geführt; den hiesigen Zeitungen ist derbsten worden, irgendwelche Mitteilungen über die Mordafsaire zu machen. (Bekanntlich wurde der Charkower Buchhalter Conrad von den Mannschaften des genannten Regiment« ermordet und beraubt.)
— Ein Akt der Lynchjustiz wird au« Paris gemeldet: In einem Hause der Straße St. Denis Verübten am Donnerstag 3 Diebe einen Einbruch. Dieselben wurden überrascht und ergriffen, von der Menge verfolgt, die Flucht. Zwei entkamen, der dritte feuerte unausgesetzt einen Revolver aufseine Verfolger ab. Er tötete zwei derselben und verwundete einen Mann schwer. Nach wütendem Kampfe wurde der Dieb überwältigt und von der Menge fast totgeschlagen. Die Polizei vermochte nicht die Lynchjustiz zu verhindern.
— Ueber die Begnadigung eines deutschen Fahnenflüchtigen berichtet die „N-2) Hztg." : Bernhard I. Schmid aus Surdloh im Kreise Meppen, Hannover, war im Jahre 1867 aus der deutschen Armee desertiert und nach den Vereinigten Staaten gekommmen, wo er sich in Atchison Co., KansaS, niedcrließ, und jm Laufe der Jahre da« amerikanische Bür
gerrecht erlangte. Von Heimweh getrieben, unternahm er im vorigen Jahre eine Be- suchsreisc nach der alten Heimat, wurde dort alsbald als Deserteur erkannt und ohne Gnaden in die bunte Jacke gesteckt. Alle Bemühungen der amerikanische» Gesandtschaft in Berlin, den Mann frei zu bekommen, blieben erfolglos, bis Kaiser Wilhelm an seinem Geburtstage, am 27. Januar, von dem 11jährigen Töchterchen Schmid'S eine Bittschrift erhielt, in der in kindlicher Weise die Thatsache darlegt und der Kaiser gebeten wurde, den Vater der Familie wie- dcrzugeben. Da« hatte die gewünschte Wirkung, der Kaiser begnadigte den Deserteur, der bereits wieder auf dem Heimweg begriffen ist.
— (Ein „vergessener" Arrestant.) In Mondovl (Algerien) öffnete man am Montag das Gemcindegcfängnis, um zwei Gefangene einzuspcrren. Man fand darin den in Verwesung übergangenen Leichnam eines Arabers, der 24 Tage vorher wegen Trunk- luwt eingesperrt worden, aber in Vergessenheit gerate» war. Es wird vermutet, daß er schon in der ersten Nacht seiner Gefangenschaft gestorben sei, da Niemand seine
Klagen gehört hatte. Die Verantwortung für diese Nachlässigkeit wird der Gendarmerie oder dem Feldhüter der Gemeinde zuge- schrieben.
Vermischtes-
(Zeitbestimmung ) Hausfrau : Sie, Marie, «isst» Sie vielleicht, wann mein Mann gestern nach Hause gekommen ist? — Dienstmädchen: Nein, gnädige Frau — aber um sieben Uhr früh waren seine Stiefel noch warm.
(Briefwechsel.) „Lieber Papa! Da dieser Monat 31 Tage hat, so wirst Du vielleicht entschuldigen, daß mein Geld schon heute alle ist. Jena, den 19. Januar 1892. Dein Fritz."" — „Lieber Fritz! Ich entschuldige eS. Dein Vater."
Bauer (zu seinem Weib): „Alte, m'r Han 1000 Mark g'wonnen. Jetzt san m'r Millisnärsleut!"
— Vorsichtig. Prinzipal (zum Kassi- rer): „Machen Sie den Geldfchrank zu, Meyer; mein Neffe ist am T-lephon I"
(Resignation) „Mir blieb nur die Wahl zwischen Schande und Tod I Natürlich wählte ich die Schande!"
Wicht um Ootd.
Eine Geschichte aus unsern Tagen von
Constance Baronesse von Gaudy.
(Nachdruck verboten.)
5.
Jutta dachte einige Augenblicke nach, und dann begann sie leise mit ihrer weichen Stimme folgendes M rchen zu erzähle», während Edith in atemloser Spannung zu ihr aufschaute:
„Vor langen, langen Jahren, als der Teich hier noch viel größer und tiefer war als jetzt, da stand drüben am Rande ein mächtige« altes KömgSjchloß. Der König der darinen wohnte, war überaus gütig und freundlich, alle seine Unterthane» verehrten und liebten ihn von Herzen. Ihm war das liebste auf der Welt sein einzige« Töchterchen, die war eben so gut, wie sie schön war."
„War sie s» schön wie Du?" fragte Edith mit köstlicher N ivität und rückte bewundernd näher.
„O, sie war viel schöner I Ihr Haar glänzte wie Sonnenstrahlen und ihre Augen waren wundervoll kornblau. Sie war den ganzen Tag fröhlich, und wer sic ansah, der vergaß Sorge und Leid. Mil ihr im Schlosse lebte ein Prinz, der war nicht ihr Bruder, sondern sein Vater war im Nachbarreiche König gewesen, und als er starb, hatte er den guten König hier am Teich gebeten, für feinen Sohn zu sorge», so lange dieser noch eine» Vaters bedürje. So wuchsen denn die beiden Königskindcr mitsammen auf und hatten einander so lieb, daß keinS ohne da« andere sein konnte. Von diesem schönen, glücklichen Leben hier hörte auch ser» UN Land eine böse Fee, ror der Jedermann floh, weil sie bitter und falsch war und keinem Menschen irgend welche Freude gönnte. Man erzählte ihr von der holdseligen kleinen Prinzessin und wie der Prinz von ihr unzertrennlich sei — oa schmiedete sie ihren bösen, unheilvollen Plan. Der König gab alljährlich einmal ein großes, prunkendes Fest, dazu wurden weit und breit Alle geladen. Weil der Prinz und die Prinzessin noch Kinder
waren, dursten sie noch nicht an der Galatafel teilnchmen, und so vergnügten sie sich btidc allein mit Spielen im Park. Darauf hatte die böse Fee gerechnet, sic war zwar auch diesmal nicht eingeladen worden, aber unbemerkt hatte sie sich unter der Schaar von Gästen und Fremden dem Schloß genähert.
„O fleh die wunderschöne Gondel hier am Ufer," rief da plötzlich die Prinzessin, „fahre mich doch ein wenig darin spazieren."
„Nein," erwiderte der kleine Prinz bedächtig, „das ist und strenge verboten, weißt Du'S denn nicht?"
„Ach freilich! Aber nur ein halbe« Stündchen, bitte, bitte I Heute sind alle im Schloß beschäftigt, da bemerkt cS niemand. Sichst Du, ich bj» schon drin I" — und behende kletterie die Prinzessin über den Rand. Da konnle der kleine Prinz sie nicht allein lassen. Er sprang ihr nach, und beide Kinder schaukelten sich ein Weilchen und waren seelen«- vergnügt. Da, mit einem Mat trat die böse Fee auS dem Gebüsch hervor und streckte ihren Zauberstab nach der wunderschönen Gondel auS. Die Stricke daran rissen mit ten durch, Donner und Blitz erhoben sich zu gleicher Zeit und schleuderten die Gondel weil ab vom sicheren User.
Immer höher brausten die Wellen im Sec — ein furchtbarer Doppelschrei ließ sich hören — und dann, ehe noch aus dem Schloß die entsetzten Gäste herbeieilen und helfen konnten, war die Gondel umgeschlagcn und Prinz und Prinzessin waren beide ertrunken.
Am folgenden Morgen war der ganze Teich dicht mit weißen und gelben Wasserrosen bedeckt, und die blühen seitdem hier jedes Jahr zum Andenken an die beiden schönen Königskiuccr."
Jutta hatte geendet, tiesaufatmrnd umfaßte Edith sie zärtlich und rief mit brennendem Eifer: „Ach, wie schade! Wären doch die beiden Kinder nicht so ungehorsam gewesen, nicht wahr? Dann lebten sie heute noch I Ich will Dir und Papa auch immer gehorchen I"
den ein, indem er sich elastisch von seinem grünen Lager erhob und mit einem Blick auf seine Uhr verwundert fortfuhr: „Wo ist nur heule die Zeit geblieben ? Wir müssen uns beeilen, nach Tann ck zu kommen, sonst steigen hier die gefährlichen Fiebernebel aus dem Teich und zu Hause schilt Tante ValeSk», wenn sic mil dem Thce warten muß."
Edith sprang fröhlich voran, so viel sic konnte, hübsche Gräser und Blumen pflückend, bis sic einen mächtigen Strauß davon für ihr liebes Fräulein beisammen hatte. Diese ging auf dem schmalen Wege allein hinter der Kleinen, bis plötzlich S-ndeuS Stimme sic aus liefen Träumen weckte.
„Weshalb haben Sie denn Ihrem Märchen einen so tragischen Ausgang gegeben, Fräulein Gerhard?" fragte er halb vorwurfsvoll.
„Vielleicht," erwiderte sie, „weil selbst i zu Zeiten der Feen und Märchen vollkommene« Glück, wie jene beiden Kinder es genossen, nicht dauern konnte. Ucbrigens bitte, Herr von Senden, geh n Sie nicht so streng l mit meinem armen Märchen in'« Gericht. ^
Es erhebt auf Neuheit und Entwicklung gar keinen Anspruch, eS ist nicht« wie ein flüch- ^ tiges Kind des Augenblicks. Also ich bitte sehr, urteilen Sie nicht hart darüber." !
„Nicht hart?" fragte er zurück und sah sie mit eigentümlich warmem Blick an. „Ich möchte wissen, wer wohl hart urteilen könnte, wenn Sie so liebenswürdig erzählen I Fräu- ^ lein Gcihard, Sie kommen mir so recht !
eigentlich selbst heule vor wie der Helle Sonnenstrahl, von dem Sie ein Märchen ge- ^
sprechen — — — — bleiben Sie so, zu- i
mal für meine Edith," setzte er hastig hinzu.
(Fortsetz ung folgt.) >
Vermischtes.
(Zum 29. Februar.) Altts Fräulein an einer Wiege stehend: „Also am 29. Frbr. bist Du geboren? Glückliche Kleine, wenn Du 100 Jahre alt bist, kannst Du Deinen 25. Geburtstag feiern."
Da« ist recht, mein Liebling," siel Sen- Druck und Verlag von Bernhard Ho > mann in Wildbad. (Verantwortlicher Ncbqtteui Pcrnh. H»smann.)