Rundschau.

Wangen, OA. Cannstatt, 24. März. Auch in der hiesigen Gemeinde hält der Tod reiche Ernte. Während in den Monaten Dezember, Januar und Februar kein Todes­fall zu verzeichnen war, sind in den letzten 14 Tagen infolge heftigen Auftretens der Influenza sieben, zum Teil im kräftigsten Alter stehende erwachsene Personen gestorben. Trotz des herrlichen Frühlingwelter» hört man nichts von einem Nachlassen der un­heimlichen Krankheit, dieselbe scheint vielmehr durch die trockene Witterung immer raschere Verbreitung zu finden.

Haiterbach, 24. März. Daß auch Schnee­ballen sehr verhängnisvoll werden können, be­weist rer Umstand, daß ein 7jähriger Knabe, der vor etwa 6 Wochen von einem andern «n die Wange geworfen wurde, nunmehr hoffnungslos am Krebs darnicderliegt. Von ärztlicher Seite wird die Verletzung durch einen Schneeball als Ursache des Krebses erklärt. Aus Salzstetten wurde vor etwa einem Jahr mehrfach über ein Mädchen in den Blättern berichtet, welches ungefähr neun Wochen in einem lodähnlichen Schlafe lag. Zu diesem Fall kann nunmehr nachgelragen werden, daß diese« Mädchen, welches nach dem Erwachen die Sprache verloren hatte, dis heute vollständig stumm geblieben ist.

Tübingen, 24. März. Der Bursche, welcher kürzlich einen Stein auf die Eiscn- bahnstrecke bei Birkenfeld gewälzt hatte, er­hielt von der Strafkammer Tübingen zwei Monate Gefängnis.

Zabern, im März. Zur Warnung für Baumsrevler I Durch die Strafkammer deS Landgerichts in Zabern ist kürzlich ein Mann aus Oberehrnhcim wegen Sachbeschädigung zu einem Jahre und sechs Monaten Gefäng­nis verurteilt worden. Derselbe hatte an der Straße von Niederehrnheim nach Jnnen- heim uiehrere Obstbäumchen abgebrochen. Diese ebenso strenge als wohlverdiente Strafe möge anderen zur Warnung dienen.

In einer der vornehmsten Straßen des Westens in Berlin hat ein Gigerl sein Heim auf schlagen. Er treibt die Geschmack­losigkeiten in seiner Kleidung soweit, daß die Knaben jener Straßen auf ihn aufmerk­sam geworden sind und sein Erscheinen jedes­mal mit höhnendem Jubel begrüßten. Neu­lich war der Empfang dcS Gigerl ein be­sonders lauter und voller Entrüstung läuft der Gehänselte zum nächsten Rechtsanwalt, um hier zu erfragen, was sich lhun lasse, um dem frechen Gebühren der Gassenjungen rin Ende zu bereiten.Kleiden Sie sich wie alle vernünftigen Leute", versetzte der RechlSanwail trocken. --So? Weiter wissen Sie nichts? Ich empfehle mich Ihnen", stößi empfindlich der Gigerl hervor u. will sich entfernen.Halt, mein Herr" , ruft jetzt der NechtSanwalt,bezahlen Eie zuvor gefälligst meine Konsultation wachl drei Mark." Es soll dem jungen Herrn nicht leicht geworden sein, daS Porlmonnaie her- vorzuholcn.

Eine zeitgemäße Anekdote. An vie­len Orten werden jetzt die Löhne der Ar­beiter herabgesetzt; oft liegt dieser Maßregel ein bitteres Muß zu Grunde, zuweilen aber auch mag eS Vorkommen, daß der Arbeitgeber sich zu einer Ernicderigung der Löhne nur deshalb entschließt, weil er weiß, daß die Ar­beiter zur Zeit nichts dagegen machen können. Mag eS auch Entschuidi-ungsgründe hgs-r

-eben, so ist e« doch nicht empfehlenswert, weder vom wirtschaftlichen noch vom sittlichen Standpunkte auS. Für Unternehmer, die eine solche Maßregel planen, möchten wir eine wahre Geschichte hier erneuern, die dem lebenden Geschlecht? ziemlich unbekannt ge­blieben ist. Wir finden sie in dem 1865 erschienenen vortrefflichen Buche des Frei- herrn von SeidSechzig Jahre oder ein Leben an Bauer- und Fürstenhöfen, unter Säufern, Kindern und Verbrechern". Herr von Selb erzählt: Im Harz sah ich einmal ein kleine- Häuschen, das mir vorkam wie ein Puppenhaus, doch aber für Puppen zu groß und für Menschen zu klein war. Ich fragte nach seiner Bestimmung und körte: ein Graf Slvllberg hätte dort bedeutende Bergwerke. Der Direktor derselben sagte ihm eine« Tages, er habe berechnet, daß die Einnahme sich ansehnlich steigen würde, wenn die vielen Arbeiter einen geringeren Tage!vhn bekämen, bei dem sie dennoch ganz gut be­stehen können. Darauf erwiderte der Graf: Haben Sie die Arbeit der Leute wohl schon einmal Verrichtet?" Als jener verneinte, sagte der Graf!Ich auch noch nicht, wir wollen es deshalb beide einmal versuchen!" Darauf nahm er eine Karre, der Direklor mußte dasselbe thun, und beide karrten nun eine Stunde lang, daßjchmn der Schweiß in Strömen hcrunterlicf. Da setzic der Graf die Karre hin und fragte den Direktor, was er meine ob man den Leuten bei solcher Ar­beit wohl den Lohn schmälern dürfe? Der Direktor meinte, so schwer habe er sich die Arbeit doch nicht gedacht. Und die Berg­leute behielten ihren bisherigen Tagelohn. Die Karre aber nahmen sie von dem Tage an nicht mehr in Gebrauch, bauten ein Häus­chen und bewahren sie zum Andenken an den guten Grafen für Kinder und Kindeskinder. Die Grafen zu Etollberg sind bi» heute gute Arbciterfreunde geblieben und haben da« vortreffliche RezeptVersetze dich in die Lage der Anderen" nicht vergessen.

Ein schwerer Unglücksfall ereignete sich in dem bei Mannheim gelegenen Orte Dossenheim im dortigen Steinbruch. Daselbst waren drei Personen mil Sprengen von Fel­sen beschäftigt, als durch einen, bis jetzt noch nicht aufgeklärten unglücklichen Zufall sich der Schuß von selbst entlub und einen der Männer, den verheirateten Mineur Josef Seidl aus Neuenburg derart zurichtete, daß er halb verkohlt als Leiche am Platze blieb. Der Zweite wurde ebenfalls schwer verletzt, so daß man an seinem Aufkommen zweifelt. Der dritte kam mit zwar bedeutenden, aber nicht lebensgefährlichen Verletzungen davon.

Darmstadt, 24. März. Christian Kuh­michel, der am 23. Oktober v. I, zwei Tage nach seiner Entlassung au» dem Zuchthause den Landwirt Peter Arndt von Mörfelden im Frankfurter Stadtwalde ermordet und be­raubt hat, ist nach viertägiger Verhandlung zum Tode verurteilt worden.

Tod durch einen Hecht. Aus Ma­suren wird geschrieben: Der 12jährige Knabe eines Bauern in Wronken begab sich auf den See, um Fische zu angeln. Als nun ein großer Hecht anbiß und der Knabe ihn anfaßte, um ihn besser durch die kleine Oeff- nung der Eisdecke hindurchzubringen, biß ihm der Hecht die Pulsader durch, so daß da« Blut in Strömen rann. Vergeben« warteten die Eltern auf die Rückkunft ihre«

Kind«»; als sie sich n«ch dem Her susmach«

ten, bot sich ihnen dort ein schrecklicher An­blick dar. Der Knabe war noch eine knrze Strecke gegangen, infolge des Blutverluste» aber bald ohnmächtig geworden und verblutet.

In Antwerpen traf am 22. d«. von England mit dem Dampfer Colckestrr ein Mädchen ein, welches eine Größe vo» nicht weniger als 2 Meter und 35 Cenlimeter hat. Dasselbe ist eine Russin und erst 15 Jahre all. Wie verlautet, soll das phäno­menale Geschöpf von einer hiesigen reichen Familie al» Kindermädchen engagiert wor­den sein.

Ein sensationeller Mord ist am 21. ds. in Madrid begangen werden. Wie dem Standard telegraphiert wird, befand sich der Marquis de Coraselice vormittags in seinem Studierzimmer, als ein Mann zu ihm cin- trat, der mil dem Hau« und den Einricht­ungen vertraut sein mußte, da er ungehin­dert so weit dringen konnte. Kurz darauf trat die Tochter de» Marquis in sein Zim­mer, zog sich aber jgleich wieder zurück, als sic ihren Vater im Gespräch mit einem Frem­den sah. Einige Augenblicke später fiel ein Schuß, und als die erschreckten Hausbewoh­ner herbeieiiten, stürzte der Fremde mit er­hobener Waffe aus dem Zimmer und bahnte sich einen Weg in- Freie. Im Zimmer fand man den Marquis in seinem Sessel kauernd, durch eine Kugel in den Kopf geschossen; er gab unter den Händen der Herbeieilcnden seinen Geist auf. Alle» deutet darauf hin, daß er keine Gegenwehr geleistet halte, also plötzlich überfallen worden war. Für da« Motiv de« Verbrechens hat man keine Ahn- ung, da der Marquis keinen Feind hatte und sehr populär war. Vom Mörder hat man noch nicht die geringste Spur.

Paris, 24. März. Gestern wurde hier ein Individuum verhaftet, da- sich als Diener im Aristokratischen Klub Verdungen hatte, um, wir ihm Schuld gegeben wird, die Mit­glieder des Klub» durch die ihnen Vorgesetz­ten Speisen und Getränke zu vergiften.

Vermischtes.

Vor Gericht. FolgendenSchwaben­streich" wärmen derzeit deutsche Blätter nach angeblich amerikanischer Quelle wicver auf: Ein Sprößling des Schwarzwalds, der nach der neuen Wett übergesirvelt ist, hat eine- guten Tage- al« Zeuge vor dem Poiizeige- richt in Detroit, Michigan, auSzusagen; da er aber »er englischen Sprache nicht mäch­tig ist, leistet ihm ein Deutsch-Pcnsilvanier al« Dolmetscher Hilfe. Als das Kurzvcr- hör beginnt, übersetzt ihm dieser die Frage des gegnerischen Advokaten in folgendem Amerikaner Deutsch:Du sollscht nau die Court informe, wie de« Ding gehäppcnt istl" (Du sollst nun dem Gerichtshof sagen, wie die Sache sich zugetragcn hat.) Der Schwabe besinnt sich nicht lange; er packt den kleinen Dolmetscher an der Gurgel und sagt:DeeS ischt a so gange: Der da Hot den do am Krage gn'ommc, und so Hot er ihn uff de' Bode' hing'schmiffc I (Die Be­wegungen führt er mit aller Treue an dem Dolmetscher aus.) Wie er jetzt so dog'lcge ischt, hat der do ang'fangc z'schimpfc und Hot gcschriea: Du hundscrbärmlichs, miscrabls, elendig« . . .! In diesem Augenblicke rafft sich der an allen Gliedern zitternde Dol­metscher vom Boden auf, ergreift seinen Hut und verläßt unter dem Gelächter der An- «kskntzen so schnell er kann den Gerichtssaal,