Rundschau.

Besigheim, 25. Febr. Gestern abend 6 Uhr löste sich in einem Schalksteinweinberg ein Feldstück sb und sprang mit ssicher Wucht über die unten vorbeifahrende Bahn- linie, daß eine Schiene am Geleise wegge­rissen wurde. Zug 26 war eben im Be­griffe, von hiesiger Station abzufahren, als Bahnwart Entenmann noch rechzeitig die Be­schädigung meldete, und so blieb der Zug vor dem sicheren Verderben bewahrt. Das Geleise wurde schleunigst wieder hergestellt und es war natürlich nicht zu umgehen, daß die Abendzüge hiedurch Verspätung erhielten.

Der seit dem 27. Januar vermißte Steinl'-uer H, von Marbach ist in Gemm- righ un >m Neckar aufgefunden worden.

--.eit einiger Zeit ist die Papierfabrik Baienfurl bei Ravensburg mit der 3,5 Kilo­meter entfernten Station Niederbicgen durch eine Bah» mit elektrischem Betrieb verbun­den. Es ist dies die erste Bahn in Würt­temberg, bei welcher die Elektrizität als be­wegende Kraft verwendet wird.

Frendeustadt, 24. Beim Reinigen einer Kamins glitt ein hiesiger Kaminsrgergehilfe aus und stürzte zwei Stock hoch herab. Der Verunglückte konnte sich zwar noch mühsam nach Hause begeben, scheint aber innerliche Verletzungen sich zugezogen zu haben.

Kaiserslautern, 25. Febr. Der Heilig­bergtunnel zwischen Kaiserslautern u. Hoch­speyer ist gegen 12 Uhr kurz nach dem Pas­sieren eines Schnellzuges eingestürzt. Teile der inneren Wand verschütteten 4 Arbeiter, Wovon 1 schwer und 3 leichtverwundet wur­den.

Berlin, 25. Febr. Anläßlich des Ge­burtstags des Königs von Württemberg fand heute mittag bei dem Kaiser eine Frühstücks­tafel statt, an welcher der württcm. Gesandte von Moser teilnahm.

Berlin, 24. Febr. Der Kaiser beehrte am Vormittag den Reichskanzler Caprivi mit einem längeren Besuch, um ihm seine Glück­wünsche zu seinem 61. Geburtstage gleich­zeitig mit einem Geburtstagsgeschenk zu über- bringcn. Heute Abend wird der Kaiser dem Festessen deS brandcnburgischen Provin- zial-Landtags und demnächst mit dem Hofe dem Subskriptionsball an der königlichen Oper beiwohnen.

Berlin, 24. Febr. Bei dem Festmahl des Prvvinziallandtags hielt der Kaiser eine Ansprache in der er sagte: Es sei leider Sitte geworden an allen Handlungen der Regier­ung herumzumäkeln. Wäre es nicht besser, wenn die mißvergnügten Nörgler lieber den deutschen Staub von ihren Pantoffeln schüt­teln und sich unseren ihnen elend und jam­mervoll erscheinenden Zuständen aufs schleun­igste entzögen? Ihnen wäre geholfen, uns thäten sie großen Gefallen. Deutschland trete atlma »L in das Jünglingsalter ein. Es war Z u, daß wir unS von den Kinder­kraut! ireimachten. Der Kaiser forderte zu B etrauen auf Gott, dem alten Verbündeten von Roßbach und Dennewitz, auf und schloß : Zu Großem sind wir noch bestimmt; herr­lichen Tagen führe ich Euch noch entgegen. Mein Kurs ist der richtige, er wird weiter- gesteuert."

Berlin, 26. Febr. Die Unruhen der Arbeitslosen nahmen gestern abend größere Ausdehnung an. In der Frankfurter-, Blumen-, Andreas-, Köpenicker- und anderen Straßen de- Ostens wurden viele Schau­

fenster mit Steinen eingeworfcn und die Lä­den teilweise demoliert, tcitweise geplündert, besonders Bäckerläden. Die Ladeninhaber ließen schleunigst die Jalosien herab; die Schankwirte schlossen gänzlich. Die Polizei die samt und sonders auf den Beinen war, schritt überall schleunigst ein, zog teilweise blank und schlug mit flacher Klinge los. An einzelnen Stellen warfen die Unruhestifter Steine, besonders bei Neubauten. Am ärg­sten wurde in der Köpenickerstraße gehaust. Auch ein Polizeibeamter wurde erheblich ver­letzt. Es besteht die Befürchtung, daß die Tumulte sich heute erneuern.

Mit der Schwiegermutter dnrchge- brannt ist vor einigen Tagen ein junger In­genieur in der Reichshauptstadt. Derselbe war seit etwa einem halben Jahre mit der erst 18 Lenze zählenden Tochter einer sehr wohlhabenden Witwe verlobt. Als da-junge Mädchen am Sonnabend von einem Aus­gang nach Hause zurückkchrte, traf sie ihre Mutter nicht in der Wohnung an, Sie fand aber ein Schreiben, in dem ihr eröffnet wurde, daß ihre Mutier, welche erst 37 Jahre alt ist, mit ihremSchwiegersohne nach England abgereist sei, um sich dort mit dem letzteren trauen zu lassen.

Ein dreifacher Giftmordversuch wird aus Heinersdorf a. d. Ostbahn, Kreis Frank­furt a. O. gemeldet. Der Mühlenbcsitzer Orth daselbst, sowie dessen junge Frau, mit welcher der erstgenannte seit wenigen Mona­ten verheiratet ist, und eine Verwandte des­selben erkrankten am 8. Februar bald nach dem Mittagessen unter VergiftungSerschein- ungen, die der herbeizeholte Arzt auf Arsenik zurückführte. Der Verdacht lenkte sich gleich darauf auf einen Müllerburschen Emil Klein au» Emmaus bei Danzig, welcher seit An­fang dieses JahrS bei O. im Dienst gestan­den, vvn dem Müller aber an dem fragt. 8- Febr. entlassen worden war. K. hatte sich bis zum Mittag noch in der Mühle auf­gehalten und sich geweigert, am Mittagessen teilzunehmen, auch zu anderen Personen Aeußerungen gethan, die darauf schließen lasten, daß er jden Giflmordversuch sus- geführt. Der mutmaßliche Thäicr ist in München verhaftet worden, der Mühlenbe- sttzer Herr Orth liegt noch bewußtles dar­nieder und bleibt cS zweifelhaft, »b es den Aerzten gelingen wird, ihn am Leben zu er­halten, während die beiden Frauen bereits wieder hergestellt sind.

Ein bekneipter Ochse. Auf dem Gute W. bei Königsberg wurde, wie dieK. A. Zig." erzählt unlängst ein großes Brannt­weinfaß geleert. Ein mit dem Bodensatz ge­füllter Eimer blieb zur Abklärung in der nahe dem Viehstall befindlichen Kammer stehen. Als da» Vieh zur Tränke gelassen wurde, drang ein Ochse durch die offene Thür und leerte mit einigen Zügen den ganzen Jnnhalt des Eimers, worauf er noch aus der Trinkrinnc etwas Wasser zu sich nahm und dann sich ruhig auf seinen Platz begab. Nach einigen Viertelstunden stellte sich jedoch ein so furchtbarer Rausch bei dem Tiere ein, daß cs sich wie wahnsinnig ge­bildete, brüllend mit den Hörnern und Füßen den Boden aufwühltc, gegen die Wand ging und die Kette zu sprengen drohte, worauf eS niederste! und gegen 30 Stunden wie tot dalag. Darnach war der gehörnte Trunken­bold sehr geschwächt und nahm nur wenig Nahrung zu sich, bis kr sich jetzt wieder

ganz erholt hat. An der Branniweinkammer geht er jetzt stets in weitem Bogen vorbei.

Ein Postwagen mit zwölf Fahrgästen ist, wie aus Luxemburg gemeldet wird, zwi­schen den Stationen Paliseut und Bouillon j» einen Abgrund gestürzt. Sieben Perso­nen blieben auf der Stelle tot.

Nach neueren Nachrichten aus Lon­don wurden in Elleckheaton, wo ein Kamin eing'stürzt ist, zwölf Leichen ausgegraben; zwei sind noch verschüttet. Außerdem sind drei Personen tödlich verletzt.

Breslau, 26. Febr. Wie ans Myslo- witz gemeldet wird, fuhr ein von Kjelle kom­mender Personenzug unweit der Station Wol- brem russisch Polen) auf einen vor ihm fahrenden Militärzug. Die Zahl der Ver­unglückten ist noch nicht bekannt; bis jetzt wurden 3 Tote und 10 Verwundete unter den Trümmern hervorgezogen.

In der letzten Woche hat in Kemp­ten bei Bingen a. Rh. ein Ehepaar sein üleinrS Kind verhungern lasten und sich dann entfernt. Die entmenschten Leute wurden bei ArmSheim verhaftet u. nach Mainz abgeführr.

Skalpiert durch eine Windmühle. In der Sitzung deS Ärztlichen Vereins in Hamburg am 9. ds. demonstrierte ein Herr Sick u. a. ein ca. lOjähriges Mädchen, das im Sommer 1891 mit dem Haarzopf in die Welle einer Windmühle geriet, wodurch die ganze Kopfhaut mitsamt den Ohren und den Augenbrauen abgerissen wurde. Der wohl- erhallene Skalp wurde in der Versammlung vorgezeigt. Die kolossale Wunde wurde durch Transplantationen (Hautverpflanzungen) be­deckt. Dieselben wurden zuerst von zwei gesunden Männern genommen, hüllen auch anfangs gut an, gingen aber bald darauf alle wieder zu Grande. Dasselbe Schicksal hatte ein zweiter Versuch, wo die Stücke von der Schwester der Patientin genommen wur­den. Nun (seit Anfang Dezember) entnahm Vortragender die Hautstücke der Patientin selbst, und diese blieben haften. Die ganze Oberfläche deS Schädels bis zu den Ohren ist jetzt bis auf kleine granulierende Reste völlig mit Haut bedeckt. ES besteht kein Ektropium ; dagegen fehlen die Ohren natür­lich fast vollständig und sind nur durch kleine Wütste oberhalb der Ohröffnnng martiert. Der Erfolg kann selbst in kosmetischer Be­ziehung als ein vorzüglicher bezeichnet werden.

Ein Fall, wie große Diebe durch kleine Diebe entdeckt wurden, wie aus dem russischen Kreise Melitopol gemeldet. In einem Dorfe halten mehrere Bauern be­schlosten, auS den Getreideniederlagen ört­licher Kändlcr Korn zu stehlen. Sie bega­ben sich zu diesem Zweck mit mehreren Säcken zu den Lagerhäusern, welche auf ziemlich hohen Pfählen erbaut waren, krochen unter die Dielen und bohrten von unten mehrere Löcher in die Getreidekammern. Das Korn stoß in die Säcke, und diese waren bald bis oben gefüllt. Nun traten die Diebe den Rückweg an, wurden dabei jedoch ertappt und samt den Säcken dem Gemcindegerichi vorgestellt. Wie groß war nun aller Er­staunen, als in den Säcken statt de« Korns nur Abfälle, Sand, Kornrade, kurz ein schreckliches Nixtnm oompositniii gefunden wurde, das die örtlichen Händler zur Ab­sendung nach Odessa aufgekaufl hatten. In Odessa sollte damit da« gute Korn gefälscht werden. Die kleinen Diebe hatten somit die -roßen Diebe «>l'S Licht gebracht.