Der Kuß.
Erzählung von I. Piorkowskll.
Nachdruck verbsten.
2 .
„Trotzdem aber werde ich noch dieselbe sein."
„Das hoffe und wünsche ichsprach Ensdach; „ich werde Dich an Dein Versprechen erinnern. Vergiß auch Du es nicht. Und nun Lebewohl!"
Damit wandte er sich dem Garten zu, wo die Gesellschaft jetzt plaudernd einher- promenicrte, während die kleine Rost in ihr einsames Zimmer zurückkchrte.
II.
„Thekla! Rost! wo steckt Ihr denn?" scholl es schon draußen vom Korridor her, und im nächsten Augenblick wurde ungestüm die Thür zu dem Zimmer aufgcriff n , in welchem Rost und ihre Cousine mit allerhand Vorbereitungen sür die Gäste beschäftigt waren, die sie in kaum einer halben Stunde erwarteten.
„Was giebt es denn?" wandte Thekla sich der Entretenden zu, deren freudig glänzende Augen und höher gefärbten Wangen etwas besonders FroheS verrieten.
„Was eS giebt?" wiederbo'te diese; „denkt nur. soeben kommt die D p-sche von Vetter Max mit der Nachricht, daß er um sechs hier sein werde und zwar mit einem alten Bekannten von uns — Herr» von Ensbach! Ist das nicht herrlich ? Köstlich?" rief sie, indem sic ihre Schwester um die Taille faßte und mit ihr im Zimmer her- umlauzte. „Der bleibt doch der Netteste und Liebenswürdigste der ganzeii begehrenswertesten Herrenwelt! WaS für ein feines Benehmen er hat, und die schönen Augen!"
„Und das schöne Geld I" warf ihre Schwester in etwas spöttischem Tone dazwischen, während sie Martha verständnisinnig zublinzelte.
„Du wirst Dich seiner kaum mehr erinnern ?" wandte diese sich zu Rost, ohne der halb scharfen, bald neckenden Bemerkung Theklas zu achten, „Du warst damals ja noch ein völliges Kind."
„Kaum," lautete die lakonische Antwort RosiS, während sie sich dem Fenster zuwandte, damit ihre Cousinen nickt sehen sollten, wie heiße Glut ihr in die Stirn stieg.
Und als jene Beiden sich in ihr Zimmer begeben halten, um sür die erwarteten Gäste Toilette zu machen, ließ sie sich in einen Stuhl nieder und versank in langes, träumerisches Sinnen.
Ihre Gedanken schweiften zurück in die Vergangenheit' zurück zu jenem Abend, an welchem Herr von Ensl ach Abschied von ihr genommen hatte.
Seitdem waren vier Jahre verflossen, aus dem Kinde war eine junge Dame geworden, aber doch eine andere als ihre Cousinen; trotz ihrer siebzehn Jahre war Rost ernst, still, schüchtern und empfindsam geblieben wie vordem.
Wer weiß, wie lange sie noch in ihre Rückerinnerung versunken geblieben wäre, wenn sich nicht endlich die Thür geöffnet und Thckla, den Kopf hereinsteckend, gerufen hätte: „Wie, Rost, noch nicht Toilette? Dabei sind schon mehrere Gäste da, und eben höre ich
auch Max' Stimme. Du hast wohl ein klenes Schläfchen gehalten?"
„Das nun gerade nicht," erwiderte Rost mit mattem Lächeln; „aber ich werde mich
eilen und bald unten sein!"
*
Als Rost eine Viertelstunde später in den Salon trat, waren die Gäste schon so zahlreich versammelt, daß daS junge Mädchen in ihrer gewohnten Schüchternheit sich in eine der Fensternischen zurückzog und das lebhafte Treiben, die animierte Unterhaltung der Gesellschaft stumm beobachtete.
Ihr Auge schweifte umher, bis eS auf den wohlbekannten Zügen des Herrn von Ensbach haften blieb. Scheinbar lauschte derselbe mit größtem Interesse dem übermütigen Geplauder Marthas; doch jetzt wandte er den Kopf, und, Rost erblickend, kam er frohen Auges, ihr herzlich die Hand entge- genstreckend, auf sic zu. Doch hatten sie noch kaum ein paar Worte der Begrüßung gewechselt, als auch Vetter Max mit seiner Cousine hinzutrar.
„Hier ist Ensbach, Martha," sprach er, „er mag für sich selbst reden."
„Inwiefern?" wandte dieser sich fragend zu Martha.
„O," antwortete sic mit halb verlegenem halb kok>ttem Lächeln, „wir sprachen über das Küssen. Ich behauptete, kein junger Mann sei unempfänglich gegen die Belohnung eines Kusses von hübschen Mädchenlippen ; darauf erwidert Max, er kenne Jemand, der sich geweigert hätte, bei Pfänderspielen sein Pfand mit dem üblichen Kusse auSzulkse», — dazu lege er dem Kuß eine zu hohe Bedeutung bei — und dieser Jemand sei kein Anderer als Sie, Herr von Ensbach; ist das wahr?"
„Das kann ich allerdings nicht leugnen," erwiderte dieser lächelnd mit einer leichten Verbeugung.
„Wissn Si«, daß in diesem Geständnis eine große Nichtachtung gegen uns jungen Damen liegt?" meinte Martha. „Zur Strafe dafür sollen Sie jetzt bekennen, wen Eie zuletzt geküßt haben," setzte sie kokett hinzu.
„Das wäre nicht recht non mir," sprach Ensbach.
„Warum nicht?"
„Weil die betreffende junge Dame zugegen ist, und die Strafe nu hr sie als mich treffen würde."
Der kleine Kress brach in munteres Lachen aus.
„So sollen Sie unS sagen, wer die Nächste sein wird, die Sie küssen werden," fuhr Martha fort.
„Auch darin kann ich Ihrem Wunsche nicht willfahren," cnlgegnete Ensbach, „da ich nicht weiß, ob meine Absicht zur Ausführung kommen wird."
„Du scheinst über Deine Küsse ebenso Buch und Rechnung zu führen, wie über Deine Ausgaben?" lachte Max.
„Allerdings," antwortete Ensbach ruhig.
„Nun, so verraten sie uns wenigstens, wie »iel junge Damen Sie während der letzten vier Jahre geküßt haben I" rief Martha.
„Gut," willigte Jener ein, „das will ich thun, unter einer Bedingung, daß sie nicht an meinem Worte zweifeln."
Allgemeine Zustimmung.
„Nicht eine einzige," erklärte er darauf ernst und ruhig.
„Vermutlich ist er irgend einer holden Schönen treu geblieben, die ihn seiner Zeit mit ihrer bcsoüd-reu Gunst beehrt hat," bemerkte einer junger Mann, der seit ein paar Minuten hinzngetreten war und der Unterhaltung zugehört hatte.
„So ist es in der That," versetzte Ensbach mit einer Verbeugung, indem er sich von dem kleinen Kreise abwandle und zu Anderen trat, dieselben zu begrüßen.
„Kind, Du scheinst ja ordentlich böse über Ensbachs Ansichten zu sein," meinte Martha zu Rosi, „Du hast vor Aerger ganz hochrote Backen bekommen."
Was hatte sie wohl gesagt, wenn sic den wahren Grund dieser hochroten Backen hätte ahnen können ? !
(Schluß folgt.)
Vermischtes.
.'. Unteroffizier: „Donnerwetter, Flügelmann, werden Sie wohl g'radeaus marschieren I Sie wollen doch nicht mit Ihren Kommisbeinen den NammSzug Ihrer Geliebten in den Sand quatschen?!"
.'. (Boshaft) Laura: „Sieh', Olga, wie wunderbare Briefe mein Bräutigam mir schreibt — im letzten sendet er mir 10 600 Küsse! — Olga! „Da hat er wahrscheinlich an Deine Mitgift gedacht I"
.'. (Noch nicht lange genug.) Herr: „Verdammter Bursche, denkst Du denn, ich bin ein Narr?" — Der neue Diener: „Entschuldigen Sie, gnädiger Herr, ich bin noch nicht lange genug hier, um das beurteilen zu können I"
?. (Rücksichtsvoll.) Hausherr: „Du, Freunderl, sag' . . . möchtest Du mir nicht freiwillig jedes Jahr um hundert Mark mehr Miete bezahlen! —Freund: „Zum Donner — warum denn?" — Hausherr: „Ja weißt Du . . . ich mvcht' Dich halt nicht gern steigern I"
(Ein Uedelstand.) Lieutenant A. (im Schwimmbad): „Angenehme Wassertempera- tur, was?" —Lieutenant B.: „Allerdings! . . . Aber ich komme mir stets so sonderbar vor im Bade I Schade, daß wir nicht wenigstens Achselklappen zum Anschnallen haben — sehen ja rein aus, wie gewöhnliche Zivilisten I"
.. (Darauf geholfen.) Lehrerin: Elsa, was ist das Süßeste?
Elsa: Der Zuk — Znk Auk . . .
Lehrerin: Nur heraus, 's wird schon richtig sein.
Elsa: Der Zukünftige.
.'. (Neuer Beruf.) „Sagen Sie, Frau Nachbarin, was soll denn Ihr Kart später einmal werden?" — „Er soll Melancholie studieren; denn sein Lehrer sagte neulich zu mir, Kart habe große Neigung zur Melancholie I"
(Kindlicher Verrat.) Mehlhändlers- Tochter: Wir mahlen doch unser Mehl selber.
Bierwirtssohn: Und wir brauen uns Bier selber.
Weinwirtstochlcr : Und wir machen unseren Wein selber.
(Abgelehnt.) „Wie alt schätzen Sie mich, Herr Professor?" „Entschuldigen Sie, meine Gnädige, ich bin Musiklehrer, aber kein Altertumsforscher."
Druck und Verlag von Bernhard Hosmann in Wildbad. (Verantwortlicher Redakteur Bernh. Hofmann.)