Die beiden Schwestern.
Novelle von F. Sutau.
(Nachdruck verboten.)
11 .
Brrnstettrn wagte heute nicht, die Bitte um ein Lied an Johanna zu richten. Statt Johanna, setzte sich aber Helene keck an das Instrument und sang mit ihrer kleinen, Hellen Stimme Liebeslieder von Abt und Gumdert; und dar vom Wein und der Aufregung zart gerötete Gesichlchcn HclcnenS sah so wunder- lieblich dabei aus, daß Bornstcttcn den Blick nicht von ihr zu wenden vermochte und auch nicht merkte, daß Helene eigentlich gar nicht schön sang.
Johanna hatte sich in die dunkle Fensternische gesetzt, es war ihr, als spielt sich ein buntes lustiges Comödienspicl vor ihren Blicken ab, wovon sich jede Einzelheit tief in ihrem Herzen eingrub. Helenens strahlende- Gesicht, die lustigen Lieder, die sie sang, dort an dem Tisch mit den Gläsern und Flaschen darauf, die Mutter und die Tante, Beide stolz und glücklich aus das junge Paar blickend. Alles, Alles erschien Johanna wie in einer Comödie l
O, Gott und — Bornstettm l Wie oft hatte er so neben ihr gesessen am Klavier, wie er jetzt neben Helene saß, und sie war so thöricht gewesen an ein Glück mit ihm zu glauben, sie, die Häßliche hatte von Liebe geträumt I Nun war das unausbleibliche bittere Erwachen gekommen, die Augen waren ihr geöffnet und vor ihr lag, gleich einer weiten endlosen Wüste das öde, freudlose Leben der Pflicht.
8 .
Am nächsten Morgen «änderte Johanna nach dem Theater, wo große Orchesterprobe zur Oper Oon-llukn statlstnden sollte. Sonst war sie mit geflügelten Schritten dahin geeilt, voll Begeisterung für ihre Kunst. Heute war das so ganz anders, aller Enthusiasmus schien von ihr geschwunden, Freude am Gesang schien sie wohl nie mehr habe» zu sollen. Sie wollte nur noch singen, um da- liebe Brod für sich und ihre Angehörigen zu verdienen, weil sie es dem Vater auf seinem Sterbebette versprochen. Daß die Kunst aber solche Jüngerinne» von sich stößt, ohne Mitleid und Erbarmen aus ihren Kreisen verbannt, daran dachte Johanna heute nicht in ihrem bitteren Schmerz.
Die Probe halte schon begonnen, als sie die Bühne betrat, um als Donna Anna ihren Schmerz um das Lebe» des teuren Vaters in jenen ergreifenden herzerschütternden Gesang ertönen zu lassen. Gestern noch war der Capellmeister des LvbeS Voll gewesen, über ihre Auffassung dieser Rolle, heule aber! —
„Herr des Himmels, was war geschehen I" dachte der Capellmeister.
Johanna hatte sich zur Erde geworfen, über den Erschlagenen gebeugt, sollte sie singen, das Orchester spielte, sic setzte, ihre Stimme aber, die sonst von berückendem Wohllaut klang, war heute ohne allen Klang. Das war kein Gesang mehr, »ur ein heiserer Aufschrei eines tief verwundeten Herzens.
Erschrocken winkle der Capellmeister dem Orchester zu, die Musik verstummte und eine beängstigende Stille herrschte in dem weiten Raum.
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Johanna hatte sich inzwischen erhoben, bleich und starr stand sie vor dem Kapellmeister, der ihre eiskalten Hände erfaßte.
„Was ist geschehen? Sind Sie krank?" fragte er mit inniger Teilnahme.
„Die Kunst rächt sich an mir I" murmelte die Sängerin. „O, warum bin ich ihr nicht treu geblieben! Ich liebte sie ja nur noch um seinetwillen, aber sie verlangt volle, ganze Hingabe, mir geschieht recht, daß sie mich nun verstößt, mich nicht mehr in ihrem Tempel duldet."
„Wir wollen die Probe morgen fortsetzen," wandte sich der Capellmeister jetzt an das übrige Theaterpersonal.
Schweigend entfernten sich die Künstler und Künstlerinnen, um draußen desto lebhafter ihre Vermutung über den sonderbaren Vorgang auszulauschen.
„Ich kann mir denken, was geschehen istl" rief eine muntere kleine Liebhaberin. „Natürlich ist eine Herzensgeschichte mit im Spiel; der schöne Lieutenant von Bornstetten wird wohl ernstlich müde geworden sein, die spärlichen R ize unserer Primadona zu bewundern."
Selbstgefällig im Bewußtsein ihrer Unwiderstehlichkeit blickte die kleine Person um sich. „Ich möchte nicht mit ihr tauschen, und wenn ihre Stimme noch viel schöner wäre."
„Ich auch nicht!" rief eine andere Sängerin mit schmachtendem Augenaufschlag.
Die Herren lachten, und der erste Tenorist erklärte neckend der eitlen kleinen Liebhaberin, „daß bei ihr die Schminke auch immer erst das Beste thun müsse, da« Tageslicht sei durchaus nicht vorteilhaft für ihr Gesicht."
Ein giftiger Blick der kleinen Dame traf für diese Schändlichkeit den Tenoristen und das Künstlervölkchen trennte sich lachend.
Johanna und der Capellmeister waren allein in dem Theater, das die Orchestermitglieder jetzt auch verlassen hatten, zurückgeblieben.
Die junge Sängerin hatte sich auf einen Sessel geworfen und starrte mit ihren Blicken herunter in den öde» Raum, aus welchem ihr sonst ein begeistertes Publikum entgegen gejaucht.
In Liebe und Leid, in allen Stadien der Leidenschaften, hatte sie hier von diesen Brettern herunter ihre Stimme erklingen lassen, und nun, wo das Schicksal in ihr eigen Sein so erschütternd eingegriffen hatte, da versagt ihr die Stimme, da verließ sie die Kunst, die Andern in solcher Lage zur Trösterin wurde.
„Ich ahne Alles, Johanna, sagte mit herzlicher Teilnahme der Capellmeister jetzt, mdem er zu ihr herantrat, „aber daß das Unglück Eie so tief treffen würde, hätte ich nicht erwartet. Derartige Erregungen, getäuschte Liebe und dergleichen, bringt doch jedes Menschenleben mit sich, aber wem das Göttcrgeschenk die wahre Kunst gegeben, der sollte nicht verzweifeln, meine ich. Sie sind trotz der bitteren Enttäuschung ein bevorzugtes Menschenkind, Johanna, und können in der Ausübung Ihrer edlen Kunst mit den Auszeichnungen, die für sie nicht auSbleiben werden, und, wenn Sie wollen auch in den Werken der Großmut und Nächstenliebe Ihr Glück finden. Aber finden müssen Sie wieder, Johanna! ES wäre ja ewig schade um ihre Stimme."
bard Hojwann.) Druck und Verlag von B t
„Wie soll ich singen, während das Herz mir stillstehen möchte!" rief Johanna. „Da kann man nicht singen."
„Sic können es wohl I Das erst ist die wahre Macht und Größe der Kunst, daß sie uns zu erheben vermag über das Eiend und die Enttäuschungen. Glauben Sie denn, den großen Künstlern aller Zeiten hätte das Schicksal nur Rosen auf den Lebenspfad gestreut, unk sie wären nicht auch wie andere Menschen durch die Schule des Leidens gegangen ? Die härtesten Schicksalsschläge zeitigten »ft die schönsten Blüten."
So sprach der wackere Capellmeister über- ziugungsvoll und wie begeistert.
In Johannas Blicken leuchtete es verständnisvoll auf bei diesen Worten, den ihres verehrten Lehrers und Freundes.
(Fortsetzung folgt)
Verschiedenes.
Wenn Dienstmädchen zu hübsch sind.
Es ist eine ganz einfache Geschichte, die über dieses Thema aus einem Wiener GerichtS- faale erzählt wird, aber sie gibt doch zu denken . . . UnterstandSioS, ohne Dienst- Platz und vollkommen mittellos wurde das stebenzehn jährige Dienstmädchen Mathilde Merkt um 3 Uhr Nacht« von einem Wachmanne in den Parkanlagen vor dem Poiy- technicum planlos hcrumirrend betroffen und dem Bezirksgerichte cingeticferl. Vor dem Strafrichter sollte sie sich wegen Vagabundage verantworten. Die Dlenstvermittlerin Biümel, auf die sich die Angeklagte berufen hatte, war als Zeugin zur Behandlung erschienen. Das junge, auffallend hübsche Mädchen erzählte mit schlichten Worten feine Leidensgeschichte, wie eS nacheinander so und so viele Dienstpiätze nach kurzer Zeit verlassen mußte. Als die wenigen Kreuzer aufgezehrt waren, begann der Kampf mit Hunger und Not, doch ist die Angeklagte ehrlich geblieben und standhaft gegenüber den Verlockungen der Großstadt. — Richter: Es ist aber doch auffallend, daß Sie überall nach wenigen Wochen entlassen wurden. — Angekl. (errötend): Ach ja, leider ich hatte kein Glück. Da war der gnä'Frau zu... zu jung und dort dem gnädigen Herrn zu wenig freundlich. — Die Zeugin Frau Biümel bestätigte, daß sich die Angeklagte bei ihr einfchreiben ließ und täglich Nachfragen kam. „Sie ist ein braves Mädchen," sagte die Frau, „ich habe ihr bereits einen Platz besorgt." — Der Richter sprach die Angeklagte frei.
— (Eme Millionenerbschafi) ist dem bisherigen Armenhausbewohner Kart I. A. Köhler in Kera vom Anstande zugefallen. Die Sache ist jetzt geregelt; wie »ach amtlichen Dokumente» milgeteitt wird, tritt K. in den ZinSgenuß eines 80 Millionen Gulden betragenden Kapitals, so daß er jährlich 3 bis 4 Millionen zu verzehren hat.
(In Gedanken.) „Sapperlot, jetzt hat mir so ein Kerl die Dose gestohlen I" — Was, die Dose gestohlen I Haben Sie denn keine Hand in Ihrer Tasche gespürt, Herr Professor?" — »Doch, doch! Erst vorhin I Aber ich dachte, ich hätte ja selbst in Gedanke» hineingelangt I"
(Aus dem Standesamt ) Diener (zu einem Brautpaar): „Bitte, meine Herrschaften, hier gleich links tritt man in ven Stand der heiligen Ehe I"
iknhar- Hofman» in Wlldhad.