Rundschau.

Al« Preoigttext für die am Sonn­lag den 11. September d. I. stattfindende kirchliche Feier des Allerhöchsten Geburts­festes Ihrer Majestät der Königin Witwe in den csangeliscken Kirchen des Landes haben, wie wir vernehmen, Seine Majestät der König die Stelle Irrem. 15, 16. Dein Wort ist unseres Herzens Freude und Tr«st; denn wir sind ja nach Deinem Namen genennet, bestimmt.

Stuttgart, 28. Juli. Selbstverstümmel­ung, begangen in der Absicht, sich zum Dienste im Heere untauglich zum machen ist im § 142 des Strafgesetzbuchs mit mindestens ein­jähriger Gefängnisstrafe bedroht. Dieses Ver­gehens wegen wurde heute der 22 Jahre alte ledige Metzger Gottlieb Fr. Kunzi von Möh­ringen, welcher sich absichtlich mit einer Fnt- terfchneidmaschine am Zeigefinger der rechten Hand das vorderste Glied abgcschniltcn und sich dadurch militäruntaugUch gemacht hat mit 1 Jahr 3 Monate Gefängnisstrafe be­straft.

In Stuttgart fiel einem Milchfuhr- wann der Wagen um, wodurch sich einige Hektoliter Milch in den StraßcnkanalS er­geben.

Vom unteren Remsthal. Die Kir­schenzeit ist nun beinahe vorüber; sie hat in die Kirschenortc viel Geld gebracht; Ge­meinden, wie Strümpfelbach, Stetten u. s. w. haben einen Erlös von mindestens 30 bis 40 000 -//L zu verzeichnen. In früherer Zeit waren die Einnahmen bei weitem nicht so hock; erst durch die neuen Vcrkehrsver- hältnisse, durch den raschen Export und die vermehrte Benützung der Früchte zum Ein- mochen, zur Bereitung von Spirituosen u. j. w. ist die Kirfchencrntc zu einer ergiebigen Einnahmequelle geworden.

Altensteig, 28. Juli. Vor 14 Tagen etwa kam cs hier im Stalle des Bäcker S. vor, daß eine Kuh Drillinge warf. In der Regel gehen in solche» Fäll.-« die Kälber zu Grunde, öfters such die Mutter selbst. Bei Bäcker Seeger aber befindet sich die Alte samt den drei Jungen jetzt nach 14 Tagen ganz wohl. Es ist dies ein jelrencr Fall.

Vom Lande, 24. Juli. Wie die Hau­sierer ihre Leute zu fassen wissen und was dir angeprissene Ware wert ist, zeigt folgen­de- : Ein Hausierer erzählte neulich:Er ist selten, daß ich bei einem Bauern fortgehe, ohne ein Geschäft gemacht zu haben. So habe ich heute ein Stück Tuch für einen An­zug gerade da verkauft, wo man mich gar nicht einlassen wollte; ich habe an diesem Stück noch 6 ^ verdient. Mit 32 ^ habe ich es dem Bauer» Angeboten, um 16 ^ habe ich es verkauft." Nun denke man sich den Stoff zu einem ganzen Anzug um 16 rechnet man den Gewinn von erster und zweiter Hand ab und dann weiß man, Wss für ein Schund di« Ware sein muß.

In den Tagen des 28. und 29. Aug. d. I. wird da« oderschwäbische JahrcSschießen zum 25. "Mal in Ulm gehalten. Zur Er­innerung an dasselbe wird ein schöner silberner Schützenthaler in der Form und Größe eine« Mmerguldens angefertigt, welcher unter günstigen Bedingungen herausgeschossen wer­den kann.

Ulm, 31. Juli. Gestern vormittag wurde in einem Bierkcller ein 24jähriger Brauer von der Göppelstange eine« Aufzugs «saßt und nirdergeschlggen. Hiebei erlitt er

einen Bruch de« rechten Oberschenkel« mit Durchspicßung der Haut. Der Verletzte wurde, nachdem er durch einige Lazaretgehilfen den ersten Verband erhalten, in das Hospi­tal überführt. Sein Zustand ist ein bedenk­licher.

Ulm, 1. August. Infolge der Derlassen- schaftSteilung kommt da« Hotel zum Russi- schenjHof hier zur öffentlichen Versteigerung. Das Anwesen ist waisengerichtlich auf 250,000 Mark angeschlagen.

Ravensburg, 31. Juli. Ein erst kürz­lich aus dem Gefängnis entlassener Gutedel wollte vorgestern Nacht im Amtsgericht eine Rehgeiß stehlen- Schon hatte er das Tier über einen Garlenzau» gehoben, al« er von Nachbarslcuten bemerkt wurde. Seine Beute zurücklassenk, entfloh er, wurde aber noch in der Nackt von einem Schutzmann ergriffen und dingfest gemacht.

MÜnsingen, 29. Juli. Heute vereinigten sich etwa 170 Mitglieder des landwirtschaft­lichen Bezirksvereins zu einem Ausfluge ins badische Oberland zur Besichtigung größerer Güter mit hervorragender Viehzucht. Um das Nützliche m>l dem Angenehmen zu ver­binden, geht die Rückreise über den Boden­see. Die Kosten für die Fahrt werden au« der VercinSkasse bestritten. Der Verein hat nun durch die energische Thätigkeit des Vor­standes Oberamtmann Widmann 925 Mit­glieder. Der Güierankauf für die Eisen­bahn ist bis jetzt ohne Anstand verlaufen und nahezu beende!. Die Besitzer ziehen vor, auf gütlichem Wege zu unterhandeln, als die gesetzlichen Zwangsmaßregeln gegen sich anwcnden zu lassen.

Berlin, 28. Juli. Ein Privattelegramm aus Guscht, Regierungsbezirk Frankfurt a. d. Oder, meldet: Seit heute früh wütek in den Forsten der Güter NeuhauS und Scknvei- nert, sowie im Königlichen Revier Waitze ein mächtiger Waldbrand. Bisher sind etwa 6000 Morgen eingeäschert.

Unter dem furchtbaren Verdachte, seine Frau durch einen Revolverschuß getötet und dann in da« Wasser geworfen zu haben, wurde in Berlin am Donnerstag der Post­schaffner Hermann Roscnberg auf seiner Dienststelle dem Postamt 3 in derOranien« burgerstraße, von der Kriminalpolizei verhaf­tet. R. soll schon vor mehreren Jahren seine Frau derartig geschlagen haben, daß sie vier Wochen hindurch krank lag, ein anders­mal hat er sic in eine Fensterscheibe gestoßen, so daß ihr die Sehnen der linken Hand durch­schnitten wurden. Häufig sollen auch sonst Spuren von groben Mißhandlungen bei ihr wahrzunehmen gewesen sein. Als R. am Mittwoch abend vom Dienst kam, stand, so heißt eS weiter, die Frau des Pförtner« Neu­mann vor der Thüre dcS Hauses und teilte ihm mit, daß die Leiche seiner Frau im Schsuhause sei.Ist sie denn tot?" frug R-, und al« die Frau N. die« bejahte, frug R. weiter:Ist denn auch eine Wunde ent­deckt worden?" Die Grunow will einmal dabei gewesen sein, als R. seiner Frau ein Messer auf die Brust gesetzt und gesagt habe: Dich steche ich noch tot." Frau R. hat sich ein andcrsmal zur G. geäußert, daß sic sich unter keinen Umständen scheiden lassen wolle. Lieber werde sie die schlechte Behandlung er­tragen. Vor dem Tode habe sie keine Angst, und Hand an sich legen werde sie niemals.

In der Nacht vom 28. auf 29. Juli

brannte in Spandau die Körnerjche bchnei-

mühle nebst Holzvsrräten und Brücken über die Havel ob. Der Schaden beträgt circa 450 000

DaS Laboratorium der Patronen- und Zündhütchenfabrik von Braun u. Bloem bei Stoffeln ist nach einer Meldung des Berl. Tagebl. aus Düsseldorf in die Luft geflogen. Der Chemiker Ernst wurde getötet, ein Ar­beiter und zwei Mädchen leicht verletzt.

In der Nacht von Freitag auf Sams­tag ist ein Teil des bekannten Schlosses Heiligeuberg bei Jungenheim an der Berg­straße abgebrannt. Das Feuer brach um 1 Uhr im Schlafzimmer der Prinzessin Beatrice, der Gemahlin des Prinzen Heinrich von Battenberg, aus. Der Jugendhcimer Feuer­wehr gelang cs, den gefährdeten Schloßturm zu retten ; dabei wurden zwei Wehrleute ver­letzt. Obgleich nur ein Flügel des Schlosses abgebrannt ist, ist der Schaden doch sthr beträchtlich. Glücklicherweise herrschte wäh­rend des Feuers Windstille.

Piltsburg, 29. Juli. Gestern versuchte ein Unbekannter ein Hauptwerk der Carnegie in die Luft zu sprengen, was zufällig ent­deckt und verhindert wurde. Während der Abwesenheit de« Maschinisten wurden die Gasleitungen in den Hochöfen geöffnet, wäh­rend 144 Arbeiter dort beschäftigt waren. Der zurückkehrende Maschinist verhinderte eine Katastrophe mit Lebensgefahr. 26 Ver- haftsbefehle wurden gegen die Aufständischen wegen Aufreizung zur Meuterei erlassen. Die Anarchisten Bauer und Karnold wur­den verhafte», als sie als Bergleute verkleidet die Gefängnisse besuchten, weil sie der Teil­nahme an dem Attentat gegen Frick verdächtig sind.

Eine furchtbare Katastrophe ereignete sich gestern früh in Galatz. Die Maucrrestc mehrerer vor einigen Tagen niedergebrann- ter Häuser stürzten zusammen und begruben gegen zwanzig Männer und Kinder unter den Trümmern, während viele andere Per­sonen in einen tiefen Kellerraum stürzten, dessen Thür unter dem Druck der Mauer­trümmer nachgegeben hatte und zusammcn- brach. Bis jetzt sind sechs Leichen ans Licht gefördert worden; über das Schicksal der anderen Verunglückten ist man noch im Un­gewissen, doch dürften sie, da die Schutthau­fen wieder in Brand geraten sind, sämtlich erstickt sein.

Ein eigentümlicher Fall von Schlaf­sucht macht in der Gegend von Jnowrazlaw viel von sich reden. Das Dienstmädchen des Distriktskommissars Appelius schlief un­unterbrochen 40 Stunden. Alle Versuche, dasselbe zu wecken, steigerten nur die Starr­heit ihre« Körpers. Als das Mädchen er­wacht war, verrichtete es zwar seinen Dienst, vermochte jedoch nicht« zu genießen, da jede NahrusigSznnahmc Beschwerden verursache und die Anzeichen des Starrkrampfes her­vorrief.

Sizilianische Bauernrache. In der der Nähe des Dorfes Calibi zwischen Ales- sandria und Bivona auf Sizilien wurden dieser Tage Aotonio und Francesco Greco, Vater und Sohn, durch fürs aus einem Hinterhalt auf sic abgcfeuerte wohlgezielte Schüsse zu Boden gestreckt und waren auf der Stelle tot. Die beiden Greco befanden sich gerade auf dem Wege nach der Kreis­stadt Cianciana, wo sie als Zeugen in einem Zivilprozesse gegen ihren Gutsnachbar Sal- vatore Bsnanno vor Gericht erscheinen muß-