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Rundschau.
Stuttgart, 29. Okt. Dem„Schwä bischen Merkur" zufolge beantragt die Finanz- kommission der Kammer der Abgeordneten einstimmig die Annahme der Vorlage über die Erhöhung der Ziviliste.
Stuttgart, 29. Okt. Die Zweite Kammer nahm die Grcnzberichtigung mit Baden, sowie den Bericht des ständischen Ausschusses an.
Bietigheim, 29. Oktober. Beider unter Leitung der Oberamtmanus Reuß von Besigheim heute vorgenommenen Nachwahl zur Besetzung unserer Stadrschultheißenstelle haben von 554 Wahlberechtigten 519 Wähler, d. h. 93,6 Proz., abgcstimmt und ergab dieselbe folgendes Resultat: Es erhielten : Nats- schreiber Metzger 280 Stimmen, GerichtS- nota^iatsajsistent We'gelc 246, Fabrikant Herrlinger 2!9, Abgeordneter Esstch 217, Gemeinderat Nkaicr 112, Bürgerausschuß- Obmann Schmidt 105, G meinderat Clemens 80, Gemeinderat Schuhmacher 77, Ge- meinderat Grimm 75, Posthalter Huß 62 Stimmen.
Oehringen, 20. Okt. Die alte Linde zu Neustadl a. K. ist um einen historischen Moment reicher geworden. Wegen Umbaus der dortige» Kirche wurde am vergangenen Sonntag der Traucrgoltesdienst für den verstorbenen König Karl unter ihren Zweigen abgehaltcn.
Calw, 29. Okt. In der verflossenen Nacht wurde unsere Stadt von einem sehr gefährlichen Brand heimgesucht. Um 9 Uhr abends brach das Feuer im Stalle dcS Gasthauses zum Löwen aus. Zn kurzer Zeit stand das HauS in Hellen Flammen und wurde auch daS gegenüberliegende Heldmaier- sche Haus von dem wütenden Element ergriffen. Für die schnell herbeigeeiltc Feuerwehr konnte es sich nur darum handeln, in dem eng gebauten Stadtteil der weitere» Ausdehnung des Feuers zu wehren, was ihr bei angestrengter, bis zum Morgen andauernder Arbeit auch gelang. Die Feuerwehren von Hirsau, Alzcuberg und Stammheim waren zur Hilfe hcrbcigeeilt. Besonders mißlich war aber auch der Umstand, daß in diesem höchstgel-geneu Punkt der Stadt das Wasser bald zur N-ige ging und dann mühsam von der Nagold uns dem Marktbrun- ncn heraufgeschafl werden mußte, wobei sich auch die Frauen und Mädchen aufs eifrigste beteiligten. Vollständig abgebrannt ist das Gasthaus zum Löwen mit Stall u. Scheune und das Heldmaier'jche Haus, in welchem 4 Familien wohnten, von welchen eine nicht versichert ist. Die Entstehungsursachc ist noch nicht fcstgestcllt.
Ulm, 29. Okt. Heute wurden hier zwei 14jährige Bürschchen, die in vergangener Nacht in einem hiesigen Gasthaus- übernachtet hatten, von der jPolizei angehalten. Dieselben gaben zu, derzSchule und ihren Eltern in Neuburg a. D., deren Kassen sie leichter- gemacht hatten, gestern in der Absicht entlausen zu sein, sich in die Schwweiz zu begeben dieselben werden ihren Angehörigen wieder zugeführt.
Ehingen, 29. Oktober. Nicht durch Unvorsichtigkeit, sondern durch einen Unfall bei der Dreschmaschine fand der 19jährige I. Waller, d-r Sohn und die Stütze einer Witwe, in Rotteuackcr einen jähen Tod. Derselbe wurde durch ein Bretterstück, da« die Maschine auswarf, am Kopf -«rossen, wo
durch ihm die Hirnschale eingcschlagen wurde.
— (Teuere Jagd.) Ein Großhändler hat den Pacht einer in Münchens nächster Umgebung sich befindlichen Gemeindejagd auf- gegeben weil ihm jeder der im abgelaufenen Jahre geschossenen Hasen auf 160 Mark zu stehen kam.
Wurzen , 28. Oktober. Ein Familicn- drama spielte sich gestern in unserer Stadt ab. Vormittags kurz nach 11 Uhr verließ die in der Lindenstraße wohnhafte 44 Jahre alte CigarrenmacherS-Ehefrau Louise Wilhelmine Horn ihre Wohnung, 'lauerte ihr 9 Jahre altes Töchtcrchen, welches um 11 Uhr aus der Schule kam, auf der Straße ab und sprang mit dem Letzteren in der Nähe der Mühlgrabenbrückc in den an dieser Stelle sehr tiefen Mühlgraben. Beide ertranken.
— Aus Oldenburg. 27. Okt., meldet man der Fr. Ztg.: In der Dunkelheit hat ein Eisenbahnzug von Bremen eine» Fabrikarbeiter und ein mit diesem verlobtes Mädchen überfahren und sofort getötet.
— Donnerstag morgen sind auf der Station Marienfelde bei Berlin infolge des heftigen Windes zwei in der Nebenlinie ab- gkstoßene Waggons auf einen im Hauptge- leisc rangierenden Güterzug getrieben und entgleist. Die Bahn nach Dresden ist auf eine Stunde gesperrt. Beide Wagen sind unbedeutend, das Geleise ist gar nicht beschädigt. Personen sind nicht verletzt.
— Ein entsetzliche- Vorkommnis meldet der „Rotth. Anz.": Die schon längere Zeit an Geistesstörung leidende Ehefrau des L. Förster aus Gründen hat ihr dreiviertcl Jahre altes Kind in der Bratpfanne gebraten und Mittags den Leuten zum Schrecken Aller zum Essen vorgesetzt.
Leipzig, 28. Okt. Der Raubmörder Wetzcl, welcher Anfang vorigen Monats den Kaufmann Hirsch in Potsdam ermordet und eine Summe von 6000 gerau'ü hatte, ist hier gestern Abend verhaftet worden. Er hielt sich, bevor er nach hier kam, zuletzt in Chemnitz und Dresden auf. Er hat die That heute früh eingestanden und behauptet, einen Mitschuldigen zu haben, den er aber noch nicht namhaft gemacht hat. Der Verhaftete trug die Uhr mit Kette de« Ermordeten. Abgesehen von den Wertpapieren wurden noch 4000 ^ haare Münze bei ihm vorgefunden. Unter starker Bedeckung wird noch heute seine Ueberführung nach Berlin vor sich gehen.
— Aus Paris schreibt man: lieber die Verheerungen, welche die Ueberschwemmungen im Süden Frankreichs, hauptsächlich in Per- pignau und Umgebung angerichtet haben, treffen immer traurigere Mitteilungen ein. Der größte Teil der Landbevölkerung ist an den Bettelstab gebracht oder zum mindesten auf Jahre hinaus arg betroffen. Minister Constans bereitet einen Gesetzvorschlag vor, wonach für die Bevölkerung der heimge» suchten Gegenden ein unmittelbarer vorläufiger Kredit von einer Million votiert werden soll.
— Tragischer Abschluß einer Hochzeit. Am Sonnabend, den 24. Oktober feierte ein junges, hübsches Mädchen von 17 Jahren in Paris seine Hochzeit mit einem 36 Jahre alten Manne NamenS Lecointre. Während des Hochzeitscssens und des darauf folgenden BalleS war Pauline Menard — so hieß die junge Frau —in anscheinend heiterster Stimmung. Gegen halb zwölf Uhr führte ihre Mutter sie in das Brautgemach. Nach einer
halben Stunde folgte der Ehemann. Er fand seine Frau angekleidct auf dem Bette in fürchterlichen Krämpfen liegen. Sie halte gerade noch Kraft, ihm mitzutcilen, daß sic sich mit Laudanum vergiftet habe, da sie einem anderen Mann, den sie liebe, geschworen habe, sich zu löteu, wenn sie die Gattin des Lecointre werden müsse. Auf d-m Tische lag ein Brief an die Adresse des jungen Ehemannes, in welchem sie um Entschuldigung für ihre traurige That anflehte, sie hätte ihn nicht mit ihren Gefühlen betrügen mögen, da sic ihn für einen guten und ehrenhaften Mann halte. Unter dem furchtbaren Schlage brach Lecointre zusammen und man fürchtet heute für seinen Verstand. Die junge Frau aber deckt schon das Grab.
— Der nach Leith gehörige Dampfer Woodstock sank nach einer Kollision bei Ter- neuzen mit voller Ladung.
— Edelsteinlager, Rubinen und Saphire enthaltend, sollen, wie auS New-Zjork gemeldet wird, in Montana entdeckt worden sein. Die Steine von Montana, die man in New Jork zeigt, haben alle Farbennüancen in Blau, Rot, Gelb und Grün. Die grünen Saphire sind die Seltensten. ES hat sich natürlich sogleich eine Gesellschaft zur Ausbeutung der neuen Edelsteinlager gebildet.
— Die Influenza ist nunmehr über ganz Galazicn verbreitet. In Lemberg weist seit zwei Tagen fast jedes HauS Jnfluepza- krankc auf. In der Bukowina tritt die Epidemie ebenfalls wieder auf. — Au« Hapa- randa werden 9 Grad Kälte gemeldet.
— Wißmann liegt nach der Post gegenwärtig in Kairo krank am Gallensieber darnieder.
Daß die sozialdemokratischen „Jungen", trotz der über sie verhängten großen Excom- munication, den Humor nicht verloren haben, beweist folgender SpotlverS, der von Wildenberger, den übrigen- der Erfurter Ortsausschuß in das Gasthaus „Zum wilden Mann" einquartiert halte, stammen soll und der jetzt in den Kreisen der „Jungen" in Berlin mit schuldiger Andacht gesungen wird:
„Ucb' immer Lirbknccht-Beblichkeit Bis an dein kühles Grab,
Und weiche keiner Singer breit Vom Grillenberger ab."
(Verschnappt.) Fräulein: „Was lachen Sie, Herr Referendar; doch nicht etwa über meinen Gesang?" Herr (verlegen): „Aber ich bitte Sie, darüber wäre doch eher zu weinen I"
— Das Kirchlein des armen Holzhauerdorfes GoldiSthal mitten im Thüringer Wald, welches aus milden Gaben christlicher Nächstenliebe erbaut wird, ist mit Gottes Hülfe in seinem äußern Bau vollendet: ein freundliches, in gothischem Styl erbautes Gotteshaus, so ist's ein würdiges Denkmal einiger, brüderlicher Liebei
Aber nicht ohne schwere Sorgen blickt die Gemeinde in die Zukunft. Zur gänzlichen Vollendung des Baues, welcher die Summe von 26000 Mark erfordert, fehlen noch 6000 Mark, für die Gemeinde unerschwinglich. Darum sendet sie noch einmal ihre Bitte aus: Helft zum Schlußstein des Gotteshauses, um Christi willen und seine« Reiches auf Erden l
Der Schultheiß Carl Elsmann in Goldis- thal bei Oelzc i. Th. wird freundlich helfende Gaben mit Dank in Empfang nehmen und darüber quittieren,