Reisenden mit, und voraussichtlich wird der „scherzhafte" Jüngling den Sonntag unter Beobachtung in Neu-Brandenburg zugebracht haben.
Berlin, 18. Sept. Den Abendblättern zufolge wurde gestern Fräulein Bohlken, welche bis zum 12. September Cholerakranke Frauen in Hamburg gepflegt hatte, und Musikdirektor Berielstu, welcher am 15. Sept. aus Hamburg hier eingetroffen war, in daS Moabiter Lazaret eingeliefert. Bei beiden ist asiatische Cholera konstatiert.
— Gewaltige Furcht vor der Cholera scheint ein Berliner Bankkassierer zu haben, welcher sich täglich vollständig mit Karbol wäscht. Ferner trägt der Betreffende im Bureau zGummiüberzüge über die Finger, um da» Geld, welches durch seine Finger geht, nicht direkt zu berühren. Ganz besonders vorsichtig ist der Kassierer mit Goldstücken, welche das Hamburger Wappen tragen. Diese bespritz er jedesmal, bevor er sie »nsaßt, mit Karbol!
Kirchdorf, 19. Sept. Der Gesundheitszustand des Prinzen Hermann zu Schaumburg Lippe ist noch immer sehr besorgniserregend. Die letzten 24 Stunden verliefen sehr unruhig; der Prinz phantasierte un
unterbrochen und war fast schlaflos; die Nahrungsaufnahme ist geringe, Pul- und Temperatur jedoch sind normal.
— (Eine Prügelei zwischen Generälen.) Der „Dziennik Poznanki," meldet aus Warschau : Zwischen dem Corps-Kommandeur Swistunow und dem D'visious-Kavallerie, General Riesenkampf kam es zu einem skandalösen Auftritt, als Erstcrer dem Zweiten beim Rapport Lockerung der Disziplin seiner Division vorwarf und ihm die Nachsuchung seiner Versetzung au« Warschau anriet. Letzterer wieS das Ansinnen energisch zurück; als Swistunow ihm Strafe androhte, zog Riscnkampf seinen Revolver und begann den Korpskommandcur mit Kolbenstößen z» traktieren. Die Dienerschaft fesselte Risenkampf, dem Swistunow zahlreiche Fußstöße versetzte. Auf telegraphische Meldung an den Zaren erging die Antwort: Der General Riscnkampf verriet immer große Ncrvenzerrüttung, ist in einer Irrenanstalt untcrzubringen, General Swistunow vor ein Kriegsgericht zu stellen. In Warschau erregt der Vorfall großes Aufsehen.
-- Der Direktor der großen Norman- scheu Buchdruckerci-Aktiengesellschaft u. Zent- raldrnckcrei in Stockholm, Andreas Höker
berg, ist seit dem 11. d. M. verschwunden; er (unterläßt gegen 200,000 Kronen (225,000 Schulden an seine Gesellschaft.
— In dem Brooklyner Marinehof brach am Samltag Feuer au« , welches die Ms-^ schinnuverkstätlenjstark beschädigte. Die Ma- Ichincn des neuen Kreuzers Cincinnati erlitten großen Schaden und ein großer Teil be< Inventars wurde vernichtet. Der Verlust beträgt 500,000 Doll.
— Am Freitag töteten auf der Breitenbacher Flur im Eichsfelde (Reg.-Bez. Erfurt) dem Nordhäuscr Courier zufolge zwei Jäger beim Hasenschießen d«S jüngste Kind, sowie die 16jährige Tochter des Arbeiters Godehard und verwundeten vier andere Kinder eben desselben Godehard.
— Am vorigen Freitag wurde in Wien um die Mittagsstunde in einer der lebhaftesten Straßen ein Raubmord verübt. Ein junger Goldarbeitergehilfc Namens Johann Lammet wurde im Laden Prinzipals in der Schönbrunnerstraßc von einem Unbekannten überfallen und ihm mit einer Hacke die Schä- deldeckc gespalten, so daß er alsbald tot war. Dann wurden 45 goldene Uhrkettcn im Gesamtwert von 2000 ^ geraubt.
Welche von Beiden.
Nov.lette von I. Piorkowska
Nachdruck verboten.
1 .
Wenn ich eS mir recht überlege, kann ich mir nicht verhehlen, daß ich eigentlich recht schlecht an meinem Bruder Bernhard gehandelt habe.
Sobald er sich in Australien als Direktor eines neuen Kohlenwerks eine feste gesicherte Stellung erworben, und ein hübsches kleines Häuschen gebaut hatte, ließ er mich Nachkommen, vermutlich in der Erwartung, daß ich ihm Haus halten sollte, bis sein Glück gemacht war und wir zusammen nach Europa, nach Deutschland zurückkehrcn könnten.
Er hatte aber nickt bedacht, daß in Queensland eine h iraisfähige junge Dame ein sehr rarer und vietgesuchler Artikel ist. Ich befand mich noch keine drei Wochen in Wy- maring, so bewarb sich auch schon ein halbes Dutzend um meine Hand. Einer der derselben, ein Deutscher, Georg Seiffart, war gerade so vereinsamt wie mein Bruder. Nicht weit entfernt von uns besaß er eine Farm, und ein Häuschen wartete dort meiner, daß einen ganz besonderen Reiz für mich hatte, kurz, nach sechs Monate» wechselte ich meinen Namen und folgte Georg in mein neues Heim.
Für Bernhard that er, was in seinen Gräften stand. Zur Entschädigung für mich gab er ihm seinen eigenen Diener, einen etwas dummen, starrköpfigen Irländer, der waschen, nähen und kochen sollte und sich auch um Pserd und Garten kümmern mußte. Für Bernhards einfache Lebensweise hatte er aber einen viel zu feinen Gaumen, und was das Nähen anbelangte, so hatte der Mensch wohl noch nie in seinem Leben eine Nadel in der Hand gehabt.
So schmeichelhaft es für mich auch war, that mein Bruder mir doch unendlich leid, als ich sah, wie unzufrieden der Tausch ihn machte.
Eines Abends kam er, wie er dies oft
zu thnn pflegte, nach unserer Farm geritten.
„NlchlS wie Aergcr!" rief er heftig nach der ersten Begrüßung, „v, dieser Mensch I"
„Was giebtS denn wieder? Will er nicht kochen, wie Du es wünschst ?" fragte ich.
„Wenn's das nur wäre I" lautete die Antwort, „er ist fort l"
„Fort?" riefen Georg und ich wie aus einem Munde.
„Ja, ich setzte ihn wegen Etwas zur Rede; das scheint ihm nicht gepaßt zu haben, wie ich eine Stunde später nach ihm rufe, ist er auf und davon."
„Schade," meinte Georg, „er war bei all feinen Fehlern doch ein ehrlicher, rechtschaffener Mensch."
„Meinst Du?" entzegnete mein Bruder mit bittersüßer Miene, „na, ich kann nicht sagen, daß ich ihn vermisse, wenn meines ValcrS goldene Uhr und noch verschiedenes Andere nur nicht mit ihm verschwunden wären. Weißt Du, Schwager," fuhr er in gereiztem Tone fort, „eigentlich wäre cs nur recht und billig, wenn meine Schwester wieder zu mir käme, ich habe sie Dir nur mit der Bedingung gegeben, daß dieser John dafür bei mir bleibt."
„Was sollte ich ohne meine Marie anfangen ?" entzegnete mein Mann, indem er seinen Arm um meine Taille legte, mich fester an sich zog und lächelnd zu mir nie- dersah; „ich will Dir aber einen andern guten Rat geben, Schwager, Du mußt heiraten."
»Ja, Bernhard, Du mußt heiraten," stimmte auch ich bei.
„Ist das Euer Ernst ?" sagte mein Bruder und sah uns dabei mit frohem Lächeln an, „nun, dann wißt, daß ich gestern einem Mädchen einen Heiratsantrag gemacht habe."
„Du?" wiederholten wir Beide in höchstem Erstaunen, „gab es doch vierzig Meilen in der Runde kein heiratsfähiges Mädchen."
„Aber sag mir um Alles in der Welt, wem denn?" fragte ich endlich.
„Du brauchst nicht zu erschrecken, Schwester," erwiderte er lachend, „ich will weder eine Eingeborene noch die Alte heiraten, die
da drüben den Krämcrladen hat. Nein, nein, ich habe deshalb nach Deutschland schreiben müssen." i
„Aber so sprich doch, wem denn?"
„Lilly Sanders."
„Lilly Sanders? Wäret Ihr denn schon verlobt?"
„Nein, aber ich habe sie immer gern gemocht. Sie kann kochen und nähen, und aus zuverlässiger Quelle weiß ich, daß sic stets eine besondere Vorliebe für mich hatte."
„Was hast Du ihr denn geschrieben?" forschte ich.
„Nun, ich schrieb ihr, daß, seit ich sie zum letzten Mal gesehen, ich keine Minute an ein anderes Mädchen gedacht hätte —"
„Besonders, da Du kaum eins gesehen hast," siel Georg ihm ins Wort.
„Daß ich eine Frau brauchtefuhr Bernhard, der Unterbrechung nicht achtend, fort, „und fragte sie, ob sie sich entschließen könnte, hierher zu kommen und mich zu heiraten. Ich würde sie dann in Brisbane treffen und mich sofort dort mit ihr trauen lassen; ich zweifle nicht, daß wir sehr gut zu einander passen und sehr glücklich mit einander leben würden."
„Kurz und bündig!" lachte Georg, „das muß ich sagen."
„O, das ist noch Alles; ich habe ihr auch noch ein schönes Gedicht gewidmet, das sie schon herlocken wird," versetzte Bernhard, indem er einen Zettel aus der Tasche zog, „hier habe ich den ersten Vers, wollt ihr ihn hören?"
„Als Kinder gingen Hand in Hand,
Zu suchen schön Vergißmeinnicht,
Wir über Feld und Wiesenland,
Wie Liebesleut' —entsinnst Du Dich? — Die Blümlein alle sind Verblüht,
Sind welk, sind hingestorben,
Ich aber bin gekehrt zurück Und Hab' um Dich geworben.
Willst, Liebling, Du mein Eigen sein? Willst kommen nach Australier?
Laß hören mich kein traurig' nein,
Für ewig laß es sein ein ja!"
(Fortsetzung folgt)
Bruck und Verlag von Bernhard Hosmann in Wildbad. (Verantwortlicher Redakteur Beruh. Hofmann.)