Rundschau.

Se. Maj. der König hat »cm Fabrik«»« len Kart Sannwald in Nagold den Titel eine- Kommerzienrats verliehen.

Heilbronn, 29. Januar. Ein Bettler suchte gestern das Mitleid seiner Mitmenschen dadurch zu cm egen, daß er sich taubstumm stellte. Ei» Schutzmann scheint an dieses Ge­breche» nicht recht geglaubt zu haben und nahm denselben fest. Bei der Durchsuchung fand der Bettler überraschend schnell Sprache und Gehör wieder; daß er aber seinemWun­derdoktor" dankbar dafür ist, glauben wir nicht. Wie wir hören, hat der hiesige Aerzteverein die Aenderung der von ihm im Jahre 1874 aufgestelltcn Taxe beschlossen, und zwar in aufsteigender Richtung.

In Steinheim, OA. Marbach, sind in der Nacht vom 27. auf 28. d. M. vier Wohngcväute abgebrannt. Gcbäudeschaden gegen 21000 Brandstiftung wird Ver­mutet.

Waiblingen, 31. Jan. Durch frevel­hafte Hand wurden an der Landstraße von hier »ach Winnenden 17 junge Bäume teilt ganz, teils halb mit einem scharfen Instru­ment Freitag nacht durchgehaucn. Die Be­schädigung hört von da auf, wo ein Weg rechts nach Kerb sich biegt. Da nun schon öfter« solche Beschädigungen verkamen, so wäre eS zu wünschen, wenn der oder die Thäter erwüscht würden.

Winnenden, 30. Januar. Als gestern früh kurz vor der Durchfahrt de» Früyzug« nach Hall der hiesige Bahnwärter seine Strecke kontrollierte, fand er auf dem Bahngeleise eine Frau mit durchnäßten Kleidern liegen, welche offenbar die Absicht hatte, sich über­fahren zu lasten. Derselbe brachte die Un­glückliche in den Wartsaal, von wo sie auf ergangene Benachrichtigung von ihren Ange­hörigen abgehclt wurde.

Obersontheim, 31. Jan. Gestern ließ ein hiesiger Viehbesitzer seine Küh auS dem Stall, um sie zur Tränke zu treiben. Plötz­lich machte eine derselbenlinksum" und war im Nu auf dem Dache eine« an die Stallung angebauten Nebenhausr«, wo sie ge­mächlich liegen blieb und die neugierig her- beigccilten Zuschauer eine Zeit lang in Spann­ung erhielt. Als sich unterdessen unten ein Hausen Stroh aufgetürmt hatte, warf sic einen befriedigenden Blick auf denselben und sprang hinab aus die weiche Unterlage. Voll­ständig unverletzt wurde da« zu abenteuer­lichen Sprüngen geneigte, muntere Tier in seine Behausung zurückgeführt.

Dem Enzthäler wird au« Birkcnfcld, 31. Jan. berichtet: Ein raffinierte« Buben­stück führte gestern ein «US Neckarhause» ge­bürtiger I7jähriger Bursche auf der Eisen­bahnlinie zwischen hier und Birkenfeld au». Derselbe warf einen großen, vom Berge auf die Landstraße herabgerollten Stein unweit dem BahnwärtcrhauS Nr. 10 vollends die jäh abfallende Böschung hinab, auf den Bahn­körper, zufälligerweise an der bekannten Un- gtückostelle von 1876. Der nun bald dar­auf anfahrcnde Zug Nr. 137 (Birkenfeld ab 9 53 v»,mittags) wäre einem schweren Unglück entgegengeilt, wenn nicht glücklicher­weise da- ihm gestellte Hindern!« von dem Maschinenführer noch rechtzeitig bemerkt wor­den wäre. Der Führer brachte den Zug mittelst der neuen Bremsvorrichtung zum Stehen und beseitigte den etwa drei Zentner schweren Stein so rasch wie lhuniich, wor­

auf er den Zug wieder in Bewegung setzte. Der Thatverdachl fiel auf den oben an­geführten Burschen, der nicht lange vorher von dem in der Nähe beschäftigten Straßen- wärter gesehen worden ist. Selbiger wurde auch gleich von dem in erwähntem Bahn- wärterhau« stationierten Wärter, sowie von einigen Bahnarbcitern, die in der Nähe ar­beiteten, verfolgt; dieselben wurden bald in ihren Vermutungen gestärkt, da der Bursche beim Anblick seiner Verfolger Reißaus ge­nommen hatte. Erst in der Nähe der hies. Station konnte dieser Missethäter eingeholt werden. Cr wurde dem hiesigen Ort«vor- steher überliefert, von diesem Verhört, und noch, nachdem er seine Schuld leugnete, an den Thatort geführt, woselbst, er endlich ge­stand ; von da auS wurde er auch gleich von dem hier stationierenden Landjäger geschlos­sen in das Amtsgericht Neuenbürg abge- liefert. Eine gebührende Strafe wird die­sem böswilligen, jungen Menschen zu teil werden.

Freudenstadt, 30. Januar. In große Trauer wurde heute eine hiesige Familie ver­setzt. Deren ältestes, 10 Jahre alte« Töck- terchen wollte in einer Bäckerei Brot holen, kam aber zur bestimmten Zeit nicht zurück, so daß die Eltern nach demselben suchten und die« sogar noch durch die Schelle öffent­lich bekannt machen ließen. Erst heute abend 10 Uhr wurde das Kind in einem als Fuß­weg benützten Winkel beim alten Knaben­schulgebäude, unter einer vom Dach herab- gestürzten Schneclawine begraben, tot aufge­funden.

Reiche Erbschaft. Ein in Wiesbaden verstorbener Frankfurter Bürger, ein ehema­liger Rechtsanwalt so meldet ein Bericht­erstatter, hat einen Küfergescllen durch seine testamentarische Verfügung zu einem glücklichen Menschen gemacht, indem er ihm 427,000 ^ vermachte. Der Verstorbene war der Pate de« Küfergesellen. Außer der Frau de« Verstorbenen gingen die anderen Erben das Vermögen betrug bei einer Million leer au«.

Eine Anzahl 12 bi» 15jähriger Schülerinnen der Volk«schule in Hanau ver­übte in letzter Zeit die raffiniertesten Schwin­deleien und Diebstähle. So machten sie bei Metzgern und Bäckern Bestellungen auf Fleisch und Backwaren für Wirte und Ladenbesitzcr, ließen sich aber immer, angeblich nach dem Wunsche der fingierten Auftraggeber, einen Teil de« Bestellten zur Besorgung au«hän- digen und verzehrten da« Erbeutete sodann in Gemeinschaft mit ihren Mitwisserinnen. Oester« öffneten sie vermittelst Schlingen und passender Schlüssel die Vorplatzthüren, drangen in Zimmer und Küchen und ent­nahmen Kasten und Schränken, wa< ihnen nur einigermaßen verwendbar erschien, wo­bei jedesmal eine von ihnen Wache zu stehen hatte. Weiter begaben sich immer je zwei in Läden und während die Eine kleine Ein­käufe machte, versuchte die Andere ihr Glück im Einhamstern. W«S sie von ihrer Die- beSbeute nicht augenblicklich selbst verwenden oder an den Mann bringen konnten, wuß­ten sie in sickeren Verstecken untcrzubringen. Viele Leute sind durch die jugendlichen Lang­finger, die ihr Gauncrhandwcrk längere Zeit ungestört trieben, erheblich geschädigt worden. Ein Lehrer machte endlich durch Zufall die Entdeckung de« Komplotts. Nicht weniger al< 38 Diebstähle und Schwindeleien, die aus

die geschilderte Weise verübt wurden, sollen bereit« offenkundig sein.

Aufsehen erregt in Lindenau ein Todesfall, bei dem mutmaßlich Wurstvergift­ung die Ursache ist. Vor einigen Tagen kaufte sich rin Knabe, armer Leute Kind, bei einem Fleischer in der Lützener Straße für einige Pfennige sogenannteWurstzipf­el" (die beim Verschneiden der Würste übrig bleibende» kleinen Reste) und verzehrte sie mittag« zu Hause. Nachmittags stellte sich heftige« Erbrechen ein und am Abend war der Knabe eine Leiche. Der herbcigerufene Arzt bezeichnet? auf dem SterbescheinWurst­vergiftung" als Todesursache. Alsbald er­schienen auch GerichtSbcamtc in dem betreff­enden Fleischerladen und entnahmen aus dem­selben Wurstproden zweck« amtlicher Unter­suchung. Der Gang der letzteren muß nun abgewartet werden, ehe man da« betreffende Fleischcrgeschäft mit Sicherheit verantwortlich machen kann.

In der auf dem Bauplatz der Halle'- schen Portlandzementfabrik in Halle errich­teten Kantine explodierten einige Dynamit- Patronen, die der mit Ausführung von AuS- schachtungsarbeilen beauftragte Unternehmer vorwärmen wollte, um sic dann zu Spreng­ungen zu verwenden. Der Unternehmer selbst, Namen« Fricke, wurde so gräßlich ver­stümmelt, daß sofort der Tod eintrat, der Kantinenwirt Nebelung und seine Frau sind sehr schwer verletzt, ein Arbeiter kam mit leichteren Verletzungen davon.

Berlin, 30. Jan. Landtagsabgeordncter Prof. Mithoff ist gestorben.

In einem Gasthau« in Berlin erschien am Freitag abend ein Sergeant in der Uni­form eines Linienreziments in Begleitung eines jungen Mädchens und schrieb sich imFremden- buch al< Sergeant Eder nebst Frau au« Frank­furt a. O. ein. Al« am andern Tage da« Paar kein Lebenszeichen von sich gab, öffnete man die Thüre seine« Zimmers und fand den Mann tot, seine Begleiterin schwer ver­letzt. Er hatte sie mit einem Revolver in die Brust geschossen und dann sich selbst durch eine zweite Kugel getötet, lieber die Motive zu der unseligen Thai ist noch nichts ermit­telt, wie es auch der Feststellung der Namen noch bedarf.

Wie au« Preßlmrg gemeldet wird, ist die Nachricht vom Brande des kaiserlichen Lustschlosses Schloßhof unbegründet. Nur eine Strohfeime bei Echloßhof ist abgebrannt und dadurch ein unbedeutender Schaden an- gerichict worden. Der Feuerschein war wahr­scheinlich in Preßburg sichtbar und verursachte dort da« Gerücht) Schloßhof selbst sei niedergebrannt.

Weimar, 29. Januar. Der König und die Königin von Württemberg sind hier ein- getroffcn und vom Großherzog empfangen worden. Nachmittag« findet Hoftafel, abend« Hofkonzert statt. Morgen nachmittag wird die Abreise erfolgen.

Weimar, 29. Januar. Das württem- bergische Königspaar wurde auf dem Bahn­hofe von dem Großherzog, dem Erbgroßher­zoge und dem Prinzen Heinrich empfangen. Das MusikcorpS der aufgezogenen Ehrenwa­che spielte, während der König und der Groß­herzog die Front abschritten, die National­hymne. Eine zahlreich die Straße füllende Menge brachte lebhafte Ovationen dar. Im Schloß empfingen die Großherzogin und die Erbzroßherjvtziy ihre Gäste, viele Häuser