung sich ergebende Mehrbelastung de» Reichs werde nach dem U.bereinkommen rund 3 bis 4 Milliarden betragen, für Reich und Länder zusammen rund 8 Milliarden. Länder und Gemeinden können bis­sen Mehraufwand nicht mehr ausbringen, es werde dar­aus hinauslaufen, daß das Reich auch ihren Anteil an der Erhöhung auf sich nehmen müsse. Dies würde nur möglich sein bei Erhöhung der Eisenbahn- und Posttarife, der Kohlen- und der Umsatzsteuer und durch Einführung einer Zuckersteuer. Die im Reichswirt- schastsrat vorgeschlagene Junggesellensteuer würds nur einen geringen Ertrag abwerfen.

Ein Erlaß des Reichsministers des Innern.

Leipzig, 14. Jan. Die unabhängigeLeipz. Volks- ztg." veröffentlicht einen ihr durch Vertrauensbruch in die Hände gefallenen Erlaß des Reichsministers des In- aern, reom, ver das Rekch-ftMzmkukstenüm darauf hin- weist daß die aas den gewaltsamen Umsturz der Ver­fassung hinzielende Werbearbeit der Radikalen in letz­ter Zeit immer größeren Umfang annehine, ohne daß gegen diese hochverräte ischen Umtriebe eingeschritten ivev- de. Das Reichsministerium des Innern habe daher di« Landesregierungen ersucht, die Polizeibehörden anzuwei- ' sen, daß solche Hochverrat-Versuche bei der Staatsanwalt­schaft zur Anzeige gebracht werden. Es wird gebeten, auch die Staat anwaltsch.isten anznn ei'en, na hdrückli 'e» als bisher gegen die hochverräterischen Bestrebungen eilt, zuschreiten.

Abwey» gegen den Kommimistnns.

Berlin, 14. Jan. Um Störungen durch beabsich­tigte kommunistische Kundgebungen zu verhindern, hat der Militärbefehlshcll er in Ostpreußen alle Umzüge und Versammlungen unter freiem Himmel zwischen dem 15. und LO. Januar verboten. Di» nichtkommunistischev BetrieiSrät« d»r Berliner Fabriken fordern die Arbei­ter aus, an d»r kommunisnschen Gedenkfeier für Lieb- knrcht upd Rvsa Luxemburg am Sam»jag nicht Pul- zun»hm»n . .