Die beiden Schwestern.

Novelle von F. Sutau.

(Nachdruck verboten.)

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Und Du läßt sic so weiter leben, so glücklich läßt sie keine Not u. Kummer erfahren. Auch Deine Mutter wirst Du zu Dir nehmen müssen ach, ich habe tchlecht für meine Familie gesorgt. Den Rest des Vermögens haben die Studien Eurer Brüder verschlungen, und von der kärger- licheu Pension werden die Mutter und He­lene nicht leben können. Ach, ich habe schlecht für meine Familie gesorgt," jammerte der kranke Professor wieder.

Ja das hat er allerdings," murmelte die Tante Hopfen ingrimmig,die ganze Fa­milie möchte er nun der armen Johanna zur Versorgung aufbürden."

Aber großer Gott, er mar ein Sterben­der, und in solcher heiligen Sterbestunde um­faßt das letzte Denken wohl stets die, die wir am innigsten geliebt haben auf Erden. Hier war cS das leichtsinnige, kokette Dine, die Helene, die allerdings, trotz der Thränen, die über das zarte.Gesicht strömten wunder- lieblich aussah, während Johannas rotes ver­weintes Gesicht znm Erbarmen häßlich war.

Gott sei Dank, daß Bornstetten sie nicht so steht," dachte die Tante, er ist ja doch auch nur ein Mann, schwach und wankel­mütig in der Liebe wie Alle!"

Der Kranke suchte sich jetzt etwas auf­zurichten und er rief:Helene!"

Mein lieber Papa! Du wirst nicht sterben!" erwiderte diese schluchzend und ihr holdes Gesicht neigte sich dicvt über ihn. Sein brechender Blick ruhte noch einmal voll inniger Zärtlichkeit auf dem blonden Köpf­chen.

Laßt sie glücklich werden ! Valentine Johanna auch Du liebe Tante sagt es auch ihren Brüdern I"

Das waren des Professors Halm letzte Worte. Tief erschöpft sank sein Haupt jetzt in die Kissen zurück und er atmete immer tiefer und schwerer.

Als dann die Strahlen der Morgensonne nach einer bangen Nacht durch die verhäng­ten Fenster in das Zimmer hinein lugten, da spielten ihre zitternden Lichter auf das bleiche Totenanilltz des Professors Halm, und seine Frau und Töchter stanoen >n Thränen aufgelöst um sein Sterbelager.

Tante Hopfen allein lief energisch hi» und her und besorgte die nötigen Anord­nungen. Sie setzte die Todesanzeige für die Zeitungen auf, sandte Telegramme an die Söhne des Hauses und bereitete die Begräb- nisfeierlichkeilen vor. Dann erst, als sie all diese notwendige» Dinge erledigt, entrichtete auch die Tante ihren Tribut, den solch ein Trauerfall erfordert, und weinte einige auf­richtige Thränen überden schnellen Tod ihres Neffen, der in vielen die Erziehung u. Ver­sorgung seiner Kinder betreffenden Fragen manchen Streit mit der guten alten Tante gehabt hatte.

7 .

Einige Wochen sind sei! den geschilderten Ereignissen vergangen. Es ist Sommer ge­worden, und die heiße Julisonne brütet auf den stillen Straßen der kleinen Residenz. Der herzogliche Hof und die ersten Familien

Druck und Verlag von Bernhar

der Stadt befinden sich auf Reisen. Auch Johanna und Tante Hopfen hatten im Win­ter von einer kleinen Erholungsreise gespro­chen, durch den plötzlichen Tod von Johan­nas Vater sind diese Pläne aber zu Nichte geworden.

Johanna hat, trotz des anfänglichen Pro- testierens der Tante, in ihrer Großmut nicht zu weit zu gehen, ihres Vaters letzte Wünsche treu befolgt. Sie haben eine größere Wohn­ung bezogen, und Johannas Mutter und die Schwester Helene sind jetzt ihre Hausgenossen in der Residenz und werden von Johanna reichlich versorgt. Helene hat, in ihrer un­widerstehlichen schmeichlerischen Weise, die gestrenge Tante auch schon längst mit diesen unwillkommenen Veränderungen auSgesöhnt.

Helene, die kleine, schlaue Person, bat sich sofort klar gemacht, daß ihre nächste Le­bensaufgabe sein müsse, das Herz der nicht unbemittelten Tante zu gewinnen. Sie ist deshalb unverdrossen um die alte Dame be­schäftigt und umgiebt sie mit einer Fülle von Aufmerksamkeiten, welche diese in der schmei­chelhaften ausgesuchten Weise von Johanna nie erfahren hat.

Die Trauer um den Vater, der sie doch so sehr geliebt, ist nicht allzu tief bei Helene gewesen. Zunächst hat sie sich eine höchst elegante Trauertoilette Herstellen lassen, ziem­lich unbekünimert darüber, ob Geld dazu vor­handen sei, diese Eleganz zu bezahlen.

Das reich mit Spitzen garnierte schwarze Kleid stand Helenen allerdings entzückend, besonders, wenn sie wie jetzt in der Rvsen- zeit, hie und da eine mattgefärbte Rose in die schwarzen Spitzen oder in das blonde Haar steckte. Sie wußte damit einen so malerischen Effekt zu erzielen, und dabei machte es doch stets einen so ganz unabsicht­lichen Eindruck, so daß Niemand ahnte, mit welcher Sorgfältigkeit ein solches Arrange­ment vor dem Spiegel von Helenen einftu- diert war.

In letzter Zeit besonders verwendete Hetene unendliche Sorgfalt auf ihre Toilette. Bornstclten, der erst seit Kurzem von einer längeren Reise zurückgekehrt, war nämlich jetzt wieder täglicher Gast im Hause; und dessen Bewunderung zu erregen, erschien Helene als eine ganz wertvolle Beschäftig­ung, der vielleicht ein hoher Preis zu Teil werden könnte.

Seinen ersten Besuch hatte der junge Offizier bei Johanna und der Tante Hopfen etwas beklommen angetreten, mußte er sich doch sagen, daß Johanna mit ihrem recht­schaffenen, ehrlichen Charakter für sein Be­nehmen am letzten Abend ihres Beisammen­seins keine andere Erklärung finden würde, als daß darauf eine ehrbare Verlobung zwischen ihr und ihm folgen müsse. Da­gegen empörte sich aber Bornsteltens ganzes Empfinden und Denken! Sollte er die flüchtige Aufwallung, zu welcher er sich durch Johannas Gesang hatte Hinreißen, mit dem Opfer bezahlen, eine Dame, die er zwar hochachtete und verehrte, aber nicht liebte und niemals lieben konnte, zu seiner Ge­mahlin zu machen? Nein, nein I und aber­mals nein ! rief es in Bornstettcns Innern. Dabei dünkte es ihn jedoch unschicklich, jedes fernere Zusammentreffen mit Johanna zu vermeiden, und cs trieb Bornstetteu auch seine jetzt saßt egoistisch erscheinende künst­lerische Neigung, Johannas wundervollen

Gesang auch ferner zu hören, wieder in ihre ! Nähe. i

Johanna begrüßte Bsrnstelien bei diesem ersten Besuch mit unbefangener Herzlichkeit, i und die ganze Seligkeit einer ersten Liebe strahlte ihm aus ihren Ang-u entgegen. Bornstetteu schien jedoch dafür kein Ver­ständnis zu haben, sondern seine Blicke hingen , wie gebannt an der holdseligen Mädchener- ! scheinung, die da in der tiefen Fensternische i

stand und mit großen blauen Kuiberaugm I

schüchtern zu ihm aufsah. !

Meine Schwester Helene," mit diesen j Worten stellte Johanna die schöne Schwester t dem stattlichen Offizier vor. I

Ich habe sie schon einmal gesehen, ^ Fräulein," sagte Bornstetten beinahe vcr- ^ legen, und Helene erwiderte lächelnd:

Damals als meine Schwester Johanna zum ersten Male in der Oper fang. Sic faßen uns gegenüber in einer Seitenloge."

Ja, so war es, und Ihre Erscheinung rief schmerzlich schöne Erinnerungen in mir wach, Erinnerungen an ein kurzes, schnell verwehtes Glück."

Und Bornstetten erzählte dann den Damen > von der wunderbaren Aehnlichkeit Helenens mit seiner verstorbenen Braut.

Seit diesem Tage war Bornstclten wie­der ein häufiger Gast bei den Damen, und zwischen ihm und Helene entspann sich bald, ohne daß die Anderen es merkten, ein zartes Einverständnis, welches mit zärtlichen Blicken und leise geflüsterten Worten lebhaft unter­halten wurde.

Johanna wäre die Letzte gewesen, die für Folgen von dergleichen losem Liebesge- ländel ein wirkliches Verständnis gehabt hätte. Ihre Liebe umgab Bornstetteu mit einem Nimbus von Hoheit und duldete nicht den geringste» Schatten auf dem Bilde dcS ge­liebten Mannes. Sie lebte der glücklichen ^ Täuschung, daß er ihre Neigung aufrichtig ^ erwiedere und nur aus Rücksicht- auf die Trauer der Familie das entscheidende Wort jetzt nicht aussprach.

Oft genug kamen Bornstetteu auch Augen­blicke, wo Johannas Genie ihn hirmß, wo sie ihm in ihrer künstlerischen Erscheinung hoch erhaben über die Schwester Helene, die nur ein schöner Schmetterling war, erschien, , und dann kam auch Bornstellen der Ge­danke, Johanna doch noch zur Gattin zu wählen. Der Zauberer ihrer Stimme, ihr gediegener wahrer Charakter und ihre tiefe leidenschaftliche Liebe. Alles dies vermochte ihn nicht gleichgillig zu lassen. Wäre nur Helene nicht gewesen mil ihrer bestrickenden Schönheit, ihrer Aehnlichkeit mit der ver­storbenen Braut und ihrer bezaubernden Koketterie I

Beide Schwestern fesselten Bornstetteu aus ganz entgegeng«setzten Ursachen und zogen ihn unwiederstehlich in ihre Nähe.

So wanderte er auch heule wieder die stille Straße herauf, die nach ihrer Wohn­ung führte.

Eine erdrückende Schwüle hatte den Tag über geherrscht, in Staub und Hitze hatte Bornstetteu mit seinem Bataillon einen Ueb- nngsmarfch gemacht. (Fortsetzung folgt.)

(Schlechte Erziehung.)Nein, so

ein Durst, wie ihn dieser dicke Krempelhuber hat I Der muß wirklich als kleines Kind mit Heringsmilch aufgezogen worden sein I"

d Hosmann in Wildhad. (Verantwortlicher Redakteur Bernh. Hvsman u.)