Rundschau.

Reutlingen, 5 Juli. Ein kleiner Knabe, welcher bei der Abfatnt I. K. Majestäten beinahe unter den K. Wagen gekommen wäre, dabei aber unbeschädigt blieb, erhielt vom Hofmarschallamt als Geschenk S. M. des Königs ein bübsches Spielzeug, einen kleinen Wagen, der ihm viele Freude macht und ihm noch lange eine schöne Erinnerung an den Königsbesuch sein wird. Die Mutter erhielt ein Geldgeschenk.

Der 13jährige Sohn des Bachmüller« Trcfz in Kirchheim a. N. hantierte mildem geladenen G-wehr seines Vaters, angeblich um eine Katze zu schießen. Gegen stinen Willen ging der Schuß los. Die volle Lad­ung traf unglücklicherweise den Kopf des auf Besuch anwesenden 6jährigen Söhnchrns des Bahnwä'.tcrS Weitbrecht. DaS Kind war sofort eine Leiche. Gerichtliche Unter­suchung ist eingeleitct.

Herrenberg, 11. Juli. Seit heute früh 3 Uhr wütet hier ein kolossaler Brand hin­ter dem Oberamt. Der herrschende Wasser­mangel erschwert die Löschungsarbeitcn.

Neuenbürg, 9. Juli. Ein aufregender Vorfall spielte sich gestern abend in der un­tern Stadt ab. Eine Gesellschaft jaus dem benachbarten Ellmendingen wollte in der Richtung nach Pforzheim abfahren. Da der Kutscher die Pferde zu scharfem Trab an- trieb, verfolgten die Zuschauer das Fuhrwerk (Break) mit Besorgnis. Wirklich scheuten auch die Pserde unmittelbar vorder im Um­bau begriffenen Kanalbrücke und bogen scharf seitwärts ab, so daß die entsetzten Augen­zeugen glaubten, der Wagen werde in« Was­ser stürzen. Zum Glück geschah dies nicht. Durch die rasche Wendung war ein Rad ge­brochen, wodurch der Wagen umgeworsen und die Gesellschaft herauSgeschleudert wurde. Die Insassen kamen mit einigen leichten Ver­letzungen davon.

Ulm, 11- Juli. Gestern nachmittag be­gab sich der seil kurzer Zeit hier wohnhafte verheiratete Schmied Franz Braun aus Gög­gingen, OA. Laupheim, mit seiner Frau in seine Heimat. Als die beiden auf dem Rück­wege die Donaubrücke beim Gögginger Wald passierten, sprach Braun den Wunsch auS, zu baden, entkleidete sich und ging in die Donau. Nach einiger Zeit sah die oben auf der Brücke wartende Frau Braun ihren Mann untersinken. Derselbe kam zu ihrem Ent­setzen nicht mehr zum Vorschein. Es scheint, daß ein Schlaganfall seinem Leben ein Ende gemacht hat. Sein Leichnam wurde nach Istündigem Suchln aufgefunden und nach Wiblingen verbracht.

Ulm, 8. Juli. Ein hiesiger Bäckermei­ster, der seiner Zeit warm für das frühere Schließen der Verkaufsstellen in Bäckereien cingetreten war, am letzten Sonntag aber trotzdem nach 6 Uhr noch Waren abgab, ist von einem seiner Collegen, der ihm aufpaßte, der K. Staatsanwaltschaft zur Bestrafung angezeigt worden. Der Angezeigte, der Ober­meister der hiesigen Bäckerinnung, Mack, ver­öffentlicht nun in den hiesigen Lokalblättern ein Inserat, in welchem er seine Collegen für die freundliche polizeiliche Bewachung seines Hauses seinen Dank ausspricht. Dieser erste Fall der Denunziation seit Einführung de« Gesetzes über die Sonntagsruhe dürste zwei­fellos weitere im Gefolge haben, wa« im Interesse des friedlichen Einvernehmen« der Geschäftswelt sehr zu bedauern wäre. Am

Freitag den I. Juli entfernte sich der Hoch­zeitslader W. von hier, angeblich, um in Stuttgart Heilung von einem Augenleiden zu suchen. Da bis jetzt keine Nachricht von ihm eintraf, so recherchierten seine Ange­hörigen in Stuttgart nach ihm und erfuhren, daß solcher gar nicht dort angekommen sei. Es wird nunmehr vermutet, daß W., der überdies in keinen günstigen Vcrmögensver- hältnissen steht, sich das Leben genommen hat.

Die kleinen Zwanzigpfennigstücke, von deren Einziehung vielfach die Rede gewesen ist, werde» bis auf Jahre hinaus noch iw Verkehr bleiben. Es sind freilich nach jund nach für 13 003 714 ^ solcher Geldstücke eingrzogen und zur Prägung von Mark­stücken eingeschmolzensworden. Trotzdem be­fanden sich nach der statistischen Ueberficht de- Reichsschatzamtes zu Ende des Monat- Mai d. I. noch für 22 714 208 oder 113 571 040 Stück im Umlauf. Der Durch­messer eines solchen Geldstückes beträgt 16 Nr Millimeter. Man kann also mit den noch im Umlauf befindlichen auSeinandergelegten Zwanzigpfennigmünzen die Strecke von 1874 Kilometern oder rund 250 Meilen bedecken.

Würzburg, 8. Juli. Die Gemeinden Fellen, Wohnrod, Aue und Mittelst»« er­lebten am 4. d. von 23 Uhr nachmittags ein Gewitter mit Hagelschlag, wie es seit Menschengedenken nicht mehr vorgekommen ist. Das Getreide und die Kartoffeln wurden von den fast taubeneigroßen Schlossen strich­weise zusammengeschlagen. Manche Bauern schätzen ihren Schaden auf über 1000 Niemand ist gegen Hagelschlag versichert. Da« halbe Dorf Fellen stand im Wasser. In Mittelsinn wurden Heufuhrcn nmgestürzt, ein Knabe ein Stück Wegs fortgeschwcmmt, ein anderer durch einen Bürger vor dem Ertrinken gerettet. Da« Elend ist groß. Das Pfarr- und Bürgermeisteramt von Fellen erläßt einen Aufruf zur Linderung der Not.

Berlin, 11. Juli. Ein hiesiges Blatt teilt mit, der Kaiser habe dem Minister des In­nern und dem Oberprästdenten von Bran­denburg den festen Entschluß zu erkennen ge­geben, unter keinen Umständen einen Frei­sinnigen als Oberbürgermeister von Berlin zu bestätigen. Die Bestätigung Z'llc's al« zweiten Bürgermeisters sei nur schwer von Herrfurth durchgesetzt worden. Dabei habe der Kaiser gesagt:Nun kommen Sie mir aber nicht wieder mit einem freisinnigen Bür­germeister !" Ob diese Einzelheiten zutreffend sind, ist schwer zu entscheiden. Thatsache aber ist, daß in diesen Kreisen, die die Bür­germeisterwahl vorbereiten, feit einger Zeit schon die Besorgnis von einem Konflikt be­steht, die auf bestimmten Acußerungen be­ruhen soll. Es scheint die Absicht zu be­stehen, Berlin einen Oberbürgermeister auf­zuzwingen.

Berlin, 6. Juli. Wir lesen imBert Tagbl." : Ein Bild menschlichen Elends ent­rollte eine Verhandlung, welche sich gestern vor dem Schöffengericht Rixdorf abspielte. Des Diebstahl« «ngeklagt war ein 15jährige» Mädchen. Um der strebenden Mutter ein warmes Zimmer zu bereiten, hatte die Toch­ter einem in demselben Hause wohnenden Händler einige Preßkohlen gestohlen, da sie kein Geld besaß, um solche zu kaufen. Das Gericht Verurteilte die Angeklagte zu einem Verweis, und e« ist dem Richter gewiß nicht leicht zew,rden, diesen Berwei« zu erteilen.

Unglück auf dem Genfer See. Im

Hasen von Ouchy am Genfer See ist am SamStag mittag der Kessel des Dampfschiffes Montblanc geplatzt. Bisher sind 10 Tote konstatier!; die Zahlenangaben über die Ver­wundeten schwanken zwischen 30 und 50. Eine spätere Nachricht giebt die Zahl der To­ten auf 27,. die der Schwerverwundeten auf 25 an. Im Augenblick, wo das Schiff an- legtc und Reisende aus-und einstiegen, Platzte der Kessel hart vor dem Eingang in das Restaurant der ersten Klasse. Der Dampf strömte mit furchtbarer Gewalt in den Salon und verbrühte alle Personen, die sich daselbst befanden und gerade zu Tisch gehen wollten. Der Salon war voll von Touristen, meist Fremden, Engländern und Franzosen. Wahr­scheinlich ist keiner unverletzt davongekommen. Die Verwundeten befinden sich meist in schau­derhaftem Zustande. Von den Toten konnte vorerst bloß die Identität der Frau des Re­staurateurs festgcstellt werden. Mehrere französische und englische Damen, auch meh­rere Kinder befinden sich unter den Opfern der Katastrvphe. Der Montblanc ist das größte LuxnSschiff der Dsmpfschiffgesellschaft des Genfer Sees.

Ems, 11. Juli. König Alexander von Serbien ist hier eingctrosfen.

Im Wallis (Schweiz) giebt cs Heuer ein ungewöhnlich gesegnetes Weinjshr; in den besten Lagen rechnen die Rebbauern dar­auf, bis Anfang August reife Trauben zu sehen. Der Ertrag wird in den meisten Lagen eine gute Mitlclerntc weit übersteigen. Sehr reichlich ist auch die Getreideernte. Im Unterwallis ist die Kornernte bereits voll­endet, im Oberwallis stehen an vielen Orlen die goldenen Garben schon auf den Feldern zum Einheimfcn. Eine fo frühzeitige und reiche Ernte hat das Wallis selten gesehen.

In Paris ging das Gerücht, Baron Adolf Rothschild habe in einem Anfall von Geistesstörung seine unvergleichliche Samm­lung von Kunstgegenständen zerstört. Nun wird von der Familie versichert, er habe bloß einige Wertgegenstände beschädigt, sein Zu­stand sei auf ein gichtische« Leiden zurückzu- führcn.

In Christlallsand hat von Freitag nachmittag bi« SamStag früh eine große Feuersbrunst nahezu die Hälfte des bestgc- bauten Stadtteils zerstört; mehrere Hundert Häuser, darunter die norgwegische Bank, die Sparkasse, das Posthau«, ein großes Säge­werk und ein bedeutende« Holzlager sind di« auf den Grund niedergebrannt. Von den Festungs- und Militärctablissement« sind nur die Mauern übrig. Viele Mensche» sind ob­dachlos. Die betroffenen Versicherungsge­sellschaften sind zumeist norwegische.Nach einer späteren Nachricht sind im ganzen 356 Hauptgebäude niedcrgebrannt, die Nebenge­bäude nicht milgerechnet. DerGcfamtschaden wird auf 7 Millionen Kronen geschätzt, die Versicherungssumme beträgt 3,800,000 Kro­nen.

Montbrison, 11. Juli. Ravschol ist heute früh 4 Uhr Eingerichtet worden. Es trat kein Zwischenfall ein. Ravachol rief im letzten Moment aus, er habe etwas an- zugebcn. Der Henker vollzog die Hinricht­ung unter dem Rufe: Es lebe die Repu­blik! Ravachol wies mit lynifchen Ausdrücken geistlichen Beistand zurück.