Rundschau.

Belobung. Am 11. September ds. Js. siel das 3'/^jährige Söhntet» des Flasch- nermeisters Ehr. Pfau inWildbad in einen Brunnentrog und schien, als es von einer Frau herausgczogen wurde, voll­ständig leblos zu sein. - Der damals in Wildbad als Kurgast weilende Lokomotiv­führer Kerner, Mitglied der 2. frciw. Sanilätskolonne in Ludwigsburg, kam »och rechtzeitig dazu und brachte das Kind durch '/«ständige Manipulationen wieder zum Le­ben. Außer dem innigsten Dank der Eltern des geretteten Kindes, der seinerzeit re. Ker­ner durch das Stadtschultheißenamt Wildbad zugestellt wurde, ist kürzlich das folgende Schreiben vom Präsidium des Württ. Sani- tätsvereius vom Roten Kreuz an den Führer der Sanilätskolonne in Ludwigsburg einge- trvffkn, dessen Inhalt wir unseren Lesern nicht vorenihalten wollen:

Stuttgart, 27. November. Aus dem uns vorgelegten Bericht des Führers der Sanitälskoloune Ludwigsburg vom 5. d. M. habe» wir mit großer Befriedigung Kennt­nis genommen von der umsichtigen u. erfolg­reichen Art, mit welcher das Mitglied der dortigen .Sanitätskolonne, Lokomotivführer a. D. Kerner die im SanitätSuntcrricht er­worbenen Kenntnisse und Fertigkeiten in den Dienst der rettenden Nächstenliebe ge­stellt und zur Erhaltung eines Menschen­lebens eingesetzt hat. Wir ersuchen das ver- ehrltche Kommando, dem Lokomotivführer a. D. Kerner in Lndwigsburg für seine edle Thai, die dnn ganzen Sanitätskorps zur Ehre gereicht, auch in unserem Namen Dank und Nnerkennuung auszusprechen. Mit vor­züglicher Hochachtung t Das Präsidium de- Württ. SanitätSvcreius vom roien Kreuz. Prinz Hermann zu Sachsen-Weimar. Der Vorstand: Regier.-Dir. Rüdiuger.

- Bei dem Heranuaheu des Neujahrs­festes dürfte es augezcigt sein, die öffentliche Aufmerksamkeit auf einen Punk! zu lenken, der schon seit Jahren Anlaß zu berechtigten Klagen gibt, auf die Verbreitung anstößiger Neujahrskarten. An die schöne Sitte, Be­kannten und Freunden zur Jahreswende durch Zusendung von Glückwünschen und Karten ei» Zeichen der Liebe zu geben, haben sich allmahlig häßliche Auswüchse augehängi,welche zu entfernen die Pflicht jedes anständigen Menschen ist. Kaum ist der Glanz der Weihnachtsausstellungen in den Schausenstern verblichen, so pflegen sich die Schaufenster der betreffenden Laden niit einer Fülle von Neujahrskarten und Bildern zn bedecken, mit feinen und ordinären, mit kostbaren und billigen, hi-r mit Kunsttrzengnisst'ii von ge­diegenem Geschmack, dort mit Ausgeburten des Blödsinns und der Gemeinheit. Wir wollen die faden und läppischen Witze, wo­mit ein Teil dieser letztgenannten Produkte anzulvcken sucht, nicht weiter befehden ; Takt und Geschmack ist eben nicht Jedermanns Sache; aber mit schmerzlicher Entrüstung erfüllen den VolkSfrcund die gemeinen und lüsternen Darstellungen und Verse, welche eine Anzahl dieser Blätter als heimtückisches Gift erscheine» lasst«. Da stehe» die Kin­der an den Schaufenstern, beschauen die nur allzu deutlichen Z-nchnungeii, lesen die zotigen Räume und in ihrer empfänglichen Seele haftet der wüste Eindruck. Da treibt einen schamlosen Burschen, dessen Geschmack die Bilder getroffen haben, der Kitzel, einem

Mädchen in schlechtgcwähltem Scherz, oder in'welliger Absicht solch einen Neujahrs- wnnsch natürlich anonym und in unver­schlossenem Kouwrt zuzuschicken. Ist es zu viel verlangt, daß stder Verkäufer ronNeu- jahrskaner, der wir wollen nicht einmal lagen ernster gerichtet ist, sondern der auf den Ruf eines Geschäftes etwas hält, sich entschließen sollte, den gemeinen Mach­werken unter genannten Kart » seinen Laden zn verschließen. Dem jungen Mann aber, der in der Bierlaune vermeint, mit der Versendung solcher Karten sich einen Jux zu machen, möchten wir zu bedenken geben, daß die eigene und die Ehre des Neben­menschen ein Gut ist, welches nicht um den Genuß eines billigen Scherzes geschädigt werden sollte.

Vom Fränkischen, 9. Dez. Der Orkan am Montag war nachts zwischen 10 u. II Uhr von einem schweren Gewitter begleit«; es zog durch das fränkische Württemberg bis hinein nach Miitelsranken. Das Rollen des Donners wurde durch das Getöse des Sturmes vielfach überhört. In Kaubenheim bei Jvsheim, unfern der Zweigbahn Winds­heim Neustadt a. d. Atsch, schlug der Blitz in ein Haus, und das dadurch entstehende Feuer legte 15 Gebäude, meist landwirt­schaftlichen Zwecken dienend, in Asche.

Der 1793 geborene Veteran Salzer anS Albernan, der an den Freiheitskriegen 1813/14 teilgenommen und im Sommer dem Jubiläum des zweiten Husaren-RegirnentS in Grimma beiwohnte, hat sich, wie aus Schnce- berg i. S. berichtet, nochmals und zwar mit seiner 1809 geborenen Pflegerin verehelicht. Der Trauakl fand in SalzerS Behausung statt.

Berlin, 10. Dez. (Reichstag.) Erste Lesung der Handelsverträge. Reichskanzler v Caprivi: Die Handelsverträge, welche dem Reichstage vorgelcgt sind, dürften zur Stunde um den mit der Schweiz vermehrt sein. (Beifall.) Die autonome Feststellung der Zölle habe die Industrie in eine Weise erstarken lassen, wie es bis dahin nicht be­kannt war. Als Schattenseiten zeigten sich indes alsbald die Ueberprsduklio» und dir Verlegenheit, Absatz zu finden. In Ver­bindung mit dem System ging das Bestre­ben, die Mcistbegünstigung zu erwerben, bik mau zu der Ansicht kam, daß dies auch Nach­teile habe. Die Meistbegünstigung wurde zur Grsamtbeschädigui'g. Die Ausfuhr blieb Vinter der Einfuhr um 800 Millionen zu­rück. Die HaudelSdiianz verschob sich für Deutschland nachteilig. Die Frage, ob Frei­handel oder Schutzzoll ist doktrinär. Es baadell sich vielmehr einfach darum, welche Mittel gegenwärtig für das Land notwendig sind, um die Landwirtschaft, die Industrie und die Arbeit kräftig zu erhalten. Die fernere Abschtießung würde zum Kriege aller gegen alle führe», Deutschland würde zweifel­los genötigt sein, Betrieb um Betrieb einzu­stellen. Da cS sich nicht darum handeln kvnnnte, Freihandel zu treiben, so blieb nur der Abschluß von Tarifverträgen übrig. Um Verträge zu schließen, waren Konzessionen zu machen, dabei war das ganze im Auge zu behalten. Durch die Ermäßigung des Weinzolls soll den Schnaps und den fran­zösischen Bordeaux, eigentlichen Verscknitt- weinen Konkurrenz gemacht, den italienischen Weinen ein Schlachtfeld gegen die französi­schen Weine geschaffen werden. Die Herab­

setzung der LebenSmittelzölle kommt dem Ar­beiter zu statten, dem man nicht nur ent­gegentreten , sondern auch entg genkommen müsse. Wir müssen wünschen, mit unstren Verbündeten auch in wirlschafttichen Frieden zn leben. Die europäischen Staaten müssen sich aneinander schließen, um ihre Selständig- keit zn erhalten. Die Verträge bieten eine gewisse Garantie für die Zukunft. Ich bitte, sie als Ganzes zu würdigen und sich der Ansicht der verbündeten Regierungen anzu- schließen, daß die Verträge geeignet sind, das wirtschaftliche Gedeihen Deutschlands zu erhalten und zu fördern.

Berlin, 10. Dez. Im Reichstag machte heute Caprivis gemäßigte, aber entschiedene Einleitungsrede zur 1. Lesung der Handels­verträge einen, von den Agrariern der äußer­sten Rechten abgesehen, im Ganzen großen Eindruck und erntete reiche» Beifall. Gegen die Kreuzz. und deren Hintermänner sprach sich der Reichskanzler mit äußerster Schärfe aus. Ein Vcrtagnngsanlrag wurde nach dem Schluß von Caprivts Rede keinerseits gestellt. ReichenSperger (Zenlr.) sprach sich warm für Tarifverträge ans.

Bern, 10. Dez. Im Nalionairat gab der Vorsitzende folgende Erklärungen: Die Handetsveriräge Deutschlands und Oester­reichs mit der Schweiz wurden heute litt, Uhr in Wien unterzeichnet. Der Text der­selben wird morgen der Bundesversammlung jugestellt.

Am verflossenen Samstag fand, nach einer Meldung aus Bombay, ein fürchter­liches Eisenbahnunglück aus der Nordwcst- bahn zwischen Mvollau und Lahors statt. Die sich kreuzenden Postzügc gerieten in Kollision. 34 Personen wurden getötet und viele trugen mehr oder minder schwere Ver­letzungen davon. Alle in den Zügen be­findlichen Europäer sind unversehrt.

Nach den Pariser Blättern ist die Stimmung in Spanien sehr erregt gegen Frankreich wegen der Absperrung gegen die spanischen Weine. Die spanische Presse kon­statiert beifällig, daß bei einem offiziellen Festesten in Saragossa kein französischer Wein getrunken wurde. Die Spanierinnen entsag­ten den französischen Mode». Die Königin Jsabella nebst dem Jnfanten und dem König Franz verlassen Paris.

Ein gewalligcr Brand entstand, wie aus Riesa berichtet wird, aus der Elbe dadurch, daß ein mit 1800 Zentnern Petro­leum beladenes Frachtschiff in Flammen aus­ging. Man mußte cS vom Quai lösen, wo es die in der Nähe liegenden Schiffe ge­fährdete. Das in eine Flammen- und Rauch­wolke gehüllte Fahrzeug trieb die Elbe hinad gegen vier Getreideschiffe, die es in Branb setzte. Die auf diesen Schiffen befindlichen Personen konnten sich nur mit großer Mühe reiten und haben schwere Brandwunden er­litten. Die Getreideschiffe wurden gerettet, der Petroleumkahn verbrannte vollständig. Er gehörte einem Schiffseigner Ruprecht aus Uehdenick bei Berlin.

Der im Hospital des städtischen Ar­beitshauses zu Rummelsburg zu Anfang dieses Jahres aufgenommene 30jährigc Epi­leptiker Skrzypczak stürzte sich, wie aus Ber­lin berichtet wird, am Montag abend in einem Anfall von Wahnsinn plötzlich ans den Wärter Vogel und brachte demselben mit einem abgebrochenen Tffchmeffer eine furchtbare Schnittwunde über das Gesicht,