Dabei schlug da- ungestüme, nach Wasser verlangende Tier aus und traf den treuen und besorgten Knecht derart, daß er bald tot zur Erde fiel. Der Unglückliche war ein noch junger Mann, er hinterläßt die Witwe mit drei unversorgte» Kindern.
— Aus einem Ameisenhaufen. Eine unerhörte Greuelthat melden aus Straßburg i. E. die dortigen „N. N.": In dem Vororte Neuhof wurde am 17. August in aller Frühe von den Knechten des Melkers Johann Hetzet von hier im Garten der Villa Reuß ein Kind in schrecklicher Lage aufgefunden. Mitten in einem großen Ameisenhaufen, es waren große rote Waldameisen, lag, ganz entblößt, ein großer, starker, aber schrecklich zugcrichteter blondlockiger Knabe im Alter von ungefähr sechs bis sieben Monaten. Der Hals war mit einer großen Binde zugeschnürt, was wahrscheinlich den armen kleinen Märtyrer zum Ersticken bringen sollte. Die Füße des Aermsten lagen aus einer Dornenhecke, was dem Kinde bei jeder Bewegung schreckliche Qualen verursachte. Die Knechte Hollen sofort Hilfe. Der kleine Knabe wurde aus seiner qualvollen Lage befreit und der Obhut des Pfarrers Neid-
hard von hier anvertraut, der sich liebevoll de- Kindes annahm.
— Ein nettes Stückchen leistete sich dieser Tage ein Kaufmann in Zwcibriilken. Er glaubte die neueingesührte Sonntagsruhe gut dazu benützen zu können; um einen Konkurrenten „eins anzuhängen"; er schickte nach Geschäftsschluß seinen Gehilfen um einige Zigarren dsrlin, welche diese auch erhielt, was zur Anzeige gebracht wurde. Hierauf wurde der Zigarrenverkäufer um 1 ^ gebüßt, der gesandte Gehilfe um 3 ^ und der erstere Geschäftsmann wegen Verleitung zur Gesetzesübertretung um 6 ^
Grindelwald, 20. Aug. Gestern mittag konnte der Feüersbrunst Einhalt gethan werden ; 90 Firste sind niedergebrannt, 400 Ortseinwohner sind obdachlos. Die einge- äschcrten Hotels beherbergten 200 Fremde; die meisten büßten ihr ganzes Gepäck ein.
— Ei» Fund von großem Werte wurde, wie aus Genf gemeldet wird, auf den Berg Saleve in der Nähe der französischen Grenze gemacht. An der elektrischen Bahn beschäftigte Arbeiter fanden in einer Höhle mehrere Tausend Münzen des 11. Jahrhunderts vom Bischof Friedrich von Genf, von denen eine
bis jetzt den Wert von 2000 Fr. hatte. Das Ereignis macht hier großen Eindruck.
Paris, 22. Aug. Ein Eiscnbahnzug entgleiste gestern auf der Brücke, welche über den Orbcflnß führt, bei Cessenon (Departement Härault). 4 Personen sind !ot, viele leicht verwundet; die Lokomotive und mehrere Waggons liegen in Trümmern. Der Eisenbahndienst ist unterbrochen.
.,. (Der Zufriedene.) Ich mach' weiter keine große Ansprüche an's Leben, aber bei Tisch muß ich einen bequemen Platz haben, auch muß es hell sein und nicht zu warm und nicht zu kalt; lieber ein jpaar Schüsseln mehr, als wenn es einen friert oder wenn man vor Hitze schwitzen muß. Mit dem Wein bin ich nicht heikel, aber der weiße schmeckt mir viel besser, wenn ich vorher genug roten getrunken habe. Hat man genug gegessen u. getrunken, so geht nichts über eine gute Ruhe. Eine gute Ruhe ist für einen Mann von meinem Alter die Hauptsache. Deswegen seh ich auch lieber den ganzen vormittag zum Fenster hinaus, daß ich den Nachmittag für mich habe. Und ich will wahrhaftig lieber diejganze Woche spazieren gehen, nur nicht am Sonntag arbeiten.
In Sturm und Drang.
Novelle von C. Western.
(Nachdruck verboten.)
5.
„Auch hat sie neulich einen Brief erhalten; ich fand einen Teil der Adresse, den sie verloren hatte! Die Mutter ahnt nichts!"
„Das sieht ja bedenklich aus, Gerhard !"
„Ja, es wird Zeit, daß Du einmal nach Hause kommst!" meinte Gerhard.
„Ja, Gerhard, bald !" versicherte Arnold.
Abends trat der Krüppt, den Heimgang an. —
Marthas Wangen waren bleich geworden, denn die wohlige Zeit des Sommers war dahmglflogen ; Blatt um Blatt siel von den Bäumen des Parkes und bunte Astern ergötzten schon als die Spätlinge ans dem Füllhorn Flora's das Auge des Beschauers auf den Blumenbeeten der Gärten ; die Zugvögel hatten bereits ihre Wanderung dem ewigen Frühling entgegen angetreten und noch immer war keine Nachricht von Eddi eingetroffen bis auf jenen einen Brief, in welchem er ihr anzeigte, daß er glücklich in England angekommen sei. Da sank ihr zuletzt der Mut. Nur eins schien dem bleichen Mädchen noch Freude zu machen: der Gang nach Wigger's Hof. Sie nahm dann die Richtung durch den Park, sah sich die Stelle an, wo Eddi ihr Treue geschworen hatte und weinte sich aus.
So geschah es auch heute, und dabei glitt der Name Eddi mehrere Male über ihre Lippen.
„Eddi kommt nicht, der böse Eddi!" tönte da auf einmal eine schnarrende Stimme an ihr Ohr und Herr Moths stand vor dem jungen Mädchen, auf welches er mit unverschämten Blicken durch seine goldene Brille starrte. Dann fuhr er halb spöttisch, halb ernsthaft fort: „Wer doch an dieses Eddi Stelle seine könnte! Wissen Sie meinen Rat, schönes Kind" — es klang cynisch und gemein und er suchte sich dabei dem Platze, wo Martha stand, zu nähern und seinen Arm um ihre schlanke Taille zu legen —
„wissen Sie meinen Rat? Nehmen Sie an, ich sei der bewußte Eddi, und schenken Sie mir Ihre Liebe!" Dabei versuchte der Freche, sie zu küssen.
Martha schrie laut auf vor Angst und Abscheu und suchte zu entkommen, aber Herr Moths war ungslant genug, die Geängstigte zu verfolgen, indem er lachend versicherte, daß er heute sicherlich den zweiten Act im „Raube der Sabinerinnen" spielen werde. Es gelang ihm in der That, das Mädchen zu erhaschen und zu umschlingen, dann aber fühlte er sich plötzlich mit Riesenkraft gegen die nächste Eiche geschleudert, daß sein Schädel zu brechen drohte, und er betäubt niedcrstürzle. Verworren drang laut>'S Schluchzen und das Geräusch von Küssen an sein Ohr, und als er die Augen öffnen konnte und die Scencrie überschaute, fand er das schöne Mädchen in den Armen des jungen Herrn Reichart, der in Reisekleidern dastand.
„Scheeren Sie sich Ihres Weges, Herr Moths!" forderte dieser den Inspektor nun auf und wies nach dem Parkeingange.
„Es scheint mir auch, daß ich hier überflüssig bin!" gab jener giftig zurück und ging. Unterwegs aber brummte er: „Also für den jungen Herrn empfindet das schöne Mädchen Liede! ? Hoho, davon wollen wir dock dem alten Herrn Mitteilung machen, damit er den Passionen des Sohnes Zaum und Zügel anlegt."
Moths ging schneller und suchte das Csntor auf, wo Herr Neichart eifrig rechnend am Pulte stand. Der alte Herr zog eine krause Stirn und ein finsteres Gesicht und Moths sah, daß heute die Zeit nicht günstig war.
»Auf ein ander Mal, junger Herr!" brummte er. „Hüten Sie sich junger Mann I"
Er ging dann an sein Pult und arbeitete eifrig.
Inzwischen hielt der junge Herr Eduard Reichart die abwechselnd lachende und weinende Martha Voß in seinen Armen.
„Was wollte der Unverschämte von Dir?" fragte er zornbebend.
„Ach, laß ihn, Eddi!" erwiderte Mar
tha. „Ich glaube, es ist ein Herr vom Werke drüben! Gott sei Dank, daß Du wieder da bist I Siehe, hier an dieser Stelle wollte ich eben noch verzweifeln, da thut sich der Himmel auf und ich halte Dich in meinen Armen I"
„O, Du treue Seele! — Ja, ich war lange fort; ich schrieb nicht, weil ich Dich nicht beunruhigen wollte! Ich hoffte auf die Rückkehr! Dieser Zeitpunk trat ein I Mein Großvater Gregeudorff hat mir die Zeche Elisabeth testamentarisch vermacht und um der Förmlichkeiten bei Gericht jwillen mußte ich von England herüber; Ich bin mündig und wen» meine Eltern nun nicht wollen, daß ich Dich —"
Sie hatte ihn losgelaffen und starrte ihn mit offenen Augen an:
„Wie?" fragte sie. „Dein Großvater hieß Gregendorff?"
„Allerdings."
„So bist Du — ?"
„Warum weichst Du so erschrocken zurück, mein herziges Lieb? — Ja, Du hast Recht; jetzt kommen die Tage der Prüfung: Ich bin Eduard Reichart I — Aber," setzte er, die Hände beschwörend empor hebend, hinzu, „ich liebe Dich deshalb nicht weniger, Martha I"
Sie weinte heftig und rief schluchzend: „Ich kannte Sie nicht I"
„Wie konntest Du mich kennen, da ich von früh auf in der Stadt, auf Gymnasium und Hochschule war?"
„Ach, nie wird ihr Herr Vater die Einwilligung zu einer Verbindung mit mir geben I"
„Ich werde ihn zwingen I" sagte Eduard und seine Augen flammten. „Siehe, Martha," fuhr er dann fort, „so gewiß, als ich an einen gerechten Gott glaube, so gewiß werde ich nie ein anders Weib als Dich freien, das schwöre ich Dir bei Allem, was mir heilig ist."
Nun konnte Martha natürlich nicht länger zürnen, sie traute ihm vollständig und sie schmiegte sich an den geliebten Mann.
(Fortsetzung folgt.)
Verantwortlicher Redakteur r Bernhard Hofrnann.) Druck und Vertag von Bernhard Hvtman» in Wildbad.