Hiesiges

Wildbad, 4. Juli. Letzte» Mittwoch tagte hier die 10. allgemeine Landesversammlung d>s Württcmb. ärztlichen Landesvereins. Die am Vorabend schon hier anwesende Aerzte vercinigien sich im Kaff-eiual dcS K- Bad­hotels. Vormittags 9 Vs Uhr begannen die Verhandlungen im Konversationssaal, nach deren Beendigung die Badgeläude und -ein- richtungen, besonders aber das neue König Karls-Bad einer eingehenden Besichtigung unterzogen wurden. Um 2L- Uhr fand im K. Badhot l das Diner mit 80 Gedecken statt, welches das K> Finanzministerium und die Stadt Wildbad den Teilnehmern gab. Abends 6 Uhr fand gesellige Vereinigung und Konzert der Knrkapelle auf dem Kur­platz statt. Wie wir hören, haben unsere Badeeinrichtungen, ganz besonders aber das König Karls-Bad den besten Eindruck auf die Herren Aerzte gemacht.

Rundschau.

Stuttgart, 1. Juli. Ihre Majestät die Königin begaben sich heule nachmittag 2 Uhr mit der Hofdame Freiin v. Süßkind in einer Viktoria von Marienwahl nach Villa Berg zum Besuch bei Ihrer Majestät der Königin- Witwe Olga. Kurz nachdem der Wagen in den K- Park Rosenstein eingefahren war, brach die Hinterachse, und der Kutscher stet vom Bock; er wurde eine kurze Strecke ge­schleift, bis die Zügel, die er in der Hand behielt, rissen. Der Lakai sprang vom Bock, um die Pferde aufznhalten, wurde aber auch eine Strecke Wegö geschleift und umgcwcrfen. Nun versuchten I. M. die Königin die Pferde, welche glücklicherweise den Weg nicht »erließen, mit der Stimme zu beruhigen; da die« aber keinen genügenden Erfolg hatte, knieten Ihre Majestät mit seltener Uner­schrockenheit im Wagen nieder, setzten einen Fuß auf den Wagentrilt, erhaschten die am Boden schleppenden Zügel und brachten die Pferde zum Stehen. Allerhöchstdieselben haben keinerlei Schaden genommen und setz­ten mit der Hofdame den Weg nach Villa Berg zu Fuß fort. Der Kutscher wurde in die Meierei Rssensteui gebracht, wo der herbeigerufene K- Hofarzt Dr. Gußmann eine ungefährliche Verletzung des Fußes (Zerreisung eines Bandes) konstatierte. Dem Lakaien ging ein Rad über das Bein ohne weiteren Schaden; außerdem hat er ein Finger­gelenk gebrochen. Auf der Rückfahrt besuch­ten I. M. die Königin in der Meierei den Leibkutscher, welcher bald darauf in seine Wohnung verbracht wurde. Der Lakai konnte die Fahrt nach Marienwahl wieder mitmachen. Die Pferde sind ganz unverletzt geblieben.

Stuttgart, 2. Juli. Die Herzogin von Urach und Fürst Karl von Urach haben sich heute mit dem Orient-Expreßzug zu den Ver- mählungsfeierlichkeiten des Herzogs Wilhelm von Urach mit Prinzessin Amalie von Bayern nach München bezw. Tegernsee begeben. Der Herzog ist bereits gestern dahin abgcreist.

Stuttgart, 2. Juli. Aus sicherer Quelle ist zu vernehmen, daß die verschiedenen Ge­bäude des Cafo Marquardt-Bechtel in den besitz Ihrer Kaiser!. Hoh. der Großfürstin Wera übergegangen sind. Es ist demnach von dem Vorbehalt des Kaufvertrags mit Priv. E. Rath an höchster Stelle Gebrauch gemacht worden. An Stelle des Konglome­rats von provisorischen Bauten tritt nunmehr ein Palast für die Großfürstin Wera. Der

Kampf um die zweckmäßigste Verwendung dieses bevorzugte» Bauplatzes in der schwäbi­schen Hauptstadt dauert wenigstens 40 Jahre. Die LAsstng, die auf dem eben bezeichnet?» Wege gewonnen worden ist, dürfte wohl all­seitig mit der größten Befriedigung ausge­nommen werden. (S. M.)

(Neue Münzen.) Neue Silbcrmün- zen, welche daö von Hofmrdailleur C. Schwcn- z'r gefertigte Bildnis des Königs Wilhelm II tragen und in der hiesigen Münzstätte geprägt wurden, sind seit I. Juli im Um­lauf gesetzt, und zwar vorläufig Zwcimarck- stücke. In den nächsten Tagen folgen auch neue Fünfmarckstücke.

Stuttgart, 2. Juli. Gestern abend halb 10 Uhr haben mehrere junge Leute von Gab- lenbcrg und Wangen bei einem Tanzvergnü­gen in Wange» miteinander Streit bekom­men. Als die Gadlenberger die Wirtschaft verließen, wurden sie von den Burschen von Wangen verfolgt und auf dem Wege nach Gablenberg in der Nähe von Wangen ein­geholt, woselbst sich eine Schlägerei entwickelte. Einer der Gadlenberger brachte miltelr feines Messers einem seiner Gegner von Wangen einen Stich in die Halsschlagader bei. Der Verletzte brach zusammen und war sofort eine Leiche. Der Thäter wurde festgcnom- men.

Am Freitag vormittag hat ein ver­heirateter, 40 Jahre alter, an periodischer Geistesstörung lebender Schuhmacher Dorn in Cannstatt seinem Jahre alten Kinde mit dem Tischmesser den Hals abgeschnitten. Der Mann war zuletzt im März und April d. I. wegen Geistesstörung im Bezirkskrankcn- haus untcrgebracht. Die Frau war während der That in der Fabrik.

Mergentheim, 3. Juli. Als letzten Frei­tag der Bauer B. in Dörtcl mit dem Be­laden eines Heuwagens beinahe fertig war, zogen die Pferde an, wodurch der Wagen umficl und dem Bauern durch den Heubaum ein Fuß derart zerschmettert wurde, daß die Splitter durch den Stiefel herausdrangen. Der Fuß mußte a-nputiert werden. Um das Unglück voll zu machen, fand man am glei­chen Tage, eine Stunde nach der Amputa­tion, den Sohn des Verunglückten schwer verletzt in der Tenne. Der 8jährige Knabe wollte Vogelnester suchen und fiel vom Ge­bälk.

Aalen, 1. Juli. Schon seit Jahren wird der Kocher durch die oberhalb Aalen geleg­enen Fabriken derart verunreinigt, daß kein Fisch mehr dannen fortkommt. Der Fluß ist aber auch für das Baden unbrauchbar- gemacht. Die Stadt hat nun ein sehr schönes Schwimmbad am Hirschbsch ejngerichlet und heute dem Publikum zur Benützung über­geben.

Sulz a. N., 3. Juli. Heute nacht um 2 Uhr stürzte AmlsgerichtSdirncr Maier, als er nach Hause wollte, die Treppe seiner Wohnung herab und wurde tot vom Platze getragen.

Am verg. Donnerstag früh kam der Schuhmachergeselle Engel zu der im Musi- kantcnwcg in Frankfurt a. M. wohnenden Witwe Springer und bat um Arbeit. Als ihm gesagt wurde, er könne keine Arbeiter- Hallen, verlangte er ein Glas Wasser, nahm sich auch in der Küche ein leeres, goß in dasselbe »ns einer mitgcbrachten Flasche Salz­säure und schüttete den Inhalt der Witwe in Gesicht, worauf er die Flucht ergriff.

Engel wurde wegen gefährlicher Körperver­letzung verhaftet.

Berlin, 30. Juni, lieber einen rühren­den Fall von Kindesliebe berichtet dieTgl. RundschauEin Familienvater, der seine erste Frau durch den Tod verloren hat und im Begriffe steht, die zweite zu nehmen, schickie dieser Tage seinen ältesten Sohn, einen Knaben von 12 Jahren, mit einem präch­tigen Strauß Rosen zu seiner jungen Braut, indem er sagte:Geh und bring der Mama dieses Rosenbouquel I" Der Knabe geht und kehrt erst nach mehreren Stunden heim. Den Vater wundert es, daß der Sohn, welcher sich sonst ungern lange bei seiner künftigen Stiefmutter aufhieit, so lange fortgeblicbcn ist; er fragt nach der Ursache. Da ant­wortete der Knabe:Vater, ich bin ja auf dem Kirchhof gewesen und habe die Rosen auf unser Grab gelegt; denn du hast doch gesagt, daß ich sie der Mama bringen sollt"

(Einarmer" Mann). In Char- lottenburg lebie seit langer Zeit ein Greis Friedrich Ncichenkorn. Er hauste in einem Zimmer, dessen Läden nimals geöffnet wur­den. Seine Lieblingsnahrung bestand ans alte» Schrippen. Seine Verwandten hatten sich von ihm zurückgezogen. Er nahm Ehe­leute zu sich, die sich den sonderbaren Ge­pflogenheiten des Alten anzupassen wußten. Dieser Tage starb nun der Greis und man fand in seinem Sirohsack 40 000 ^ in klingender Münze, auf dem Ofen, hinter der Kommode, in alten Stiefeln und Schuhen steckten Geld und Wertpapiere von über 300 000 ^ Dieser Befund, der sich mit Blitzesschnelle verbreitete, lockte aus allen Himmelsgegenden Erblustige herbei, die auf die Eröffnung des vorhandenen Testaments drangen. Wie vom Donner gerührt standen indes die Verwandten da, da ihnen die Mit­teilung wurde, daß die bei dem Verstorbenen wohnenden Eheleute zu Universalerben ein­gesetzt seien. Ein Erbschaftsprozeß, bei dem auch die Steuerbehörde vertreten sein dürste, wird sich vorausstchltich entspinnen. Hoffenl- tich hat die Geschichte bei den Beteiligten den Vorzug, daß sic wahr ist.

(Sechs junge Mädchen) im schweizer Oberlandkostüm haben eine Art von Welt­reise geplant und zum Teil schon auSgeführt. Sic durchwanderten zu Fuß die Berge ihrer Heimat und kamen auch, den Stab in der Hand und den Tornister auf der Schulter nach Paris, wo sie aus den Boulevards durch ihre kräftige Gestalten und ihr schmuckes gleichartige« Kostüm Aufsehen erregten. Die jungen Reisenden schlafen unter freiem Him­mel in Hängematten, wobei eines der jungen Mädchen stets die Wache hält, damit sich keine Unberufenen herandrängen. Wer Hände und Arme dieser besonders eigentümlichen Freundinnen des Sports betrachtet, Wied nicht im Zweifel sein, daß die Mädchen keines anderen Schutze- bedürfen. Von sen­timentalen Anwandlungen sind sie gleichwohl nicht ganz frei, denn jede führt ein Tage­buch, das schon über tausend eng beschriebene Seiten aufweist. Auch Deutschland soll von den Wundcrjungfrauen besucht werden, die sich vielleicht auf der Weltausstellung von Chicago sehen lassen wollen.

Wie ein Dresdener Blatt mitteilt, ist beim Uebungsschießen des Dresdener Schützenregiments ein Gewehr gesprungen. Dem betreffenden Soldaten wurde dabei das Gesicht zerschlagen und c.u Auge völlig her-