Rundschau.

Fcllbach, 29. April. Gestern machte sich ein 13jährtges Mädchen an der Futlerschneid- maschine zu schaffen, wodurch demselben die Hand verletzt und der Mittelfinger ganzab- geschnitlen wnrbe.

Ludwigsburg, 30. April. Heute, am Todestag der hochseligen Prinzessin Marie, der ersten Gemahlin des Königs, ist deren Grabmal auf dem bürgerlichen Friedhofe wieder aufs schönste geschmückt worden. Die Sladtgemeinde hat einen prächtigen Riesen­kranz mit den Stadtfarben auf dasselbe nie- derleaen lassen.

Ebersbach a. F., 30. April. Die ein­zige, neu konfirmierte Tochter des Witwers Krapf in Baiereck war gestern nachmittag mit Distclstechen auf einem Acker beschäftigt. Aus irgend einer Veranlassung sprang sie mit dem offenen Messer in der Hand von einer Anhöhe herab, stürzte nieder und stieß sich das Messer so tief in den Leib, daß an ihre Rettung nicht mehr zu denken ist.

Nagold, 29. April. Unter zahlreicher Beteiligung aus Stadt und Land wurde ge­stern abend im Hirschsaale der Abschied de« nach Heilbronn abgchcnden OberamtmannS D. Gugel gefeiert. In verschiedenen Reden (Dekan Sckott, Bezirktschulinspektor Dieterle, Verwaltungs-Aktuar Rapp,Schultheiß Wurst, ObecamtSbaumeister Schuster) wurden die Verdienste des scheitenden Beamten gefeiert. Besondere Verdienste hat sich derselbe als Vorstand des landwirtschaftlichen Vereins er­werben. In Rohrdors, Sulz, Walbdorf, Miedersbach wurden in den letzten Monaten Darlehenskassen gegründet.

I» Jlsfeld hat die Bürgerschaft zu der bevorstehenden Wahl eines OrtSvorstan- des in ihrer Mehrheit den Beschluß gefaßt, nur dem Kandidaten ihre Stimmen zu geben, welcher sich auf Ehrenwort anheischig macht, im Falt seiner Wahl nach 10 Jahren un­aufgefordert seine Stelle nnderzulegen und sich einer Neuwahl zu unterziehen.

Ehingen, 29. April. Gestern abend um 9 Uhr schlich sich ein Unbekannter in einen hiesige» Gasthof und wartete am Bierschal- ter, ins niemand in der Schenke war. Ver­mittelst eines Messers hob er das Fenster in die Höhe und stahl die ans dem Simsen befindliche Kaffe. Der Diebstahl wurde ent­deckt und dem Gauner nachgesctzt; derselbe entkam jedoch seinen Verfolgern.

Tuttlingen, 29. April. Heute ngchmii- lag suchie uad fand eine 66 Jahre alte Frau von hier den Tod ln den Wellen der Donau. Vor drei Wochen starb ihr Mann; nun scheint sie die Trauer um diesen Vertust zu der unglückseligen That getrieben zu haben.

Rottenburg, l. Mai. Der hiesige Fuhr­mann Schäfer führte gestern abend mit seinem 15jährigen Sohne Xaver einen Langholzwazen. In der Nähe der Wendelsheimer Kapelle war der letztere mit demMüggen" de- Wagens beschäftigt und siel dabei so un­glücklich unter den Wagen, daß die Räder ihm über das Genick gingen, was seinen schnellen Tod zur Folge hatte. Da« Ent­setzen des Vaters bei dieser Katastrophe war groß.

Der Kaiser sandte dem Großherzog von Baden ein Glückwunschschreiben, in dem es heißt: Der Tag des Regierungsantritts wird nicht nur von der jubelnden Begeister­ung der getreuen Badenser, sondern soweit die deutsche Zunge klingt, mit srcudizcr Tkil»

nähme begrüßt. Möge cs dem Großherzog vergönnt sein, noch lange Jahre die Früchte seiner, dem Wohle seines gesegneten Landes unablässig gewidmeten Fürsorge zu genießen und vereint mit den übrigen deutschen Für­sten für die Größe des Reiches zu wirken. Unter den zahlreich angemeldeten Abord­nungen befindet sich auch Erzbischof Roos und Domherr Beharle. Am Abend wohn­ten die großherzogliche» Herrschaften der Fest­oper bei. Zur Aufführung gelangte die Oper Cid" von Cornelius.

->? Die deutsche Armee wird bekanntlich mit Mannschsflszetten 'ausgerüstet, welche den Soldaten beim Aufenthalt unter freiem Him­mel Schutz gegen die nachteiligen WitterungS- kinflüsse gewähren sollen. Damit nun die Mannschaften selbst nicht durch den Trans­port der Zelte belastet werben, sind in der Artillerie-Werkstatt in Spandau die Muni­tion-« und Bagagewagen mit mechanischen Vorrichtungen versehen worden, an denen die Zeltstäbe und Tücher angebracht werden. In dieser Weife werden die zu den Zelten er­forderlichen Gegenstände, in Säcken verpackt, im Felde bei der Truppe mitgeführt.

(Nicht im Bett rauchen !) DieK. Zig. meldet unterm 29. April folgenden Vorfall: Ein 65jähriger Mann, der seit längerer Zeit zu Deutz krank darniederlag, bekam gestern Verlangen, im Bett eine Pfeife zu rauchen. Er stopfte eine solche u. setzte den Tabak in Brand. Bald stand das Bett in Flammen und der Kranke erlitt so schwere Brandwunden, daß er kurze Zeit, nachdem das Feuer gelöscht war, den Geist ausgab.

In Ubstadt bei Mannheim erschoß der 35jähr. Schuhmacher Steimel die ledige 22jähnge Julie Keim, welche seine Liebes- werbungen abg wiesen hatte. Aldann erschoß Steimel sich selbst.

In Nürnberg erschoß sich ein Schutz­mann auf dem Patronillengang an der Max- ihsr-Anlage.

Da« Schwurgericht in Winterthur erklärte im Rcstitutionsverfahren den Land­wirt Aldcr, Küßnacht, der 1863 wegen Not­zucht zu 4'/- Jahren Zuchthaus verurteilt wurde und diese abgeseffen hatte, infolge Ge­ständnis des Lehrers Büchi für unschuldig. Der Staatsanwalt beantragte Frc». 10 000 Entschädigung, Alder FrcS. 15 000. Der Gerichtshof sprach ihm Frcs. 12 000 zu. Die wegen der fälschlichen Anklage geschie­dene Frau hat sich wieder mit ihrem Gatten vereinigt.

Saaralben, 27. April. »Auch ein Ehe­mann im Kleiderschrank" kann man eine kleine ergötzliche Geschichte betiteln, welche die Saargem. Ztg." berichtet. Ein in sehr fried­licher Ehe lebender und ganz nüchterner junger Mann von hier feierte am verflos­senen Samstag morgen seinen Namenstag (St. Georg) wobei er denn auch im engern Kreise ausnahmsweise des Guten etwas zu viel that. Seine Frau, an solche Vorkomm­nisse nicht gewohnt, war voll Bekümmernis über sein Ausbleiben. Endlich kam er. Die Frau hatte einige Geschäfte in der Stadt zu erledigen und freute sich nicht wenig, als sic nach Hause kam, zu sehen, daß sich ihr Mann entkleidet und, nach seinen Kleidern zu ur­teilen, zu Bette gegangen sei. Um so größer war aber ihr Schreck, als sie ihn im Laufe de- Tage« zum Mittagessen wecken wollte und das Bett leer und unberührt fand. Bsller Bes-rgnis suchte sie nun da« ganze

Haus und die Stadt ab, mußte aber hören, daß ihn niemand gesehen hatte. Am Abend wollte sic zufällig im Klciderschrank etwa« nehmen. Da man denke sich die freudige Ueberraschung der Frau saß ihr lieber Mann und schlief in guter Ruhe, und ließ sich in der erstes Stunde auch nicht stören.

Wien, 30. April. Au verschiedenen Or­ten fand man gestern Plakate mit den Wor­ten :Hoch Ravachol! Wir kommen auch nach Wien" ; dieselben wurden sämtlich kon­fisziert. Die Polizei verbot alle angesag- ten 31 Arbeiterversammlungen, die für den 1. Mai in Aussicht genommen waren. In Tarent wurde nach einer Meldung aus Venedig gestern da« Rathaus von Anarchisten in die Luft gesprengt. In ganz Jralien dauern die Verhaftungen von Anarchisten fort.

Paris, 30. April. Präsident Carnot er­hielt drei Drohbriefe, weshalb besondere Eichcr- hcitSmaßrcgeln ergriffen wurden. Auch der Minister des Innern erhielt drei Drobriefe. Diese Nacht fand wieder allgemeine Anar- chisten-Razzia statt, wobei 24 Vn Haftungen vorgcnommcn wurden. Die gesamten Fuß- lruppen sind von heule abend ab marschbe­reit in Feldrüstung. Sämtliche Kavallerie kampiert von Sonntagmorgen 3 Uhr ab in Voller Ausrüstung neben den Pferden,

Französische Volksbildung. Franzö­sische Blätter dringen ganz auffallende Mit­teilungen über den Stand der Volksbildung in Pari«, au« denen hervorgeht, daß die ja auch in Frankreich beschlossene Einführung des allgemeinen zwangSmäßigcn Bolk-unter- richtS nur auf dem Papier zu stehen scheint. Nach den Angaben der letzten statistischen Untersuchungen solle- in Pari« nicht weniger alt 22 000 Kinder geben, die keinen Schul­unterricht genießen, eine Zahl die 10 V. H. der Bevölkerung zwischen 6 und 13 Jahren ausmach!. Sic sind der großen Mehrzahl nach bestimmt, dereinst die Armee des Ver­brechens zu vergrößern. Noch schlimmer als in Paris steht es in dessen unmittelbarer Um­gebung aus, in den Vororten, 12,000 Kin­der unter 57 000 gar keinen Schulunterricht genießen, also etwa 20 v. H. Wenn das schon in dem hochkultivierten Seine-Departe­ment so schlimm aussieht, wie mag es dann erst in der Provinz zugehcn l

Lausanne, 30. April. In Prilly bei Lausanne fand in dem Hanse, wo die Mut­ter des Präfekten wohnt, eine Dynamitexplo- ston statt, wodurch d«S Treppenhaus und die Ballustrate zerstört., aber niemand verletzt wurde. Der Urheber ist unbekannt. Der Präfekt erhielt bereit- im Laufe der Woche Drohbriefe.

.'. (Eine orginelle Annonce) befindet sich in dem Inseratenteile einer Nürnberger Zeitung. Es ist da zu lesen:Für einen jungen Mann «u< guter Familie, welcher seine Lehrzeit in einem Engros-Geschäft be­endet hat, wird eine Stelle sl« Kommis ge­sucht. Derselbe ist durch eine dreijährige aus­schließliche Lehrpraxis in Briefabklatschen, Packeten- und Bncfaustragen, Zeitungsholen, Magazin- und Hofraumkchren, Abständen, Lampenputzen, Kohlenschaufeln re. gründlich erfahren und daher im Stande, in den ge» nannten kaufmännischen Wissenschaften wirk­lich Gediegenes zu leisten. Gefällige Offer­ten unterModerne Kaufmannslehre" er­beten."