Rundschau.
Tübingen, 14. Jan. Auf der internationalen Ausstellung wissenschaftlicher Apparate zu Antwerpen stellte MechanikuS Erbe von hier verschi-dene Modelle von Mikrotomen aus. D>rselbe^erhielt nach einer vom Vorstände der Ausstellung Dr. Henri Van Heuik nug-laufencn Nachricht die höchste Auszeichnung, nämUch ein Ehrendiplom und eine goldene Medaille.
Göppingen, 14. Jan. In einem bei Faurndau gelegenen Steinbruch kam heute morgen ein schwerer Unglücksfall vor, indem eine Sprengladung, die vermutlich zu früh explodierte, den Steinbruchbesitzer Daiß, Vater zweier Kinder, lötete, während der gleichfalls anwesende Pflasterer Riecher nicht unerheblich verwundet wurde.
— Am Christabend wurden in einer vornehmen Familie Frankenthals, wie alljährlich, die Köchin und daS Hausmädchen mit einem Weihnachtsgeschenk bedacht; Heuer bestand d»S Geschenk für Beide in je einem Paar seidenen Handschuhen. Die Köchin, erbost, weil es nur ein Paar Handschuhe waren, öffnete ohne Weiteres ihren Herd und sofort ging das Weihnachtsgeschenk in Flammen aus. Das Hausmädchen war, trotz seines inneren Grolles etwas anständiger und legte die Handschuhe in seinen Kasten. Am nächsten Tag richtete sich das Mädchen zum Kirchgang und wollte die seidenen Handschuhe anziehen. Al- sie ihre Finger darin Verbergen wollte, fühlte sie etwa- und siehe da in den Handschuhen war als Hauptgeschenk je ein Zwanzigmarkschein verborgen. In freudiger Aufregung eilte sie zur Küchenfee, um diese von ihrem Fund zu benachrichtigen. Diese siel jedoch vor Schreck in Krämpfe. Nach ein paar Tagen erfuhr die Herrschaft von der Handlungsweise der Undankbaren. Hier erfuhr sie nun, daß in ihren Handschuhen ein größerer Betrag nie- dergelegt war nnd ihre Erregung wurde noch größer, als die Herrschaft die Freundlichkeit hatte, ihr zu erklären, daß sie mit Ablauf des nächsten Quartals ihren Dienst zu verlassen habe. Es ziehe deshalb jedermann die Lehre, selbst das kleinste Geschenk mit Dank anzunehme», denn Niemand ist ver» pflichtet, etwas zu geben. Die Undankbaren werden jedoch immer den gebührenden Lohn empfangen. — „Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen."
Berlin, 14. Jan. Die Eröffnung des Landtags im Weißen Saale vollzog sich so einfach wie nur möglich, ohne Teilnahme des HofrS und ohne das sonst damit Verbundene Cermoniell. Etwa 150 Abgeordnete hatten sich eingefunden. Neben dem Throne stellte sich v. Caprivi mit den übrigen Ministern auf und verlas die Thronrede, die ohne Zeichen des Beifalls angehört wurde. Am Schluffe brachte der Präsident des Herrenhauses, Herzog von Ratibor, das Hoch auf den Kaiser aus.
— Das Wappen des Grafen Caprivi.
Im Königlichen Heroldamte wird gegenwärtig an der Herstellung des neuen Wappens für den Reichskanzler Grafen v. Caprivi gearbeitet. Dasselbe besteht in einem vierteiligen Schild mit gekröntem roten Herzschild, in welchem sich ein weißer Göppel befindet. Die vier Felder sind gespalten. Das erste enthält vorn zwei rote Querbalken auf weißem Grunde, hinten auf Grün einen aufrechten Widder, ein grüne- Nesselblatt im
Maule. Da- zweite Feld zeigt vorn zwei rore Sckrägbalken auf Weiß, hinten in Blau auf grünem Hügel einen gelben Löwen, in der rechten Pranke ein Schwert schwingend. Im dritten Felde wiederholen sich Schrägbalken und Widder, und im vierten die Querbalken mit dem Löwen. DaS Ganze wird von der Grafcnkrone überragt, ohne welche daS Wappen auf Wunsch des Reichskanzlers genau dem alte» Wappen der Familie v. Caprivi nachgebildcl haben.
— Aus München, 14. Januar, wird geschrieben: Am Montag früh wurde der Bauer Joh. Pfeilstckter von Berg (Oberbayern) von seinem nach ihm suchenden Knechte auf dem Wege von Wieden nach Berg erschlagen und seiner Uhr und Börse beraubt aufgesundcn. Pfeilstetter, ein ruhiger, braver Mann, stand im 34. Lebensjahre. Vom Mörder hat man bis dato keine Spur.
— Der bisherige Inspektor des herzoglichen Amtsblattes von Altenburg, Schuckert, ist überführt worden, aus der von ihm verwalteten Staatskasse gegen 20,000 ^ unterschlagen zu haben. Außerdem hat Schlickert als Kassierer der Gesellschaft „Concordia" 4000 und als Kassierer de- Frauen- verein« 2000 unterschlagen.
— In Dortmund ist der wegen Morde« zum Tode verurteilte Michalski laut Fr. Ztg. am 14. d«. durch den Scharfrichter Rcindel hingerichtet worden.
-- Ein Schriftstellerhonorar, wie eS sclten für eine Erzählung gezahlt worden sein dürfte, wurde säugst Herrn Brei'Harte, bekanntlich ehemals Schriftsetzer, zugcsprochen. In „Macmillan's Magazine" erscheint gegenwärtig eine neue Erzählung diese« berühmten Autors, welche die längste von den bisher veröffentlichen Erzählungen desselben sein soll. Der Verleger bezahlte ihm hikfür den Betrag von 70000 ^
— Lebendig begraben. Aus der Ortschaft Proschovitzak in der Provinz Kielce in Polen meldet das Wiener Fremdenblatt einen schrecklichen Vorfall. Auf dem Kirchhofe wurde vor einigen Tagen der Ortsarzt begraben- Das Leichenbegängnis fand am Vormittag statt. Am Nachmittag folgte eine zweite Beerdigung, das neue Grab befand fick in der unmittelbaren Nähe des vorigen. Während dieser Begräbnisfeier vernahmen die Umstehenden zu ihrem Entsetzen ein seltsames unterirdisches Geräusch. Ehe sic sich von ihrem Erstaunen erholen konnten, folgte eine Reihe halberstickter Schreie, die offenbar aus dem anstoßenden Grabe kamen. Der Geistliche stellte sogleich die Gebete ein, und die Totengräber begannen unter Mithilfe der Anwesenden das Grab zu öffnen. Als der Sarg aufgebrochen war, sah man, daß der unglückliche Arzt lebendig begraben und die Hilfe zu spät gekommen war, da er bereit« den Tod durck Ersticken gefunden hatte, während die Arbeiten zu seiner Rettung im Fortschreiten waren. Man fand, daß sich der Verstorbene nach der linken Seite gewandt habe. Im Todeskampfe hatte er sich bi« auf den Knochen in die Finger gebissen und den Kopf an die Wände seines schrecklichen Gefängnisses gestoßen, bi« seine Schläfen mit Wunde» bedeckt waren.
Trier, 9. Jannar. Vor wenigen Tagen operierte Professor Dr. Müller von der Berliner Hochschule ein Pferd eines hiesigen HusarenoffizierS. Es handelte sich um dir Entfernung einer Geschwulst au-her
LeibeShöhle. Das Pferd wurde zu diesem Zweck chloroformiert; nach erfolgter Narkose wurde der Leib geöffnet und die Geschwulst entfernt. DaS Ganze dauerte eine halbe Stunde. Das operierte Pferd soll sich, der „Trierer Ztg." zufolge, wohl befinden.
.- Es bleibt in der Familie. Ein Schneider gewann in einer Lotterie mit 1 Loose, das er ohne Wissen seiner Frau gespielt, den Betrag von einigen Tausend Mk. Mit diesem Gelbe hoffte er jahrelang sein Zechkreuzer bestreiten zu können, um die er seither bei feiner gestrengen Gattin geradezu betteln mußte. Wie groß war aber sein Entsetzen, als er vergeblich suchte und sein Los nicht fand! Er hatte es abends zuvor noch in der Kneipe besessen und war spät in etwas angeheitertem Zustande nach Hause gewankt. Den Verlust meldete er sofort an, jedoch nicht seiner Gattin. Man war rasch hinter der Sache her und er war Alles bereit, um Denjenigen festzunehmen, der eS etwa wagen sollte, da« Los zur Empfangnahme des Gewinnes irgendwo zu präsentieren. Schon Tags darauf wurde der Dieb bei einem hiesigen Lvsehändlcr ungehalten, nämlich eine etwas „energisch" aussehende Frau, die den Gewinn einkassteren wollte. Ihr Schreck war kein geringer, als man ihr erzählte, das Los sei gestohlen, und als sie nun angeben sollte, woher sie cS habe. Da die Frau annahm, ihr Mann könnte es gestohlen haben, so erzählte sie zunächst ein Märchen, nach dem das wertvolle Papier durch Fund in ihren Besitz gelangt sei. Ganz anders wurde aber ihre Stimmung, als man ihr den Namen des Bestohlenen nannte. „Was, der schlechte Kerl ist also der Besitzer des Loses und hat nicht« davon gesagt, daß er gespielt und gewonnen hat, das soll er mir büßen I Denken Sie sich, der Bestohlene ist ja mein Mann. Mir können Sie da- Los oder Geld schon geben, es bleibt ja dann doch in der Familie.* Wir wollen die Sache nicht weiter erzählen, wie sie sich nach und nach aufklärte und nur noch verraten, daß der Schneider trotz aller Vorsicht um seine Zechkreuzer gekommen ist.
.-. (Ostindische Schwalbennester.) Man schreibt aus Pari«: Suppe aus ostindischen Schwalbennestern gehört zu den Gerichten, die in Paris zu haben, freilich aber nicht jeder Börse erreichbar sind. DaS Kilogramm Schwalbennester kommt in Paris auf 700 Fr. zu stehen. Die Nester werden zu 70 bis 80 Fr. da« Stück verkauft, wodurch das Kilogramm auf 1000 Fr. zu stehen kommt. Die Suppe wird hergestellt, indem ein Kilogramm Schwalbennester in 25 Kilogramm Wasser drei Stunden lang gekocht wird. Di« Schwalbennester gehen auf, werwandeln sich in breite, aber dünne, durchsichtige, leichte, nudelartige (Gewebe. Hiernach kann man den Preis eines Teller- Schwalbennester» suppe berechnen. Ein Kilogramm (gleich einem Liter) genügt knapp für acht Teller Suppe, erfordert aber 40 Gramm Schwalbennester, welche 40 Fr. kosten. Da man aber etwas reichlicher rechnen muß, ist um die Hälfte mehr erforderlich, so daß auf einen der acht Tischgenossen allein 7,50 Fr. Schwalbennester für die Suppe kommen.
.'. Aus dem Steckbrief. Signalement: Der linke Fuß ist ein Stelzfuß und spricht den hochschwäbischen Dialekt.