(Enztalbote)

Amtsblatt für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt

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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad.

Nummer 9

Fernruf 179.

R^ilcibkiä, Donnerstag, öen 13. Januar 19?1

Fernruf 179.

55. ^akrgang

Der Kam^f um d'e Weltmeere.

i.

Der hinter uns liegende Weltk.ieg war in gew, i.m Sinn eine Fortsetzung des Kamp'eS um den Atlantischen Ozean, den England im 17. und 18. Jahrhundert ge­gen die französischen Voll?' r'cha.trbestrebnngen durch- tocht und worin Brand.nbu g-Preußen den Engländern wesentliche Hilfsdienste leistete. Den Abschluß dieses Kampfes machte die Gllindung des Deutschen Reichs, am 18. Januar 1871, das die französische Nebenbuhler­schaft durch Bindung an ein sestlän isches Gegengewicht für England hinfort nngefäh lich machte. Erst durch den Frieden von Versailles und die wöllige En.waf'nung Deutschlands hat Frankreich nach -Westen, Süden und Südosten soweit freiere Hand bekommen, daß es nicht mehr von der Gnade Englands abhängig ist. Das Stre­ben Frankreichs geht ofsensi.schlich dahin, durch Ausbeu­tung der Wirtschastk ä'te des deutschen Sklavenstaats sein? alte Weltstellung wiell'' auszurichten.

Bismarcks auswärtige Poli ik, so schreiben dieLerptz. N. Nachr.", rechnete im G unde nur mit einer Lebens­frage für Deutschland: F ankre-ch in politischer Ver­einsamung zu erhalten. Unter Wilhelm II. a beitete sich Deutschland mächtig in die Weltwirtschaft und den Welt­handel hinein: daraus erwuchs ihm eine zweite, min­destens ebenso wich ige, Lebens'rag': die Osienhaltung des Zugangs zum freien Weltmeer. Der Weg ins offene Weltmeer führt für Deutschland z muhen Frankreich und England durch. Das Bedür'nis, Frank: ich und Eng­land auseinander und jenen Weg frei zu halten, wäre, im Sinne richtig verstandener Bi marck'cher Realpolitik, für Deutschland nunmehr also d inglicher gewesen, als das minder aussichtsreiche'Bemühen, die ruisisch-sranzö- sische Annäherung zu sprengen. Wilhelm II. und seine Berater haben dagegen um den unmöglichen Dreibund Rußland, Deutschland, Frankreich gerungen, mit dem Ergebnis, den Dreibund Rußland, England, Frankreich zustande zu bringen. Dieser Deeibund hat e die Möglich­keit, Deutschland den Zugang zum freien Weltmeer zu sperren und es gleichzeitig im Nucken anzugreifen. Das Nachspiel zum Entscheidung knmpf um den Atlantischen Ozean ist ansgegangen wie daS napoleonische Nachspiel hundert Jahre vorher. Es war England gelungen, schließlich sämtliche Anwohner des Atlantischen Welt­meers, mit Ausnahme von Spanien und Argentinien, gegen Deutschland zu führen. Die Vorherrschaft bleibt einstweilen den Angelsachsen, und ob sie sich darüber untereinander oder mit ihren Bundesgenossen geben Deutschland noch einmal in die Haare geraten: wir srnd, vermutlich auf lange Jahre, der Sorge überhoben, zu den weltpolitischen Fragen handelnd Stellung zu neh­men. Was von deutscher Politik übrig geblieben ist, ist wieder wesentlich Festlandspolink geworden.

Es ist nun unverkennbar, wie der Völkerringkampf nach Ausschaltung des deutschen Wettbewerbs auf das Stille Weltmeer hinüberrückt. Dort ist als jüngste Welt­macht Japan emporgekommen. Es liegt zum Stillen Weltmeer ungefähr so, wie England zum Atlantischen. England hat von den Anwohnern des Atlantischen Welt­meers der Reihe nach die Hansa, Spanien, Holland, Frankreich und das Deutsche Reich niede.gerung n, und die jenseitige amerikanische Küste, zwischen dem Aequa- tor und dem nördlichen Polarkreis, in weiter Ausdeh­nung unter seinen Einfluß gebracht. Wie sehr auch die Vereinigten Staaten diesem Einfluß unterstehen, haben wir und sie im Weltkrieg erst erfahren. Von den An­wohnern des Stillen Weltmeers hat sich Japan bisher erfolgreich mit China und Rußland auscinandergesetzt. Bei dem Versuch, an der Ostküste des größten Welt­meers Fuß zu fassen, ist es wiederholt aus den Widerstand der Vereinigten Staaten gef.offen. Die sind nicht gewillt, Japan die gleiche Rol.e spielen zu lassen, die England im Atlantischen Ozean gespielt hat, und von den übrigen Anwohnern schließen sich ihnen Kanada und Australien an. Diese drei großen Staatswesrn haben sich, wenn nicht alle Anzeichen trügen, über eine Flotten-Drohung aus diplomatischDemonstration" genannt verständigt, die an die japanische Adresse eine unmißverständliche Warnung richtet. Fast die ge­samten Seestreitkräfte der Vereinigten Staaten werden vor dem Westausgang des Panama-Kanals vereinigt. Zu ihnen soll das kanadische Geschwader ftoszen, das den Panama-Kanal durchsährt. Amerikanische und ka­

nadische Seestreitkräfte sollen dann gemeinsam das Stille Weltmeer überqueren, um den Anwohnern, in erster Linie den Australiern, die sich durch die japanische Aus­dehnung am stärksten bedroht fühlen, die Macht des geeinten Nordamerikas vor Auge» zu chihren. In Austra­lien dürfen die amerikanischen Flöt en eines begeisterten Empfanges sicher sein. Rechnet man hinzu, daß die Vereinigten Staaten in Ostsioirien ve amtlich bereits sehr fest sitzen, daß Kamtschatka, unwidersprochenen Nach­richten zufolge, von den Sowjet-Diktatoren an Amerika verkauft worden ist, so sieh, man in gro­ßen Zügen so etwas wie eine kommende Einkreisung Japans sich abzeichnen. Um den Ring zu schließen, fehlt von den Mächten, die zurzeit un fernen Osten mit­zureden haben, nur England. Uno England ist mit Japan verbündet.

Die deutsche Note

über Sherschlesien.

Dem Botschajterrat in Paris ist am 4. Januar eine Note der deutschen Reichsregierung übergeben worden, in der die Aufmerksamkeit aus die Zustände in Oberschlesien hingelenkt wird. Es wird darin u. a. gesagt:

Unerhörte Gewalt- und Greueltaten folgen sich in un­unterbrochener Reihe. Kein Tag vergeht ohne schwere Raubüberfälle. Wohlan >e ''.de Räuberbanden treten vor allem kn dem an Polen grenzenden östlichen und südlichen Bezirken aus und halten die friedlichen Bewoh­ner in ständiger Unruhe und Sorge. Politisch? Mord­anschläge und brutale Morde haben eine Verbreitung gesunden, wie sie wohl einzig in der Geschichte zivilisierter Völker dasteht. Im Bereich der Polizeidirektion Katto- witz ist seit Eintreffen der Verbandskommission die An­drst! der Morde um 243 Prozent, die der Raubüberfälle um 80 Prozent gestiegen. Die trostlose Lage hat ihre Ursache in der Unzulänglichkeit der Maßnahmen der Verbandskommission, die es trotz der ihr zur Ber­ingung stehenden Truppen unterläßt, irgendwie tatkräftig gegen die Verbrecher und Banditen vorzugehen. Die Ver­bandskommission hat auch die ausgezeichnete deutsche Poli­zei aufgelöst und an ihre Stelle mit unsicheren Elementen stark durchsetzte Polizejkräste gesetzt, die in keiner Weise für ihre Aufgaben taugen. Das Ueberschreiten der Süd- uud Ostgrenze wird zudem durch die Ausstellung von gänzlich unkontrollierten und auch unkontrollierbareu Sammelpässen sehr erleichtert, aus Grund deren dann die Leute zu Hunderten über die Grenze laufen. Die deutsche Regierung muß aber verlangen, daß der Ueber- gang über die Grenze einzig und allein auf die von der Verbandskomisssion bestimmten Straßen beschränkt bleibt. Es bars auch vor der Anwendung des Standrechts ge­gen Plünderung und Mord nicht zurückgeschreckt werden. Die deutsche Regierung erwartet von den Verbands-Regie­rungen, die die Verantwortung für die öffentliche Ruhe und Ordnung in Oberschlessien und für die gerechte Durchführung der Abstimmung übernommen haben, daß sie kein Mittel untersucht lassen, um in den bedrohten Grenzbezirken Ruhe und Ordnung zu schaffen und der Bevölkerung das Gefühl der Sicherheit zu geben, ohne das eine freie, geheime und unbeeinflußte Abstimmung unmöglich ist.

Neues vom Tage.

Die Urabstimmung der Eisen bahnbeamten.

Berlin, 12. Jan. lieber den Streik haben von 319 732 Beamten 235 000 abgestimmt, und 192 953 oder 60,3 «/o dafür. Da di- Ergebnisse aus Süddeutschland noch nicht vorliegen, dürste der Prozentsatz der Gesamtab­stimmung für ddn Streik noch etwas niedriger werden.

Elbkonscrcnz.

Dresden, 12. Jan. Die Internationale Elbekonfe­renz wird hier am 24. Januar zusammentreten. Außer Deutschland werden voraussichtlich vertreten sein die Tschecho-Slowakei, England. Frankreich, Italien und Bel­gien.

Die Not in Polen.

Berlin, 18. Jan. Warschauer Berichten zufolge hat die polnische Regierung der Uebergabe der polnischen Eisenbahnen an eine amerikanische Gruppe von Geldleuten gegen eine Anleihe zugestimmt. Die Eisen­bahnbeamten "werden Amerika» r sein und di« Bahn­

strecken sollen durch amerikanuu-e Zaeuvillige bewacht werden. Auch die Post, die mit großem Fehlbetrag arbeitet, soll gegen eine Anleihe verpfändet werden, worüber mit Schweden und England verhandelt wird. (Mit dem Besitz der polnischen Ei'enbahuen gewinnen die Amerikaner maßgebenden Einfluß aus deu russi­schen Markt, namentlich werden sie deu Durchgangsver­kehr zwischen Deutschland und Rußland nach Belieben unterbinden können.)

! Stapellauf eines polnischen Kriegsschiffs.

! Danzig, 12. Jan. In Danzig ist das erste polnische KriegsschiffPiliudski" vom Stapel gelassen worden.

Erfüllung der Beamtensorverungen in Oesterreich.

Wien, 12. Jan. Ter Haupiausschuß des National- s rats hat dem Antrag der Regierung aus Erfüllung der ( Forderungen der Staatsangestellten und Staatsbahnan- s gestellten zugestimmt. Das Mehrersordernis, sowie für s die entsprechenden Maßnahmen der Länder und Haupt- : stäbte beträgt schätzungsweise 4040 Millionen Kronen.

! Zur Deckung sollen die Tabakpreise, sowie die Alkohol- s steuer und die Eisenbahntarife erhöht werden, s Aranzösischer Ministerrat.

! Paris, 12. Jan. In dem unter dem Vorsitz Mille­rands gestern im Elysee abgehaltenen Ministerrat be- ! richtete Ministerpräsident LeygueS über die auswärAge ! Lage. Kriegsminister Raiberti legte einen Erlaß zur Unterzeichnung vor, der die Vollmachten der Mitglieder ! deS Obersten Rots für 1921 verlängert. Der Acker­bauminister, der bei den Senatswahlen unterlegen ist, machte Mitteilung von seinem Rücktritt. Nach HavaS soll der Unterstaatssekretär für Verpflegungswesen, Thon- myre, sein Nachfolger werden.

Paris, 12. Jan. Nach demJournal des DebatS" meldete die Ueberwachungskommission, daß die Waffen- ablieserung der deutschen Zivilbevölkerung im Ruhrge­biet, in Schlesien und in Ostpreußen ungenügend sei. Rußland und Rumänien.

Bukarest, 12. Jan. Auf die Aufforderung der Sowjetregierung, mit Rußland in Friedensvcrhandtungen einzutreten, antwortete der Minister des Aeußern, Ru­mänien sei nie im Kriegszustand mit Rußland gewesen und habe immer Neulrasität bewahrt, es sei also kein Grund zu einem Friedensschluß vorhanden. Dagegen werde es allerdings erwünscht sein, die strittigen Fra­gen der letzten Zeit zu besprechen. (Die Sowjetregierung will die Einverleibung Beßarabiens in Rumänien, das der Verband ihm zugesprochen hat, nicht anerkennen, außerdem hat sie deu rumänischen Staatsgoldschatz, der nach dem Einrücken der deutschen Truppen tu Rumänien während des Kriegs nach Rußlandgerettet" wurde, noch im Besitz und sie hat noch keine Veranstaltungen gemacht, ihn herauszugeben.)

Der Kohlenmaugel der Eisenbahn.

Berlin, 12. Jan. Sllt dem Beginn der Ausfüh- - rung des Spa-Abkommens hat der Eisenbahuverwaltung ! nicht mehr eine dem täglichen Verbrauch entsprechende f Kohlenmenge zugeteilt werden können. Vor allem waren

> auch die für eine wirtschaftliche Lokomotiofeuerung not­wendigen Koblensorten nicht in ausreichender Menge vor­handen, da gerade sie von der Entente verlangt wer-

> den. Die Kohlcnvvrräke der Reichsei'enbahnen sind in- i folgedessen ständig und in letzter Zeit besonders stark zr»>

! rückgegangen. Zur Zeit und fast überall nur nvck>

! Vorräte für weniger als 10 Tage vorhan- ' den. Damit nähert sich die Lage dem Gefahrpnnkt, daß

der Betrieb ans Mangel an Dienstkohlen nicht mehr in f vollem Umfang durchgesührt werden kann. Die Möglich- j keil, daß der Personen v er kehr eingeschränkt , werden muß, um den n^nrndigen Güterverkehr sicher ! zu stellen, ist nicht ansge'cklnssen'

^ Kämpfe in Anatolien.

! Rom, 1L. Jan. Die ..Agenzja Stefans" meldet aus i Kvnllantinopek unter dem 10. Januar: In Smyrna 1 tr n andauernd Verwundete ans den Abschnitten Brus- sa und Uschak ein. Der Widerstand der Türken in diesen Abschnitten wird stärker. Die Griechen machen nur einige Fortschritte. in der Richtung Jnochi. Nach den letzten Nachrichten scheint es, daß die Griechen Denigli besetzt haben. Bedeutende griechische Verstär­kungen sind dorthin abgegangen.