Welche von Beiden.
Noveletie von I. Piorkowska.
Nachdruck verbeten.
2 .
„Gelungenes Versmaß I" spottete Georg.
„Du gehst doch auch nicht nach Deutschland zurück?"
„Das sind Freiheiten, die man sich in poetischen Ergüssen wohl erlauben darf," rechtfertigte sich Bernhard.
„Ich bin überzeugt, daß sie nicht kommt!" bemerkte ich.
„Und ich möchte wetten, daß sie kommt! Jedenfalls ist es des Versuches wert. Außer den kleinen BrownS giebt es hier überhaupt kein Mädchen und bis diese erwachsen sind, müßte ich acht Jahre warten. Es ist eben mein Pech, daß die einzige Heiratsfähige, die im letzten Jahr hierher gekommen, meine eigene Schwester ist! Ich wüßte auch gar nicht, weshalb Lilly nicht kommen sollte I Wenn nur erst die nächsten Monaten der Spannung und Erwartung vorüber wären I"
„Du hast den Brief doch nicht wirklich abgcschickt ?" fragte ich, die ich eS kaum glauben konnte.
„Gewiß ; weshalb denn nicht ?" erwiderte er mir.
Ich kann nicht leugnen, daß die Ueber- zeugung, baß er nicht nur einen Scherz mit uns trieb, mich wenig erfreute.
Lilly war lange nicht gut genug für meinen Bruder. Sie war sehr hübsch, sehr musikalisch, das war aber auch Alles. Doch was half cs, Bernhard das Herz jetzt schwer zu machen? Ich konnte nur hoffen, daß sic auf seinen so leichtsinnigen Antrag nicht eingeh, n würde; die ganze Idee war auch zu absurd, damit tröstete ich mich.
II.
„DaS muß ich sagen, Harry ist naiv!" meinte mein Manu eines Morgens, als wir denn Frühstück saßen und ercbe» einen Brief sein-s Bruders las, „schreibt er mir da, er müsse eine GeschäsiSr-tsc nach Europa machen, und da er Sofie nicht allein in Melbourne lass n wolle, ichicke er sie uns; ich möchte sie am 15. in Canning abholen."
„Nun," antwortete ich lachend, „wir haben ja Platz genug, warum sollte sie uns nicht willkommen sein? Wie alt ist Sophie eigentlich?"
„Harrys Frau ist fünfzehn Jahre tot, damals zählte die Kleine sechs Jahre, also steht sic im zweiundzwanzigsten Jahre, übrigens versprach sie, als ich sic zuletzt sah, sehr hübsch zu werden. Weißt Du, Marie," fuhr er plötzlich, wie von einem neuen Gebauten beseelt, fort, „ich glaube, Softe ist wie geschaffen zur Frau für Bernhard."
Soll ichs leugnen? Mir selbst war dieser Gedanke bereits durch den Kopf gefahren. Und die Geschichte mit Lilly hatte ich fast vergessen, und mein Bruder, glaube ich, dachte überhaupt nicht mehr daran.
Georg schilderte mir seine Nichte in so glänzenden Farben, daß ich nicht wußte, ob ich eifersüchtig sein oder sie deshalb schon im Voraus i» mein Herz schließen sollte.
Als sie aber wirklich kam, war ich ganz entzückt von ihr.
Zeitig am Nachmittag war mein Mann mit einem Reservepfcrd nach jCanning geritten, um sie dort in Empfang zu nehmen.
Gegen Abend stellte sich Bernhard bei mir ein, seine neue Verwandle zu begrüßen.
Als wir Zwei langsam den Weg hinab- schrittcn, aus welchem mein Mann mit Softe kommen mußte, blieb Bernhard plötzlich lauschend stehen.
„Horch, da kommen sie!" sagte er. Auch ich hörte Pferdegctrappel aus der Ferne.
Doch in der nächsten Minute bei einer Biegung des Weges, meinte mein Bruder plötzlich:
„Mein Gott, das ist ja nur ein Pferd; und das kommt im Galopp hcrbeigejagt I"
Ein Augenblick — und ich mußte zur Seite springen, um nicht umgcrannt zu werden. Ein Pferd kam in vollstem Galopp herbei, auf seinem Rücken eine schlanke Mäd- chengestalt, die leicht nach vorn gebeugt, angstvoll des Tieres Hals umschlungen hielt. Bernhard aber halte die nötige Geistesgegenwart, schnell trat er dem Pferde in den Weg und griff mutig in die Zügel.
Doch ehe ich selbst recht zur Besinnung gekommen war, hat er das Mädchen aus ihrer gefährlichen Lage befreit und sie von dem Pferd herabgehobcn.
Ich dachte, sic würde halb ohnmächtig sein vor Angst und Schrecken, aber keineswegs — sie hatte ihre volle Ruhe bewahrt.
„Sic müssen mich für eine sehr schlechte Reiterin halten," Hub sie nach der ersten Begrüßung an, als wir Drei neben einander hergingen, Bernhard den Durchgänger am Zügel führend, „ich habe in Melbourne allerdings wenig Gelegenheit, mich im Reiten zu üben."
Inzwischen kam auch Georg eilends her- bcigeritten. Schon nach der ersten halben Stunde ward ich ganz verliebt in meine neue Verwandle und eS entging mir nicht, daß sie auch auf Bernhard den günstigsten Eindruckmachte; und überzeugt, daß er an Lilly gar nicht mehr dachte, fragte ich ihn: „Was meinst Du wobl, würde Lilly an SosteS Stelle gelhan haben?"
Mit dieser Bemerkung hatte ich ihn zwar sehr böse gemacht, dar hinderte aber nicht, daß er von jenem Tage an mindestens einmal öfter zu uns kam, als bisher.
Damit Sofie an der Life nicht wieder ähnliche gefährliche Erfahrungen machte, wie am Tage ihrer Ankunft, gab er ihr Unterricht im Reiten, und zwar mit einem solchen Eifer, einem solchen Interesse, wie sie mir bisher an meinem Bruder fremd gewesen wann.
Während ich aber beobachtete, wie die Zwei einander täglich näher traten, drängte sich mir immer und immer wieder der Gedanke an Bernhards Brief an Lilly auf.
Mein Bruder schien ihn ganz vergessen zu haben. Als ich ihn eines TageS daran erinnerte, versetzte er lachend : „O, es ist ja Thorheit, daran überhaupt noch zu denken; die Sorgen in meiner Junggescllenschast müssen mich damals rein um meine fünf gesunde Sinne gebracht haben ! Lilly wird mich schön um dieses Streiches willen auSlachcn und verspotten, wenn ich jemals wieder in die Heimat zurückkehren sollte I"
„Du magst sie also nicht mehr zur Frau haben?" fragte ich in aller Unschuld.
„Nein," entgegne» er und ging pfeifend davon, offenbar, um dieser im fatalen Unterhaltung aus dem Wege zu gehen.
Ich wußte recht gut, was das zu be
deuten hatte ; doch seufzend dachte ich, wenn wir Lillys ablehnender Antwort nur erst sicher wären.
So verging die Zeit.
Bernhard war inzwischen mehr bei uns als in seinem eigenen Hause, und die Reit- stunden waren so häufig und endlos, daß Softe sich — meiner Meinung nach — mit ihrer Reitkunst schon hätte in einem CirkuS sehen lassen können.
(Fortsetzung folgt.)
Vermischtes.
(Heiteres aus ernster Zeit.) Wies in der Cholerazeit dem Hamburger Pferdc- tranSporteur (Koppelknecht) Simon Levy im Harz erging, davon erzählt das Hamburger Tageblatt folgende drollige Geschichte: Levy wurde von einem Pferdehändler mit einer Koppel Pferde nach der Zuckerfabrik Wolferö- schwendc am Harz gesandt; es gelang ihm, glücklich alle Fährlichkeiten zu überwinden. Die Pferde wurden zur Zufriedenheit sbge- liefert, und wohlgemut wandcrte der Transporteur auf Roßla zu, von dort mit der Bahn nach Hamburg zurückzukehreu. Levy besucht nun aber die Gegend fast jeden Monat und ist dort eine bekannte Persönlichkeit. Als er sich in einem Dorf zum Mittagessen niederließ, war er nicht wenig erstaunt, als einige bekannte Landleute ihn nur oberflächlich grüßten und sofort das Lokal verließen. Keine zehn Minuten waren vergangen, als in seiner ganzen Amlswürde der Schulze, begleitet von dem Gemeindcdiener, sichtbar wurde, der Levy ausforderte, ihm zu folgen. Im Spritzenhaus war der Rat des Dorfes versammelt. Der Schulze studierte eifrig die Bekanntmachung des Landrats und kam zu dem Schluß, der Delinquent müßte desinfiziert werden. Wie das aber anstelle,,, da ein DeSinfeklionsapparat im Dorfe nicht vorhanden war? Den gordischen Knoten löste endlich ein Hausschlächter, der vorschlug, den Verdächtigen einige Stunden in der Rauchkammer des Schulzen unterzubringcn und schwach anzuräuchern. Der Vorschlag wurde ausgeführt. Einige Stunden später erfuhr der berittene Gcnsdarm von dem Vehmgcricht. Als vernünftiger Mann befürchtete er, daß der Angeräncherte erstickt sein würde. Mil Angst und Sorge schlich der Gemeinderat zur Wurstkammer. Statt des To>en, den man zu finden fürchtete, erblickte man Freund Levy ganz gemütlich auf einer Kiste und . . . eine mächtige Wurst verzehrend. Derselbe, mit den Einrichtungen ländlicher Räucherkammern bekannt, hatte den Schieber, der den Rauch aus dem Schornstein in die Rauchkammer leitet, zugeschoben und sich in dem nun kühlen Raum eine Mettwurst zu Gemü» gezogen, da er seit 5 Uhr morgens nicht gegessen. Der Schulze verzichtete auf weitere Desinfektion und war froh, daß Levy mit dem Rest der Wurst weiter pilgerte.
Hinweis.
* Der heutigen Nummer unseres Blattes liegt der Preiscourant für die Wintersaison 1892 des I. Versandt- und Spezialgeschäftes von Gebrüder I. u. P. Schulhofs in München, Thal 71 bei. Dasselbe hat sich durch seine reellen Waren zu enorm billigen Preisen in der ganze» Umgegend eingeführt und ist der Bezug in kleinen Pariien von diesem Vcrsandgeschäft sehr zu empfehlen.
rnhard Hosmann in Wildbad.
Attantivsrtüchcr Aeikskmr -Bernhard Hsfvlann.) Dm« und Verlag v«n B k