In Sturm und Drang.
Novelle von C. Western.
(Nachdruck verboten.)
14.
„Wann war das?"
„Um 7'/- Uhr etwa: cs war eben hell I"
„Und hatten Sie am Abend vorher nichts bemerkt?"
„Nichts!"
„Waren Gäste da?"
„Wie gewöhnlich ! Einige vorüberfahrende Fuhrknechte u. ein paar Handwerksburschen!"
„Keine streikenden Arbeiter?"
„Nein!"
„So hat der Verwundete die Nacht über dort gelegen?"
„So scheint es!"
„Mein Gott, mein Gott!" stöhnte Herr Reichart dazwischen. „Wo ist mein Sohn jetzt?"
„Ich habe meinen Kutschwagen anspan- nen lassen/' erklärte Sämlein, gleich müssen sie hier sein!"
Das machte Herrn Reichart lebendig. Schnell gab er D-fehle und im Gartensalon ward neben dem Bette Siegfried von Arnberg ein zweites ausgestellt, dann stieg Herr Rcichart zu Pferde, um dem Sohn entgegen- zureilen, als eben der Wagen langsam in das Thor der Vllla einlenkte.
Sorgsam trug man den Kranken ins Haus und die Aerzte begannen ihre Untersuchung.
„Es ist fast derselbe Stich wie bei Herrn von Arnberg! bemerkte der eine Arzt.
„Allerdings I" bestätigte der dem jüngeren Arzte zur Seite stehende Ppysikus. Zur Beruhigung der Frauen und Herrn Reichart's glaubten indeh beide einen günstigen Verlaus in Betreff der Wunde Eduards in Aussicht stellen zu können.
Da eilte plötzlich Marlh« Voß herbei. Durch alle Diener und alle Anwesenden bahnte sie sich einen Weg zu Eduards Lager.
„Eduard, Eduard," rief sie mit herzzerreißendem Tone, „soll ich nun auch Dich verlieren?"
Damit knirete sie an seinem Bette nieder. Herr Rcichart schloß diskret die Thür.
Die beiden Dame» des Hauses ließen Martha still gewähren, als sie die Pflege Eduard's mit übernahm und die folgende Nacht im Lehnstuhl neben seinem Bette verbrachte, im klebrigen teilten sich alle drei in die Pflege der Kranken. Martha verließ Eduard nur, um Mutter und Bruder zu Grabe zu geleiten, dann nahm die verhärmte Gestalt Marthas ihren Platz wieder am Krankenlager Eduards ein. Wie eine Diakonissen übernahm sie stets den schwierigsten Teil der Krankenpflege und ze'gtc darin, wie weil die schlichte Tochter deS Volkes den Salondamen in lhätiger Liebe, Aufopferung und Selbstlosigkeit voraus.war.
Arnold hatte die T age bis zum Begräbnis der Mutter und des Bruders in dumpfer Betäubung verbracht, jetzt schickte rc sich an, wieder nach Ditlerau abzugehen.
Martha sollte »och in der Villa bleiben. Das junge Mädchen war unirmühjich. Sie reichte den beiden Kranken den? kühlenden Trunk, sie wusch die Wunden und verband sie, sie benahm sich dabei so geschickt, daß Fräulein Clelia gestehen mußte, im echt Weiblichen sei ihr das Arbeiterkind überlegen.
Dieselbe Bemerkung machte der alte Herr Reichart in einer vertrauten Stunde auch gegen seine Frau.
Der rote Lambert war nach Amerika entkommen ; er beabsichtigte jetzt, die neue Welt mit seinen Lehren zu beglücken. Nördke hatte die Unthat bekannt und darauf hiu wurde man bald der Hauptverbrecher Herr. Sie erhielten sämtlich schwere Zuchthausstrafe».
Ehe Arnold nach Ditterau abreiste, trat er bet Nachbar Rupert in'S Stübchen.
Vater Rupert saß mit einem Buche am Tische in der Nähe des Ofens, denn es war Dezemberkälte eingetrcten und ein scharfer Wind umpfiff das Haus. Vroni machte sich im Schatten der Lampe zu thun. Sie war ruhiger geworden, denn sie glaubte Arnold zu verstehen. Er hatte sie ja nicht sufge- geben, er hatte nur dem kranken Bruder das letzte Glück, nicht rauben wollen. Jetzt stand nichts zwischen ihnen, als der Schatten Gerhard'«. Sie hatte daher Arnold'« Rückkehr erwartet. Um ihr Erröten zu verbergen, wandte sie sich jetzt ab, obschon sie ihm am liebsten um den H>ls gefallen wäre. Als Rupert Arnold erblickte, reichte er ihm die Hand und sagte tröstend:
„Wer hätte das gedacht!"
Arnold seufzte laut und meinte dann:
»Ich komme wegen Martha! Wenn sie die Villa verläßt, nehmt sie, bitte, auf I Ich muß nach Ditterau, werde aber dort nicht bleiben!"
„Wie?" fragte Vroni plötzlich, Du kehrst zu uns zuiück?"
Er schüttelte den Kopf und sagte:
„Wenn die Erregung in Martha's Seele dem kühlen Gedanken wieder Platz gemacht haben wird, wird sie einschen, daß ihres BlnbenS hier nicht länger ist I Seit längerer Zeit macht nur ein reicher norwegischer Grundbesitzer, der über viele Fichtcnwaldungen verfügt, Anträge zur Gründung einer großen Schnitzerei. Bisher habe ich seine Anträge alle abgelehnt, der Mutier und Gerhard wegen, jetzt werde ich sic aber annehmen und Martha wird mich begleiten! Dann ist uns allen geholfen I"
Der alte Rupert nickte und sagte:
„Hast Recht, Arnold! Der Mensch soll nicht a. der Scholle kleben I Folge diesem Rufe, der Dir Ansehen und Vermögen in Aussicht stellt, .folge ihm und Gott sei mit Dir I"
„Ich Danke Dir, alter Freund!" erwiderte Arnold und machte sich zum Gehen bereit. Vroni aber geleitete ihn hinaus. Als sie allein waren, ergriff Arnold ihre Hand.
„Vroni," sagte er und seine Stimme zitterte, „zürnst Du mir? WaS zwischen unS stand, liegt begraben still ans dem Friedhof," — cs klang w>e verhaltenes Schluchzen in seiner Stimme — „laß mir ein wenig Zeit und wenn ich die Reise nach dem Norden antrete, darf ich dann eine liebe Hoffnung mit mir nehmen?"
Das junge Mädchen bemeisterte den lauteren Schlag seines Herzen« und cntgegnete leise :
„Sprich mit dem Vater, Arnold I Adieu I"
Sie schloß die Thür und verschwand in ihrer Kammer; die Thränen, welche sic dort weinte, waren Frcudenthräncn.
IX.
Weihnachten war vor der Thüre.
Die Kranken auf der Villa hatten die Krisis Überstunden. Martha konnte die Krankenstube jetzt verlassen, aber Herrn von Arnberg, dessen Anschauungen über das „Heldenmädchen" sich wesentlich geändert hatten, mochte seine Pflegerin noch nicht entbehren. Er flüsterte viel mit seiner Verlobten und Clelia behandelte Martha ganz wie ihre Schwester so lieh, so freundlich, so vertraulich. Frau Rcichart lieble die brave, anspruchslose Martha jetzt fast wie ihre eigene Tochter und wenn sie Martha erblickte, zog cs wie ein Sonnenschein über ihr mildes Gesicht.
Eduards Wunden waren die schlimmeren gewesen. Er kam auch zuletzt wieder zu seinen Kräften.
In den letzten Tagen hatte der Kranke eine Unterredung mit dem Vater gehabt, und nach dieser lächelte er oft und genas schneller »l« Alle erwarteten. Am heiligen Abend wollte Martha die Villa verlassen, sic hatte dies brieflich mit Arnold abgemacht; bei Ruperts wollte sie bleiben, bis der Bruder sie abrief. Wenn sie aber an die Trennung von Eduard dachte, da krampfte sich ihr Herz zusammen.
Es dunkelte schon, als Martha, nachdem sic ihre wenigen Sachen ! zusammengepackt hatte, sich anschickte, von Eddi Abschied zu nehmen. Da erschien Clelia und führte sie mit sich auf ihr Zimmer. Sie zog Martha zu sich auf das Sopha und begann herzlich:
„Liebe Martha, lassen Sie unS von heute an Schwestern sein! Wir wollen uns Du nennen und liebe mich ein wenig, wie ich Dich I"
(Schluß folgt.)
Vermischtes.
(Bestrafte Unhöflichkeit.) Da« Prädikat „Herr" bildete am SamStag vor einem Berliner Schöffengericht den Gegenstand einer Beleidigungsklage. Der Kaufmann B. hatte vor Zeugen geäußert, der Kaufmann W. wäre kein „Herr", „weil er in früheren Jahren Hausdiener gewesen sei." Der Gerichtshof zeigte sich mit dieser Motivierung nicht einverstanden und verurteilte B. zu 30 Geldstrafe und zur Tragung sämtlicher Kosten.
Unsere Dienstboten. Frau A.: «Ich darf Sie doch für nächsten Sonntag Nachmittag auch erwarten, liebe Frau Assessorin, zu einem Täßchen Kaffee, nicht wahr? — Frau Assessor: „Bestimmt kann ich cs Ihnen noch nicht versprechen, ich muß erst mein Dienstmädchen fragen ob es am Sonntag nicht auszugeheu gedenkt I"
.'. (Der Druckfehlerteufel. Die Furcht vor der Cholera, vor Steuern und sonstiger Lebensnot scheint auch in der Tierwelt hier und da eine Panik hervorzurufen. So wird der „Kreuznacher Ztg." aus Arnsheim berichtet: „Ein geistig gestörter Käfer stürzte sich hier von der Galerie des Kirchturms herab und fand feinen Tod."
.-. (Beim Examen.) Professor: „Was würden Sic ihn», wenn Sie sich vo» einem Kranken die Zunge zeigen ließen und di>- selbc vollkommen rein fanden?" — Kandidat der Medizin: „In diesem Falle würde ich mit dem Kopfe schütteln und >So, so', oder ,Hm, hm' sagen."
.-. (Im zoologischen Garten.) Hans (vor dem Elefantenhaus): „Mama, bringt die jungen Elefanten auch der Storch?"
Berantwsrtlicher Redakteurr Bernhard Hojwann.) Druck und Bcrlag von Bernhard Hoimann in Wildbad.