Rundschau.

Königliche Jagden. Der Tübinger Chronik schreib! man unlerm 27. Juli aus dem Echönbuch: Gestern begannen die kgl. Sommerjagden auf Hochwild mit einem Trcib- sagen im Revier Weil i. Sch. Dasselbe stand unter der persönlichen Leitung des Ober- jägcrmeisters Frhrn. v. Plato und wudae zu­erst Heuer zum erstenmal im Schönbuch als sog. vcrlappte Jagd gehalten, d. h. eine Jagd, bei welcher der Trieb mit zwei­farbigen an einer Leine hängenden Fähnlein eingcschlosse» wird. Den Jagden, die vor­mittags begannen und bis in den Abend währten, wohnte von Anfang bis zum Schluß S. M. der König mit dem Prinzen Max von Schaumburg-Lippe und den Kavalieren vom Hof an. Von auswärts waren an­wesend Graf Dillcn.von Dätzingen, General- lieutenant v. Lindeqnist, Maler Geck u. Hof- bildhauer Curfcß. Es wurden gleich im er­sten Trieb zwei schöne Hirsche, ein Zehner und ein sehr starker Achter, zur Strecke ge­bracht. In weüeaeu Trieben konnte das Vorhandensein zahlreichen Hochwildes festge- stkllt werden; ein starker Hirsch, auf den allein geschoss n werden sollte, kam jedoch nicht mehr zum Abschuß. Zwischen das Jagen hinein wurde auf der Schafhauhüte ein Frühstück eingenommen, nach dessen Be­endigung einer der Teilnehmer der Jagdge­sellschaft eine phoivgh.Aufnahme machte, in deren Milte der König ebenfalls Aufstellung nahm.

Stuttgart, 29. Juli. ^Eitlen merkwürdigen Blutdurst entwickelte am letzten Freilag abend ein Goldarbeiter, der mit mehreren Kollegen aus demselben Geschäft in einer Wirtschaft der Hanpistätlerstraße zechte und, da er zu­viel der geistigen Getränke zu sich nahm, mit einem derselben in Wortstreil geriet. Zwar legten die Freunde denselben wieder bei, doch kochte der Groll in der Brust unseres Gold­arbeiters weiter. Als er daher beim Nach­hausegehen um 10 Uhr seinen Wiedersacher in den stillen Anlagen der Planie wieder traf, da ließ er sich mit ihm beim milden Schein der Sterne in grobe auseinandersetz- ungen und schließlich in eine Rauferei ein, in deren Verlauf er ihn in den Straßen­graben warf. Damit nicht genug, bearbeitete er den am Boden Liegenden kräftig weiter. Ob ihn nun dabei ein jäher Blutdurst er­faßte, ob ihn die Lorbeeren Jacks des Auf- schlitzers nicht ruhen ließen und er sich den TitelJack der Nasenbeißer" verdienen wollte, ob er vielleicht auch nur bei der dämmerigen Beleuchtung das Riechorgan seines Gegners für den Zipfel einer Schützenwurst hielt, die ein Gähhunger ihn zu verzehren antrieb genug: er biß dem dergleichen nicht Ahnen­den nicht nur in die Nase, sondern trennte mit kräftigen Zähne» ein ganzes Stück davon los. Am andern Morgen fand man das abgebisfene Stück als traurige Trophäe aus demKampfplatz" ; natürlich konnte es nun nicht mehr angeheilt werden, waS, wenn man gleich ärztliche Hilfe requiriert hätte, wohl noch möglich gewesen wäre. Dem so grau­sam seiner Nase beraubten wird nun im Katharinenhospital, wo er sich gegenwärtig befindet, eine künstliche angesetzl werden. Sein bultdürftiger Gegner aber ist fesige- nommcn und wird darüber belehrt werden, daß man andere wohl gelegentlich ungestraft an der Nase herumführen aber keinem un­gestraft die Nase abbeißen darf.

Eine dankenswerte Verfügung des

Kultusministers ordnet die Strafgewalt der Lehrer im Sinne eines wohlverstehenden ZüchtigungsrcchtS des Vaters. Hienach brauchen künftig die Lehrer nicht mehr zu fürchten, daß unverständige Eltern eines in der Schule gezüchtigten Knaben zum Arzt und zu den Gerichten laufen, um die Be­strafung des Lehrers herbeizuführen. Man verlangt von der Schule nicht nur einen guten Unterricht, sondern auch eine tüchtige Erziehung. Letztere ist aber ohne Stock häufig sehr mangelhaft oder geradezu völlig unzureichend. Man mag früher zu viet geprügelt haben, nachher hat man aber das ZüchtigungSrecht der Lehrer so eingeschränkt, daß eine anderweitige Regelung von allen einsichtigen Lcnten nur dankbar begrüßt wer­den kann.

Feuerbach, 28. Juli. Von dem Orient­zug wurde im hies. Tunnel ein Bahnarbeittr aus Göppingen überfahren und zerstümmelt.

Eßlingen, 28. Juli. Gestern abend er­trank beim Baden im Neckar an einem verbotenen Platze der 15jährige Schlosfir- lchrling Heinrich Weichest von hier.

Lausten a. N-, 27. Juli. Gestern wurde der ästeste Einwohner von hier, Christoph Mayer, gewesener Bäcker, beerdigt. Der­selbe hat ein Aster von beinahe 93 Jahren erreicht und war bis vor 4 Wochen noch geistig und körperlich rüstig. Die Trauben an den Kammerzen beginnen sich allgemein zu färben.

Göppingen, 28. Juli. Heute vormittag überfuhr ein Arbeiter von Uhingen eine Frau Br. von Salach auf dem Marktplätze mit dem Vclociped, so daß solche mittels Krankenwagens ins städtische Krankenhaus verbracht werden mußte. Die Beschädigungen scheinen nicht unbedeutend. Den Arbeiter, der sofort hilfsbereit Beistand leistete, trifft keine Schuld.

Ein Bureauschreiber des dritten Ba­taillons in Konstanz untersuchte jeden ein­gehenden Sotdatcnbrief und entnahm ihm die eingelegten Kassenscheine. Der Schwindel ging ein Jahr, dann kam der findige Schrei­ber auf 1 Jahr 3 Monate nach Rastatt.

Ettlingen, 26. Juli. Ein früherer, vor kurzer Zeit ausgetretener Zögling des hiesigen Lehrerseminars, Namens Breiten- dacher von Mannheim, hat im Nebenzimmer des Gasthauses zum wilden Mann hier die 16jährige Tochter des Obermeisters Maisch von der hiesigen Spinnerei erschossen und dann sich selbst eine Kugel durch den Kopf gejagt. Das Mädchen war nach wenigen Augenblicken tot; es wurde durch die Brust geschossen. Der junge Mann starb nach mehreren Stunden. Es war von Mergent­heim gebürtig. Seit einiger Zeit hatte eine junge Nählehrerin eine Nähschule gegenüber dem Seminargebäude errichtet, die von jungen Mädchen ziemlich besucht war und Gelegen­heit bot, bei der Enge der Straße bequem in die Fenster zu sehen. So entstand Feuer in der Mädchenschule und im Seminar und führte zu dem unglücklichen AnSgang. Nach seinem Austritt aus dem Seminar hielt sich Breitenbacher im Wirtshaus zum wilden Mann hier auf, dort traf et gestern mit der getöteten Maisch, die mit der Tochter des Wirts befreundet war, zusammen. Er soll sie erschossen haben, weil sie sich weigerte, sich mit ihm zu verloben; auch wird be­hauptet, er habe gestern bei dem Vater um

ihre Hand angehalten und sei abgewiesen worben.

Kattowitz, 27. Juli. Fünfhundert rus­sische Auswanderer trafen in MySlowitz ein, um über Hamburg nach Amerika zu reisen.

Aus Fürth melden dieMünch. N. Nach." : Ein entsetzlicher UnglückSsall ereignete sich am 23. abends in der hiesigen Kaserne. Der schon länger dienente Soldat Drrrer aus Bamberg hatte vom Lechfeld die Zünd- ladung einer nichtkrepierten Granate mit heimgenommm und fingerte an derselben herum. Plötzlich ein Krach! und der Unglückliche war zerrissen. Von der Wucht der Explosion kann man fick eine» Begriff machen, wenn man hört, daß dem Unglück­lichen der ganze Leib aufgerissen, der halbe Kopf zerschmettert wurde und daß die Knochen der Gliedmaßen durch das Fenster auf den Hof flogen. Zwei in der Nähe befindliche Kameraden kamen mit geringfügigen Ver­letzungen davon.

Zur Uebertragung von Krankheiten durch die Milch. Die Milcd hat als Nahr­ungsmittel eine große Bedeutung und sollte gewiß in vielen Familien viel mehr Beacht­ung finden. Mit dem Genüsse derselben sind jedocb noch viele Gefahren für den Gesund­heitszustand des Menschen verbunden. Es giebt wohl kaum einen günstigeren Nährbo­den für krankheitserregende Pilze. Stabs­arzt Heime hat eine Schriftlieber das Ver­halten der Krankheitserreger der Chotcra, des Unterleibstyphus und der Tuberculose in Milch, Butter, Molken und Käse" versaßt, welche im fünften Bande, zweiten Heile der Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheits­amte erschienen ist. Die Resultate der an dieser wichtigen Arbeit aufgeführten Versuche sind folgende: In offen im Zimmer aufbe­wahrter Milch waren die Cholerabacillen noch nach sechs Tagen lebens- und infectisnSfähig; in Milch, die im Eisschrankc aufbewohrt wurde, waren vom dritten Tage ab keine lebensfähigen Cholersbacillen mehr zu finden. Typhusbacillen waren in Milch noch noch fünfunddreißig, nicht mehr nach achtundvier- zig Tagen lebens' und entwickelungsnnfähig. Tuberkelbacillen hatten in einer zehn Tage alten Milch noch ihre vollständige Jnfeciions- fähigkeit erhalte», in der allmähtig saurig zersetzten Milch starben sie aber in dem Zeit­raum zwischen zehn Tagen und vier Wochen ab. Butter erwies sich als ein sehr gün­stiges und die Jnfectivnssähigkeit der drei Bacillenarten lange erhaltendes Nährmaterial, Käse dagegen als ungünstigen für Cholera- und Typhusbacillrn, günstiges für Tuberkel- bacillen, Molken als ungünstiges für LyphuS- bacillen, günstiges für Tuberkelbacillen.

Die Reklame treibt doch sonderbare Blüten. Gestern kam uns von dem Cigarrcn- Geschäft des Emil Ruß gegenüber der Volksschule eine Cigarrentasche zu Gesicht, auf welcher wörtlich nachstehendes aufgk- stempelt war:

Bei Emil Ruß in Wildbad erhält jeder Käufer von 6 Cigarren 1 ge­stempelte Cigarrentasche. Für 100 solcher Cigarrentaschen giebt Emil Ruß als Prämie 1 Uhr gutgehend, genau wie die beim ersten Kauf gezeigte.

Es ist uns unbegreiflich, wie dies mög­lich ist, da ja die Cigarren bei Emil Ruß vorzüglich und äußerst preiswert sind, somit ist Gelegenheit geboten, das angenehme mit dem nützlichen zu verbinden.