Rundschau.

Stuttgart, 22. April. Zu dem Jagd- auSslug S. M. de« Königs mil S. K. H. dem Erbgroßherzog von Mecklenburg-Slrelitz schreibt man aus Freudenstadt, 21. April: Bei dem JageauSflng S. M. des Königs Wilhelm in Begleitung S- K- H. des Erb- grsßherzsgs von Mecklenburg-Streliz nach Freudenstadt haben die hiesigen städtischen Behörden und Einwohner denselben einen festlichen Empfang bereitet. Mit dem fahr­planmäßigen Schnellzug nachmittags 4 Uhr 5 Min. lief unter Böllerschüssen der kgl. Salonwagen hier ein, begrüß! von einer Fanfare der städtischen Musik. Nachdem Stadlschultheiß Hartranft ein dreifaches Hoch ausgebraätt, hieß Oberamtmann BameS S. M> den König willkommen und stellte ihm die hiesigen Staats- und städtischen Beamten vor, wobei der König sich huldvollst nach den persönlichen V>rtzältnissin derselben er­kundigte. Die SchwarzwaldbouquetS, welche ^ihm vier weißgekleidete Mädchen überreichten, nahm er freundlich entgegen, unterhielt sich mit den Vorständen der Militär- und Ge' sangvcreine re. und begab sich dann zu Fuß unter lebhaftem Hochrufen der Einwohner­schaft nach dem Schwarzwaldhetkl, wo Herr C. Luz am Eingang eine geschmackvolle Ehren­pforte errichtet hat. Die Stadl hat geflaggt und am neuen Schnlhaus eine Ehrenpforte erstellt mit der Inschrift:

Heil Freudenstadt I welch' hohe Gnad', Weithin erschall' dein Frendenrnf,

Ein hochcrlauchter Sprosse naht,

Des Ahnherrn, der dich einstens schuf. Die Rückfahrt erfolgt bereit« morgen, Frei­lag, vormittag mittels Exirazuge«.

Stuttgart. Am 27. d. Mts. feiert der Ministerpräsident Dr. Freiherr v. Mittnachl sein 25jähriges Ministcrjubiläum, denn am 27. April 1867 wurde er zum Justizminister ernannt n> > erlangte im Ministerium eine hervor» e Bedeutung. Im Zotiparla- ment, d er 18687.0 angehörte, war er Führer rer würtlrmbergischen Partikularisten, nach dem er wesentlich zu den antinationalen Wahlen in Württemberg beigeiragen. Nach VarnbülerS Entlassung (August 1870) wurde er das Haupt de« Ministeriums und führte die Verhandlungen in Versailles und Berlin (Oktober bis Dezember 1870) über den Ein­tritt Württemberg« in das deutsche Reich. Im August 1873, nach Wächters Rücktritt, ward er zugleich Minister de« königl. Hause« und der auswärtigen Angelegenheiten, sowie der Verkehrsaiistallkn. Er vertrat Württem­berg seit Gründung des deutschen Reichs im Bundesrat und Reichstag und machte sich namentlich um die Schaffung eine« einheit­lichen deutschen Rechtes sehr verdient. 1878 gab er die Justizangeiegenheitcn ad. 1887 wurde er in den Freiherrnstsnd erhoben. Ohne Zweifel steht dem, um da« Land Würt­temberg, wie um das deutsche Reich hochver­dienten Staatsmanne zu diesem Jubiläum nicht nur seitrus unsere« Königs, sondern wahrscheinlich such seitens des Kaisers je eine besondere Auszeichnung bevor. Einige Zeit hindurch war unser MiuisterpräsidiNl heftigen Angriffen seitens der sogenannten Unitarier anSgesetzi, welche ihn des schnödesten Partikularismus beschuldigten. Aber jene Angriffe blieben erfolglos, weil sie in keiner Weise begründet waren. Das glänzende Zeugnis, welches 1870 der deutsche Kron­prinz und nachmalige Kaiser Friedrich in

sein Tagbuch niederschriebMittnacht meint es ehrlich" hat dessen unitarische Gegner nachträglich beschämt. Unser Ministerpräsi­dent meint eS aber auch ehrlich mit seinem König und Heimatlande und hat dieses gleich­falls durch zahlreiche hervorragende Thaten in Gesetzgebung und Verwaltung bewiesen. Heute muß dies jeder Kenner und gerechte Beurteiler unserer württembcrgischen Ver­hältnisse anerkennen.

Fcllbach, 21. April. Heute früh zeigte sich wiederum starker Reif, und bange Sorge schwebte auf den Herzen. Soviel sich nun aber jetzt übersehen läßt und wie man auch aus den Nachbarorten allgemein hört, ist merkwürdigerweise weder an den Weinbergen nach an den Kirschen ein Schaden bemerkbar; auch von der winterlichen Witterung der vor- auSgegsngenen Tage ist gottlob nichts Nach­teiliges zu bemerken. Würde zwar die alte Winzerregel:Friert der Wein in der Wolle, dann giebl's wenig in die Botte (Bütte)" ihre Wahrheit behaupten wollen, dann wäre ein etwaiger Schaden allerdings erst nach Monaten sichtbar. Hoffen wollen wir's jedoch nicht.

Brackenheim, 22. April. In vergangener Nacht wütete hier ein furchtbarer Brand; 7 Wohnhäuser und 5 Scheuern sind total abgebrannt, und sehr wenig Fahrnis konnte geinttet «erden. Die Abgebrannten sind alle versichert.

Blbcrach, 21. April. Am gestrigen mit­tag wurde auf der alten Straße von Ring­schnait nach Ochsenhausen ein Hafnerzeselle aus letzterem Orte tot aufgefunden. Der Unglückliche, I. Wshnha« mit Namen und 35 Jahre alt, hat Montags unsere Stadt verlassen, ist in da» fürchterliche Schneewrt- ter geraten, wahrscheinlich ermüdet, auf das Gesicht gefallen und im Schnee er­stickt. Da die Straße selten begangen wird, so blieb der Verunglückte einen ganzen Tag auf derselben liegen.

In Ettlingen wurde nachts bei der Durchfahrt des Bahnznges an einem Wagen 2. Klasse eine Fensterscheibe mit einem Stein eingeworfen, wodurch eine ur der Abteilung sitzende Frau eines Offizier« von Rastatt so unglücklicherweise verletzt wurde, daß sie blut­überströmt in Rastatt au« dem Kouppee ge­bracht werden mußte. Der Thättr ist un­bekannt.

Neuhosen (Pfalz), 19. April. Am Freitag wurde dahier ein Mann von einer Fliege gestochen, was er Anfangs nicht be­achtete. Nach einigen Stunden stellten sich Schmerzen und Geschwulst ein und konsta­tierten die hcrbcigerufenen Aerzte Blutver­giftung, deren der Mann (Familienvater) zum Opfer fiel.

Vom badischen Schwarzwald, 20. April, schreib: man: Es scheint »rast zu werden, daß der 150 Meter hohe Gipfel de« Feld» bergS nun auch seine Eisenbahn bekommen soll. Die Vorstudien werden in Todnau gemacht, und die Unternehmer zweifeln nicht an der Rentabilität, seitdem der Schneeschuh sport bei Frciburg und tm Höllenthal zahl­reiche Anhänger bekommen hat.

(Mädchenmorde in Hamburg.) Die

hamburgische Bevölkerung, welche seit zwei Jahren durch keinerlei schwere Verbrechen gegen das Leben beunruhigt war, ist in den letzten acht Tagen zweimal die Nachricht eine» Mädchenmordes in Aufregung versetzt worden. In dem mira Falle handelt es sich um die

24jährige Tochter Frida des am Dovcnfleth wohnenden GastwiriS Dabers, und bei dem zweiten am frühen Morgen des ersten Oster- tages entdeckten Morde ist das Opfer die 26jährige Dienstmagd Christine Giehfeld aus Lübeck. I» beiden Fällen scheinen, laut Voss. Ziq ", die Mädchen von eifersüchtigen Liebhabern ermordet zu sein. Bei der Dabers hat man Hilferufe in der Nähe der Elb­brücke gehört, ohne bisher die Leiche des jungen Mädchens gefunden zu haben, wäh­rend der mutmaßliche Mörder, der bei einer Berliner FlußdampfschifffahrtS-Gesellschaft bedienstete (verheiratete) Steuermann M, der sich bei seinem ersten Verhör den fatschen Namen Retschmann beilegte, verhaftet worden ist. In dem zweite» Falle tapp! die Kri- minalbehörde bezüglich rer Thäter noch voll­ständig im Dunkeln, Die Leiche der Gieß- feld wurde in der Anatomie zu St. Georg untersucht und dabei festgestellt, daß der Tod durch Erdrosselung eingktreten sei; es scheint auch kein Raubanfall, verbunden mit einem Morde aus Eifersucht, vorzuiiegen, denn bei der Getönten soll sich ein Sparkassenbuch vorgefundcn haben. Die Ermordete hatte am Abend verschiedene Wege besorgt, nach deren Erledigung sie um 9 Uhr zu ihrer im Vororte Hamm wohnenden Herrschaft zurückkehren wollte; am folgenden Morgen wurde sic erwürgt an einer Böschung der Lübeck-Hamburger Bahn aufgefunden.

Schwerin, 21. April. Die Großherzogin- Mutter Alexandrine ist infolge einer Lungen- und Herzlähmung um halb 7 Uhr nachmit­tags gestorben. (Großherzvgin Alexandrine war Von den Geschwistern Kaiser Wilhelms I die einzige, welche den Kaiser überlebt hat. Sie war geboren am 23. Februar 1803, vermählt am 25, Februar 1822. Der re­gierende Großherzog Friedrich Franz III ist ihr Enkel.

Mannheim, 21. April. In Rastatt er­mordete gestern der Provianlasststent Hartung seine Frau. Der Mörder stellte sich sodann dem Gericht.

In Cemendria (Serbien), unterhalb des FestungsturmeS an der Donau, wurde die Leiche des Artillerie-Korporals Jlia Kon- stantinowitsch gräßlich verstümmelt vorgefun- den. Als Mörder bekannte sich der Artillerist Wasstlie Radulvwilsch; derselbe behauptet, er hätte dem Korporal ans dessen eigenen Wunsch den Hals abgeschnitten, hierauf der Leiche Herz und Leber entnommen und das Blut an einer bestimmten Stelle ausgedrückt, wo nach der Angabe des Getöteten ein gro­ßer Schatz und ein Elixir zu seiner Wieder­belebung sich finden sollte. Der KriegSmini- ster hat die strengste Untersuchung des my­steriösen Vorfälle« angesrdnel.

(Ein verunglückter Tellschuß.) Ein

fürchterliches Unglück ereignete sich am 19. d. M. in Mackees Port in Pennsylvanien. Während der Vorstellung im Worlds-Theater gab ein gewisser Frank Sergeant Proben seiner Geschicklichkeit als Scharfschütze. Die Hauptnummer des Programms war der Tellschuß. Ein Apfel wurde auf den Kopf feines Gehilfen gelegt, Sergeant wendete den Rücken, um zu feuern, und zielte mittels eines Spiegel». Zum Entsetzen der Zu­schauer stürzte der Gehilfe gleich nach dem Abfeuern des Schüsse« zusammen. Die Kugel war durch da« Gehirn gedrungen. Sergeant hatte da« Kunststück seit fünf Jahren