Wicht um Kotö.
Eine Geschichte aus unsern Tagen von Constance Baronesse von Gaudy.
(Nachdruck verboten.)
12 .
Er war als höflicher Wirt gerade bei den älteren Herrschaften gewesen, deren Kaffee- zcll ziemlich fern vom Sec aufgeschlagen war, jedenfalls hatte er, fast unbegreiflicher Weise, bisher von dem Unglücke weder etwa« gesehen noch gehört, welches sich zugetragen — und stand nun Leichenblaß mitten unter der lebhaft erregten Gruppe.
„Mein Kind! Edith! Lebst Du?" rief Senden totenbleich. „Und Fräulein Gerhard hat Dich gerettet? —Frau Baronin," wandte er sich in tiefster Erschütterung an die alte Dame, „tausend Dank sür Ihren thatkräftigen Beistand. Auch Ihre Equipage nehme ich an, wenn Sie dieselbe mir güligst gestatten wollen. Es ist das Kürzeste so, ich schicke Ihnen den Kutscher in spätestens einer Stunde zurück."
Mit diesen Worten sprang er selbst in den Wagen.
„Wie, Herr von Senden," rief nun Ka- milla von Trent, sich besorgt an ihn drängend, „Sie wollen selbst mitfahren I Aber daS ist ja ganz überflüssig, bleiben Sie doch lieber bei uns!"
Senden, der sie keiner Antwort würdigte, rief nur dem Kutscher heftig zu: „Fort!" — und die Equipage war den Nachschauenden entrollt, ehe noch alle in der Gesellschaft den Vorgang recht erfahren halten.
„Da« ist ja ein abscheuliches Ding, diese Edith," rief nun Fräulein von Trenk mit zornigem Unmut, „neulich verdirbt sie uns das Diner, heute stürzt sic in'« Wasser und stört da« Waldfest. Hoffentlich wird wenigsten« nachher Herr von Senden mit dem Wagen wieder zurückkommen l"
„Sehr die Frage," rief man von der andern Seite.
„Nun, wenn er nicht kommt, so gehl das Fest eben ohne ihn weiter!" bemerkte eine andere Dame.
Damit kehrte die Gesellschaft zum Fest und Vergnügen zurück. Für Fräulein von Trenk war freilich der ganze Abend verdorben, und unverholen zeigte sic Allen ihre Ungnade.
Im Wagen saß inzwischen Jutta, noch immer halb ohnmächtig, ihr Antlitz war nach der furchtbaren Aufregung totenbleich, und ihre schweren, goldigen Zöpfe, vom Wasser nach unten gezogen, hingen ihr halbausge- löst über die Schultern. Edith lehnte sich, noch immer krampfhaft schluchzend, fest an ihre Retterin; beide waren unfällig.zu reden.
Und Senden? — Der große, starke Mann erschauerte wie im Fieber, wenn er daran dachte, wie so ganz anders das Fest Verlaufen war, als er sich geträumt! Weshalb hatte er sich wohl so darauf gefreut? Seine Augen hingen wie gebannt an Juttas rührendem Liebreiz, heiß waltlc cS in ihm auf, da bog der Wagen in den Schloßhol und beim Anblick des fremden Kutschers liefen die Dienstvolen erschreckt herbei.
„Fräulein Gerhard," flüsterte Senden mit bebender Stimme, die er sich um>«nst bemühte fest klingen zu lassen, in einer Stunde erwarte ich Sie, wenn es ihr Zu
stand erlaubt, im Salon zum Th«. Ich muß noch heute mit Ihnen sprechen."
„Ich auch, Herr von Senden," sagte Jutta fast tonlos. Dann trug die alte Köchin Edith in's Kinderzimmer, um sie sofort um- zukiciden und zu Belt zu bringen. Um Jutta mühte sich da« hübsche, muntere Stubenmädchen Martha, die für die freundliche, vornehme Gouvernante vom ersten Tage an geschwärmt hatte.
Als der Kutscher umkehrte, um vom Hofe zu fahren, rief Senden ihm noch laut, nicht ohne Bitterkeit zu: „Bestellen Sie meiner Schwester, daß, wenn sie von dem Unfall, der uns betroffen, erfährt, sie sich nicht zu genieren brauche, sondern ganz nach Belieben im Walde bleiben möchte!"
„Ach, das kostbare, neue Spitzenkleid," jammerte Martha, indem sie versuchte, Jutta, die wie gelähmt oben in ihrem Stübchen an- gclangt war, von dem triefend nassen Gewände zu befreien. Das ist nun ganz verdorben ! Und die schönen, seidnen Strümpfe! Ich muß die Schuhe an der Seite aufschneiden, sonst bringe ich sie nicht von Ihren Füßen, Fräulein !" und eifrig suchte Martha nach trockncr Wäsche und einem warmen behaglichen Morgenrock. Jutta ließ willenlos Alles mit sich geschehen, denn nach der entsetzlichen Aufregung und dem Sprung iu's kalte Wasser war ihr jetzt zu Mule, als sei Alles, was um sie her geschah, nur ein Traum. Vor ihren Augen flimmerten bunte Funken, und die grünen Blätter der Wasserrosen tanzten auf und ab. „Ich muh fort von hier l" murmelte sic von Zeit zu Zeit.
Die kleine Martha hatte inzwischen die prachtvollen, blonden Zöpfe Jutta« gelöst und stand nun davor in staunender Bewunderung, denn wir Goldwcllen fielen die Haare bis zum Boden nieder und hüllten Jutta« sitzende Gestalt völlig ein.
„Ach Fräulein, lassen Sie das Haar jetzt doch so offen herunter hängen, cs trocknet so rascher!"
„Nein, nein," wehrte Jutta müde ab, trocknen Sic cS, bitte, ein Weilchen, und dann schlingen Sic es in einen dicken Knoten fest."
Noch leise zitternd vor Aufregung über den entsetzlichen Vorfall schritt Jutta nach einer Stunde ungefähr hinab in die unteren Räume de« SlosstS. Die Thüren des Salon« waren weit nach der Terrasse geöffnet, eine wundervolle laue Abcndluft strömte herein, in der Ecke dcS Kamin« prasselte ein lustige« F-uer, um der abendlichen Abkühlung vorzubcugeu. Vor dem Kamin stand ein Theetisch serviert.
Rastlos schritt Senden in dem Salon auf und nieder, dann als er die bleiche Jutta eintrelen sieht, ries er, ihr rasch entgegen eilend:
„Gott sei gelobt — endlich I" -- Und als sie eine Bewegung machen wollte, um zu sprechen, fuhr er rasch sort: „Nein, Fräulein Gerhard, jetzt kein Wort über den laialen Vorfall. Zunächst müssen S>e eine Taffe heißen Thee trinken, auch dazu esst»!" Und gewailsam jedes andere Empfinde» »ic- derzwingend, führte er sie sorglich nach einem Stuhle zum Kamin. Hier goß er ihr Thee ein, schob ihr Butterbrot, Eier, kalten Bra- len zu, mechanisch gehorchte st ihm u. trank. Eine behagliche Wärme durchstrimte allmählich Juttas, so lange, wie erstarrten Körper,
und es war ihr dabei zu Mute, als dürfe sic ihren Sinnen nicht trauen. War denn da« Senden, der stolze, kühle Mann, der sie bisher fast unbeachtet gelassen, und der nun jetzt so freundlich und sorgsam ihr all' die kleinen Dienste erwies?
Ach, wo sollte sic jetzt den Mut hersin- den, den Zauber der sic umsponnen, zu brechen und Senden zu sagen, daß sie sobald als möglich sein Hau« verlassen wollte. Und doch mußte es sein. Tief aufalmend schob Jutta den Sessel endlich vom Tischchen fort und sagte mit kaum hörbarer Stimme und gesenkten Augen: „Herr von Senden, ich möchte morgen nach Hause reisen."
(Fortsetzung folgt.)
Vermischtes-
(Schönes Wetter gegen Bezahlung.) Das Neueste aus dem Gebiete der Meteorroman- lik ist die Lieferung schönen Wellers gegen Bezahlung pro Tag und Stunde. Herr Professor Cavin zu Moudon in der Schweiz hat ein Rundschreiben versandt, worin er den Astronomen „künstliches schönes Wetter" zu 5 Franken den Tag mit Einschluß der Nacht anbietct. In seinem Schreiben heißt e«: „Ertauben Sie mir, Ihnen mein schönes künstliches Weiter anzubteten. Bei regnerischem ober bedecktem Himmel ist jede Beobachtung unmöglich und bei Nebel müßte man sich zu einer entsprechenden Höhe erheben, und doch würde der Wasscrdampf, mit dem dann die Atmosphäre gesättigt ist, genaue Beobachtungen verhindern. Bet meinem ! schönen Wetter dagegen ist die Luft von einer ! wunderbaren Klarheit, die Atmosphäre so i durchsichtig und der Himmel so heiter, daß > die Beobachtung vollen Erfolg haben wird.
Im Interesse der Wissenschaft biete ich ihnen !
bic Hilfe meiner Apparate an, die dazu de- ^
stimmt sin», jene bis jetzt unübersteigbaren Hindernisse der astronomischen Wissenschaft sortzuräumen. Meine Erfindung versuchen, heißt sie annchmen. Sie ist unentbehrlich sür Beobachtungen der Finsternisse, der Fixsterne, der Sternschnuppen und Planeten des Mondes und der Sonne. Zahlung nach Erfolg. Man hat Tag und Stunde des gewünschten schön. Wetter voraus anzugcben". Volle 24 Stunden schönen Wetters für 5 Franken ist ein erstaunlich billiger Prei«, wahrscheinlich rechnet Provessor Cavin auf ^ sehr starke Nachfrage. Hoffentlich wird der Herr Professor mir der Zeit sich auch der ^ armen Nichtastronomen erbarmen und auch > Viesen sein schöne« Wetter, vielleicht Mit einem angemessenen Zuschlag zur Verfügung stellen.
(Darum.) Weinreisenber (Prahlhans) „Von meinem Hau« sind außer mir noch " elf Reisende eingestellt, deren jeder bei 20 Mark Tag'Sviäle» ein Gehalt von 5000 hat I" Kunde: „Na, da wunberl's Mich nicht mehr, baß für Sen Wein kein Gehalt üdrjg > bleibt I"
(Anzüglich.) Professor (zu den Studenten) : „Bitte, rauchen Sie nur wciler, mich geniert's gar nicht ; im Gegenteil freue ich mich, wenn'« Anderen fchmeckl. Es geht mit dem Tabak wie dem Heu; ich selber esse er nicht, aber ich habe meine Freude ^
»»ran, wenn e« anderen mundet."
Druck und Aerlag von Bernh »rd Hosmann in Wildbab. (Verantwortlicher Redakteur Beruh. Hofmann.)