Mutter deS Verschollenen, die Großherzogin Maria Antonia von Habsburg-Toskana in Orth bei Gmunden, die zcitüber sich trost­los über das Schicksal ihres Sohnes gezeigt hat, in neuester Zeit eine gewisse Ruhe und Zuversicht äußert, die man eben auf günstige Nachrichten über Johann Orth zurückführen zu dürfen glaubt.

Das Geschäft blüht in Monte-Carlo. In Monte-Carlo fand dieser Tage die ordent­liche Generalversammlung der Aktionäre der Spielbank statt. Dem erstatteten Jahres­bericht zufolge war das vergangene Spiel­jahr sehr ertragreich. Der Spielgewinn der Bank belief sich ans 21 Millionen Francs, gegen 20 Millionen im Vorjahr. Ungünstig für die Bank war nur der Monal März, in dem sic 980,000 Francs verlor. Unter die Aktionäre werden 11 Millionen Francs verteilt werden, was einer Dividende von 24 Prozent deS Aktienkapitals entspricht. Wie viel ruinierte Existenzen die Spielbank im letzten Jahre auf ihrem Konto hat, wurde nicht mitgeteilt.

Hamburg, 5. Nov. Ein sehr merkwür­diger Fall aus dem Gebiete der Täuschungen wurde kürzlich im hiesigen städtischen Kranken­

hause entdeckt. ES wurde eine Kranke ein­gebracht, die in einem respektablen Hause als geschickte Köchin gedient und deren Papiere vollständig in Ordnung waren. Während ihrer Behandlung machte nun der betreffende Arzt die unerwartete Entdeckung, daß die Person männlichen Geschlechts sei, u. nahm daraus Veranlassung, ihre heimatliche Be­hörde sie ist aus dem Kreise Lüneburg gebürtig davon in Kenntnis zu setzen. Die darauf angestellten Ermittelungen haben nun ergeben, daß sie nach ihrer Geburt vor 2Z Jahren, höchstwahrscheinlich aus Irrtum, von der inzwischen verstorbenen Hebamme als Mädchen angemeldet und in dieser Eigen­schaft inS Kirchenbuch eingetragen ist, als welches sie denn auch bis jetzt arglos unun­terbrochen fortgelebt und sich des besten Nnfes zu erfreuen gehabt hat.

London, 5. Nov. Zwei Knaben 8- und lljährig die aus bloßem Zerstörungstrieb vor einigen Wochen den nach Esstbourne fahrenden Eilzug zur Entgleisung zU jbringen suchten, wurden vom Richter, der eine zu 6, der andere zu 8 Rutcnhieben verurteilt.

London, 7. Nov. Die japanische Ge­sandtschaft teilt nachfolgende Depesche mit:

Bei dem Erdbeben vom 28. Oktober wurde in den Verwaltungsbezirken Aichi und Gifa 6500 Personen getötet, 900 verwundet. Die Zahl der zerstörten Häuser wird auf 75,000, die der beschädigten auf 1200 angegeben.

Aus Tondern, 5. Nov. meldet man dem B. Tgbl.: Das deutsche Segelboot Pame, Kapitän Gaetcke, ist seit drei Wochen ver­schollen und mutmaßlich an der Westküste Schleswigs mit der Besatzung untergegangen.

Eifersuchtsdrama in der Kirche. Wäh­rend in der Kirche St. Andrea in Messina Messe gelesen wurde, versuchte eine junge Sicilianerin, Namens Cerbone, ihren unge­treuen Liebhaber zu ermorden. Sie hatte sich unbemerkt an ihn herangeschlichen und schnitt ihm mit einem Rasiermesser in den Hals. Die Wunde war jedoch nicht tötlich. Der Ueberfallene sprang ans und es entspann sich ein furchtbarer Kampf zwischen ihm und seiner ehemaligen Geliebten. Der Priester unterbrach die Messe und eilte herbei, um die Kämpfenden zu trennen. Der ungetreue Liebhaber war inzwischen von seiner ehe­maligen Geliebten entsetzlich zugerichtet wor­den, des. im Gesicht. Das Gotteshaus wurde sofort geschl. u. muß Neu geweiht werde».

Die KütLenkönigin.

Roman auS der Gegenwart v. W- Hogarth.

Nachdruck verboten.

16.

Tief betrübt über die bittere Auseinan­dersetzung mit Baron Töppen war Elisabeth in die Festsäle zurückgekchrt, doch die Pflich­ten der Gastgeberin lenkten jetzt ihre Ge­danken auf andere Dinge und sie widmete sich in der liebenswürdigsten Weise ihren Gästen.

Das Conzert war zu Ende und die Damen und Herren benutzten die Pause, welche bis zur Eröffnung des Balles jetzt entstand, um an den zahlreichen Büffets der Nebenzimmer Erfrischungen zu sich zu nehmen. Elisabeths Tante und die Gesellschafterin, sowie Direk­tor Riese übernahmen jetzt vorzugsweise die Aufgabe, die Gäste nach den Büffels zu ge­leiten, und Elisabeth hatte Zeit, einige Worte im Vertrauen mit ihrem ebenfalls zu dem Feste anwesenden Rechtsanwalt Doctor Steiner aus der nahen Kreisstadt zu sprechen. Das Schicksal des Barons Töppen beunruhigte nämlich im hohen Maße Elisabeth und ihr großmütiges Herz empfand tiefes Mitleid mit dem Baronen, der teils aus Leichtsinn, teils in Folge der ungünstigen Vermögens- Verhältnisse seines Vaters und auch zum großen Teile in Folge herkömmlicher StandeS- gewvhnheiten sich ruinirt hatte. Eie, die Besitzerin vieler Millionen, beschloß daher, wenn eS noch möglich war, ganz im Geheimen etwa« für Töppen, dem ihr Herz einst so nahe gestanden und dem sie sich wegen seiner ritterlichen That zu Danke verpflichtet fühlte, zu lhun. Hatte Töppen sie einst mit Lebens­gefahr vor dem Sturze von dem wütenden Pferde gerettet, so glaubte sie auch ein Geld- opfcr bringen zu müssen, um Töppen vor einem anderen Abgrunde zu retten.

Lieber Doctor," redete Elisabeth den herbeigerufenen Rechtsanwalt Steiner in ihrem Boudoir an,ich habe bereits vor einiger Zeit erfahren, daß Baron Curt von Töppen durch Spiel sich total ruiniert hat und daß man Schlimmes für ihn besorgen muß,

wenn keine Einigung mit seinen Gläubigern stattfindet. Ich bin, wie sie wissen, wegen einer aufopfernden That, die Baron Töppen einst für mich vollbrachte, ihm zu Danke verpflichtet, und beauftrage Sie, unter dem Siegel der Verschwiegenheit und ganz im Geheimen eine Verständigung mit den Gläu­bigern Töppens herbeizuführcn. Lieber Gott, thun Sic es im Namen eines Onkels des Barons, der nicht genannt sein will, denn mein Name darf in der Angelegenheit nicht genannt werden. Das nötige Geld übergebe ich Ihnen persönlich, sobald ich erfahren habe, welche Summe Sie für Töppen« Gläu­biger brauchen. Verstehen Sie mich aber recht, Herr Doktor, wie mit einem Zauber­schlage will ich Töppen nicht von steinen Schulden befreien, denn dies könnte bei seiner leichtlebigen Natur übele Früchte bringen. Nur die schlimmsten Gläubiger befriedigen Sie und teilen dann Töppen im Namen des nicht genannt sein wollende» Onkels mit, daß nur unter der Bedingung, daß Baron Curt einen anderen Lebenswandel beginnt, das Retlungswerk versucht wird."

Der kluge Doctor Steiner sagte seiner hohen Clientin beste Besorgung deS Auftrages zu und ein seltsames Lächeln spielte um seinen Mund, als er in d-e Festräume zurückkehrte. Wird wohl mehr als ein Reltungswerk da­hinter stecken," dachte Steiner.O, diese Weiberherzen, tief, unergründlich, rätselhaft. Es wird wohl nicht lange dauern, so zieht der ruinierte Töppen als Herr und Gemahl hier ein I"

Der hochherzige Auftrag, den Elisabeth soeben dem Doktor Steiner erteilt, hatte der edlen Dame erst die Gemütsruhe und die Freude an dem schönen Feste zurückgcbracht. Lebte sie doch nun dem Bewußtsein, daß Töp­pen nicht unglücklich und elend zu werden brauchte, wenn er seine gefährliche Leichtlebig­keit ablegtc. Und die bittere Lektion von heute Abend war auch offenbar eine gute Vorbe­reitung für TöppenS Sinnesänderung. In­nerlich sehr befriedigt war auch Elisabeth darüber, als ihr ein Diener meldete, daß Baron Töppen sich entschuldigen lasse, denn

er habe wegen Unwohlseins nach Hause fahren müssen. ES wäre ja auch entsetzlich für Elisabeth gewesen, wenn sie Töppen noch ferner auf dem Feste gesehen hätte.

In befriedigter Stimmung trat sie in den Ballsaal, wo man auf sie wartete, und w» Direktor Riese die Ehre hatte, mir seiner schönen Herrin den Ball zu eröffnen.

Als die Klänge der Polonnaise und des ersten WalzerS verklungen waren, ließ sich Elisabeth vom Direktor Riese in den Hinteren Teil deS Saales geleiten, wo sich eine von Marmorsäulen gezierte Erhöhung befand, von welcher man den Saal sehr bequem übersehen konnte. Dort ließ sich Elisabeth auf einem Sessel nieder, um ein wenig aus­zuruhen und doch auch gleichzeitig den Ueber- blick über den Saal zu haben. Direktor Riese blieb neben seiner Herrin diensteifrig stehen, um vielleicht ihr diesen oder jenen Wunsch zu erfüllen.

Die vornehmen jungen Herren, welche sonst Elisabeth zu umschwärmen pflegten, be­obachteten eine eigenartige ^Zurückhaltung an diesem Abende, die sich nur dadurch er­klären ließ, daß man die reiche Erbin bereits heimlich mit Baron Töppen, der ja seit mehreren Monaten parsonn ^rntissimn auf Schloß Ternau war, verlobt wähnie.

Elisabeth wandte ihre Augen bald dieser, bald jener Gruppe zu, hierin verbindlich grüßend, dorthin schelmisch drohend.

Da fiel ihr Auge auf eine hohe, statt­liche Männergcstalt, die etwas seitwärts von ihrem Sitze an einer Säule lehnte und in melancholisches Träumen versunken zu sein schien. Der Mann hatte ein blasses, wie von Sorgen und Mühen durchfurchtes, aber deshalb gerade ungemein anziehendes ernstes Antlitz.

Diese Männergestalt mußte Jedermann auffallen, und Elisabeth fragte ihren Be­gleiter :

Lieber Riese, wer ist der Herr mit dem bleichen Antlitz, der dort an der Säule lehnt?"

(Fortsetzung folgt.)

Druck und Verlag von Bernhard Hosmann in Wildbad. (Verantwortlicher Redakteur Bernh. Hofmann.)