Rundschau.

Stuttgart, 7. März. Eine freudige Nachrichl meldet der Draht aus München: Die Prinzessin Annalie, die älteste T»chter Karl Theodors, Herzogs in Bayern, an« erster Ehe, Verlobte sich am SamSwg mit dem Herzog Wilhelm von Urach. Herzog Wilhelm von Urach, Rittmeister im Ulanen­regiment König Karl Nr. 19, ist geboren am 3. März 1864, seine Braut am 24. Dezember 1865 ; ihr Vater, Herzog Karl Theodor, ist der bekannte Augenarzt, «er Bruder der Kaiserin von Oesterreich.

Wie wir hören, ist der Sekretär des Geheimen Kainetts, Herr Emil Hofmeister, an Stelle des verstorbenen Obecschloßinspck- torS Vollmer zum provisorischen Schloßin- spcktor ernannt worden.

Stuttgart. Auf der Liederkranz-Rcdoute am letzten Samstag sollen allein ca. 3000 Flaschen Champagner getrunken worden sein und auch der Besuch dieses Fastnachtsballcs war besser als im Vorjahre. Im allgemeinen dürste die« gerade nicht fürschlechte Zeiten" sprechen.

Dem Württ. Kriegcrbund ist die Er­laubnis zur Veranstaltung einer Geldlotterie mit Ausgabe von 100 000 Losen zu 1 -/A und Aussetzung von Gewinnen im Gesamt­betrag von 40 000 ^ zum Besten seiner Witwen- und Waiscnkasse erteilt werden. Der Reinertrag aus dieser Lotterie muß als Kapitalvermögen der Kasse erhalten bleiben, während die Rente alljährlich zu Unterstütz­ungen verwendet wird. Die Witwen- und Waisenkasse dcS Württ. Kriegerbundes wurde auf dem Bundestag in Aalen im Jahre 1881 ins Leben gerufen und zunächst mit 10°/» der Mitgliederbeiträge dotiert. Durch An­sammlung dieser Beiträge und mit Helfe eitt- gekommener Geschenke hatte das Grundstocks- V rmöge» am Schluß des Jahres 1885 die Summe 8518 erreicht und nachdem in demselben Jahre von der K. Staatsregier- ung eine Geldlotterie zu Gunsten dieser Kasse bewilligt wurde, welche 43 000 ^ ertrug, konnten im Jahre 1886 erstmals Unterstütz­ungen bewilligt werden. Die Ansprüche an die Kasse steigern sich aber von Jahr zu Jahr, so daß die einzelnen Gaben, welche 1888 durchschnittlich 22 ^ 24betrugen, im Jahr 1889 auf 21 ^ 31 1890

auf 19 ^ 75 und im letztverflossenen Jahr auf 18 ^ 58 --s herabgesetzt werden mußten, um mit den verfügbaren Mitteln auszureichen. Die Reihen der Teilnehmer an den Feldzügen von 1866 und 187G71 lichten sich von Jahr zu Jahr mehr und wenn die einzelnen Gaben, die den bedürf­tigen Hinterbliebenen zu Teil werden, auch verhältnismäßig klein bemessen sind, so ist damit doch schon manche Thräne getrocknet und mancher Schmerz gelindert worden. Es ist nicht zu zweifeln, daß die Lotterie ihres wshllbLiigei, Zweckes wegen allseitigenSympa- thien tng.gneu wird.

Ludwigslmrg, 6. März. Diese« Früh­jahr soll die durch unfern König ins Leben gerufene Anstalt für krüppelhafte Knaben eröffnet werden. In derselben soll auch Handfertigkeitsunterricht erteilt werden, zu welchem Zwecke ein hiesiger Lehrer zum Be­such eines Lehrkursc« in Leipzig veranlaßt werden soll. Der Neubau einerKrippe" steht für diese« Frühjahr ebenfalls in Aus­sicht.

Mbrvmr, b. März. Heut« vormittag

nach 11 Uhr rutschte ein Schiffsjunge auf dem Deck eines großen Neckarschiffes aus und fiel in« Wasser. Er schwamm noch eine Strecke weit in dem kalten Wasser, sank aber unter, ehe der ihm nachfahrcndc Nacken ihn erreichen konnte, und wurde erst nach längerem Suchen als Leiche herausgezogcn.

Karlsruhe, 5. März. Ein frecher Raub­anfall wurde gestern Morgen zwischen 10 und 11 Uhr im fünfte» Siock eines Hause« der Nitterstraße verübt. Eine dort wohnende Frau war allein zu Hause und lag unwohl im Bett. Plötzlich drang ein 20 bi« 24 Jahre alter Mann in das Zimmer ein und »erlangte von der Frau in drohendem Ton Geld. Die erschrockene Frau versicherte, daß sic kein Geld habe. Ihre Bestürzung rührte den Eindringling jedoch nicht. Er erwiderte, daß er unbedingt 5 Mark haben müsse. Wenn er diesen Betrag nicht erhalte, schieße er die Frau tot. Bei diesen Worten zog er einen Revolver au« der Tasche und steckte ihn der Frau entgegen. Im Augenblick der höchsten Not sprang hie Frau au« dem Bette und suchte die Thüre zu erreichen, um «ach Hilfe zu rufen. Dies gelang ihr jedoch nicht, denn der Räuber packte sie, gab ihr einen Stoß auf die Brust und schlug ihr so lange auf den Kopf, bi» sie bewußtlo» auf den Boden fiel. In diesem Zustand traf sic ihr Ehemann, als er von der Ar­beit nach Hause kam. Er wurde sofort ge­wahr, was sich in seiner Wohnung zuge­tragen halte, denn der Kleidcrschrank war durchwühlt; es fehlten eine silberne Damen- uhr und eine silberne Broche.

Ans Baden, 2. März. Professor Kuß­maul in Hstdelberg hat aus Anlaß seine« 70. Geburtstages der Luisen-Heilanstalt in Heidelberg ein Kapital von 10 000 ge­stiftet, da« zu Humanitären und Untcrrichts- zwecken bestimmt ist. Die Stiftung erhält den NamenHedwig Kußmaul-Stiftung" zum Andenken an ein geliebtes, früh ver­storbenes Kind des Stifter«.

Die Darmstädtcr Zeitung vom 5. März: Der Großherzog ist gestern nach­mittag 3 Uhr von einem Scklaganfall be­troffen worben. Die rechte Körperhälfte ist gelähmt. Da« Bewußtsein hat sich erhalten. Die Nacht war ruhig. Heute früh sind bie Krankheitserscheinungen im wesentlichen un­verändert. (Großherzsg Ludwig IV. ist ge­boren am 12. September 1837, steht also im 55. Lebensjahre.)

Darmstadt 7. März. Da« Bulletin von früh 8 Uhr lautet: Im Befinden de« Großherzog« ist keine Besserung eingctretcn. Da« am 5. März eingetrctene Atmungs­phänomen besteht fort mit zeitweise» Schwank­ungen in der Länge der Atmungtpausen.

AllS Oberhessen: Eine Blutthat wurde in dem bekannten Flecken Willingshausen an der Schwelm sKrei« Ziegenhain) verübt. Abend« saßen die Gebrüder Dörbecker und noch viele andere Einwohner de« Dorfe« im Wirt«hause und tranken Schnap«. Dabei gab e« Streit, der sich bi« nach Mitternacht hinzog. Als schließlich der eine Dörbecker nach Hause ging wurde er in der Nähe dcs Wirtshausc« von zwei seiner Gegner hinter­listig überfallen und durch Messerstiche in Kopf und Rücken so zugerichtrt, daß er den Verletzungen erlegen ist. Die Thäter sind verhaftet.

Die In KönigShiitte au-gebr»chenen, au« Polen ein-eschleppten Pocken, die epi­

demisch um sich greifen, wurden von ärzt­licher Seite al« echte Pocken konstatiert. Die Regierung hat die sofortige Impfung aller birher ungeimpflen Kinder angeordnct.

- (126 Mark Mitgift.) Wie au« Offcnbach mitgeteilt wird, hat sich der Erp- prinz Leopold von Jfenbnrg-Birstcin, der bi« vor einigen Jahren mit seinen Eltern das dortige Palais eine Zeit lang bewohnte, mit der Tochter de« amerikanischen Millionär« Vandcrbilt verlobt. Die Mitgift soll 30 Millionen Dollars, etwa 126 Millionen Mark, betragen.

Offenburg, 16. Febr. Bierwirt K. in Zell a. H. verkaufte an Wurstler V. seinen Fclsenkeller, Kaufsumme gicbt cS nicht; aber der Käufer muß lebenslänglich dem Verkäufer wöchenilich ein Pfund frische Wurst liefern. Mit dem Tode des einen oder anderen hört die Wurstlicferung auf.

Der Reichskanzler Graf Caprivi hat zu seinem Geburtslage in voriger Woche vom Kaiser ein kostbare« Liqueurservice mit einem Blumenarrangement als Geschenk er­halten.

In den Koch'schcn Baracken in Ber­lin werden gegenwärtig 70 Personen mit dem verbesserten Tuberkutin behandelt.

Sich von Hunden lecken zu lasse», ist oft gerügt worden. Jetzt ist wieder die verwitwete Frau Rentiere H. in Berlin am Hundewurm erkrankt. Die Dame hatte sich vor einem halben Jahre einen niedlichen zu­traulichen Mop« gekauft und das Tier war seiner Herrin außerordentlich zugetha». Vor zwei Monaten etwa hatte Frau H. eine kleine Schnittwunde an der linken Hand da­von getragen, welche Verletzung die Dame nicht weiter beachtete. Sie bemerkte auch nicht, daß das Hündchen, als sie einige Tage darauf auf dem Sopha lag, die hcrimler- hängcnde wunde Hand seiner Herrin leckte, und so traten dann einige Wochen darauf Krankheitserscheinungen ein, über deren Ur­sprung die Acrzte anfänglich sich nicht klar waren. Das Leiden der Dame nahm immer mehr zu, so daß sie vor 14 Tagen bett­lägerig wurde, und durch Hinzuziehung meh­rerer ärztlicher Autoritäten wurde sestgestellt, daß Frau H. vom Hundewurm befallen sei und die Würmer sich bereits über den gan­zen Körper verbreitet hätten, ein operativer Eingriff aber erfolglos bleiben würde. Die Patientin liegt hoffnungslos darnieder.

-- (Rabencltern.) Die Polizei von Molenbeck-St.Jeaii, einer Vorstadt von Brüs­sel, verbaftele am 1. d. M. einen Deutschen, Namen« Gatzweiler, sowie dessen Ehefrau, die Beide zweier schweren Verbrechen beschul­digt sind. Zunächst haben Beide zwei volle Jahre lang die 9jährige Eva.Gatzweiler, ein Kind aus der ersten Ehe des verhafteten Manne«, in der unmenschlichsten Weise miß­handelt, so daß das »nglückiiche Mädchen ihren Eltern schon verschiedene Male davon- gelaufen war und bei der bittersten Kälte ganze Nächte unter freiem Himmel zuge­bracht hatte. Der Vater, ein Mechaniker, hatte sogar^ einen eigenen Torturapparat kon­struiert, um da« Kind rcchtpeinigen zu kön­nen, dessen Leib, wie der Gerichtsarzt kon­statierte , über und über mit von früheren Mißhandlungen herrührcndcn Narben bedeckt war. Wenn die Eltern das Haus verließen, mußte die kleine Eva oft ganze Tage lang allein in der elterlichen Wohnung und zwar in einem Bette zubrin^err, guj her