Rundschau.
Stuttgart, 14. Äug. Westen Ablebens der Herzogin Mathilde von Württemberg zu Karlsruhe in Schlesien ist Hoftrauer von heute an auf zwei Wochen, die erste in drit- ter, die Mite in vierter Abstufung der Hof- trauerordnuiist, angcordnet worden.
Heilbronn, 14. Allst. Infolge Genusses von Bier auf Pflaumen ist gestern eine 26 Jahre alte Frau nach einigen Stunden Kranksein unter heftigen Schmerzen gestorben.
Einberg bei Teinach, 13. August. Vorgestern war der Schultheiß dahier mit mehreren Männern beschäftigt bei der Sprengung eines Felsens. Die Sprengladung ging jedoch zu früh los, und erlitt dabei der Schultheiß furchtbare Brandwunden im Gesicht, an den Armen und an der Brust; ein Auge wurde vollständig zerstört. Gestern wurde der unglückliche Mann, welcher fast wahnsinnig vor Schmerzen ist, nach Tübingen gebracht, da das andere Auge auch in großer Gefahr schwebt. An dem Aufkommen des erst vor zwei Jahren verheirateten ManneS wird überhaupt gezweiselt.
Reutlingen, 1 l. August. Die Getreide- Ernte fällt hier über Erwarten gut aus und tst dabei nur noch zu wünschen, daß das Einhcimsen bei guter Witterung geschehen kann. Auch die in Aussicht stehende Oehmd- Ernte fällt reichlich aus. Die Hopfen-Anlagen sind schön und versprechen ebenfalls einen guten Ertrag. Bei den Frühkartoffeln zeigen sich Spuren der alten Krankheit ; doch giebt cs so viele, daß ein etwaiger Ausfall durch die Quantität ersetzt wird. Der Obstertrag ist nicht so groß, als man zur Blütezeit hoffen konnte; es ist nur teilweise gut, im Durchschnitt bloß mittelmäßig. DaS Schmerzenskind ist dieses Jahr wiederum der Wein; die Trauben sind noch weit zurück, auch gibt es im allgemeinen wenig.
— In Pfullingen sind die Erdarbeiten beim Eisenbahnban schon in energisch in Angriff genommen. Ein besonders reges Leben herrscht an der Papierfabrik der Herren Kranß. Dort wirb ein Viadukt über die Landstraße in der Höhe von 4 Meter geführt werden. Vom Bahnhof und Güterschuppen sind die Fundamenlieruiigsarbeitkn beendet.
Balingen, 13. August. Wie gemeldet wird, sind neuerdings Unterhandlungen mit Haigerloch im Gang, um gemeinschaftliche Schritte für Einführung eines direkten Post- kurseS Balingen-Haigerloch zu lhun. Man hofft, daß dieselben nicht ohne Erfolg sein werden.
Geislingen, 10. Aug. Der leidige Brauch, Kinder auf Pferde zu setzen, hat einem 6jährigen Knaben das Leben gekostet. Das Pferd auf welchem derselbe saß, scheute und warf ihn ab. Der Fall brach ihm den Halswirbel, was seinen sofortigen Tod her- beisührte.
— Der kaufmännische Verein in Pforzheim hat sich in seiner letzten Monalssitzung, welcher auch der Präsident und der Sekretär der Handelskammer anwohnten, bezüglich der Sonntagsruhe im kaufmännischen Betriebe mit nahezu Einstimmigkeit für eine in Rücksicht der örtlichen Verhältnisse vorderhand noch foribkstchende zweistündige Sonn- tagsorbcit der Gehilfen und Lehrlinge ausgesprochen. Zugleich wurde aber auch mit Zustimmung des Handelskammerpräsidiums
beschlossen, daß mit der Zeit eine vollständige Sonntagsruhe durchzuführen sei. Ein bezügliches, die Sache betreffendes OrtSstatut soll angestrebt werden.
— Ein scheußliches Verbrechen ist in Breiten verübt worden. Die 15 Jahre alte Dienstmagd Mina Einser von Dürenbüchig, bei Metzgermeister Böckle bcdienstet, erhielt letzthin wegen eines Hausdiebstahls einen strengen Verweis. Um sich zu rächen, gab die Person dem ihr zur Aussicht unterstellten einzigen Kinde der Herrschaft Essigsäure zu trinken, sodaß das arme kleine Wesen innerlich furchtbare Brandwunden erlitt und unter gräßlichen Schmerzen gestern frühverstarb. Die Mörderin, die sofort verhaftet wurde, zeigte nicht die geringste Spur von Reue.
— Aus Stettin, 13. Aug., wird gemeldet : Die Weißsche Cichorienfabrik in Herrenwicse bei Stettin steht in Flammen. Es dürfte wenig zu retten sein.
— „Mein Schatz ist ein Reiter/ sang ein Husar in Potsdam und hob dabei sein Schätzchen Auguste auf sein Pferd. Stolz thronte die Maid auf dem feurigen KriegS- rosse, als dieses plöltzlich scheu wurde und zum Entsetzen AugustcnS und des Soldaten durchging. Das Pferd rannte jmit seiner süßen Last .durch die russische Kolonie die Alleestraße entlang, bis es in der Schulstraße die zu Tode geängstigte Maid, welche sich bis dahin krampfhaft am Halse des Pferdes festklammert hatte, ab und in den Straßcnschmutz warf. — Augustchen hat geschworen, nie wieder ein Pferd zu besteigen, cS fei denn ein Karousselpferd.
— Die in Wien wegen des gewerbsmäßigen DienstmädchenmordeS verhaftete Frau Rosalie Schneider hat am Mittwoch einen Selbstmordversuch begangen, indem sic sich im jPolizeigcfängnis aus dem Abort des dritten Stockwerks in den Hof hinabstürzte; der Sturz wurde jedoch durch einen Dachvorbau aufgehalten und so hat sie zwar schwere, aber nicht lebensgefährliche Verletzungen erhalten. Uebrigens ist dem verbrecherischen Ehepaar bereits cin.neuer Mord mit Sicherheit nachgewiesen.
Posen, 14. August. Die Kaiserin Friedrich spendete dem 2. Leibhusarcnregiment 7000 ^; ein Silbcrgeschenk folgt nach.
— Aus Lissabon meldet man: Die Volksbank ist, wie entd. wurde, um 2 800 000 Milreis bestohlen worden. Als der That Verdächtig wurden drei Angestellte der Bank verhaftet.
Fiume, 12. Aug. Heute vormittag wurde im Golf von Fiume ein riesiger Haifisch im Gewichte von 4000 Kilo gefangen.
New-Uork, 14. Aug. Ein Vrrgügungs- dampfer mit 800 Personen prallte beiLon- gisland infolge eines jplötzlichen Windstoßes an der Brücke an. Die Fahrgästen suchten bei dem Gewitterregen auf dem Verdeck Schutz. Das Verdeck stürzte ei», die Menschen des unteren Verdecks unter den Trümmern begrabend. Unter den Getöteten sind acht Frauen und vier Kinder. Viele Frauen und Kinder sprangen ins Meer. Es ist noch nicht festgestellt, wie viele ertranken. Die Ausflügler waren Angestellte eines Modc- warengeschäfts in Brooklin; meist Deutsche.
Vermischtes. (Erhabenes Bild.) Jnstruktion«- asfijier: , . . . Die Schildwache darf den
ihr anvertrauten Posten unter keiner Bedingung eigenmächtig verlassen. Merkt Euch das, Ihr jungen Leute und nehmt Euch ein Beispiel an dem römischen Krieger in Pompeji, der während des furchtbaren Ausbruchs des Vesuv vor der Wohnung des Kommandeurs Wache stand und von glühendem Aschenregen überschüttet wurde. Mit einer Ausdauer, die ihres Gleichen sucht, blieb der brave Soldat in strammer Haliung auf seinem Posten, bis er endlich siebzehnhundert Jahre später ausgegraben wurde I"
(Das Wichtigste.) Lehmann: „Nee wirklich, Sie waren also in Amerika?" — Reisender: „Jawohl.* — Lehmann: „Haben Sic denn ooch meinen Freund, den ollen Nitschke, jesehcn?" Reisender: „Ich erinnere mich nicht —* Lehmann: „Na, denn sind Sie ooch nich in Amerika jewesen."
(Wozu die Sonne da ist.) Unteroffizier: Slrohmeier, wozu ist die Sonne eigentlich da? Strohmeier: Zum Leuchten. Unteroffizier: Unsinn I Damit sich der Soldat an die Hitze gewöhnt, dazu ist die Sonne da.
— Der „Kalender des Lahrer Hinkenden Boten" stellt sich dieses Mal sehr zeitig ein, doch ist sein Inhalt darum nicht minder reich und vortrefflich. Im vorigen Jahre ist bekanntlich Alber Bürklin, der ausgezeichnete badische Volksschriftstellcr, dessen Beiträge den Kalender auf seine jetzige Höhe erhoben, gestorben, seine Nachfolger werden das Werk im Geiste des Verstorbenen fortführen — daS beweisen sie schon durch den schönen, warmempfundenen Nachruf „Am Grabe Albert Bürklins". Echt volkstümliche Erzählungen des vorliegenden Jahrgangs sind: „Das Steinherz," „Heiners Meisterstück," „Die sieben Schwaben" — der süddeutsche Humor wie die allgemeindeutsche ernste Auffassung de« Lebens kommen darin beide zu ihrem Recht. Als die Krone der diesjähr. Beiträge darf man vielleicht Maximilian Schmidts Humoreske „Der Regimentskadett" bezeichnen. Von den kleineren Sachen sind die beliebten, durch urkomische Illustrationen ausgezeichneten Skizzen „Aus dem dunkeln Weltteil" , zwei tiefempfundene Geschichten von Hermine Villinger, eine Betrachtung von Ludwig Anzengruber, die Gedichte von Adolf Bartels hervorzuheben. Den Beschluß bildet (von der wie immer höchst gelungenen Bearbeitung der Weltbegebenhciten abgesehen) die berühmte Kartoffeltragödie „RiinberJo- romir", die auf vielfach geäußerten Wunsch zum Ergötzen großer und kleiner Kinder Aufnahme gefunden. Dem Hinkenden liegt ein Wandkalender in hübschen Farbendruck bei.
Sehr reichhaltig und vornehm tritt diesmal der Große Volkskalender des Hinkenden Boten (Preis 1 Mark) auf. Er enthält außer den genannten Beiträgen noch eine „amerikanische" Erzählung Von Ball- dnin Möllhansen, treffliche, Zeitprobleme behandelnde novellistische Arbeiten von Zoe Von Neuß und Frida Schanz, endlich außer verschiedenen Humoresken noch eine mit realistischen Mitteln wirkende und darum äußerst lebensvolle Erinnerung an ven Krieg von 1870, sowie ein ergreifendes Lebensbild aus dem modernen Berlin. Beide Kalender bieten in erster Linie gesunde Volkslektüre, werden aber auch höhere Ansprüche vollauf befriedigen. Wir wünschten sie in jedem deutschen Hause zu sehen.
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