Die Aüttenkönigin.
Roman aus der Gegenwart v. W. Hogarth.
Nachdruck verboten-
12 .
Sprachlos vor Staunen stand Elisabeth da, als der alte Herr seine Erzählung beendet.
„Was raten Eie mir, in der Angelegenheit zu thun, lieber Riese?" fragte sie dann-
„Nun, was den Obersteiger Leonhard anbetrifft, so denke ich, den lassen wir in seiner Stellung, so lange sie ihm gefällt, und so lange er seine Pflicht und Schuldigkeit lhut. Daß er nebenbei auch Baron Rotheck ist, da« geht uns eigentlich nichts an, und wir haben wohl auch keine Ursache, sein Geheimnis zu lüften."
„In diesem Punkte haben Sie sehr recht, lieber Direktor, aber wer löst mir das Rätsel? Wie kommt Baron Rotheck, ein vornehmer und reicher Cavalier dazu, als ganz gewöhnlicher Bergmann in der Johanna-Grube zu arbeiten und sich in der immerhin für seine Verhältnisse recht mühsamen Stellung eines Obersteigers, die er nun erlangt hat, wohl zu fühlen. Wer löst mir das Rätsel?"
„Ich wage es nicht zu lösen, gnädiges Fräulein," erwiderte leise und mit auffälliger Betonung der alte Direktor, „aber vielleicht finden Sie des Rätsels Lösung selbst I"
Elisabeth errötete leicht bei dieser zarten Anspielung des treuen alte» Dieners und entließ ihn daun freundlich mit der Mahnung, daß dos Geheimnis des Baron- Rothcck zu wahren sei.
Die Eröffnungen des Direktors Niese hatten auf Elisabeth einen sehr tiefe» Eindruck gemacht. Die schwärmerische Neigung, welche sie seit jener mutigen That für den ritterlichen Baron von Töppen empfand und welche nahe daran war, sich in wahre Liebe zu dem Baron umzuwandeln, falls er das entscheidende Wort rechtzeitig gesprochen hätte, begann bei Elisabeth zu erkalten. Sie war zu wenig ein sentimentales Mädchen u. hatte zu viel von der kühl abwägenden Klugheit ihres Vater« geerbt, um taub gegen die Warnungen deS alten treuen Niese zu sein, der sicher nur das Wohl seiner Herrin im Auge hatte. Nein, ein leichtlebiger Cavalier, ein zwar liebenswürdiger, aber dem verschwenderischen, arbeitslosen Leben zugeneigter Edelmann, mochte er auch sonst in dem Rufe eine« GenrlemannS stehen, paßte nicht als Gatte für sie, das sah Elisabeth ein. Das war ja auch der Grund gewesen, weshalb sie seit Jahren die Werbungen so vieler Cavaliere kühl abgcwiesen hatte, und nun sollte sie doch, weil Baron Töppen einen romantischen Reiz auf sic ausübte, dem guten alten Vorsatze untreu werden und einem Cavalier, der offenbar noch leichtlebiger war, als die meisten anderen, ihre Hand reichen? Nein, Vor diesem Gedanken schreckte sie jetzt zurück.
Aber so ganz ließ sich Elisabeths Neigung zu dem ritterlichen und liebenswürdigen Töppen doch nicht gleich aus ihrem Herzen reißen. Und wie würde cs mit dieser Neigung werden, wenn Töppen wieder mit dem Zauber seines ganzen Wesens vor ihr erschien und durch den Glanz seiner äußeren, bestechenden Erscheinung das graue Bild, welches Riese von seinem Leben mit düsteren Farben gemalt hatte, verdeckte?!
Töppen war wohl auch sonst ein guter Mensch und nur ein Kind seines Standes und seiner Erziehung, nicht besser und nicht schlechter als die meisten seiner Standesge- nosscn. Konnte er nicht seine Übeln Angewohnheiten ablegen, dem Sport einschränkeu, die Spieltische meiden und ein fleißiger Arbeiter werden. O, Elisabeth hätte so gern dem Baron alle seine Untugend abgewöhnt. Mit diesen Erwägungen die Sachlage prüfend, beschloß Elisabeth, jedenfalls nicht schroff ablehnend und hart gegen Töppen zu sein und die kommenden Dinge sich ruhig entwickeln zu lassen.
Ein Paar große, blaue, flammende Augen, die nicht dem Baron Töppen angehör- ten, standen jetzt aber auch nicht selten vor Elisabeths Seele. E- waren die Augen des Obersteigers Leonhard, den sie am anderen Tage nach Rieses Enthüllungen ganz unverkennbar als Baron Rocheck erkannt hatte, als sie der Johanna-Grube einen Besuch abstattete. Ja, nun wußte Elisabeth ganz genau, wo sie diese großen, blauen Augen, die ihr schon bei der ersten Vorstellung Leonhards so bekannt vorgekommcn, bereits gesehen hatte. Es war im vorigen Jahre bei dem Bergfeste gewesen, wo ihr der junge damals von Reisen aus Italien zurückkehrende Baron Rotheck vorgestellt worden war und wo sie, schöne Neiseerinnerungen an Venedig, Rom und Neapel, wo sie einst mit ihrem Vater gewesen war, mit dem jungen Baron ausgetauscht hatte. Während de« darauffolgenden Winters hatte Elisabeth den Schloß- Herrn von Rocheck dann noch öfters in der Gesellschaft, in Conzerten und auf Bällen gesehen und sic glaubte sich auch zu erinvern, daß er in vornehmer, zarter, zurückhaltender Weise ein wenig um sie gefreit hatte, aber damals wie der ganze Schwarm der vornehmen, vorzugsweise auf die Baumgarten'- schen Millionen spekulierenden Freier nicht sehr von ihr beachtet und jedenfalls von den übrigen Freiern nicht unterschieden wordcn war.
Dann war Baron Rotheck aus Elisabeth« Gesichtskreis verschwunden und sie hatte ihn als Baron fast ein ganzes Jahr nicht gesehen. War nun diese heimliche Neigung zur BergwerkSindustrie eine seltsame, rätselhafte Schrulle de« Barons oder wollte er einer TageS durch die Mühen und Opfer seines jetzigen Berufe- beweisen, daß er anders sei und anders denke und urteile a'S Elisabeths sämtliche übrigen Freier? Wollte er bei seiner neuen Werbung gleich auch den Beweis Vorbringen, daß er nicht nur um Geld und Gut freie, sondern vorwiegend um Elisabeths Person, mit der er allen Ernstes als Gatte auch die Sorgen und Mühender Leitung des großen Bergwerks- und Hütten- beiriebes der Baumgartcn'schen Besitzung zu teilen entschlossen sei, wenn sie dicSmal seiner Werbung Gehör schenke.
Solche und ähnliche Gedanken legte sich Elisabeths immer und immer wieder vor, sie fand aber nicht die richtige Antwort auf dieselben, denn Baron Rothek blieb unter dem Namen Leonhard ruhig in seiner Stellung als Obersteiger ans der Johanna-Grube, und der Direktor Riese wie auch Elisabeth konnten im Geheimen nicht genug die Arbeitslust und den Pflichteifer des Obersteigers Leonhard bewundern.
(Fortsetzung folgt.)
Vermischtes.
.'. Der alte Schullehrer T. in M. läßt sich nicht verblüffen, auch vor dem Herrn Schulinspektor kommt er nie aus der Fassung. Eines Tages tritt der Gestrenge m das Klassenzimmer deS alten T. und sieht mit Einsetzen, wie letzterer dabei ist, einem seiner Schüler die Weisheit des Lebens in einer so nachdrücklichen Weise beizubringen, wie dies nach den Verfügungen der Schulbehörde einfach nicht erlaubt ist. Zum größten Befremden und Acrgcr seines Vorgesetzten prügelt T. ruhig weiter, als ob der Herr Schulinspektor gar nicht da wäre. Zum Schluß beauftragt er den heulenden Jungen noch, er möge es ja seiner Mutter erzählen ! Natürlich nimmt darauf der Herr Schulinspektor Veranlassung, mit gehobener Stimme dem „Herrn Kollegen" klar zu machen, daß er kein Recht habe, eine solche Exekution an einem Schüler vorzunehmen u. s. w. Die ganze Strafpredigt scheint aber auf unser» T. sehr wenig Eindruck zu machen, und auf die ärgerliche Frage, waö dann geschehen solle, wenn die Mutter sich bei ihm, dem Schulinspektor, beschwere, antwortete T. lakonisch : „RauSschmeißen Herr Schulinsp-k- tor !" — „Nun, und wenn daun der Vater kommt und sich über Sie beschwert?" — „Ach, der kommt nicht, Herr Schulinspektor
— der Vater — bin ich!"
.'. (Schreckliches Gericht.) Ein kurzsichtiger Herr, dem das Gericht, welches ihm zu essen vorgesetzt ist, unbekannt und verdächtig ist, fragt einen hinter ihm Stehenden, den er für den Kellner hält: „WaS ist das?" dieser jedoch, ein Mitglied einer gerade konzertierenden Musikkapelle, denkt, der Herr frage ihn nach der gespielten Mustkpiece u. antwortet: DsS ist Fledermaus, worauf natürlich der Herr schaudernd das Esten stehen läßt.
— Eine Schwiegermutter, etwas leidend, hat den Arzt kommen lassen. Nachdem er ihr den Puls gefühlt, sagte er: „Oeffncn Sic den Mund I O, jdie böse Zunge!" — Der Schwiegersohn leise zum Arzt: „Das beweist nicht im Mindesten, daß sie krank ist."
(Entschuldigt.) Herr: „Schämen Sic sich nicht, so früh am Morgen schon betrunken zu sein!" Bettler: „Erlauben Sie Herr, das ist noch von gestern."
Kurze Kritik.
Schauspieler: „Nun Freund, wie gefiel ich Dir als „Julius Cäsar" gestern; welchen Eindruck hat die ErmordungSscenc auf Dich gemacht?"
Freund: „Den, daß Du den Tod verdient hättest!"
Die goldene Freiheit.
ZuchthauSdireklor: „Schon wieder da, Kellner; Sir haben ja nicht lang'die goldene Freiheit genossen I"
„Sträfling: „Nee, Herr Direktor, mit zwei Uhren da hatten sie mich schon wieder I"
(Bissig.) Herr Wirt, ist Ihr Hund bissig ?
— Nein. — Thut mir sehr leid, sonst könnte er sich mal mit meiner Frau messen.
Merk 's.
Stets Maß zu halten ist beim Wein
Notwendig mir erschienen,
Wer über sich ihn Herr läßt sein,
Dem kann er ja nicht dienen.
Druck und Verlag von Bernhard Hssmann in Wildhad. (Verantwortlicher Redakteur Btrnh. Hofmann.)