Jasmin.
Erzählung aus der Zeit der großen französischen Revolution von C. Warnemann.
Nachdruck verboten.
4.
Es war jetzt im Hause deSPolizei-Com- missars erträglich geworden, und Cousin hütete sich wohl, anzugeben, woher der Wohlstand stamme. Er sah natürlich ein, daß es mit der Muhme eine eigene Bewandnis haben müsse, forschte aber nicht weiter, ging nach wie vor seinen Geschäften nach u. saß
im Uebrigen bei dem Weinkruge.
* *
Jasmin, der geniale Sänger und geistreiche Dichter wohnte nach wie vor, ohne Miele zu zahlen, in einem Oberstübchen des Hauses bei Cousin und oft hörte die Gräfin Jasmins schöne Summe erschallen. Seine frohen Lieder erheiterten nach und nach ihren Trübsinn, so daß sie trotz ihrer großen Her- zenspein wieder lächeln konnte.
Eines Tage- war derVicrtelS-Commissar in's Wirtshaus gegangen, Jasmin sang aber seine schönsten Lieder und schloß mit dem Verse:
„Habe für mein ganzes Leben Mich der Lust allein ergeben!
Ja, die Liebe, Lied und Wein Sollen meine Freunde sein!"
Noch singend trat er in da« Stübchen de« Schusters und Polizei-Commissars, in welchem Gräfin Blanche mit den Kindern saß, da Frau Jeannetle einige Gänge besorgte.
Jasmin hatte sich kurz vor der Gräfin Einzug mit Frau Jcannettcn überworsen und seitdem das Stübchen nicht mehr betreten. Deshalb blieb er staunend in der offenen Thür stehen, und die große Umwandlung, welche sich in der Zwischenzeit in der Wohnung des Schusters vollzogen, anstarrend, blieben ihm die Worte in der Kehle stecken. Wie ein Traumbild blickte er Gräfin Blanche an und stotterte dann:
„Ich wollte-ich meinte — ich
.I«
„Ah," erwiderte die Gräfin freundlich und drehte sich herum, „Sic sind Monsieur Jasmin, nicht wahr?"
„Jawohl, ich bin Jasmin Lachelle, Ihr Diener! Aber Sie — verzeihen Sie — wie kommen Sic hierher?"
„Ei, ich bin Frau Jeanneltens Muhme! Mein Name ist Blanche Cadou I"
„Blanche Cadou heißen Sie ? DaS ist ein schöner Name I" sagte JaSmin lächelnd.
„Finden Sie das?" gab die Gräfin scherzend zurück.
Er trat jetzt ganz hinein in das Stübchen und saS sich das liebliche Frauenbild näher an.
„Bei Apoll I" versicherte er darauf. „Name und Besitzerin desselben wetteifern mit einander um den Preis der Grazien!"
Blanche errötete leicht, denn sie bemerkte, daß auch JaSmin edle Schönheit besaß. Um das Gespräch in andere Bahnen zu leiten, sagte sie:
„Was sangen Sic eben in Ihrem Zimmer aber für ein Lied, Monsieur Jasmin?"
Jetzt war das Erröten an Jasmin.
„Ach," entgegnet« er, „ein unnützigcs Lied, Mademoiselle — Bürgerin Blanche, beachte sic es nicht I"
„Warum singen Sic unnütze Lieder, Bürger Jasmin?" frug die schöne Frau.
Er lächelte, denn gar zu drollig hörte sich au« ihrem Munde das „Bürger Jasmin" an, dann wurde er jedoch schnell wieder ernsthaft und meinte:
„Halten Sie mich um der Götter willen nicht für einen Tagedieb, ich — ich.I"
Sic schüttelte die vollen Locken und erwiderte lächelnd:
„Nein, Mosteur Jasmin, ich weiß von Cousin, daß Sie Dantous Sekretär sind und sehr fleißig arbeiten. — Aber warum sagen Sie nicht um Gottes willen, sondern um der Götter willen? Beten sic auch die Göttin Vernunft an und haben wie die andern den alten lieben Gott auf Halbsold gesetzt?"
Jasmin blickte nachdenklich vor sich nieder und enlgegnete dann sehr ernst:
„Sie reden kühn, Bürgerin, wenn das gewisse Leute hörten — I"
„O, Sic verraten mich nicht!"
Dabei blickte sie ihn fragend an. Jasmin legte sogleich die Hand auf das Herz und sagte:
„Nein, bei — Gott nicht, Bürgerin! Ich bete auch in der Tiefe meines Herzens noch den alten lieben Gott an und sprach nur scherzweise von den Göttern I"
„Gut, so sind wir also Freunde?"
„Sie streckte ihm die kleine Hand entgegen. Er ergriff sie, preßte sic an seine Lippen und floh dann zur Thür hinaus.
An diesem Tage sang Jasmin Lachelle nicht mehr.
Einige Tage später erschien JaSmin wieder im Stübchen des Schusters. Cousin lehnte schläfrig im Lehnstuhle, Muhme Bl., wie die Gräfin jetzt hieß, nähte an einem Kindcrkleidchen und Frau Jeannette ging ab und zu nach der Küche, um nach dem Essen zu sehen. Da trat schüchtern JaSmin ein, legte eine Anzahl Assignaten auf den Tisch und stammelte:
»Frau Jcannette, ein Teil der Miete!"
„Mein Gott," lachte dagegen die Hausfrau, „Bürger Jasmin, Sie fangen ja wohl an, ordentlich zu werden?"
Jasmin errötete und meinte leise:
„Ich will cs versuchen, Frau Jeannettei"
„Das ist gut I Dann erlaube ich Ihnen auch wieder bei uns vorzusprechen I"
Er nahm unbeholfen Platz und starrte Gräfin Blanche an, dann sprang er auf und sagte:
„Sie hatten Recht, Bürgerin, cs ist Unsinn eine Gottheit, die in den Herzen des Menschen lebt und webt, ab- und einsetzen zu wollen, mir scheint, die Republik in Frankreich steht nicht auf allzu festem Grunde, denn sonst hätte sie den Unsinn der Absetzung Gottes nicht dekretiert!"
„Wenn das gewisse Leute hörten, Bürger JaSmin!" erwiderte Blanche und erhob halb lächelnd, halb drohend den Finger, „dann könnte e« ihnen übel ergehen, Bürger Jasmin I"
Er errötete und sagte:
„O spotten Sic nicht, Bürgerin I"
Sie blickte ihn lächelnd an und entgegne« :
„Nein, nein, ich spotte gar nicht I Ich freue wich vielmehr, daß Sie jetzt — andere Lieder singen, Lieder, die wenigstens ernsten herrlichen Sinn in sich schließen I"
„Sind Sie immer so ernst gestimmt?" fragte Jasmin.
„Bei diesen Zeiten und Ereignissen, ja I" Sie seufzte und er schwieg, aber verstohlen glitt sein Auge an ihrer schlanken, schmiegsamen Sylphioengcstalt herab.
Nach einigen Sekunden fragte er wieder: „Sie sind aus der Provinz, Bürgerin Blanche?"
„Ja, Bürger, aus Evrcux I" gab die schöne Dame zur Antwort.
„Und Sie kommen aus gar ländlichen Stille in das ungestüm wogende, gährende Meer von Paris!" frug jetzt Jasmin besorgt.
Frau Jeannettc hustete jetzt verlegen und sagte:
„Wie neugierig Sie sind, Bürger Jasmin ! Die Muhme Blanche verlor Vater und Mutter, Sie sehen doch, daß sie sich noch in Trauer befindet, und da war ich — das einzige Wesen, zu dem sie gehen konnte!" Gräfin Blanche nickte bejahend.
Jasmin machte nur ein trauriges Gesicht und crktärte teilnehmend:
(Fortsetzung folgt.)
Grüße in die Ferne.
Sinnend lenk' ich mein Schritte Durch den Wald dem Fluß' entlang. Meine Sinne schweifen weiter,
Machen einen weiteren Gang.
Meine Sinne und mein Herze Eil'n der lieben Heimat zu. —
Und so gehend und so sinnend,
Find't mein Herz auch seine Ruh'.
Blick' ich auf zum Sternenzelte,
Seh die gold'ne Sternenzahl,
Ei'! sie könnten jeden Abend Grüße bringen dir in's Thal.
Dürften nur durch's Fenster lugen,
Und ausstrahlen ihren Glanz —
Und du Weibchen würdest finden Treue Grüß' von deinem H . . s. j
Auch dem Mond, dem kugelrunden,
Hab' ich Grüße aufgetragen,
An mein Lieb' und ich will sehen,
Ob er auch das wohl wird wagen?
Soll verstohlen durch die grünen Undurchsicht'gen Vorhäng' blicken,
Wenn du ruh'st und soll dir leise Auch ein Bußerl' aufi drücken.
Als den Boten meiner Liebe Sag ich auch der Strahlensonne:
„Gehe hin und küß' mein Liechen Auf die Lipp' mit vollster Wonne!
Laß die warmen Strahlen fallen Auf die beiden Rosenlippen." —
Gute Sonn' ich bin dir neidig Um das aufgctrag'ne Nippen.
Schließlich ist der ganze Himmel Nun in Liebesdienst getreten. —
Und mir bleibt jetzt in der Ferne Weiter nichts als: „Innig beten".
„Herr im Himmel sei mir gnädig,
Und erlöse mich von Schmerzen,
Laß' gesund an Geist und Körper Heimkehr'n mich zum besten Herzen!" Wildbad. 3l. Juli. 1891.
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Ätt»ntw«mlicher Redakteur! Hern dard Hof m»nn.) Druck und Verlag von B.er nhard Ho smann in Mldbad.