Rundschau.

Stuttgart, 13. Februar. Eine königliche Verordnung regelt die Beschäftigung der Ge­fangenen in den AmISgerichtszefängnissen. Sämtliche Gefängnisse erhalten regelmäßigen Arbeitsbelrieb in eigener Regie oder aus fremde Rechnung. Die Gefangenen sind nach ihren Fähigkeiten und Verhältnissen ange­messen zu beschäftigen; die Arbeitszeit ist neunstündig.

Winnenden, 17. Fkbr. Der ungeheure Schneefall, dessen Ende bei dem merkwürdig niedere» Barometerstand noch nicht adzusehcn ist, »cranlaßte auch die Besitzer von Obst- baumgütcrn, den Schnee von den Bäumen abzuschüiteln, um Scbaden durch Schneedruck zu verhüten; die großen Verluste, welche hie­durch vor 5 Jahren entstanden stad, haben die Leute vorsichtig gemacht. In den Wald­ungen dürfte der Schaden auch diesmal be­deutend werden.

Nagold, 17. Febr. Infolge epidemischen Auftretens der Influenza wurde heute das hiesige Seminar auf 10 Tage geschlossen und die gesunden Zöglinge in ihre Heimat ent­lassen. Etwa 30 Seminaristen sind krank. Wegen des starken Schnecfalls kamen die heutigen Züge von Altensteig hier mit Ver­spätung an.

DaS 6lrunä Hotel äu kstin in Wiesbaden ist für die Summe von 601,000 Mark samt Inventar an die HH. Gcbr. Weiß (Paul und Moritz) aus Ottenhausen käuflich übergegangen uud ist der Betrieb des HoielS den genannten Herren bereits über­geben wordene

Der Leineweber Josef Argembeaux auS Aachen, der im Herbst v. I. nach Bal­timore gekommen war, aber dort keine Ar­beit finden konnte, verdingte sich auf einem Dampfer de« Nordd. Lloyv al« Kohleuziehrr, um die Reise nach Bremerhaven mitzumachen. Obgleich er bei der Untersuchung für tüch­tig erklärt worden war, fühlte er sich der schweren Arbeit doch nicht gewachsen u. wurde nun von dem zweiten Maschinisten Bock wiederholt mißhandelt, so daß er in seiner Verzweiflung schließlich am 30. Oktober über Bord sprang. Die Sache kam vor dem See- aml in Bremerhaven zur Verhandlung, wo­bei der Spruch dahin ging, daß Argembeaux wahrscheinlich freiwillig den Tod im Wasser gesucht habe und daß er am Morgen des 30. Oktober in roher Weise von dem zwei­ten Maschinisten mißhandelt worden sei. D'eser Thatbestaud wird natürlich weitere strafrechtliche Folgen nach sich ziehe».

Aus den Alpen, 17. Febr. Die Nach­richten über die Schneesälle in den Alpen, die allmählich eintrefsen, lassen erkennen, daß solche Schneemassen seit langen langen Jah­ren nicht gefallen sind. Ganze Häuser, Höfe und Ortschaften sind angeschneit; stellenweise liegt der Schnee 15 Meier hoch. Die Schnee- Erinnerungen gehen bis auf die Zeit vor 30 Jahren zurück. Damals folgten den riesigen Schneemassen die gulen Weinjahrc Mitte der 60er.

Durch die Erkrankung der jüngsten Tochter deS österreichischen Kaiserpaares, der Erzherzogin Marie Valerie, an Lungenent­zündung. ist dem österreichischen Kaiserhaus eine schwere Sorge ewachsen.

Brüssel, 16. Febr. Im Bühuenraume deS Opernhauses zu Gent ist Feuer ausge­brochen. Es entstand eine Schreckensdollc

Verwirrung, bei welcher 16 Leute verwundet wurden. ,

-- Italienischer Hochzeitsbranch. Man schreibt au< Mailand unterm 14. d».: In dem Dorfe PraSco bei Alessandria ist es Sitte, daß auf jeder Hochzeit ein altertüm­licher Tanz, den die Leutebasio" nennen, getanzt wird. Am Schlüsse desselben muß die Braut jedem Tänzer ihren Mund znm Kusse reichen. Dieser Brauch wurde auch bei der Hochzeit eingehalten, welche am Mitt­woch der Eisenbahnarbeiter Ovada mit einem Mädchen auS PraSco feierte. Als die Braut, nachdem derbaoiu" getanzt war, jedem Tänzer den schuldigen Kuß verabreichte, wurde jedoch der junge Ehemann von der Eifersucht überwältigt. Es schien ihm, als ob seine Frau einen der Tänzer mit allzn- großcr Zärtlichkeit geküßt habe und er geriet darüber so in Zorn, daß er die Arme an den Haaren in den Saal nicderzerrte, sie mit Schimpfreden überhäufte und ihr schwur, sie auf immer zu verlassen zu wollen. Mit der HochzeilSfreude war es nach dieser Scene zu Ende. Die junge Frau ging still in das Haus ihrer Eileru zmück. Am andern Mor­gen fand man sic tot im Bette, sie hatte ihrem Leben durch einen Trunk Schwefel­säure ein Ende gemacht.

Eine ermordete Erbin. In der bel­gischen Stadt Rvnbix wurde die reiche Witwe Lemaitre ermordet oufgefnnden. Der Mör­der hatte in der Wohnung Feuer gelegt, um die Spuren deS Verbrechens zu verwischen, was ihm jedoch nicht gelang. Er Halle eine eiserne Kassette erbrochen und daraus sämt­liche Wertpapiere geraubt. Frau Lemailre, die erst in der vorigen Woche eine Erbschaft von zweihnndertisiisend Franc« behob, hatte das Geld ist dicstr K- sse verwahrt und so wurde dasselbe eine Deute de« Räuber«, der davon gewußt und darauf seinen Anschlag gegründet haben dürfte.

Eine eigentümliche Ehezeschichte be­schäftigt augenblicklich die französische Presse und lenkt die Aufmerksamkeit wieder einmal aut Algier und die dort bestehenden Ver- Källnisse. Ein junges KabyUnmädchen Fat- ma war in einer französischen Anstalt er­zogen worden, in der sie mit Ersolg die Prüfung al« Lehrerin bestanden hatte. Sie war nach Sprache, Sitten und Gewohnhei­ten ganz Französin geworden, erhielt den Posten als Lehrerin an einer kleinen Schule und verheiratete sich mit einem gleichfalls französisch erzogene» Lehrer ihres Stammes. Alle« dot geschah in aller Form Rechten«. Nun aber kam ein Araber und erklärte, daß er vor zehn Jahren die Falma von ihrem Vater für 750 Franken al« späteres Ehe­weib gekauft habe, und vn langte die Auf­lösung der nachher geschlossenen Ehe. Nun iigt die Civilgesetzgebung in Algier so, daß die dort wohnenden Franzosen und nationali­sierten Eingeborenen nach französischem Rechte die mohamedanijcben Algerier aber nach einem Rechte abgenrteilt werde», daß seine Begründ­ung im Koran und Gewohnheitsrecht sindel. In den beiden untere» Instanzen sitzen da­bei nur mohamedanische Richter. Die erste Instanz erkannte nun zu Recht, daß der mit dem Vater abgeschlossene Kauf eine rechts­gültige Ehe bedeute, daß die spätere Ehe so­mit ungültig sei und daß Fatma ihrem Käu­fer nötigenfalls mit Gewalt durch die Gen­darmerie zngeführt werden müsse. Die zweite

Instanz schlsß sich in allen Teilen diesem Urteil an und der Fall schwebt jetzt in der dritten Instanz, die, wie e< heißt, in großer Verlegenheit ist, da sie anerkennen muß, daß die Untergcrichte sich streng a» den Buch­staben und den Geist der für die Kabylen gültigen G sctzgebung gehalten haben, ander­seits aber ist eS begreiflich, daß sie ein nach unserer Auffassung ungeheuerliches Erkennt­nis, durch welche- gewissermaßen der Men­schenhandel eine regelrechte Sanktion erhalten würde, nicht zur Ausführung kommen lassen will.

Vier Brüder an einem Tage ge­storben. An« Lima, einer Siadt in Ohio, wird gemeldet, daß daselbst am 22. v. M. derin Cieveland wohnhafte HandlungSreiscnde William M. Henry die Todesnachricht von vier seiner Brüter erhielt. Hemy hatte so­eben seinen Namen in die Hotclliste einge­schrieben, als ihm eine Depesche cingehändigt wurde, die ihm den Tod eine- Bruders au- zeigte. Kaum hatte er sich von dem ersten Schrecken erholt, als ihm zwei weitere De­peschen übergeben wurden, die die Kunde von dem Hinscheidnr von zwei anderen Brüdern enlhicltcn. Alle drei Brüder starben inner­halb weniger Stunden. Gerade als Henry sich auf den Bahnhof begeben wollte, kam nochmal« eine Depesche, die ihm den Tod eine- vierten Bruders, eines zwölfjährigen Knaben, meldete. Sämtliche Brüder waren der Diphlheriti» erlegen.

Ein kolossales Honorar mußte kürz­lich der Dampfer Petropolis, von Brasilien kommend, an einen dortigen Arzt zahlen, um denselben zur Mitsahrt nach Hamburg zu bewegen, der Schiffsarzl wie auch meh­rere Mairsscn in Brasilien am gelben Fie­ber verstorben waren. D« der brasilianische Arzt seine Praxi« aufgeben mußte, bean­sprucht- und erhielt er ein Honorar von 70,000 zugestchert.

Auf verschiedenen au« europäischen Häfen i» New-Aork angekommenen Dampfern ist unter Auswanderern der Typhus auSge- broch n. 1300 Auswanderer wurden in ab­geschlossenen Räumen unicrgebracht. Die Schiffe sind unlcr Beobachtung gestellt.

Vermischtes.

Uebertrumpft. Drei junge Maler rühmen sich ihrer naturalistischen Leistungen. »Ich," sc>8t d" eine,habe neulich eine Holz­platte so täuschend marmoriert, daß sie »n- terging, wenn man sie in« Wasser legie." Kleinigkeit I Wenn mau bei meiner Schnee- landjchafl n' Thermometer hinhäugt, dann sinkt eS mindestens auf Null I"Das ist alle« nichts I Mein Porträt vom Grafe» K. ist so lebensvoll, daß ich es wöchentlich zweimal rasteren muß!"

Geduld. Sie wollten doch eine neue Bratenschüssel kaufen?"Erst nächste Woche. Bi« dahin können Sie einig- kleinere GegcgcnstSude zerschlagen l"

Hiesiges.

Wildbad, 21. Febr, Wie uns mitg - teil! wurde, sind heute früh gegen 9 Uhr die ersten Staarcn bei der Billa Marguerite (Villa Volz) eingelroffen um nach B'stchti- gung ihrer Nester wieder abzuziehcn. Gewiß ein erfreulicher Vorbote eine« baldigen Früh­jahr«.

Druck und Verlag von Bernhard H-y fmann in Wildbad. (Verantwortlicher Redakteur B «rnh. H »fmann.)